TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/21 W279 2211754-2

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Veröffentlicht am 21.08.2020
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Entscheidungsdatum

21.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W279 2211754-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.02.2020, Zl. 1154481809/191160245, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.07.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 30.05.2015 einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz. Dabei brachte er vor, dass seine Eltern seit acht Jahren verschollen seien. Seine Schwester sei nach wie vor in Afghanistan wohnhaft. Sein Bruder habe Asyl in Österreich erhalten.

2. Im Rahmen der Einvernahme durch die belangte Behörde am 23.10.2018 gab der BF an, dass er Dari, Paschtu und ein bisschen Deutsch beherrsche. Es gehe ihm gesundheitlich gut und er nehme Tabletten gegen eine Erkältung ein. Auf Aufforderung, anzugeben, unter welchen Lebensumständen er aufgewachsen sei, erklärte der BF, dass er keine Schule besucht habe. Er sei bis 2009 in Afghanistan geblieben und im selben Jahr nach Pakistan gezogen. Nach drei Monaten habe es eine Überschwemmung gegeben und habe seine Eltern mitgerissen. Nach einem dreimonatigen Krankenhausaufenthalt habe er in weiterer Folge sechs Jahre bei seinem Onkel in Pakistan gewohnt und den Lebensunterhalt durch den Verkauf von Plastiktüten bestritten. Im Jahr 2016 sei der BF gemeinsam mit seinem Onkel nach Afghanistan abgeschoben worden und er habe sich nach einem dreimonatigen Aufenthalt nach Europa begeben. Die Frage, ob er über eine konkrete Berufsausbildung verfüge, wurde vom BF verneint. Befragt, wieso er gerade nach Österreich eingereist sei, erwiderte der BF, dass sich im Bundesgebiet sein Bruder aufhalte. Auf Nachfrage, wann seine Eltern beschlossen hätten, Afghanistan zu verlassen, führte der BF an, dass sein Vater im Jahr 2009 entschieden habe, das Land zu verlassen. Befragt, welche Angehörigen der Kernfamilie noch in seiner Heimat in Afghanistan leben würden, entgegnete der BF, dass er nur einen Onkel im Herkunftsstaat gehabt habe. Nachgefragt, aus welchen Gründen seine Eltern im Jahr 2009 Afghanistan verlassen hätten, gab der BF zu Protokoll, dass Mitarbeiter der Regierung seinem Vater unterstellt hätten, ein Mitglied der Taliban zu sein. Auf die Frage, was sein Vater beruflich gemacht habe, replizierte der BF, dass dieser Mullah gewesen sei und das Gebet eröffnet habe. In Pakistan sei dieser in einem Lebensmittelgeschäft tätig gewesen. Die Frage, ob sein Vater ein Mitglied der Taliban gewesen sei, wurde vom BF verneint. Bei einer Rückkehr nach Mazar e-Sharif würde er von der Regierung festgenommen worden. Die weitere Frage, ob zu seinem Bruder eine besondere Beziehungsintensität oder ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis bestehe, wurde vom BF verneint. Sein Bruder habe bei der VOEST Alpine gearbeitet, beabsichtige nunmehr jedoch eine Erwerbstätigkeit in Bregenz zu finden. Zur Frage, ob er selbst in Österreich Kurse besuche, brachte der BF vor, dass er gerade einen Deutschkurs auf dem Niveau B1 besuche und A1 sowie A2 bereits abgeschlossen habe. Die Fragen, ob er im Bundesgebiet einer Erwerbstätigkeit nachgehe oder sich um eine Tätigkeit bemüht habe, wurde vom BF verneint. In seiner Freizeit spiele der BF Fußball, ansonsten besuche er einen Deutschkurs. Er sei in keinem Verein aktiv tätig, gehe keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nach und sei in Österreich noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom BF eine Aufenthaltsberechtigungskarte vom Bruder, eine Teilnahmebescheinigung vom 26.03.2018 über die Teilnahme am Lehrgang „Bildung für junge Flüchtlinge“ vom 11.01.2018 bis zum 26.03.2018, ein Zertifikat vom 03.07.2018 über eine bestandene Prüfung auf dem Niveau A1, eine Teilnahmebestätigung vom 28.11.2017 über die Teilnahme am Kurs/Seminar „Alphabetisierung für Personen ohne Deutschkenntnisse 1/1- Anfängerinnen“ vom 26.09.2017 bis zum 28.11.2017, eine Teilnahmebescheinigung vom 20.04.2018 über den Besuch der Bildungslehrveranstaltung „Deutsch A1 Teil 1“ vom 03.04.2018 bis 20.04.2018, eine Teilnahmebescheinigung vom 16.05.2018 über den Besuch der Bildungslehrveranstaltung „Deutsch A1 Teil 2“ vom 23.04.2018 bis zum 16.05.2018, mehrere Anmeldebestätigungen zur Teilnahme an Bildungsveranstaltungen am BFI XXXX und ein Foto in Vorlage gebracht.

3. Mit Bescheid vom 08.11.2018, 1154481809/170644487, wies die belangte Behörde unter Spruchpunkt I. den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab. Unter Spruchpunkt II. wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Unter Spruchpunkt III. wurde dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 leg. cit. bis zum 08.11.2019 erteilt.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Umstand, dass der BF minderjährig sei, derzeit ein Rückkehrhindernis darstelle. Ein Standortwechsel in eine andere Provinz Afghanistans sei dem BF derzeit aufgrund seiner Minderjährigkeit nicht zumutbar. Daher sei dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen.

4. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides der belangten Behörde vom 08.11.2018 (Abweisung des Antrags im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten) wurde mit Schriftsatz vom 07.12.2018 Beschwerde erhoben.

5. Mit 07.10.2019 datiertem Antrag begehrte der BF die Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung. Dem Antrag wurden mehrere Abrechnungsbelege der „Facility Services GmBH“ für den Zeitraum Mai bis Juli 2019 angeschlossen.

