TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/26 W156 2160599-1

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Veröffentlicht am 26.08.2020
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Entscheidungsdatum

26.08.2020

Norm

AlVG §1 Abs1 lita
ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W156 2160599-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse) vom 16.05.2017, Zl. VA-VR XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.07.2020 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass Frau XXXX , VSNR XXXX , wohnhaft XXXX Wien, XXXX , in der Zeit vom 20.08.2015 bis 01.09.2015 und vom 12.10.2015 bis 16.10.2015 auf Grund ihrer Beschäftigung bei der Dienstgeberin XXXX KG, XXXX , XXXX Wien, der Voll- (Kranken-, Unfall- Pensions-) gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz) und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVG) unterliegt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 17.08.2016 beantragte Frau XXXX , in Folge als BF bezeichnet, die bescheidmäßige Erledigung ihrer Versicherungspflicht aufgrund ihrer Beschäftigung bei der XXXX KG, in Folge als DG bezeichnet.

2. Mit angefochtenem Bescheid vom 16.05.2017 wurde von der ÖKG festgestellt, dass 1. die BF in der Zeit vom 20.08.2015 bis 01.09.2015 und vom 12.10.2015 bis 16.10.2015 auf Grund ihrer Beschäftigung bei der DG nicht der Voll- (Kranken-, Unfall- Pensions-) gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz) und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVG) unterliege, und 2. die BF auf Grund ihrer Beschäftigung bei der DG vom 20.08.2015 bis 01.09.2015 der Teil(Unfall)versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Z.2 ASVG in Verbindung mit § 5 Abs.2 ASVG und § 7 Z. 3 lit. a ASVG unterliege.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit Schriftsatz vom 29.05.2017 fristgerecht Beschwerde.

3. Mit Schreiben vom 01.06.2017 legte die ÖGK die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und wurde das Verfahren der Gerichtsabteilung W236 zugewiesen.

4. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 21.01.2020 wurde das Verfahren der Gerichtsabteilung W156 zur Entscheidung zugewiesen.

5. Am 29.07.2020 fand im Beisein der BF, der ÖGK und des Herrn XXXX als Zeugen eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die DG betrieb als Kommanditgesellschaft am Standort 1160 Wien sowie 1140 Wien jeweils ein Cafe. Die Öffnungszeiten waren jeweils von ca. 9:00 bis ca. 22:00, wobei die Öffnungszeiten in Wien 16 flexibel von der DG gehandelt wurden. Die DG wurde mit Beschluss des Handelsgericht Wien, Zl. XXXX , mit 10.02.2016 aufgelöst und gelöscht.

Die BF erbrachte im Zeitraum vom 20.08.2015 bis 01.09.2015 am Dienstort 1160 Wien, XXXX , Cafe XXXX 1, sowie vom 12.10.2015 bis 16.10.2015 am Dienstort 1140 Wien, XXXX , Cafe XXXX 2, als Urlaubsvertretung Dienstleistungen für die DG. Bei diesen Dienstleistungen war die BF an Arbeitszeit und Arbeitsort gebunden. Sie konnte sich bei diesen Dienstleistungen nicht beliebig durch dritte Personen vertreten lassen und hatte die Weisungen ihres Vorgesetzten zu befolgen.

Für den Zeitraum vom 20.08.2015 bis 01.09.2015 war sie vom DG als geringfügig Beschäftigte zur Sozialversicherung gemeldet, für den Zeitraum vom 12.10.2015 bis 16.10.2015 war sie von der DG nicht zur Sozialversicherung gemeldet.

Die BF war im Zeitraum vom 20.08.2015 bis 01.09.2015 8 Tage zu rund 8 Stunden beschäftigt, im Zeitraum vom 12.10.2015 bis 16.10.2015 an 5 Tagen zu je rund 8 Stunden. Als Entgelt erhielt die BF 5 EUR pro Stunde an Nettolohn in bar.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung.

