TE Bvwg Beschluss 2020/8/26 W116 2140054-2

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Veröffentlicht am 26.08.2020
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Entscheidungsdatum

26.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §22 Abs1

Spruch

W116 2140054-2/3Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Mario DRAGONI als Einzelrichter im Verfahren über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.08.2020, Zl. 91508908-200515518, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 22 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I.       Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine iranische Staatsangehörige, stellte am 22.06.2020 ihren zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab sie im Wesentlichen an, dass sie vom Islam zum Christentum konvertiert sei und sie deswegen im Iran ermordet werden würde. Im Falle einer Rückkehr würde sie verfolgt, vergewaltigt und brutal misshandelt werden. Sogar ihr eigener Sohn möchte nichts mehr mit ihr zu tun haben, weil sie zum Christentum gewechselt habe.

Am 06.07.2020 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Dabei gab die Beschwerdeführerin zunächst zu ihrem Gesundheitszustand an, dass sie 70 Jahre alt sei, an vielen Krankheiten (einer Herzkrankheit, Diabetes und Knochenschmerzen) leide und sich derzeit in ärztlicher Behandlung befinde. Außerdem sei sie aufgrund eines Selbstmordversuches mehrere Wochen im Krankenhaus gewesen. Die Beschwerdeführerin legte diesbezüglich mehrere Medikamentenpackungen, einen Arztbrief vom 27.09.2019 betreffend ihren stationären Aufenthalt im Krankenhaus sowie ein weiteres ärztliches Schreiben mit einer Auflistung der gesundheitlichen Beschwerden der Beschwerdeführerin vor. Zu ihren Fluchtgründen führte sie zusammengefasst an, dass sie zum Christentum konvertiert sei, laut dem Koran deshalb als Ungläubige bezeichnet werde und sie deswegen in ihrem Heimatland in Lebensgefahr wäre. In diesem Zusammenhang verwies die Beschwerdeführerin wiederum auf ihren kritischen Gesundheitszustand. Ergänzend zu ihren Ausreisegründen, die sie im ersten Verfahren angab, erwähnte sie, dass sie von ihrer Familie ausgeschlossen worden sei. Wenn sie zurückkehren würde, würde sie von ihrer Familie möglicherweise getötet oder verraten werden.

Mit Verfahrensordnung vom 08.07.2020 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihren Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon ausgehe, dass eine entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege. Des Weiteren wurde die Beschwerdeführerin über ihre Verpflichtung gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen, in Kenntnis gesetzt.

Bei ihrer zweiten Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 14.07.2020 wiederholte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen bereits zuvor getätigte Angaben.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag hinsichtlich des Status einer Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides). Hinsichtlich des Status einer subsidiär Schutzberechtigten wurde der Antrag ebenfalls wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erteilte der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkte IV. und V.). Zudem sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.).

Dagegen brachte die Beschwerdeführerin über ihre rechtliche Vertretung fristgerecht Beschwerde ein und stellte darin auch den Antrag, die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im gegenständlichen Verfahren angesichts der Corona-Pandemie im Iran in Zusammenschau mit dem Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin ein neuer Sachverhalt vorliege. Es wurde auf Dokumentationen zu COVID-19-Erkrankungen im Iran verwiesen und dabei insbesondere hervorgehoben, dass die Corona-Fallzahlen im Iran aus politischen und sicherheitstechnischen Gründen manipuliert werden würden und die wahren Zahlen, insbesondere die der Toten, zwanzigmal höher seien als vom Gesundheitsministerium veröffentlicht. Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin im hohen Alter sei, an einer Herzkrankheit und Diabetes leide und sie sich darüber hinaus in psychiatrischer Behandlung befinde. Sie zähle zur COVID-19-Risikogruppe und daher könnte eine Rückkehr in den Iran in ihrem Fall zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen. Im gegenständlichen Fall liege daher keine Identität der Sache vor, weshalb die Behörde bei richtiger Beurteilung das Verfahren zulassen und inhaltlich bearbeiten hätte müssen. Auch hätte die Rückkehrentscheidung für dauerhaft unzulässig erklärt werden müssen. Dazu wurde begründend angeführt, dass die Beschwerdeführerin zwei Töchter, einen Sohn und eine Schwester in Österreich habe, die alle aufenthaltsberechtigt seien. Die Beschwerdeführerin habe insbesondere zu ihrer in Linz lebenden Tochter eine gute Beziehung und habe bei dieser sogar gewohnt. Dagegen hätte sie im Iran nur einen Sohn, zu dem sie aufgrund ihres Religionswechsels ein schlechtes Verhältnis habe. Außerdem habe die Beschwerdeführerin im Iran keine Unterkunft mehr. Als Anlagen zur Beschwerde wurden das Ergebnis einer am 23.06.2020 durchgeführten Röntgenuntersuchung übermittelt sowie eine Kopie der Klientenkarten der Betreuungsstelle West, wonach die Beschwerdeführerin noch immer in psychiatrischer Behandlung sei.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A)   Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese Zurückweisung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Zur COVID-19-Pandemie ist anzuführen, dass es in Österreich mit Stand 25.08.2020 21.888 Fälle von genesenen, mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 733 bestätigte Todesfälle gibt (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html). Im Iran gibt es derzeit laut der Homepage der Weltgesundheitsorganisation 361.150 bestätigte Fälle infizierter Personen und 20.776 Todesfälle (https://covid19.who.int/ [25.08.2020]). Der Iran meldete Mitte Februar die ersten Corona-Ansteckungen, die Zahl der Neuinfizierten stieg infolge rasant, sodass die iranische Regierung diverse Ausgangsbeschränkungen erließ. In Folge sanken die Infektionszahlen, sodass Mitte April die Behörden erstmals mehr Genesene als Infizierte registrierten (https://www.nzz.ch/international/corona-in-iran-teheran-kaempft-mit-der-zweiten-welle-ld.1560131; https://www.diepresse.com/5823958/eine-zweite-viruswelle-erfasst-den-iran [25.08.2020]). Nach Lockerung der Ausgangsbeschränkungen sind die Infektionszahlen seit Anfang Mai wieder gestiegen; derzeit beträgt die Zahl der täglichen Neuinfektionen 2.245 (https://covid19.who.int/region/emro/country/ir [25.08.2020]). Die medizinische Situation ist (auch wegen sanktionsbedingter Versorgungsengpässe) laut dem Außenwirtschaftscenter der Wirtschaftskammer Österreich äußerst angespannt (https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/iran-bulletin-aussenwirtschaftscenter-zum-coronavirus--.html [25.08.2020]).

Eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Erkrankung verläuft bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (unter anderem Herzkrankheiten, Diabetes) auf (vgl. dazu https://www.who.int/news-room/q-a-detail/q-a-coronaviruses [25.08.2020]). Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf die Covid-19-spezifische Situation im Iran kann derzeit nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass die 70-jährige Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in den Iran in eine lebensbedrohliche Situation geraten würde.

Daher kann im vorliegenden Fall ohne nähere Prüfung des Sachverhaltes nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass eine Abschiebung der Beschwerdeführerin eine reale Gefahr der Verletzung von Bestimmungen der EMRK bedeuten würde. Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der Beschwerdeführerin als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen. Das ist hier der Fall.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß 21 Abs. 6a BFA-VG entfallen.

Zu B)   Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 122 Abs. 4 erster Satz B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall ist die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die bestehende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Darüber hinaus liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W116.2140054.2.00

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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