6. Am 03.12.2019 wurde der BF von der belangten Behörde im Hinblick auf die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten niederschriftlich einvernommen. Der BF gab an, dass er keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen könne. Die Fragen, ob sich noch

Angehörige in seinem Heimatland befinden würden, wurde vom BF verneint. Befragt, wovon er derzeit seinen Lebensunterhalt bestreite, erwiderte der BF, dass er bereits gearbeitet habe, aber derzeit auf Arbeitssuche sei. In Österreich habe er familiäre Anknüpfungspunkte in Form seines Bruders, bei dem er gewohnt habe. Er habe derzeit keinen Kontakt mehr mit diesem und sei in einer WG wohnhaft. Zur Frage, welche Schul-und Berufsausbildung er absolviert habe, gab der BF an, dass er nur im Deutschkurs bis zum Niveau A2 gewesen sei und diesbezügliche Prüfungen absolviert habe. Auf Nachfrage, ob er derzeit berufstätig sei oder sich um eine Arbeitsstelle beworben habe, führte der BF an, dass er bei der Forma ISS gearbeitet habe und seine Tätigkeit nach seinem Krankenstand dort erneut aufnehmen könne. Auf die Frage, welcher Erwerbstätigkeit er bislang nachgekommen sei, erklärte der BF, dass er bei ISS Dinge repariert habe. Aktuell lebe er von Ersparnissen sowie der Mindestsicherung. Befragt, wie er in Österreich seine Freizeit gestalte und auf die weitere Frage, ob er über soziale Bindungen zu Österreich verfüge, replizierte der BF, dass er aktuell nicht ehrenamtlich oder in einem Verein tätig sei. Die Frage, ob er in Österreich von einem Gericht verurteilt worden sei oder mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sei, wurde vom BF verneint.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom BF ein Endbefund eines Labors vom 10.01.2019 sowie vom 15.02.2019, ein Notfallambulanzbefund eines Ordensklinikums vom 27.06.2019 mit der Diagnose „chronisch entzündliche Darmerkrankung“ und einer empfohlenen Medikation, ein Endoskopie-Befund eines Ordensklinikums vom 09.08.2019 mit der Diagnose „Unauffällige Koloskopie bei Colon elongatum“, eine Teilnahmebestätigung vom 28.11.2017 über die Teilnahme am Kurs/Seminar „Alphabetisierung für Personen ohne Deutschkenntnisse 1/1- Anfängerinnen“ vom 26.09.2017 bis zum 28.11.2017, eine Anmeldebestätigung des BFI XXXX vom 09.03.2018 zu einem Deutschkurs A1 Teil 2, eine Teilnahmebescheinigung des BFI XXXX vom 26.03.2018 über die Teilnahme am Lehrgang „Bildung für junge Flüchtlinge“ vom 11.01.2018 bis zum 26.03.2018, eine Anmeldebestätigung des BFI XXXX vom 20.04.2018, eine Teilnahmebescheinigung des BFI XXXX vom 16.05.2018 über den Besuch der Bildungsveranstaltung „Deutsch A1 Teil 2“ in der Zeit vom 23.04.2018 bis 16.05.2018, ein Zertifikat vom 03.07.2018 über ein bestandenes „ÖSD Zertifikat A1“, eine Teilnahmebescheinigung vom 21.09.2018 über den Besuch des Kurses „Deutsch B1-Teil 1“ vom 03.09.2018 bis 21.09.2018 und eine Teilnahmebescheinigung des BFI XXXX vom 08.11.2018 über den Besuch der Bildungsveranstaltung „Deutsch B1- Teil 2“ in Vorlage gebracht.

7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13.02.2020, Zl. 1154481809/191160245, wurde dem BF der zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG), von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und die mit Bescheid vom 08.11.2018, Zl. 1154481809/170644487, erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen. Sein Antrag vom 07.10.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde abgewiesen. (Spruchpunkt II.) Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen wird (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt wird, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Weiters wurde festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde ausgeführt, dass sich die subjektive Lage des BF im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt dahingehend geändert habe, dass er nunmehr volljährig sei, sich selbstständig um einen Arbeitsplatz bemüht habe und somit mehr Berufserfahrung sammeln habe können. Zudem habe er sich selbstständig um eine Wohnung bemühen können und somit einhergehend einen Zuwachs an Lebenserfahrungen sammeln können, sodass er nun auch auf sich alleine gestellt seinen Lebensunterhalt im Herkunftsstaat bestreiten habe können. Wie sich schließlich erkennen lasse, habe der BF zwischenzeitlich eine völlig geänderte subjektive Situation im Falle einer Rückkehr zu erwarten, umso mehr der BF zum Zeitpunkt der Schutzgewährung im Jahr 2018 noch eine Person gewesen sei, der man aufgrund ihrer Minderjährigkeit die Rückkehr nach Afghanistan nicht zumuten habe können. Zuletzt sei der BF bis zum 06.09.2019 bei der Firma „ XXXX Personaldienste GmbH“ angestellt gewesen und habe sich selbstständig in einer Wohnungsgemeinschaft einmieten können, sodass es ihm freilich zuzumuten sei, mit seiner (neu) gewonnen Lebenserfahrung auch in Afghanistan zu leben.

8. Der BF erhob mittels seines nunmehrigen Rechtsvertreters gegen den oben genannten Bescheid fristgerecht die gegenständliche Beschwerde, in der insbesondere ausgeführt wurde, dass die Behörde ihren Ermittlungspflichten nicht in ausreichenden Maße nachgekommen sei und das Verfahren deshalb mit Mangelhaftigkeit belastet habe. Die belangte Behörde habe im belangten Bescheid entgegen richtlinienkonformer Interpretation eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt hätten, nicht dargelegt. Das Bundesamt sei seiner Begründungspflicht gegenständlich in keinster Weise nachgekommen. Konkrete Feststellungen zu den maßgeblichen Änderungen auf Sachverhaltsebene sowie eine vergleichende Darstellung des Sachverhaltes, der ursprünglich zur Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten und zur einmaligen Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung geführt hätten, würden gänzlich fehlen. Hinsichtlich der nunmehrigen Volljährigkeit des BF sei anzumerken, dass das Erreichen eines bestimmten Lebensjahres nicht automatisch eine solche maßgebliche Änderung des Sachverhalts darstelle, dass dies allein zur Aberkennung ausreichen würde. Da wie dargelegt eine Änderung der individuellen Gefährdungsprofile des BF nicht vorliege und auch eine maßgebliche Änderung der allgemeinen Sicherheits-und Versorgungslage zu Lasten der BF nicht festgestellt werden könne, seien die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG nicht erfüllt. Der BF sei um seine Integration stets bemüht gewesen. Er habe Deutsch gelernt, sich in Österreich ein soziales Umfeld aufgebaut und Arbeit gefunden. Er habe zudem einen Bruder in Österreich, mit dem er zusammenwohne. Eine Rückkehrentscheidung im Fall des BF würde daher einen unzulässigen Eingriff in sein Recht auf Achtung des auf Achtung des Privat-und Familienlebens darstellen und gegen Art. 8 EMRK verstoßen.

9. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.07.2020 brachte der Beschwerdeführer nach Erläuterung des bisherigen Akteninhaltes im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari auf richterliche Befragung im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass er derzeit bei einer Firma als Hilfsarbeiter tätig sei und Blumen sowie Hecken schneide. Er halte sich bereits seit 2017 in Österreich auf und sei 19 Jahre alt.

