TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/19 W195 2124028-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.08.2020
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Entscheidungsdatum

19.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W195 2124028-3/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.05.2019, XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.08.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger aus Bangladesch und der bengalischen Volksgruppe sowie der sunnitischen Religionsgemeinschaft zugehörig, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 04.06.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen verschiedener Einvernahmen brachte der BF im Wesentlichen vor, in seiner Heimat als Sympathisant der Bangladesh Nationalist Party (im Folgenden: BNP) von Mitgliedern der Awami Liga (im Folgenden: AL), welche in der Regierung sei, verfolgt und mit dem Umbringen bedroht worden zu sein. Als politischer Racheakt sei er von Angehörigen der AL fälschlicherweise angezeigt und somit von der Polizei gesucht worden. Bei einer Rückkehr befürchte er, von Angehörigen der AL verschleppt und getötet zu werden.

I.2. Mit Bescheid vom 26.02.2016, XXXX wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) dem Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und setzte gemäß § 55 Abs. 1–3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise des BF mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV.). Dem Fluchtvorbringen wurde, insbesondere aufgrund des Ergebnisses eines Erhebungsersuchens, die Glaubwürdigkeit versagt.

I.3. Eine dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 19.05.2016, XXXX , gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, §§ 55 und 57 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt A) und die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen (Spruchpunkt B). Die Abweisung der Beschwerde hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Asylstatus erfolgte mit der Begründung der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens, insbesondere weil der BF, welcher behauptete, der BNP anzugehören, nach einem Bericht des Vertrauensanwaltes als der politisch gegnerischen Awami League zugehörig erkannt wurde. Ferner wurde umfassend dargetan, warum dem Beschwerdeführer kein subsidiärer Schutz zu gewähren sei. Letztlich wurde begründend dargetan, warum die Ausweisung aus Österreich nach Bangladesch zulässig sei.

I.4. Am 31.08.2016 stellte der BF seinen zweiten und nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu brachte er ihm wesentlichen vor, dass er nun nicht mehr wegen seinen einstigen Fluchtgründen in Bangladesch gesucht werde, sondern diese hätten sich geändert. Der Anwalt in Bangladesch habe seinem Vater gesagt, dass die Polizei noch immer nach ihm suchen würde. Grund hierfür sei jedoch nicht mehr das frühere Problem, sondern er sei wegen Schutzgelderpressung und der Morddrohung gegenüber einer Person angezeigt worden. Alle gegen ihn erstatteten Anzeigen seien falsch und seien nur wegen seiner Mitgliedschaft bei der BNP erfolgt. Der BF brachte mehrere behördliche Schreiben, gemäß seinen Angaben Anzeigebestätigungen, in Vorlage, welche jedoch vom BFA weder einer Übersetzung zugeführt wurden, noch hat sich das Bundesamt sonst in geeigneter Weise mit diesen Unterlagen auseinandergesetzt.

I.5. Mit Bescheid vom 07.11.2016, XXXX , wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz vom 31.08.2016 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.), erteilte dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht, erließ gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt II.) und setzte gem. § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt III.). Festgestellt wurde, dass der BF kein neues glaubwürdiges Fluchtvorbringen erstattet habe und es sei kein Sachverhalt vorgebracht worden, welcher nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens neu entstanden sei. Weiters wurde festgestellt, dass sich der BF erst seit nicht einmal drei Monaten in Österreich aufhalte und eine Abschiebung keinen Eingriff in das Privat- und Familienleben darstelle.

I.6. Mit hg. Beschluss vom 21.03.2017, XXXX wurde der Bescheid vom 07.11.2016 in Erledigung der Beschwerde behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG an das BFA zurückverwiesen (Spruchpunkt A) und die Revision gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen (Spruchpunkt B). Dies wurde insbesondere mit der mangelnden Auseinandersetzung mit vom BF vorgelegten Urkunden begründet. Das BFA habe sie weder einer Übersetzung zugeführt noch sich sonst in geeigneter Weise damit auseinandergesetzt.

I.7. Am 08.01.2019 wurde der BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er soweit wesentlich zu Protokoll, gegen ihn würden in Bangladesch drei Verfahren geführt und es läge eine Anklageschrift vor. Gegen seinen Vater und seinen Bruder gebe es mindestens vier bis fünf davon getrennte Strafverfahren. Der BF habe keinen eigenen Anwalt, ein Familienanwalt kümmere sich um diese Angelegenheiten. Gegen den BF laufe ein Zwangsvollstreckungsverfahren und es sei am 21.05.2018 ein Haftbefehl gegen den BF erlassen worden. Der BF habe bereits alles vorgelegt, er frage sich, wieso er heute schon wieder hiersitze.

