TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/27 W278 2192518-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.08.2020
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Entscheidungsdatum

27.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W278 2192518-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Thailand, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.03.2018, Zl. XXXX zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

1. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (infolge BF), eine thailändische Staatsangehörige, die seit Dezember 2016 mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet ist, reiste am 17.01.2017 legal mit einem Visum D, gültig von 17.01.2017 bis 14.07.2017, nach Österreich ein und stellte am 30.06.2017 einen Antrag auf Erteilung eines Erstaufenthaltstitels für den Zweck „Familienangehöriger“ nach dem NAG.

Mit Bescheid der Magistratsabteilung 35 vom 18.09.2017, ZI. XXXX , wurde der Antrag wegen der Überschreitung der Dauer des erlaubten visumpflichten Aufenthaltes im Zusammenhang mit der Inlandsantragstellung abgewiesen. Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, dass die BF trotz Ablauf ihres Visums mit 14.07.2017 weiterhin im Bundesgebiet verblieben und nicht ausgereist ist, weshalb ein Versagungsrund nach dem NAG vorliege und eine Abwägung iSd §11 Abs. 3 NAG ein Überwiegen des öffentlichen Interesses ergebe. Diese Entscheidung erwuchs am 27.10.2017 in Rechtskraft.

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 02.02.2018 wurde der BF mitgeteilt, dass die Behörde beabsichtige eine Rückkehrentscheidung gegen sie zu erlassen und wurde ihr innerhalb von 14 Tagen die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme dazu eingeräumt, wovon die BF auch Gebrauch machte.

Mit schriftlicher Stellungnahme der BF vom 12.02.2019 gab sie im Wesentlichen an, dass sie sich seit Jänner 2017 in Österreich befinde und mit einem österreichischen Staatsbürger, der in Wien lebe, seit Dezember 2016 verheiratet sei. Sie habe 3 Kinder aus erster Ehe, die in Thailand bei der Großmutter leben würden. Sie gehe in Österreich keiner Beschäftigung nach und ihr Ehemann sorge für sie. In Österreich würde noch ihre Schwester, ihre Nichte und ihre Großnichte leben. In Thailand habe sie noch ihre Eltern und ihre Kinder.

Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.03.2018 wurde gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß §10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Thailand zulässig sei (Spruchpunkt III.) und die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Bescheidbegründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass sich die BF seit Ablauf ihres Visums, seit 15.07.2017, unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und ihr dies auch bewusst sei. Ihr Aufenthalt in Österreich sei darüber hinaus als kurz zu bezeichnen und würden keine Hinweise auf eine außergewöhnliche Integration vorliegen. Sie sei mit einem Österreicher verheiratet, mit dem sie auch zusammenlebe und habe im Bundesgebiet ihre Schwester, ihre Nichte sowie eine Großnichte. Die Behörde komme insgesamt zu dem Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung nach Thailand zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die BF fristgerecht Beschwerde und brachte zusammenfassend vor, dass die Behörde das Ermittlungsverfahren mangelhaft geführt habe, weil weder die BF, noch ihr Ehemann mündlich einvernommen worden seien, sondern sich die Behörde ausschließlich auf den Akteninhalt und die schriftliche Stellungnahme der BF stütze. Auch seien wesentliche Angaben in der Stellungnahme nicht in die Entscheidung eingeflossen, beispielsweise habe die BF angegeben in Thailand Probleme mit ihrem Ex-Ehemann zu haben und sich vor diesem zu fürchten. Bei einem ordnungsgemäß geführten Ermittlungsverfahren, hätte das BFA auch erkannt, dass sich die BF weder seit 17.09.2015, noch seit dem Jahr 2014 durchgehend in Österreich aufhalte, sondern 2014 und 2015 als Touristin in Österreich gewesen sei. Nach Ablauf ihrer Touristenvisa sei sie immer wieder nach Thailand zurückgekehrt. Die BF habe auch keine Möglichkeit gehabt zu den Länderberichten Stellung zu nehmen, weil ihr diese nicht vorgelegt worden seien. Diesfalls hätte sie ausführlicher zu ihrer Lage in Thailand und ihrer Befürchtungen betreffend ihren Ex-Ehemann Auskunft geben können. Im Übrigen hätte ihr die Behörde eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ erteilen müssen, da die BF in Thailand Opfer von Gewalt geworden sei, eine einstweilige Verfügung prinzipiell hätte erlassen werden können und die Erteilung einer solchen vor weiterer Gewalt erforderlich sei, da die BF im Falle einer Abschiebung nach Thailand weiterhin den Repressalien durch ihren Ehemann ausgesetzt worden wäre, ohne, dass die örtliche Polizei in der Lage wäre, die BF ausreichend zu schützen. Das BFA habe es auch unterlassen Ermittlungen zum bestehenden Familieneben der BF in Österreich anzustellen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Angaben der BF zu ihrem Familienleben mit ihrem Ehemann, und ihre Einstellungszusage als nicht ausreichend erachtet wurden ein begründetes Interesse am Verbleib in Österreich zu bekunden. Dem Ehemann der BF sei es nicht zumutbar, seine Verwurzelung in Österreich, wo er über ein regelmäßiges Einkommen verfüge, aufzugeben und nach Thailand zu ziehen. Darüber hinaus habe die BF sehr engen Kontakt zu ihrer in Österreich lebenden Schwester, Nichte und Großnichte, weshalb die BF durch die Rückkehrentscheidung in ihren Rechten nach Art. 8 EMRK verletzt sei.