Zu seiner Herkunft befragt, führte der BF an, dass er Paschtune und sunnitischer Moslem sei. Auf Nachfrage, in welchen Ländern er bisher gewohnt habe, entgegnete der BF, dass er in Afghanistan in der Stadt Jalalabad, Provinz Nangarhar, geboren sei und im Alter von acht Jahren nach Pakistan gezogen sei. Anschließend sei er erneut nach Afghanistan gezogen, um 2016 endgültig auszureisen. Befragt, wie lange er in Pakistan gelebt habe, erklärte der BF, dass er dort von 2009 bis 2016 angesiedelt gewesen sei. Zur Frage, weshalb er Afghanistan verlassen habe und nach Pakistan gegangen sei, gab der BF zu Protokoll, dass sein Vater Mullah gewesen sei und im Zuge seiner Tätigkeit auch andere Mullahs empfangen habe und aufgrund den Angaben eines Spions für die afghanische Regierung verdächtig gewesen sei, mit den Taliban zu kollaborieren. Da der Vater des BF zahlreiche Male bedroht worden sei, sei die Familie des BF nach Pakistan geflüchtet. Befragt, wieso er nach Afghanistan zurückgekehrt sei, brachte der BF vor, dass seine Unterkunft in einem Flüchtlingscamp bei einem Hochwasser gänzlich zerstört worden sei und nach einem Spitalsaufenthalt bei seinem Onkel gelebt habe. Er habe nicht gewusst, ob sein Vater noch am Leben sei. Sein Onkel habe für den BF eine Tazkira beantragt und ihm den Schulbesuch ermöglichen wollen. Nach einer Woche habe die afghanische Regierung von seiner Rückkehr erfahren und sich über den Verbleib seines Vaters erkundigt. Da sie dem BF nicht geglaubt hätten, dass er nicht über dessen Aufenthaltsort informiert sei und nicht einmal wisse, ob er noch am Leben sei, hätten sie ihn zusammengeschlagen. Nachdem er seinem Onkel vom erwähnten Vorfall berichtet habe, habe dieser seinen Bruder verständigt und der BF sei in weiterer Folge aus Afghanistan ausgereist.

Nachgefragt, wie lange er sich das zweite Mal in Afghanistan aufgehalten habe, gab der BF an, dass er dies nicht wisse. Die Schule habe er lediglich eine Woche besucht, in Pakistan sei er nicht zur Schule gegangen. Er könne nur in deutscher Sprache lesen und schreiben. Auf die Frage, ob er in Pakistan gearbeitet habe, erklärte der BF, dass er manchmal Plastiksäcke verkauft habe. Zur Frage, wo sich seine Geschwister aufhalten würden, entgegnete der BF, dass sein Bruder in Österreich wohnhaft sei und er den Aufenthaltsort seiner Schwester nicht kenne. Sein Bruder sei bei der West AG beschäftigt und baue Metallträger für Gebäude. Der BF selbst sei in der Produktion von Autobatterien tätig gewesen und habe zuvor auch Sitzplätze für Traktoren sowie die Verkabelung gebaut. Die Fragen, ob er in Österreich straffällig geworden sei oder eine Freundin habe, wurden vom BF verneint. Befragt, wie oft er mit seiner Familie in Kontakt stehe, führte der BF an, dass er einen Bruder im Bundesgebiet habe und ansonsten keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte aufweisen könne. Auf die Frage seines Vertreters, was die Polizei seinen Vater gefragt habe und weshalb sie ihn verdächtigt hätten, für die Taliban tätig zu sein, entgegnete der BF, dass er beschuldigt worden sei, enge Verbindungen zu den Taliban zu haben.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden vom BF ein Arbeitsvertrag einer Gärtnerei vom 04.05.2020 über die vorgesehene Verwendung als Hilfsarbeiter und eine Lohn- /Gehaltsabrechnung vom Mai und Juni 2020 in Vorlage gebracht.

10. In einer Stellungnahme zu den Länderinformationen Afghanistan vom 27.07.2020 wurde vom bevollmächtigten Vertreter des BF ausgeführt, dass der ursprünglich geplante Lockdown aufgrund der COVID Krise in Afghanistan um weitere drei Monate verlängert worden sei. Es sei daher in Hinblick auf die Quellenlage davon auszugehen, dass Reisen innerhalb Afghanistans derzeit nicht möglich seien. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Stadt Herat sicher erreichbar sei. Zudem sei es einer ACCORD Anfragebeantwortung zufolge in der Stadt insbesondere Ende 2019/Anfang 2020 zu einem massiven Anstieg an krimineller Gewalt gekommen. Zugang zu Grundversorgung sei sehr eingeschränkt und es fehle an angemessenen Zugang zu Wasser und Sanitäranlagen. Zudem würden die Zustände unterhalb des humanitären Mindeststandards liegen. UNHCR halte in einem Bericht fest, dass insbesondere RückkehrerInnen aus Europa hinsichtlich ihrer Wahrnehmung durch die lokale Gesellschaft mit Problemen konfrontiert seien. Der BF sei als Kind mit seinen Eltern nach Pakistan geflüchtet, habe seine Eltern verloren und in Folge sechs Jahre bei seinem Onkel in Pakistan gelebt. Der BF habe keine Schule besucht und verfüge über keine Berufsausbildung. Der BF habe niemanden mehr in Afghanistan und könne somit auf kein soziales und familiäres Netzwerk zurückgreifen. Ohne Netzwerk wäre er nicht fähig, eine Arbeit zu finden und hätte ohne finanzielle Ressourcen auch keinen Zugang zu entsprechenden Wohnraum.

11. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 29.07.2020 wurde vom bevollmächtigten Vertreter des BF ausgeführt, dass das genaue Ausmaß der COVID 19 Krise in Afghanistan unbekannt sei. Es werde daher die Einholung eines länderkundigen Sachverständigen für Afghanistan wie Friederike Stahlmann beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Dari.

Der BF stammt aus der Provinz Nangarhar, Afghanistan und hat dort mit seinen Eltern in einem Haus zusammengelebt. Der BF hat Afghanistan im Alter von acht Jahren mit seinen Eltern und seiner Schwester sowie seinem Bruder verlassen, ist im Jahre 2016 mit seinem Onkel wieder in den Herkunftsstaat zurückgekehrt und hat Afghanistan in weiterer Folge nach einem dreimonatigen Aufenthalt wieder verlassen. Der BF war vor seiner Ausreise nach Österreich als Hilfsarbeiter tätig und hat weder im Heimatland noch in Pakistan eine Schul- oder Berufsausbildung abgeschlossen. Er hat in Pakistan seinen Lebensunterhalt durch den gelegentlichen Verkauf von Plastiksäcken verdient. Der Aufenthaltsort der Eltern des BF ist unbekannt.