Dem BF wurde vorgehalten, dass die vorgelegten Unterlagen einer Überprüfung in Bangladesch zugeführt wurden. Der Vertrauensanwalt habe erhoben, dass ein Teil der vom BF vorgelegten Dokumente gefälscht seien und gegen den BF kein Haftbefehl vorliege noch er polizeilich gesucht würde. Ein anderes Verfahren sei noch im Laufen, aber es gäbe dazu keinen Haftbefehl.

Befragt, was sich in Bezug auf seine Fluchtgründe geändert habe, gab der BF zunächst an, er habe erfahren, dass er von einer Klägerin wegen Schutzgelderpressung angezeigt worden sei. Nach Wiederholung der Frage führte er aus (Sprache im Original): „Ja. Letztes Jahr im Jänner gab es einen Anschlag gegen meinen Vater. 20-22 Täter haben auf meinen Vater 8x auf den Kopf geschlagen. Er war in der Intensivstation. Ich war deshalb sehr besorgt, dass war einer der schlechtesten Tage meines Lebens. Auch meine Schwester wurde verletzt. Es war am 30.01.2018. Es war sogar in der Zeitung. Wir wurden als Parteimitglieder der Awami-League genannt. Derzeit gibt es keine BNP mehr in Bangladesch. Aus Angst gibt man nicht mehr preis, dass man für die BNP ist. Mein Vater ist ein älterer Mann und aufgrund der Anzeigen muss er sich immer versteckt aufhalten. Meine Familie macht sich große Sorgen um mich. Sie sind selbst in Gefahr, da gegen sie Strafverfahren laufen. Zusätzlich haben sie Angst, wenn sie darüber nachdenken, was passieren wird, wenn sie mich an der Hand haben. Anm: AW legt einen Zeitungsausschnitt vor.“ Die Familie des BF sei zur Polizei gegangen und habe Anzeige erstattet. Als das Verfahren zum obersten Gericht gegangen sei, hätten die Gegner der Familie des BF eine Kaution bezahlt, „somit“ sei die Anzeige „stillgelegt“ worden, sie sei „noch nicht ganz gelöscht“. Im Gegenzug hätten die Gegner der Familie des BF Anzeige erstattet, woraufhin sein Vater und sein Bruder verhaftet worden seien. Nach zwei bis drei Tagen sei sein Vater auf Kaution entlassen worden, sein Bruder erst nach sieben bis acht tagen, auch auf Kaution. Der BF stamme aus einer Familie, die sehr mächtig gewesen sei, wegen der jetzigen Regierung sei dies aber nicht mehr der Fall.

Als der BF seinen negativen Bescheid bekommen habe, hätte er seine Familie kontaktiert. Daraufhin seien vier bis fünf Strafverfahren gegen den BF eingeleitet worden. Befragt, von wem konkret er bedroht worden sei, führte er aus (Fehler in Original): „A: Damals gab es das Haus des Präsidenten der Jubo-League, welches 1,5 km von unserem Haus entfernt war. Entschuldigung 0,5 km. Anm: Frage wird wiederholt. A: Durch ihn wurden die Anzeigen gegen mich erstattet. Auch wenn es offene Verfahren gab, sagte er den anderen sie sollen meinen Namen zusätzlich erwähnen. Der S.I. (Anm: Position eines Polizisten) hat mich als Täter Nr 7 bei einer Anzeige beschuldigt, angeblich habe ich auf der Straße auf einen Bus gewartet, wo ich die Reisenden überfallen hätte wollen. Befragt gebe ich an, dass ich auch diese Anzeige vorgelegt habe.“

Aufgefordert, all seine Fluchtgründe zu schildern, führte der BF aus, am 28.07.2017 sei beim Gericht XXXX Klage eingebracht worden. Der BF sei als Zweitbeschuldigter beschuldigt worden, Schutzgeld erpresst zu haben. Am 14.07.2017 sei er von Klägern in der Polizeistation XXXX als Täter Nummer sieben beschuldigt worden. Es habe einen Haftbefehl und eine „Pfändungsexekution“, die der BF vorgelegt hat, gegeben, welche der BF vorgelegt habe. Bei diesem Strafverfahren werde der BF beschuldigt, auf der Straße auf einen Bus gewartet zu haben um diesen zu überfallen. Außerdem werde gesagt, dass der BF bewaffnet gewesen wäre. Bei der Anzeige sei der BF namentlich nicht erwähnt worden, als es zu einer Klagsschrift gekommen sei, sei der BF dann erwähnt worden. Außerdem sei am 21.05.2017 ein Haftbefehl gegen den BF erlassen worden.