Am 20.02.2020 wurde die BF als Partei über ihren rechtsfreundlichen Vertreter, die Behörde und der Dolmetscher ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung am 29.04.2020 geladen. Im Zuge dessen wurden der BF die aktuellen Länderfeststellungen zur Lage in Thailand übermittelt und ihr die Möglichkeit gegeben binnen 2 Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Die Verhandlung musste am 09.04.2020 aufgrund der Corona-Pandemie abberaumt werden.

Am 25.05.2020 wurde die BF als Partei über ihren rechtsfreundlichen Vertreter, die Behörde und der Dolmetscher neuerlich ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung am 10.06.2020 geladen.

Am 10.06.2020 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher die BF ausführlich zu ihrer Einreise und ihrem Aufenthalt, zur Integration in Österreich sowie zu ihren Beziehungen zum Herkunftsstaat und einer allfälligen Gefährdung im Falle der Rückkehr befragt wurde. Außerdem wurde der Ehemann der BF als Zeuge einvernommen.

2. Feststellungen:

2.1. Zur Person der BF:

Die BF führt den im Spruch genannten Namen und das Geburtsdatum. Sie ist thailändische Staatsangehörige, verheiratet, buddhistischen Glaubens und spricht Thailändisch. Ihre Identität steht fest.

Die BF ist in Thailand geboren und hat bis zu ihrer Ausreise in XXXX gelebt. Sie hat im Herkunftsland 6 Jahre die Grundschule besucht und im Anschluss im familieneigenen Betrieb mitgeholfen. Danach hat sie die Mittelschule besucht, jedoch nicht abgeschlossen. Ihre Familie betreibt in ihrem Heimatdorf eine Zuckerrohrplantage, wo die BF bis zu ihrer Ausreise mitgearbeitet hat, wodurch sie in der Lage war ihren Lebensunterhalt selbständig zu bestreiten. Die BF wurde in Thailand sozialisiert und lebte bis zu ihrem 37. Lebensjahr ebendort.

Die BF war im Herkunftsstaat bereits einmal verheiratet und hat mit ihrem Ex-Ehemann, der im Herkunftsstaat lebt, drei minderjährige Kinder. Die BF hat in Thailand keine Bedrohung durch ihren Ex-Ehemann zu befürchten.

Die BF verfügt nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat in den Personen ihrer drei minderjährigen Kinder (geb. am XXXX ) und ihren Eltern.

Die BF ist arbeitsfähig und leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten.

2.2. Zum (Privat-)Leben der Beschwerdeführerin in Österreich:

Am XXXX .2016 heiratete die BF einen österreichischen Staatsbürger in Bangkok, den sie im Juni 2016 in Wien kennen gelernt hatte. Die BF war von 17.04.2016 bis 05.09.2016 im Bundesgebiet aufhältig und verbrachte 3 Monate mit ihrem Ehemann im Bundesgebiet, bevor sie mit ihm die Ehe einging. Sie war bereits zuvor in Österreich mit einem Visum C von 18.08.2015 bis 18.11.2015 aufhältig.