Dem BF wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 08.11.2018, 1154481809/170644487, aufgrund seiner Minderjährigkeit der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine Aufenthaltsberechtigung bis zum 08.11.2019 erteilt. Am 07.10.2019 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung. Der BF wurde im Jahr 2019 volljährig.

Der BF hat in Österreich zahlreiche Deutschkurse besucht und eine ÖSD Prüfung auf dem Niveau A1 absolviert. Der BF war im Bundesgebiet als Arbeiter für die „ XXXX Facility Services GmBH“, für die XXXX Personaldienste GmbH“ sowie die „ XXXX GmbH“ und die „ XXXX Personaldienstleistung GmbH& Co KG“ in der Produktion von Autobatterien, der Herstellung von Sitzplätzen für Traktoren sowie der Verkabelung tätig und ist seit dem 05.05.2020 als Hilfsarbeiter in einer Gärtnerei beschäftigt.

Der BF hat in Österreich einen Bruder, mit dem er in einer Wohnung zusammenlebt und ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF ist 19 Jahre junger, gesunder, arbeits- und selbsterhaltungsfähiger Mann. Er war 2019 wegen einer chronischen Darmerkrankung in medizinischer Behandlung. Im Hinblick auf die Pandemie zum Corana-Virus SARS-CoV2 (COVID -19) ist festzuhalten, dass der BF ein 19 Jahre junger Mann ohne schwerwiegender Erkrankung ist, womit er nicht unter die Risikogruppe der älteren Personen und der Personen mit einschlägigen Vorerkrankungen fällt. Ein bei einer Überstellung des BF nach Afghanistan vorliegendes „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK ist somit auch diesbezüglich nicht erkennbar.

Der BF unterliegt keiner asylrelevanten Verfolgung in Afghanistan.

1.2. Zur Rückkehr des BF nach Afghanistan

Eine Rückkehr des BF in seine Heimatprovinz Nangarhar ist nicht möglich.

Dem volljährigen BF steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung. Der BF hat bis zu seiner Ausreise in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat nicht gelebt. Der BF kann Mazar-e Sharif oder Herat-Stadt von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug auf Grund der vorhandenen internationalen Flughäfen erreichen.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des BF nach Mazar-e Sharif oder Herat-Stadt ausschließen, liegen nicht vor.

Es wird dem Verfahren zugrunde gelegt, dass die Zuerkennung des subsidiären Schutzes alleine auf die Minderjährigkeit des BF gestützt wurde.

Der BF ist mit den kulturellen Gepflogenheiten und der Sprache seines Herkunftsstaates vertraut und verfügt über Kenntnisse in Dari in Wort und Schrift.

Der BF liefe im Falle einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif oder Herat-Stadt nicht maßgeblich Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er ist in der Lage, in Mazar-e Sharif oder in Herat-Stadt eine einfache Unterkunft zu finden bzw. am Erwerbsleben teilzunehmen.

Dem Verfahren wird nicht zugrunde gelegt, dass der BF in Afghanistan keine familiären Anknüpfungspunkte mehr hat. Die Schwester des BF hat in Nangarhar geheiratet.

Im Übrigen besteht für den BF die Möglichkeit finanzielle Unterstützung in Form einer Rückkehrhilfe zu erhalten, die den BF beim Aufbau einer ersten Existenzgrundlage insbesondere in Mazar - e -Sharif oder in Herat Stadt unterstützen kann.

Der volljährige BF ist gesund, mobil, anpassungsfähig, befindet sich im erwerbsfähigen Alter und ist auch erwerbsfähig. Der BF hat in Österreich bereits für mehrere Firmen als Hilfsarbeiter gearbeitet und eine ähnliche Tätigkeit kann dieser auch in Afghanistan finden und auch ausüben und sich damit durch Eigeninitiative seine Existenzgrundlage selbst erwirtschaften.

Das BFA hat zu Recht erkannt, dass der BF somit aufgrund von wesentlichen und nachhaltigen persönlichen Veränderungen als auch aufgrund der aktuellen Lage in Afghanistan nunmehr nicht mehr eines subsidiären Schutzes in Österreich bedarf.

1.3 Zur Situation in Afghanistan:

1.4.    Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Länderspezifische Anmerkungen

COVID-19:

Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

Berichten zufolge, haben sich mehr als 30.000 Menschen in Afghanistan mit COVID-19 angesteckt (WP 25.5.2020; vgl. JHU 26.6.2020), mehr als 670 sind daran gestorben. Dem Gesundheitsministerium zufolge, liegen die tatsächlichen Zahlen viel höher; auch bestünde dem Ministerium zufolge die Möglichkeit, dass in den kommenden Monaten landesweit bis zu 26 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert werden könnten, womit die Zahl der Todesopfer 100.000 übersteigen könnte. Die COVID-19 Testraten sind extrem niedrig in Afghanistan: weniger als 0,2% der Bevölkerung – rund 64.900 Menschen von geschätzten 37,6 Millionen Einwohnern – wurden bis jetzt auf COVID-19 getestet (WP 25.6.2020).

In vier der 34 Provinzen Afghanistans – Nangahar, Ghazni, Logar und Kunduz – hat sich unter den Sicherheitskräften COVID-19 ausgebreitet. In manchen Einheiten wird eine Infektionsrate von 60-90% vermutet. Dadurch steht weniger Personal bei Operationen und/oder zur Aufnahme des Dienstes auf Außenposten zur Verfügung (WP 25.6.2020).

In Afghanistan sind landesweit derzeit Mobilität, soziale und geschäftliche Aktivitäten sowie Regierungsdienste eingeschränkt. In den größeren Städten wie z.B. Kabul, Kandahar, Mazar-e Sharif, Jalalabad, Parwan usw. wird auf diese Maßnahmen stärker geachtet und dementsprechend kontrolliert. Verboten sind zudem auch Großveranstaltungen – Regierungsveranstaltungen, Hochzeitsfeiern, Sportveranstaltungen – bei denen mehr als zehn Personen zusammenkommen würden (RA KBL 19.6.2020). In der Öffentlichkeit ist die Bevölkerung verpflichtet einen Nasen-Mund-Schutz zu tragen (AJ 8.6.2020).