Befragt, was weiters vorgefallen sei, gab der BF an (sprachliche Unzulänglichkeiten im Original): „Ich glaube das Datum habe ich vergessen, kann ich nachsehen. Am 25.01.2018, nein am 25.05.2018 wurde ein Haftbefehl bezüglich dieses Strafverfahren eingeleitet. Entschuldigung es war am 21.05.2017. 2017 oder 2018, es war 2018.“ Am 02.11.2012 sei eine „Pfändungsexekukion“ eingeleitet worden. Das habe er alles vorgelegt. Weiters sei am 07.12.2017 ein Strafverfahren von dem Kläger XXXX beim Gericht XXXX eingeleitet worden. Der BF hätte dem Herrn Schutzgeld abgepresst, er hätte 100.000 Taka erpressen wollen und ihm mit dem Tod gedroht. Das Verfahren sei derzeit stillgelegt, sobald der BF nach Bangladesch komme, werde das Verfahren wiederaufgenommen.

Der BF sei Mitglied der Bangladesh Jatiobadi Jubo-Dal, einem Zweig der BNP. Er gehe auch auf Demonstrationen, die vor dem Vienna International Center stattfänden. Das sei auf Facebook und auf einer Onlineseite veröffentlicht worden.

Der BF sei seit 2007 Mitglied der Partei. Die Aufgabe des BF sei es gewesen, die Partei zu stärken. Es seien regelmäßig Komitees gegründet worden, das seien seine Aufgaben gewesen. Er habe die Mitglieder zu den Komitees einladen müssen. Er habe dabei über die Partei gesprochen, die Liebe für seine Partei geweckt. Sie hätten natürlich auch Feiertage der Partei gefeiert. Konkret nach den Feiertagen befragt, gab der BF zunächst zu Protokoll: „Bei den Veranstaltungen haben wir Reden gehalten, wir sprachen über unsere Partei und welche Ziele unsere Partei hat, wie wir diese in der Realität umsetzen können, was wir alles für unsere Partei und unser Land tun werden, wenn wir an der Macht sind.“ Nach Wiederholung der Frage gab er an, am 16.12. sei der Siegestag, am 26.03. der Unabhängigkeitstag, am 21.02. der Tag, an dem die Partei gewonnen hätten, dass sie Bangla sprächen (Sprachtag). Es gebe verschiedene Veranstaltungen der Partei. Meetings und Komitees. Die Einwohner dazu zu motivieren, der Partei beizutreten. Konkret nach dem Parteiprogramm befragt, gab der BF zu Protokoll: „Die Unabhängigkeit, Unversehrtheit und Souveränität des Landes. Es gibt 19 Ziele in unserem Parteiprogramm. Diese Punkte haben wir auch immer versucht, in unseren Veranstaltungen zu besprechen und weiterzugeben. Die Anhänger der Gegenpartei möchten dies verhindern, weil sie Angst hat, dass wir mächtiger werden und so die eigene Partei in die Brüche geht. Deshalb werden falsche Anzeigen und Strafverfahren gegen die Parteianhänger der BNP eingeleitet.“ Der BF schrieb die 19 Ziele auf und dies wurde als Beilage ./2 zum Akt genommen.

Im Falle einer Rückkehr erwarte den BF nichts anderes als der Tod. Sein Vater, der 75 Jahre alt sei, sei von 22 Tätern achtmal auf den Kopf geschlagen worden. Er habe fünf Tage auf der Intensivstation um sein Leben gekämpft. Man könne sich vorstellen, was den BF als jüngsten Sohn erwarte. Sein Bruder sei Gott sei Dank an dem Tag nicht zuhause gewesen. Der BF wolle sich gar nicht vorstellen, was sie mit ihm anstellen könnten. Als junger Mann werde er gefoltert und getötet.

Wenn man in Bangladesch lebe, brauche man für alles einen Strafregisterauszug und eine Votar-ID. Ohne diese zwei Dinge könne man in Bangladesch nichts anfangen. In Bangladesch gebe es schon das digitale System, man könne jederzeit herausfinden, wer wo lebe. Also sei es nicht möglich, sich in Bangladesch aufzuhalten. Der BF wolle ein geschütztes Leben in Österreich.

I.8. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 27.05.2019, XXXX wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

I.9. Mit Schriftsatz vom 25.06.2019 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des – durch XXXX Rechtsanwälte in Wien, vertretenen – BF wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten.

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes wurde dabei zusammengefasst begründend ausgeführt, die Ausführungen des BFA seien nicht nachvollziehbar, zumal im Fluchtvorbringen keine Widersprüche erkennbar seien. Mit näherer Begründung moniert die Beschwerde, dass die vom BFA eingeholte Anfragebeantwortung unschlüssig sei. Hinsichtlich der vorgelegten Urkunden habe das BFA die Durchführung eine Echtheitsüberprüfung unterlassen, im Zuge derer es erkannt hätte, dass die Urkunden echt seien.