Die BF reiste am 17.01.2017 legal mit einem Visum D, gültig von 17.01.2017 bis 14.07.2017, nach Österreich ein und stellte am 30.06.2017 einen Antrag auf Erteilung eines Erstaufenthaltstitels für den Zweck „Familienangehöriger“ nach dem NAG, der mit Bescheid der Magistratsabteilung 35 vom 18.09.2017, ZI. XXXX , wegen der Überschreitung der Dauer des erlaubten visumpflichten Aufenthaltes im Zusammenhang mit der Inlandsantragstellung abgewiesen wurde. Diese Entscheidung erwuchs am 27.10.2017 in Rechtskraft.

Die BF ist seit 17.01.2017 durchgehend in Österreich aufhältig und lebt gemeinsam mit ihrem Ehemann in einer Mietwohnung. Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet ist seit Ablauf ihres Visums, sohin seit 15.07.2017, unrechtmäßig.

Die Schwester, die Nichte sowie die Großnichte der BF leben im Bundesgebiet. Mit ihnen lebt die BF weder im gemeinsamen Haushalt, noch besteht ein Abhängigkeitsverhältnis. Sie hat keine sonstigen besonderen Nahebeziehungen im Bundesgebiet. Die BF verfügt über rudimentäre Deutschkenntnisse und hat die Deutschprüfung auf dem Niveau A1 dreimal nicht bestanden. Sie ist bei ihrem Ehemann mitversichert verfügt über eine Einstellungszusage als Thai Masseurin. Sie hat weder einen Integrationskurs besucht, noch ist sie ehrenamtlich tätig oder Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Die BF ist nicht erwerbstätig und bestreitet ihren Lebensunterhalt durch die Unterstützung ihres Ehemannes. Ihre Schwester unterstützt sie ebenso finanziell.

Die BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2.3. Zur Rückkehr der BF nach Thailand:

Die BF läuft im Falle einer Rückkehr nach Thailand nicht Gefahr, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe, oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. Es besteht auch keine Gefahr, dass die BF im Falle ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Das Leben oder die Freiheit der BF ist im Falle der Rückkehr nach Thailand auch nicht aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht.

Die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen liegen nicht vor.

2.4. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Aufgrund der mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelten und mit der BF in der mündlichen Verhandlung erläuterten Erkenntnisquellen werden folgende Feststellungen zum Herkunftsstaat der BF getroffen:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Thailand      Stand 14.11.2018

Politische Lage

Thailand hat eine Fläche von ca. 513.000 km² und die Bevölkerung umfasst ca. 68,5 Millionen Einwohner, von denen ca. 10,2 Millionen in der Hauptstadt Bangkok leben (CIA 28.10.2018). Thailand ist seit 1932 eine konstitutionelle Monarchie. Mit dem Ableben von König Bhumibol Adulyadej (Rama IX) am 13.10.2016 ging eine Ära in Thailand zu Ende. König Bhumibol Adulyadej war in allen politischen Lagern hoch verehrt und hat während seiner 70-jährigen Regentschaft das Land entscheidend geprägt. Am 01.12.2016 wurde sein Sohn, Kronprinz Maha Vajiralongkorn Bodindradebayavarangkun, zum neuen König (Rama X) proklamiert (AA 3.2018a). Seit dem Militärputsch am 22.05.2014 ist die Regierung von Ministerpräsident Prayut (ehemaliger Oberbefehlshaber des Heeres) an der Macht. Dem Putsch war ein halbjähriger Machtkampf zwischen der im Juli 2011 demokratisch gewählten Pheu-Thai-Regierung von Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra und der konservativen Opposition innerhalb (Democrat Party) sowie außerhalb des Parlaments („People´s Democratic Reform Council“) vorausgegangen. Das Militär ist sowohl in der Regierung als auch in der „National Legislative Assembly“ stark vertreten. Die neue Verfassung vom 6. April 2017 schreibt eine starke Rolle des Militärs für eine längere Zeit – auch nach künftigen Parlamentswahlen und Regierungsneubildung - fort. Bis zum Amtsantritt einer gewählten Regierung verleiht Art. 44 der Übergangsverfassung von 2014 dem Vorsitzenden des bis dahin fortbestehenden „National Council for Peace and Order“ (NCPO), der zugleich Ministerpräsident ist, größtmögliche Macht (AA 3.2018a). Von der Militärführung wurde nach dem Putsch eine interimistische „National Legislative Assembly“ (Sapha Nitibanyat Haeng Chat) mit nicht mehr als 220 Mitgliedern eingeführt, die im September 2016 durch eine Nationalversammlung mit zwei Kammern abgelöst wurde. Die Verfassung aus dem Jahr 2017 sieht einen Senat mit 250 Mitgliedern und einer fünfährigen Amtszeit vor, der vom Militär ernannt wird. Ein Repräsentantenhaus mit 500 Abgeordneten und vierjähriger Amtszeit wird hingegen gewählt (CIA 29.10.2018). Der Militärrat hatte nach dem Putsch in einer sogenannten „roadmap to democracy“ einen Fahrplan vorgelegt, der ursprünglich für Ende 2015 Wahlen in Aussicht stellte. Dieser Zeitplan wurde jedoch mehrfach geändert (AA 3.2018a). Die Wahlen werden voraussichtlich am 24. Februar 2019 stattfinden (Reuters 3.10.2018) Die EU-Außenminister haben in den Ratsschlussfolgerungen vom 11.12.2017 die Wiederaufnahme der nach dem Putsch von 2014 ausgesetzten politischen Begegnungen auch auf höchster Ebene beschlossen, um noch wirkungsvoller die Rückkehr Thailands zur Demokratie und die Achtung der Menschenrechte ansprechen zu können. Schwerpunktthemen der Regierung sind insbesondere die Überwindung der gesellschaftlichen Gegensätze, die Korruptionsbekämpfung,