Wirksame Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von COVID-19 scheinen derzeit auf keiner Ebene möglich zu sein: der afghanischen Regierung zufolge, lebt 52% der Bevölkerung in Armut, während 45% in Ernährungsunsicherheit lebt (AF 24.6.2020). Dem Lockdown folge zu leisten, "social distancing" zu betreiben und zuhause zu bleiben ist daher für viele keine Option, da viele Afghan/innen arbeiten müssen, um ihre Familien versorgen zu können (AJ 8.6.2020).

Gesellschaftliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Auswirkungen

In Kabul, hat sich aus der COVID-19-Krise heraus ein "Solidaritätsprogramm" entwickelt, welches später in anderen Provinzen repliziert wurde. Eine afghanische Tageszeitung rief Hausbesitzer dazu auf, jenen ihrer Mieter/innen, die Miete zu reduzieren oder zu erlassen, die aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht arbeiten konnten. Viele Hausbesitzer folgten dem Aufruf (AF 24.6.2020).

Bei der Spendenaktion „Kocha Ba Kocha“ kamen junge Freiwillige zusammen, um auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu reagieren, indem sie Spenden für bedürftige Familien sammelten und ihnen kostenlos Nahrungsmittel zur Verfügung stellten. In einem weiteren Fall startete eine Privatbank eine Spendenkampagne, durch die 10.000 Haushalte in Kabul und andere Provinzen monatlich mit Lebensmitteln versorgt wurden. Außerdem initiierte die afghanische Regierung das sogenannte „kostenlose Brot“-Programm; bei dem bedürftige Familien – ausgewählt durch Gemeindeälteste – rund einen Monat lang mit kostenlosem Brot versorgt werden (AF 24.6.2020). In dem mehrphasigen Projekt, erhält täglich jede Person innerhalb einer Familie zwei Stück des traditionellen Brots, von einer Bäckerei in der Nähe ihres Wohnortes (TN 15.6.2020). Die Regierung kündigte kürzlich an, das Programm um einen weiteren Monat zu verlängern (AF 24.6.2020; vgl. TN 15.6.2020). Beispielsweise beklagten sich bedürftige Familien in der Provinz Jawzjan über Korruption im Rahmen dieses Projektes (TN 20.5.2020).

Weitere Maßnahmen der afghanischen Regierung

Schulen und Universitäten sind nach aktuellem Stand bis September 2020 geschlossen (AJ 8.6.2020; vgl. RA KBL 19.6.2020). Über Fernlernprogramme, via Internet, Radio und Fernsehen soll der traditionelle Unterricht im Klassenzimmer vorerst weiterhin ersetzen werden (AJ 8.6.2020). Fernlehre funktioniert jedoch nur bei wenigen Studierenden. Zum Einen können sich viele Familien weder Internet noch die dafür benötigten Geräte leisten und zum Anderem schränkt eine hohe Analphabetenzahl unter den Eltern in Afghanistan diese dabei ein, ihren Kindern beim Lernen behilflich sein zu können (HRW 18.6.2020).

Die großen Reisebeschränkungen wurden mittlerweile aufgehoben; die Bevölkerung kann nun in alle Provinzen reisen(RA KBL 19.6.2020). Afghanistan hat mit 24.6.2020 den internationalen Flugverkehr mit einem Turkish Airlines-Flug von Kabul nach Istanbul wiederaufgenommen; wobei der Flugplan aufgrund von Restriktionen auf vier Flüge pro Woche beschränkt wird (AnA 24.6.2020). Emirates, eine staatliche Fluglinie der Vereinigten Arabischen Emirate, hat mit 25.6.2020 Flüge zwischen Afghanistan und Dubai wiederaufgenommen (AnA 24.6.2020; vgl. GN 9.6.2020). Zwei afghanische Fluggesellschaften Ariana Airlines und der lokale private Betreiber Kam Air haben ebenso Flüge ins Ausland wiederaufgenommen (AnA 24.6.2020). Bei Reisen mit dem Flugzeug sind grundlegende COVID-19-Schutzmaßnahmen erforderlich (RA KBL 19.6.2020). Wird hingegen die Reise mit dem Auto angetreten, so sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Zwischen den Städten Afghanistans verkehren Busse. Grundlegende Schutzmaßnahmen nach COVID-19 werden von der Regierung zwar empfohlen – manchmal werden diese nicht vollständig umgesetzt (RA KBL 19.6.2020).

Seit 1.1.2020 beträgt die Anzahl zurückgekehrter Personen aus dem Iran und Pakistan: 339.742; 337.871 Personen aus dem Iran (247.082 spontane Rückkehrer/innen und 90.789 wurden abgeschoben) und 1.871 Personen aus Pakistan (1.805 spontane Rückkehrer/innen und 66 Personen wurden abgeschoben) (UNHCR 20.6.2020).

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus Pakistan

Die Grenze zu Pakistan war fast drei Monate lang aufgrund der COVID-19-Pandemie gesperrt. Mit 22.6.2020 erhielt Pakistan an drei Grenzübergängen erste Exporte aus Afghanistan: frisches Obst und Gemüse wurde über die Grenzübergänge Torkham, Chaman und Ghulam Khan nach Pakistan exportiert. Im Hinblick auf COVID-19 wurden Standardarbeitsanweisungen (SOPs – standard operating procedures) für den grenzüberschreitenden Handel angewandt (XI 23.6.2020). Der bilaterale Handel soll an sechs Tagen der Woche betrieben werden, während an Samstagen diese Grenzübergänge für Fußgänger reserviert sind (XI 23.6.2020; vgl. UNHCR 20.6.2020); in der Praxis wurde der Fußgängerverkehr jedoch häufiger zugelassen (UNHCR 20.6.2020).

Pakistanischen Behörden zufolge waren die zwei Grenzübergänge Torkham und Chaman auf Ansuchen Afghanistans und aus humanitären Gründen bereits früher für den Transithandel sowie Exporte nach Afghanistan geöffnet worden (XI 23.6.2020).

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus dem Iran

Die Anzahl aus dem Iran abgeschobener Afghanen ist im Vergleich zum Monat Mai stark gestiegen. Berichten zufolge haben die Lockerungen der Mobilitätsmaßnahmen dazu geführt, dass viele Afghanen mithilfe von Schmugglern in den Iran ausreisen. UNHCR zufolge, gaben Interviewpartner/innen an, kürzlich in den Iran eingereist zu sein, aber von der Polizei verhaftet und sofort nach Afghanistan abgeschoben worden zu sein (UNHCR 20.6.2020).