Betreffend das Privat- und Familienleben führt die Beschwerde aus, dass der BF seit Juni 2013 durchgehend im Bundesgebiet sei. Er gehe in Österreich einer legalen Beschäftigung nach und sei sozial und kulturell integriert. Er sei beim XXXX seit Oktober 2014 Mitglied. Er verfüge über gute Deutschkenntnisse und habe die Deutschprüfung Niveau A2 erfolgreich bestanden. Darüber hinaus sei der BF Mitglied der XXXX und der XXXX . Der BF erziele ein Einkommen iHv € 200,– monatlich und verfüge über eine Einstellungszusage. Der Beschäftigungsbewilligung sei zu entnehmen, dass der BF für den Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels ein Einkommen iHv € 1.056,– erzielen werde. Der BF verfüge über einen breiten Freundeskreis. Er sei verwaltungsstrafrechtlich und gerichtlich unbescholten.

Es wurden die Anträge gestellt, den Bescheid zu beheben und dem BF Asyl bzw. subsidiären Schutz zu erteilen, in eventu, den Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung an das BFA zurückzuverweisen, in eventu, dem BF den Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung Plus“ zu erteilen, sowie eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen.

I.10. Mit Schreiben vom 04.07.2019 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.11. Mit der Ladung zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem BF das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 06.08.2020 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

I.12. Am 06.08.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Anfänglich legte der BF verschiedenste Dokumente vor, die den Integrationsfortschritt des BF (Gehaltsabrechnung, Vereinstätigkeit, Deutschkursbestätigung, gemeinnützige Tätigkeit, Empfehlungsschreiben, arbeitsrechtlicher Vorvertrag, etc) belegen sollten.

Der BF hat regelmäßigen Kontakt zu seiner Familie in Bangladesch, welche durchaus wohlhabend ist und Grundstücke besitzt.

Der BF besitzt Grundstücke in Bangladesch, welche verpachtet sind und Erträge abwerfen.

In Österreich lebt der BF von der staatlichen Grundversorgung und Gelegenheitsarbeiten in einer Shisha-Bar (€ 200 monatlich).

Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

Der BF hat keine Verwandten in Österreich, keine Kinder und auch keine Beziehung-

Eine Konversation in deutscher Sprache ist mit dem BF möglich. Der Sprachwortschatz ist ausreichend, die Antworten erfolgen nicht immer in vollen Sätzen. Der BF hat ein Deutsch-Zertifikat in A2.

Der BF arbeitet geringfügig (ca. € 200/Monat) in einer Shisha-bar und möchte selber einmal eine Shisha-bar führen. Er trifft dort Freunde. Er betreibt Sport und unterstützt Vereine ( XXXX etc). Der BF legte einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag vor.

Der BF betonte eingangs der Verhandlung, dass er sich in Österreich bei der BNP politisch engagiert: „Wenn politische Meetings abgehalten werden, nehme ich an diesen ebenso teil. Es gibt hier in Österreich eine österreich-bengalische Gesellschaft, diese organisiert kulturelle Veranstaltungen. Ich besuche diese Veranstaltungen. Ich bin auch in Österreich Mitglied der BNP. Die Mitgliedsbestätigung habe ich vorgelegt.“ (BVwG VS Seite 7). Demgegenüber gab der BF – auf die Frage des sehr bemühten Rechtsvertreters, wann der BF seinen letzten politischen Post auf Facebook getätigt hat – an: „Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber nach dem Jahr 2017 habe ich derartiges nicht mehr gepostet, da ich tatsächlich nicht mehr an der Politik in Bangladesch interessiert bin. Ich möchte hier ein soziales Leben führen, ein friedliches. Warum sollte ich mir das Leben aufgrund der Politik erschweren?“ (BVwG VS Seite 15).

Er habe vor der UNO-City in Wien demonstriert, als die Regierungschefin von Bangladesch in Österreich (Ende Mai 2017) war und „einige Sachen“ auf Facebook gepostet. Daraufhin sei das Familienhaus in Bangladesch mit Steinen beworfen und das Haustor beschädigt worden. Der BF habe zwischen 1000 und 1400 „follower“ auf Facebook.

Nachgefragt, welche politische Funktion des BF hatte, gab er an, dass er „allgemeines Mitglied“ der BNP war. Er besaß keine „Votarcard“, welche für die Teilnahme an Wahlen erforderlich ist.