Unstrittig ist im vorliegenden Beschwerdefall, dass die BF für die DG gegen Entgelt tätig war. Die Dienstnehmereigenschaft wurde somit nicht bestritten.

Strittig ist, ob die Tätigkeit der BF im Cafe in 1160 Wien die Geringfügigkeit überschritt und ob die BF auch in der Zeit vom 12.10.2015 bis 16.10.2015 für die DG im Cafe in 1140 Wien tätig war.

Das erkennende Gericht maß den Angaben der BF eine größere Beweiskraft zu, da diese in der mündlichen Verhandlung sowie im gesamten Verfahren widerspruchsfreie Angaben gemacht hat.

Insbesondere gab die BF an, dass die Tageslosung des Cafes in Wien 1140 nach Dienstende durch einen an der Tür zum Lager befindlichen Schlitz eingeworfen wurden. Nach Angaben des Zeugen wussten davon nur er und die Kellnerinnen. Es ist daher für das erkennende Gericht ersichtlich, dass die BF in den Betrieb des Cafes in 1140 Wien derart eingebunden sein musste, dass ihr diese Information, die ihr als Gast nicht bekannt sein konnte, nur als Kellnerin zur Verfügung stehen konnte.

Dass die BF eine Tätigkeit über der Geringfügigkeit verrichtet hat, ist für das erkennende Gericht deshalb glaubhaft, da der Zeuge selbst angegeben hat, dass an beiden Standorten nur jeweils 2 Kellnerinnen bei Öffnungszeiten von ca 9:00 bis 22:00 beschäftigt wurden. Da die BF als Urlaubsvertretung beschäftigt war, ist es glaubhaft und realitätsnahe, dass zur Aufrechterhaltung des täglichen Betriebes die BF rund 8 Stunden gearbeitet hat. Die Anzahl der Arbeitstage ergibt sich aus den im Verfahren vor den Abgabenbehörden des Bundes sowie in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Kopien der BF, die in Zusammenschau mit der unstrittigen Urlaubsvertretung durch die BF die festgestellten 13 Arbeitstage im verfahrensgegenständlichen Zeitraum untermauern.

Die von der ÖGK im Erstverfahren einvernommenen Zeuginnen, konnte zu den Beschäftigungszeiten der BF nichts Verwertbares angeben. Frau XXXX war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht bei der DG beschäftigt, Frau XXXX bestätigte die Urlaubsvertretung der BF in 1160 Wien und Frau XXXX gab an, dass ihr der Name der BF zwar bekannt vorkomme, sie aber nichts weiter dazu angeben könne.

Hinsichtlich der vorgelegten Standliste gab lediglich Frau XXXX an, dass sie eine solche nicht geführt habe, die beiden weiteren Zeuginnen machten dazu keine Angaben. Vor dem Hintergrund, dass Frau XXXX , erst nach dem verfahrensgegenständlichen Zeitraum für die DG tätig war, kann somit aus ihrer Aussage nichts gewonnen werden.

Den Angaben des Zeugen wurden durch das erkennende Gericht weniger gefolgt, da dieser in seiner Aussage selbst angab, dass er nicht wusste, wer im Cafe in 1160 Wien war, das Lokal aber kontinuierlich von zumindest 9:00 bis 22:00 geöffnet hatte. Zudem widerspricht seine Angabe, dass alle Kellnerinnen in Wien 1160 einen Schlüssel zum Lokal gehabt hätten, den Angaben der BF als auch der Frau XXXX , die vor der ÖGK angab, dass der Zeuge als einziger einen Schlüssel zum Lokal in 1160 Wien hatte. Auch zu den Arbeitszeiten der BF in 1160 Wien konnte der Zeuge keine genauen Angaben machen, da er nicht wisse, zu welchen Tageszeiten die BF dort gearbeitet hätte. Ebensowenig konnte er Angaben zum Schichtwechsel der Kellnerinnen machen, da diese dies vereinbart hätten. Die Angaben und der persönliche Eindruck des Zeugen in der mündlichen Verhandlung in Zusammenschau mit seinen Angaben vor der ÖGK anlässlich der Niederschrift vom 14.12.2016, in der er der BF unlautere Motive unterstellte, ließen dem erkennenden Gericht seinen Aussagen weniger Beweiskraft beimessen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