Quellen:

AF - Asia Foundation (24.6.2020): Afghanistan’s Covid-19 Bargain, https://asiafoundation.org/2020/06/24/afghanistans-covid-19-bargain/, Zugriff 26.6.2020

AJ - al-Jazeera (8.6.2020): Afghan schools, universities to remain closed until September, https://www.aljazeera.com/news/2020/06/afghan-schools-universities-remain-closed-september-200608062711582.html, Zugriff 26.6.2020

AnA – Andolu Agency (24.6.2020): Afghanistan resumes international flights amid COVID-19, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/afghanistan-resumes-international-flights-amid-covid-19/1888176, Zugriff 26.6.2020

GN – Gulf News (9.6.2020): COVID-19: Emirates to resume regular passenger flights to Kabul from June 25, https://gulfnews.com/uae/covid-19-emirates-to-resume-regular-passenger-flights-to-kabul-from-june-25-1.71950323, Zugriff 26.6.2020

HRW - Human Rights Watch (18.6.2020): School Closures Hurt Even More in Afghanistan, https://www.hrw.org/news/2020/06/18/school-closures-hurt-even-more-afghanistan, Zugriff 26.6.2020

JHU -John Hopkins Universität (26.6.2020): COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU), https://coronavirus.jhu.edu/map.html, Zugriff 26.6.2020

RA KBL – Rechtsanwalt in Kabul (19.6.2020): Antwortschreiben per Mail, liegt bei der Staatendokumentation auf.

TN – Tolonews (15.6.2020): Govt Will Resume Bread Distribution: Palace, https://tolonews.com/afghanistan/govt-will-resume-bread-distribution-palace, Zugriff 29.6.2020

TN – Tolonews (15.6.2020): Poor Claim ‘Unjust’ Bread Distribution in Jawzjan, https://tolonews.com/afghanistan/poor-claim-%E2%80%98unjust%E2%80%99-bread-distribution-jawzjan, Zugriff 29.6.2020

UNHCR – (20.6.2020): Border Monitoring Update COVID-19 Response 14-20 June 2020, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/77302, Zugriff 26.6.2020

WHO – World Health Organization (25.3.2020): Coronavirus disease 2019 (COVID-19) Situation Report –65, https://www.who.int/docs/default-source/coronaviruse/situation-reports/20200325-sitrep-65-covid-19.pdf?sfvrsn=2b74edd8_2, Zugriff 16.4.2020

WP - Washington Post (25.6.2020): Coronavirus sweeps through Afghanistan’s security forces, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistan-coronavirus-security-forces-military/2020/06/24/0063c828-b4e2-11ea-9a1d-d3db1cbe07ce_story.html, Zugriff 26.6.2020

XI – Xinhua (23.6.2020): Pakistan receives 1st Afghan export since COVID-19 pandemic, http://www.xinhuanet.com/english/2020-06/23/c_139159139.htm, Zugriff 26.6.2020

Stand: 18.5.2020

Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

In 30 der 34 Provinzen Afghanistans wurden mittlerweile COVID-19-Fälle registriert (NYT 22.4.2020). Nachbarländer von Afghanistan, wie China, Iran und Pakistan, zählen zu jenen Ländern, die von COVID-19 besonders betroffen waren bzw. nach wie vor sind. Dennoch ist die Anzahl, der mit COVID-19 infizierten Personen relativ niedrig (AnA 21.4.2020). COVID-19 Verdachtsfälle können in Afghanistan aufgrund von Kapazitätsproblem bei Tests nicht überprüft werden – was von afghanischer Seite bestätigt wird (DW 22.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; NYT 22.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Auch wird die Dunkelziffer von afghanischen Beamten höher geschätzt (WP 20.4.2020). In Afghanistan können derzeit täglich 500 bis 700 Personen getestet werden. Diese Kapazitäten sollen in den kommenden Wochen auf 2.000 Personen täglich erhöht werden (WP 20.4.2020). Die Regierung bemüht sich noch weitere Testkits zu besorgen – was Angesicht der derzeitigen Nachfrage weltweit, eine Herausforderung ist (DW 22.4.2020).

Landesweit können – mit Hilfe der Vereinten Nationen – in acht Einrichtungen COVID-19-Testungen durchgeführt werden (WP 20.4.2020). Auch haben begrenzte Laborkapazitäten und -ausrüstung einige Einrichtungen dazu gezwungen Testungen vorübergehend einzustellen (WP 20.4.2020). Unter anderem können COVID-19-Verdachtsfälle in Einrichtungen folgender Provinzen überprüft werden: Kabul, Herat, Nangarhar (TN 30.3.2020) und Kandahar. COVID-19 Proben aus angrenzenden Provinzen wie Helmand, Uruzgan und Zabul werden ebenso an die Einrichtung in Kandahar übermittelt (TN 7.4.2020a).

Jahrzehntelange Konflikte in Afghanistan machen das Land anfällig für den Ausbruch von Krankheiten: nach wie vor ist Polio dort endemisch (als eines von drei Ländern weltweit) (WP 20.4.2020) außerdem ist das Gesundheitssystem fragil (AnA 21.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Beispielsweise mangelt es an adäquaten Medikamenten für Patient/innen, die an COVID-19 erkrankt sind. Jedoch sind die wenigen Medikamente, die hierfür zur Verfügung stehen, kostenfrei (ARZ KBL 7.5.2020). Der landesweite Mangel an COVID-19-Testkits sowie an Isolations- und Behandlungseinrichtungen verdeutlichen diese Herausforderung (AnA 21.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Landesweit stehen 10.400 Krankenhausbetten (BBC 9.4.2020) und 300 Beatmungsgeräte zur Verfügung (TN 8.4.2020; vgl. DW 22.4.2020; QA 16.4.2020). 300 weitere Beatmungsgeräte plant die afghanische Regierung zu besorgen. Weiters mangelt es an geschultem Personal, um diese medizinischen Geräte in Afghanistan zu bedienen und zu warten (DW 22.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Engpässe bestehen bei den PPE (personal protective equipment), persönlichen Schutzausrüstungen für medizinisches Personal; außerdem wird mehr fachliches Personal benötigt, um Patient/innen auf den Intensivstationen zu betreuen (ARZ KBL 7.5.2020).