Der BF halte sich seit 04.06.2013 durchgehend in Österreich auf. Befragt, ob er die österreichischen Gesetze, Normen und gerichtlichen Entscheidungen respektiere, bemühte sich der BF darzustellen, dass er diese selbstverständlich respektiere. Nachgefragt, warum er nicht die rechtskräftige Entscheidung des BVwG vom 19.05.2016, XXXX welche dem BF einen asylrechtlichen Aufenthalt absprach, zur Kenntnis nehme, meinte der BF: „Als ich den negativen Bescheid erhielt, rief ich in Bangladesch an und sagte, dass ich die Absicht habe, zurückzukehren, da ich hier kein Recht mehr habe zu leben. Meine Familie sagte mir, dass ich auf keinen Fall zurückkehren soll, da sonst ein heftiger Anschlag oder der Tod auf mich wartet. Ich dachte mir, was ich nun tun kann. Also sprach ich mit Leuten, welche in diesem Land seit Jahren leben und sich auskennen. Sie sagten mir, dass ich das Recht habe, einen zweiten Asylantrag zu stellen. Also ging ich erneut einen zweiten Antrag stellen.“

Während der Verhandlung vor dem BVwG erläuterte der BF, dass derzeit drei Verfahren gegen ihn in Bangladesch liefen: Eines seit dem 28.07.2017 (nach der Verhandlung vom sehr engagierten Rechtsanwalt mittels Schriftsatz korrigiert auf das Jahr 2016), das zweite Verfahren seit dem 14.07.2017 sowie ein Verfahren seit dem 07.12.2017.

Das Verfahren vom 28.07.2016 beträfe eine angebliche Schutzgelderpressung, das vom 14.07.2017 einen Einbruch und ebenfalls eine Schutzgelderpressung sowie das Verfahren vom 07.12.2017 eine Schutzgelderpressung und die Androhung der Zerstörung einer Hühnerfarm.

Der BF bestätigte, dass er das Bundesgebiet seit 2013 nicht verlassen habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali (Vorakt 9).

Der BF ist im Ort XXXX geboren und aufgewachsen (Vorakt 9) und er hat auch zuletzt dort gelebt (Vorakt 13). Er hat in seinem Heimatland für zehn Jahre Grundschule und Hauptschule besucht (Vorakt 9) und vor seiner Ausreise aus Bangladesch in einem für ein halbes Jahr Arzneigeschäft als Verkäufer gearbeitet (Vorakt 11). Danach habe er nicht mehr gearbeitet, weil sie genügend Grundstücke hatten.

Der BF ist ledig (AS 421) und hat keine Kinder. In Bangladesch halten sich die Eltern, ein Bruder sowie sechs Tanten des BF auf (AS 421).

Der BF ist im Juni 2013 nicht legal in das Bundesgebiet eingereist. Er ist in die staatliche Grundversorgung einbezogen. Nebenher arbeitet er in einer Shisha Bar, womit er monatlich € 200,– ins Verdienen bringt (AS 427, 437, 608 ff.). Er ist Mitglied der XXXX (AS 606) und der XXXX (AS 607). Der BF hat zahlreiche Empfehlungsschreiben in Vorlage gebracht (AS 616 ff.).

Der BF verfügt über geringe Deutschkenntnisse, hat jedoch ein A2-Deutschzertifikat vorgelegt (AS 597). Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

Der BF befindet sich seit 2013 ohne Unterbrechung im Bundesgebiet.

I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Das BVwG geht in der Beurteilung der Beschwerde vom bereits rechtskräftig festgestellten Sachverhalt in der Entscheidung des BVwG vom 19.05.2016 aus. Demzufolge war, nach einer Recherche des Vertrauensanwaltes der Republik Österreich der BF (und Teile seiner Familie) Unterstützer des regionalen Vorsitzenden des Jubo League, einem Zweig der Awami League, und nahm aktiv an Treffen und Umzügen, die vom Vorsitzenden des Jubo League arrangiert wurden, teil. Tatsächlich wird der BF (und seine Familie) von vielen Personen im Heimatort als die „Terroristen des Vorsitzenden der Jubo League“ bezeichnet, die in der Ortschaft des BF eine Art Willkürherrschaft führen.

Festgestellt wird, dass der BF die rechtskräftige Entscheidung des BVwG aus dem Jahr 2016 nicht befolgte und damit keinen Respekt gegenüber der Rechtsordnung der Republik Österreich zeigte.

Trotz der Feststellungen im rechtskräftigen Erkenntnis des BVwG vom 19.05.2016 bezeichnet der BF die Awami League als seinen politischen Gegner. Er behauptet im gegenständlichen Verfahren einfaches Mitglied der politisch gegnerischen BNP zu sein. Diese Behauptung ist unter dem Gesichtspunkt des früheren, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens – trotz einer Mitgliedsbestätigung zur BNP aus Österreich vom 07.11.2018 – schlichtweg unglaubwürdig. Die Mitgliedsbestätigung zur BNP aus Österreich umfasst nicht den Zeitraum des Aufenthaltes in Bangladesch. Diese Mitgliedsbestätigung ist nicht glaubwürdig, da der BF selbst in der Verhandlung vor dem BVwG angab, seit (zumindest Mitte) 2017 nicht mehr an der Politik in Bangladesch interessiert zu sein.

Es wird festgestellt, dass der BF keine „Votarcard“ besessen hat, welche zur Stimmabgabe bei Wahlen in Bangladesch erforderlich ist.