Gemäß § 4 Abs. I Z. I ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung pflichtversichert (vollversichert); sie sind nach § I Abs. 1 lita AVG 1958 arbeitslosenversichert, wenn sie nach gesetzlichen Vorschriften in der Krankenversicherung pflichtversichert sind.

Auf Grund der Bestimmungen des S 4 Abs.2 ASVG ist als Dienstnehmer anzusehen, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt ist.

Ob bei der Erfüllung einer übernommenen Arbeitspflicht (also der Beschäftigung) die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Arbeitsempfänger gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen, hängt davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder- wie bei anderen Formen einer Beschäftigung (z.B. aufgrund eines Werkvertrages, eines freien Dienstvertrages oder einer familienrechtlichen oder familienhaften Mitarbeit) — nur beschränkt ist. Unterscheidungskräftige Kriterien dieser Abgrenzung sind nur die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht, während das Fehlen anderer Umstände (wie zum Beispiel die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Empfängers der Arbeit) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt. (vgl. Erk. des VwGH vom 28. April 1988, Zl 84/08/0002 u.a.)

Gemäß § 5 Abs. I Z 2 ASVG sind von der Vollversicherung nach § 4 - unbeschadet einer nach S 7 oder nach § 8 eintretenden Teilversicherung - Dienstnehmer und ihnen gemäß § 4 Abs. 4 gleichgestellte Personen, ferner Heimarbeiter und ihnen gleichgestellte Personen sowie die im S 4 Abs. I Z 6 genannten Personen, wenn das ihnen aus einem oder mehreren Beschäftigungsverhältnissen im Kalendermonat gebührende Entgelt den Betrag gemäß S 5 Abs. 2 nicht übersteigt (geringfügig beschäftigte Personen) ausgenommen.

Gemäß § 5 Abs. 2 ASVG gilt ein Beschäftigungsverhältnis als geringfügig, wenn es für eine kürzere Zeit als einen Kalendermonat vereinbart ist und für einen Arbeitstag im Durchschnitt ein Entgelt von höchstens 31,17 €, insgesamt jedoch von höchstens 405,98 € gebührt (Z 1) oder für mindestens einen Kalendermonat oder auf unbestimmte Zeit vereinbart ist und im Kalendermonat kein höheres Entgelt als 405,98 € gebührt. (Z 2)

Auf den Fall bezogen bedeutet dies:

Die BF war im Zeitraum von 20.08.2015 bis 01.09.2015 zur Sozialversicherung als geringfügig beschäftigt gemeldet, im Zeitraum vom 12.10.2015 bis 16.10.2015 nicht zur Sozialversicherung gemeldet.

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die BF in den genannten Zeiträumen für die DG in einem die Geringfügigkeit überschreitenden Maße beschäftigt war. Im Zeitraum von 20.08.2015 bis 01.9.2015 war sie an 8 Tagen zu jeweils rund 8 Stunden tätig, dies zu einem Nettostundenlohn von 5 EUR, im Zeitraum vom 12.01.2015 bis 16.10.2015 an 5 Tagen zu jeweils rund 8 Stunden, ebenfalls mit einem Nettostundenlohn von 5 EUR. Sohin wurde die für 2015 geltende gesetzliche tägliche Geringfügigkeitsgrenze überschritten und unterlag die BF daher der Vollversicherung in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung nach dem ASVG und der Arbeitslosenversicherung nach dem AlVG.

3.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Geringfügigkeitsgrenze Pflichtversicherung Versicherungspflicht Vollversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W156.2160599.1.00

Im RIS seit

26.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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