Aufgrund der Nähe zum Iran gilt die Stadt Herat als der COVID-19-Hotspot Afghanistans (DW 22.4.2020; vgl. NYT 22.4.2020); dort wurde nämlich die höchste Anzahl bestätigter COVID-19-Fälle registriert (TN 7.4.2020b; vgl. DW 22.4.2020). Auch hat sich dort die Anzahl positiver Fälle unter dem Gesundheitspersonal verstärkt. Mitarbeiter/innen des Gesundheitswesens berichten von fehlender Schutzausrüstung – die Provinzdirektion bestätigte dies und erklärtes mit langwierigen Beschaffungsprozessen (TN 7.4.2020b). Betten, Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräte und Medikamente wurden bereits bestellt – jedoch ist unklar, wann die Krankenhäuser diese Dinge tatsächlich erhalten werden (NYT 22.4.2020). Die Provinz Herat verfügt über drei Gesundheitseinrichtungen für COVID-19-Patient/innen. Zwei davon wurden erst vor kurzem errichtet; diese sind für Patient/innen mit leichten Symptomen bzw. Verdachtsfällen des COVID-19 bestimmt. Patient/innen mit schweren Symptomen hingegen, werden in das Regionalkrankenhaus von Herat, welches einige Kilometer vom Zentrum der Provinz entfernt liegt, eingeliefert (TN 7.4.2020b). In Hokerat wird die Anzahl der Beatmungsgeräte auf nur 10 bis 12 Stück geschätzt (BBC 9.4.2020; vgl. TN 8.4.2020).

Beispiele für Maßnahmen der afghanischen Regierung

Eine Reihe afghanischer Städte wurde abgesperrt (WP 20.4.2020), wie z.B. Kabul, Herat und Kandahar (TG 1.4.2020a). Zusätzlich wurde der öffentliche und kommerzielle Verkehr zwischen den Provinzen gestoppt (WP 20.4.2020). Beispielsweise dürfen sich in der Stadt Kabul nur noch medizinisches Personal, Bäcker, Journalist/innen, (Nahrungsmittel)Verkäufer/innen und Beschäftigte im Telekommunikationsbereich bewegen. Der Kabuler Bürgermeister warnte vor "harten Maßnahmen" der Regierung, die ergriffen werden, sollten sich die Einwohner/innen in Kabul nicht an die Anordnungen halten, unnötige Bewegungen innerhalb der Stadt zu stoppen. Die Sicherheitskräfte sind beauftragt zu handeln, um die Beschränkung umzusetzen (TN 9.4.2020a).

Mehr als die Hälfte der afghanischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze (WP 22.4.2020): Aufgrund der Maßnahmen sorgen sich zehntausende Tagelöhner in Kabul und Herat um ihre Existenz. UNICEF zufolge, arbeiten allein in Kabul mindestens 60.000 Kinder, um das Familieneinkommen zu ersetzen (TG 1.4.2020). Offiziellen Schätzungen zufolge können z.B. in Herat-Stadt 150.000 Tagelöhner aufgrund des Lockdowns nicht arbeiten und haben somit kein Einkommen. Weil es in Herat an Ressourcen mangelt, um Hunderttausende zu ernähren, nimmt die Bevölkerung die Bedrohung durch das Virus nicht ernst. Zwar hat die Bevölkerung anfangs großzügig gespendet, aber auch diese Spenden werden weniger, nachdem die langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen auf Unternehmen sichtbar werden (NYT 22.4.2020).

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die International Organization for Migration (IOM) unterstützen das afghanische Ministerium für öffentliche Gesundheit (MOPH) (WHO MIT 10.5.2020; vgl. IOM 11.5.2020); die WHO übt eine beratende Funktion aus und unterstützt die afghanische Regierung in vier unterschiedlichen Bereichen während der COVID-19-Krise (WHO MIT 10.5.2020): 1. Koordination; 2. Kommunikation innerhalb der Gemeinschaften 3. Monitoring (durch eigens dafür eingerichtete Einheiten – speziell was die Situation von Rückkehrer/innen an den Grenzübergängen und deren weitere Bewegungen betrifft) und 4. Kontrollen an Einreisepunkten – an den 4 internationalen Flughäfen sowie 13 Grenzübergängen werden medizinische Kontroll- und Überwachungsaktivitäten durchgeführt (WHO MIT 10.5.2020; vgl. IOM 11.5.2020).

Taliban und COVID-19

Ein Talibansprecher verlautbarte, dass die Taliban den Konflikt pausieren könnten, um Gesundheitsbehörden zu erlauben, in einem von ihnen kontrollierten Gebiet zu arbeiten, wenn COVID-19 dort ausbrechen sollte (TN 2.4.2020; vgl. TD 2.4.2020). In der nördlichen Provinz Kunduz, hätten die Taliban eine Gesundheitskommision gegründet, die direkt in den Gemeinden das öffentliche Bewusstsein hinsichtlich des Virus stärkt. Auch sollen Quarantänezentren eingerichtet worden sein, in denen COVID-19-Verdachtsfälle untergebracht wurden. Die Taliban hätten sowohl Schutzhandschuhe, als auch Masken und Broschüren verteilt; auch würden sie jene, die aus anderen Gebieten kommen, auf COVID-19 testen (TD 2.4.2020). Auch in anderen Gebieten des Landes, wie in Baghlan, wird die Bevölkerung im Rahmen einer Informationsveranstaltung in der Moschee über COVID-19 informiert. Wie in der Provinz Kunduz, versorgen die Taliban die Menschen mit (Schutz)material, helfen Entwicklungshelfern dabei zu jenen zu gelangen, die in Taliban kontrollierten Gebieten leben und bieten sichere Wege zu Hilfsorganisationen, an (UD 13.3.2020).

Der Umgang der Taliban mit der jetzigen Ausnahmesituation wirft ein Schlaglicht auf den Modus Operandi der Truppe. Um sich die Afghanen in den von ihnen kontrollierten Gebieten gewogen zu halten, setzen die Taliban auf Volksnähe. Durch die Präsenz vor Ort machten die Islamisten das Manko wett, dass sie kein Geld hätten, um COVID-19 medizinisch viel entgegenzusetzen: Die Taliban können Prävention betreiben, behandeln können sie Erkrankte nicht (NZZ 7.4.2020).

Aktuelle Informationen zu Rückkehrprojekten

IOM Österreich unterstützt auch derzeit Rückkehrer/innen im Rahmen der freiwilligen Rückkehr. Aufgrund des stark reduzierten Flugbetriebs ist die Rückkehr seit April 2020 nur in sehr wenige Länder tatsächlich möglich. Neben der Reiseorganisation bietet IOM Österreich dabei, wie bekannt, Unterstützung bei der Ausreise am Flughafen Wien Schwechat an (IOM AUT 18.5.2020).

IOM Österreich bietet derzeit, aufgrund der COVID-19-Lage, folgende Aktivitäten an:

•        Qualitätssicherung in der Rückkehrberatung (Erarbeitung von Leitfäden und Trainings)

•        Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr und Reintegration im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten (Virtuelle Beratung, Austausch mit Rückkehrberatungseinrichtungen und Behörden, Monitoring der Reisemöglichkeiten) (IOM AUT 18.5.2020).