Es kann somit eine konkrete, aus politischen Gründen motivierte Verfolgung des BF in Bangladesch nicht festgestellt werden.

Das Vorbringen des BF, dass aus politischen Gründen gegen ihn drei Verfahren anhängig sind, ist komplett unglaubwürdig. Dies gründet sich schon daraus, dass der BF drei gegen ihn bestehende Verfahren vorbringt, von denen zwei Verfahren erst nach seinem Asylantrag vom 31.08.2016 eingeleitet worden seien.

Auf Grund der (nochmaligen) Einschaltung des Vertrauensanwaltes ergibt sich, dass zumindest ein Verfahren gegen den BF nicht bestätigt werden kann, ein Verfahren hingegen als existent anzusehen ist, dieses sich jedoch nicht in einem Entscheidungsstadium befindet. Ein Haftbefehl liegt nicht vor. Eine „politische“ Motivation zu diesem Verfahren kann nicht erkannt werden. Dazu kommt, dass für den seit 2013 im Bundesgebiet aufhältigen BF eine behaupteter maßen falsche Anzeige wegen Schutzgelderpressung im Jahr 2017 nicht schwer zu entkräften sein kann.

Der BF konnte nicht glaubhaft darlegen, dass das laufende Verfahren gegen ihn aus politischen Gründen motiviert ist.

Dies ergibt sich aus daraus, dass der BF selbst in der Verhandlung vor dem BVwG ausführte, dass er seit Ende Mai 2017 nicht mehr am politischen Geschehen in Bangladesch interessiert ist und er seit diesem Zeitpunkt nicht mehr auf Facebook gepostet hat.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF Probleme mit Angehörigen der AL gehabt hätte; dies wäre auch unter dem Aspekt, dass der BF als Unterstützer (und „Terrorist“ für den örtlichen Jubo Dal –Chef, einem Zweig der AL) gilt, unwahrscheinlich.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF - aus politischen Gründen - fälschlich angezeigt worden wäre und dass gegen den BF ein Strafverfahren (ob eingestellt oder offen) in Bangladesch anhängig wären.

Im Falle einer Rückkehr kann sich der BF allfälligen Behelligungen durch eine Niederlassung in anderen Landesteilen entziehen.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

Politische Lage:

Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People' s Republic of Bangladesh / Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 12.2018a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 21.2.2019) leben etwa 159 bis 165 Millionen Einwohner (CIA 21.2.2019; vgl. GIZ 1.2019, AA 12.2018a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtest besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 12.2018a).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 12.2018; vgl. GIZ 12.2018a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 12.2018a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 12.2018) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 27.10.2017; vgl. GIZ 12.2018). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 12.2018a). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der Übergangsregierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 12.2018).

Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die „Awami League“ (AL) und „Bangladesh Nationalist Party“ (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 12.2018). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 1.2018).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 12.2018a; vgl. ÖB 12.2018). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).

Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Von Oktober bis Anfang Dezember 2018 fanden wiederholt Fälle willkürlicher Verhaftungen und Inhaftierungen von Demonstranten und politischen Oppositionellen sowie von Gewalttaten und Einschüchterungen durch Mitglieder der Studenten- und Jugendabteilung der Regierungspartei statt. (HRW 13.12.2018). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Am Wahltag wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

2014 trat die BNP aus Protest gegen Verfahrensfehler bei der Organisation der Wahlen nicht zur Wahl an und forderte die Bevölkerung, ihre eigenen Parteimitglieder und Wähler zu einem Generalstreik (Hartal) auf. Eine der wichtigsten BNP-Vertreter der Opposition war und ist die ehemalige Premierministerin und amtierende BNP-Parteivorsitzende Khaleda Zia. Sie wurde im Februar 2018 wegen Veruntreuung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt (GIZ 12.2018a) und durfte bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nicht als Kandidatin antreten (DT 8.12.2018). Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 12.2018a).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten war (GIZ 12.2018a) und bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nur sechs Mandate erzielen konnte (BI 31.12.2018; vgl. DS 10.1.2019).

Durch Verfassungsänderung von Juni 1988 wurde der Islam zur Staatsreligion erklärt, bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen. Auch Säkularismus ist Staatsprinzip und genießt Verfassungsrang (AA 27.10.2017). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Gesetzesinitiativen schränken den Spielraum der Zivilgesellschaft weiter ein. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren. Die Prozesse und (häufig Todes-) Urteile öffnen alte Wunden und führen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen säkularen und islamistischen Kräften (AA 12.2018).

Bei den am 30.12.2015 in 234 Stadtbezirken durchgeführten Kommunalwahlen in Bangladesch ist die regierende AL in 176 Bezirken als Siegerin hervorgegangen (NETZ 2.1.2016). Die kommenden Kommunalwahlen werden an fünf verschiedenen Wahltagen zwischen 10.3. und 18.6.2019 stattfinden (bdnews24 3.2.2019). Am ersten Wahltermin wurden in den 78 Upazilas eine geringe Wahlbeteiligung beobachtet. Die Wahl wird von der BNP und einigen anderen Parteien boykottiert (DS 10.3.2019).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralstaatlich: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 501 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), 4.876 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (AA 12.2018; vgl. ÖB 12.2018). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 12.2018).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (12.2018): Bangladesch – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 7.3.2019

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl– und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).

?        BBC (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 7.3.2019

?        bdnews24 (3.2.2019): 87 Upazila councils go to election on Mar 10 in first phase, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/02/03/87-upazila-councils-go-to-election-on-mar-10-in-first-phase, Zugriff 7.3.2019

?        BI - Bangla Insider (31.12.2018): final results of 11th parliamentary elction of Bangladesh 2018, https://en.banglainsider.com/bangladesh/4469/FINAL-RESULTS-OF-11th-PARLIAMENTARY-ELECTION-OF-BANGLADESH-2018, Zugriff 3.1.2019

?        BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019

?        DS – Daily Star, the (10.1.2019): BNP's Sattar bags B'baria-2, https://www.thedailystar.net/bangladesh-national-election-2018/bangladesh-re-election-3-centres-brahmanbaria-2-constituency-going-peacefully-1685053, Zugriff 11.3.2019

?        DS – Daily Star, the (10.3.2019): First phase upazila polls end, counting starts, https://www.thedailystar.net/country/news/election-78-upazilas-begins-1712992, Zugriff 11.3.2019

?        DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls,https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 11.3.2019

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?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2019): Bangladesch – Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 11.3.2019

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?        ÖB DEL – Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

?        Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 7.3.2019

?        RW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokument/1454483.html, Zugriff 7.3.2019

?        WPR – World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2019, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 7.3.2019

Sicherheitslage:

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere Awami League und die Bangladesch National Party, ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018; vgl. FH 1.2018). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Politische Auseinandersetzungen werden von allen Lagern – mit einem teilweise massiven Aufgebot an Menschen und unter Rekrutierung von Studenten- und Jugendorganisationen - auf der Straße ausgetragen (AA 27.10.2017). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKHO 28.2.2019).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Im März 2017 kam es zu drei Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 14.12.2018, vgl. USDOS 20.4.2018).

Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 20.4.2018; vgl. AI 22.2.2017; AA 27.10.2017). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z. B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. In vielen Fällen wird den Sicherheitsbehörden vorgeworfen, nicht oder zu spät reagiert zu haben, vereinzelt sogar an Gewaltakten aktiv teilgenommen zu haben (AA 27.10.2017).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019; UKHO 28.2.2019). Im Juni 2017 griff eine aufgebrachte Menschenmenge indigene Bewohner der Stadt Langadu im Bezirk Rangamati Hill an und tötete dabei mindestens eine Person. Außerdem wurden Hunderte Häuser niedergebrannt. Berichten zufolge unternahmen Polizisten und Soldaten nichts, um die indigenen Bewohner zu schützen (AI 23.5.2018). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Division Chittagong, hat es zuletzt in bzw. in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Am 21. Februar 2019 wurden dabei auch ausländische Journalisten angegriffen (AA 25.2.2019).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKHO 28.2.2019).

In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 25.2.2019). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 27.10.2017). Die Kriminalität hat ist hoch, insbesondere Raubüberfälle (BMEIA 14.12.2018).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (25.2.2019): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 27.2.2019

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl– und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).

?        ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019

?        AI – Amnesty International (23.5.2018): Bangladesch 2017/18, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/bangladesch, Zugriff 5.3.2019

?        BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (14.12.2018): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 6.3.2019

?        FH – Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

?        UKHO – UK Home Office (28.2.2019): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 6.3.2019

?        USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019

Rechtsschutz/Justizwesen:

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof. Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen „Common Law“. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem „High Court“, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem „Appellate Court“, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 12.2018).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 12.2018). Gemäß einer Verfassungsänderung hat das Parlament seit 2014 das Recht, oberste Richter abzusetzen (USDOS 20.4.2018).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze („Public Safety Act“, „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, “Women and Children Repression Prevention Act”, „Special Powers Act“) wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese „Speedy Trial“ Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren ca. 200 Personen zum Tode verurteilt (ÖB 12.2018).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 12.2018). Gerichtsverfahren sind durch eine überlange Verfahrensdauer geprägt, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommt es zu Zeugenbeeinflussung und Einschüchterung von Opfern (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 1.2018). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 9.1.2019).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese „Gerichte“ eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftliche Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 12.2018).