Das Projekt RESTART III – Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems und der Reintegration freiwilliger Rückkehrer/innen in Afghanistan“ wird bereits umgesetzt. Derzeit arbeiten die österreichischen IOM-Mitarbeiter/innen vorwiegend an der ersten Komponente (Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems) und erarbeiten Leitfäden und Trainingsinhalte. Die Unterstützung der freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan ist derzeit aufgrund fehlender Flugverbindungen nicht möglich. IOM beobachtet die Situation und steht diesbezüglich in engem Austausch mit den zuständigen Rückkehrberatungseinrichtungen und den österreichischen Behörden (IOM AUT 18.5.2020)

Mit Stand 18.5.2020, sind im laufenden Jahr bereits 19 Projektteilnehmer/innen nach Afghanistan zurückgekehrt. Mit ihnen, als auch mit potenziellen Projektteilnehmer/innen, welche sich noch in Österreich befinden, steht IOM Österreich in Kontakt und bietet Beratung/Information über virtuelle Kommunikationswege an (IOM AUT 18.5.2020).

Informationen von IOM Kabul zufolge, sind IOM-Rückkehrprojekte mit Stand 13.5.2020 auch weiterhin in Afghanistan operativ (IOM KBL 13.5.2020).

Quellen:

•        AnA – Andalous (21.4.2020): COVID-19 rips through fragile Afghan health system, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/covid-19-rips-through-fragile-afghan-health-system-/1812821, Zugriff 23.4.2020

•        ARZ KBL – Arzt in Kabul (7.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail; liegt bei der Staatendokumentation auf.

•        BBC (9.4.2020): Coronavirus: The porous borders where the virus cannot be controlled, https://www.bbc.com/news/world-asia-52210479, Zugriff 9.4.2020

•        DW – Deutsche Welle (22.4.2020): Coronavirus: Tough times ahead as Afghanistan struggles to manage pandemic, https://www.dw.com/en/coronavirus-tough-times-ahead-as-afghanistan-struggles-to-manage-pandemic/a-53207173, Zugriff 23.4.2020

•        IOM AUT – International Organization for Migration in Austria (27.3.2020): Antwortschreiben per E-Mail.

•        IOM KBL – International Organization for Migration Kabul Chapter (13.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail.

•        IOM – International Organization for Migration (11.5.2020): Return of Undocumented Afghans - Weekly Situation Report (03-09 May 2020), https://afghanistan.iom.int/sites/default/files/Reports/iom_afghanistan-return_of_undocumented_afghans-_situation_report_03-09_may_2020.pdf, Zugriff 13.5.2020

•        NYT – New York Times (22.4.2020): Afghanistan’s Next War, https://www.nytimes.com/interactive/2020/04/22/magazine/afghanistan-coronavirus.html?searchResultPosition=3, Zugriff 24.4.2020

•        NZZ – Neue Züricher Zeitung (7.4.2020): Die Taliban, dein Freund und Helfer, https://www.nzz.ch/international/afghanistan-die-taliban-betreiben-corona-praevention-ld.1550115, Zugriff 9.4.2020

•        TG – The Guardian (1.4.2020): 'No profit, no food': lockdown in Kabul prompts hunger fears, https://www.theguardian.com/global-development/2020/apr/01/no-profit-no-food-lockdown-in-kabul-prompts-hunger-fears, Zugriff 2.4.2020

•        TG – The Guardian (1.4.2020a): Afghanistan braces for coronavirus surge as migrants pour back from Iran, https://www.theguardian.com/global-development/2020/apr/01/afghanistan-braces-for-coronavirus-surge-as-migrants-pour-back-from-iran, Zugriff 2.4.2020

•        TN – Tolonews (9.4.2020): 40 New COVID-19 Cases in Afghanistan, Total 484, https://tolonews.com/health/40-new-covid-19-cases-afghanistan-total-484, Zugriff 9.4.2020

•        TN – Tolonews (9.4.2020a): Andarabi: All Kabul Roads Will be Blocked, https://tolonews.com/afghanistan/andarabi-all-kabul-roads-will-be-blocked, Zugriff 9.4.2020

•        TN – Tolonews (8.4.2020): Only '300' Ventilators in Afghanistan to Treat COVID-19: MoPH, https://tolonews.com/index.php/afghanistan/only-300-ventilators-afghanistan-treat-covid-19-moph, Zugriff 9.4.2020

•        TN – Tolonews (8.4.2020a): Kabul Clinic Shut Down After Doctor Dies from COVID-19, https://tolonews.com/index.php/health/amiri-medical-complex%E2%80%99s-activities-suspended-health-ministry, Zugriff 9.4.2020

•        TN – Tolonews (7.4.2020): Number of COVID-19 Cases in Afghanistan: 367, https://tolonews.com/health/number-covid-19-cases-afghanistan-367, Zugriff 8.4.2020

•        TN – Tolonews (7.4.2020a): Coronavirus Testing Lab Opens in Kandahar: Officials, https://tolonews.com/health/coronavirus-testing-lab-opens-kandahar-officials, Zugriff 8.4.2020

•        TN – Tolonews (7.4.2020b): 41 Health Workers Test Positive for Coronavirus in Herat, https://tolonews.com/afghanistan/41-health-workers-test-positive-coronavirus-herat, Zugriff 8.4.2020

•        UD – Undark (2.4.2020): With Taliban Help, Afghanistan Girds for a Virus, https://undark.org/2020/04/02/afghanistan-covid-19/, Zugriff 8.4.2020

•        WHO MIT – Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Mazar-e Sharif (10.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail; liegt bei der Staatendokumentation auf.

•        WP – Washington Post (20.4.2020): More than a dozen staff members in Afghanistan’s presidential palace test positive for coronavirus, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistan-coronavirus-presidential-palace/2020/04/20/5836a856-8308-11ea-81a3-9690c9881111_story.html, Zugriff 24.4.2020

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Politische Ereignisse: Friedensgespräche. Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung. Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban. Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer „inklusiven“ zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi. die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments. Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete. die Taliban hätten kein Interesse daran. Teil der aktuellen Regierung zu sein. und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die „große Ratsversammlung“ (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel. einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an. betonte aber dennoch. dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen. um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil. was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen. das für Mitte April 2019 in Katar geplant war. zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban

beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere „wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als „Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als „ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der

Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019). Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).

Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von „mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte“ für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich „Sicherheitselemente“ um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als „Polytheisten“ bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019)

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom „zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern“. Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es „sehr wahrscheinlich“, dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (20.5.2019): Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (6.5.2019): Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail

-        BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (13.2.2019): Kabul Police Districts Map, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf

-        Heise (16.5.2019): Afghanistan: Wie viel Macht hat der Präsident?,

https://www.heise.de/tp/features/Afghanistan-Wie-viel-Macht-hat-der-Praesident-

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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