Quellen:

?        FH – Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019

?        FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (9.1.2019): Joint statement [by AHRC - Asian Human Rights Commission; ANFREL - Asian Network for Free Elections; GNDEM - Global Network of Domestic Election Monitors; FIDH - International Federation for Human Rights; CMEV - Centre for Monitoring Election Violence, Sri Lanka] on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 6.3.2019

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

?        USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019

Sicherheitsbehörden:

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit und Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitsbehörden. Die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen; sie werden aber nicht immer angewandt (USDOS 20.4.2018).

Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 27.10.2017). Misstrauen gegenüber der Polizei und anderen Sicherheitsdiensten hält viele Bürger davon ab, Unterstützung zu suchen oder Verbrechen anzuzeigen. Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. Die Polizei hat Regeln für angemessene Gewaltausübung in ihre Grundausbildung einbezogen, um bürgernahe Polizeiarbeit umsetzen zu können (USDOS 20.4.2018). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 12.2018).

Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme ohne Angabe von Gründen ist für bis zu 30 Tagen zur Verhinderung von Taten, die die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden, erlaubt. Die Arretierten haben kein Recht auf einen Verteidiger. Die hauptsächlich Betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben. Nach wie vor problematisch ist auch die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Gegenwärtig geht man von über 2 Millionen ausständigen Zivil- und Strafverfahren aus (ÖB 12.2018).

Die Sicherheitskräfte lassen Personen weiterhin routinemäßig „verschwinden“. Bei den Opfern handelte es sich zumeist um Anhänger der Opposition. Folter und andere Misshandlungen waren noch immer weit verbreitet, die Behörden gingen entsprechenden Anzeigen jedoch nur selten nach (AI 23.5.2018; siehe auch Abschnitt 6.). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben (AA 27.10.2017).

Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten „Bangladesch Police“, die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung (ÖB 12.2018):

Rapid Action Batallions (RABs): Es gibt 14 RABs mit insgesamt ca. 8.500 Mann, die ebenfalls dem Innenministerium unterstellt sind. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen. Die RABs sind hauptsächlich in urbanen Zentren stationiert, rekrutieren sich hauptsächlich aus Polizei und Armee, sind gut ausgebildet und mit moderner Ausrüstung versehen (ÖB 12.2018; vgl. RAB o.D.). Ihnen werden schwere menschenrechtliche Verstöße wie z. B. extralegale Tötungen zugeschrieben (AA 27.10.2017). Die RABs verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete „Gang“-Mitglieder, was zu zahlreichen Toten durch Schießereien führt. Sie werden auch bei Demonstrationen eingesetzt, wobei exzessive Gewalt, Gummigeschosse aber auch scharfe Munition gegen Demonstranten zum Einsatz kam, welche wiederholt Todesopfer forderten. Es kam trotz zahlreicher Verhaftungen noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen gegen Mitglieder der RABs (ÖB 12.2018). Trotz Vorwürfen von Verstößen, einschließlich einer Audioaufzeichnung einer außergerichtlichen Hinrichtung durch Mitglieder des RAB, haben die Behörden es versäumt, die Verantwortlichen auszuforschen und zu verfolgen (HRW 17.1.2019).

Bangladesh Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leichtbewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB 12.2018).

Bangladesh Rifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Home Ministry, wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BDRs sind auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB 12.2018).

Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weibliches „Platoon“ à 32 Personen geben, die der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der zivilen Behörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen dienen sollen. In Städten gibt es analog dazu sog. Town Defence Parties (ÖB 12.2018).

Special Branch of Police (SB) ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist mit der Spionageabwehr betraut. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren (AA 27.10.2017).

Die Zivilbehörden haben eine effektive Kontrolle über das Militär und die Regierung verfügt über die notwendigen Mechanismen, um Missbrauch und Korruption zu ahnden. Allerdings macht sie hiervon immer weniger Gebrauch. Faktisch hat der Sicherheitsapparat ein Eigenleben entwickelt, das kaum mehr von der Regierung kontrolliert wird (AA 27.10.2017).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl– und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).

?        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002245.html, Zugriff 7.3.2019

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

?        RAB – Rapid Action Battalion Bangladesh (o.D.): Contact Us, http://www.rab.gov.bd/english/contact-us/, Zugriff 11..2019

?        USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019

Korruption:

Korruption ist in Bangladesch weit verbreitet und hat alle Teile der Gesellschaft durchdrungen (AA 27.10.2017; vgl. LIFOS 25.2.2019). Der Vorsitzende der Antikorruptionsbehörde, Iqbal Mahmood, wird mit den Worten zitiert, die Korruption habe ein solches Ausmaß erreicht, dass er ratlos sei, wie er sie reduzieren könne (AA 27.10.2017). Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegte Bangladesch im Jahr 2018 den 149. Platz unter 180 untersuchten Staaten, das ist eine Verschlechterung von sechs Plätzen im Vergleich zum Jahr 2017 (143/180) (TI 29.1.2019).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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