Maßnahmen zur Ankurbelung der thailändischen Wirtschaft sowie Reformen des Bildungssystems und des Energiesektors (AA 3.2018a).

Sicherheitslage

Grundsätzlich hat sich die Sicherheitslage in Thailand nach dem Militärputsch im Mai 2014 stabilisiert (AA 31.10.2018b). Der Großteil des Landes ist frei von Terrorismus oder Aufständischenaktivitäten (FH 1.2018). Das Kriegsrecht wurde im März 2015 aufgehoben (USDOS 20.4.2018). Das öffentliche Leben verläuft weitgehend normal. Thailand verzeichnet zunehmende Kriminalität (auch Diebstahl, Vergewaltigung, Raubüberfall, teilweise mit Todesfolge). Im Mai 2017 gab es einen Bombenanschlag in einem Militärkrankenhaus in Bangkok (AA 31.10.2018b) Vor allem in den mehrheitlich muslimischen südlichen Grenzprovinzen zu Malaysia (Narathiwat, Yala und Pattani sowie weite Teile von Songhkla) kommt es regelmäßig zu Auseinandersetzungen zwischen Separatistengruppen und Sicherheitskräften sowie zu terroristischen Anschlägen (AA 31.10.2018b). Dort leben rund 2 Millionen Menschen, von denen rund 80 Prozent malaiische Muslime sind. Sie sprechen größtenteils Malay-Pattani/Jawi als Muttersprache und bilden die Mehrheit der muslimischen Bevölkerung Thailands, die insgesamt ca. 4 % der Gesamtbevölkerung des Landes ausmacht (AA 3.2018a). Bei der seit mehreren Jahrzehnten anhaltenden gewaltsamen separatistischen Aktivitäten von malai-muslimischen Aufständischen kommen vorwiegend Taktiken der „remote Violence“ [i.e. Angriffe, die die physische Anwesenheit des Angreifers nicht voraussetzen, Anm.] wie Attacken auf Militärpatrouillen mit unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen zum Einsatz. Die Aufständischen zielen auch auf Infrastruktur und sind in weitverbreitete Gewaltvorfälle gegen Zivilisten verwickelt (ACLED 10.7.2018; vgl. FH 1.2018). Als Symbol des Thailändischen Staates werden auch Schulen und Lehrer Ziel der Aufständischen (FH 1.2018). Durch Anschläge und bei Einsätzen der Sicherheitskräfte starben Schätzungen zufolge in der Zeit seit 2004 knapp 7.000 Menschen (AA 3.2018a; vgl. HRW 18.1.2018), davon waren mehr als 90 Prozent Zivilisten (HRW 18.1.2018). Gemäß der NGO DeepSouthWatch kam es in den südlichen Provinzen im Jahr 2017 zu 586 sicherheitsrelevanten Vorfällen mit 260 Toten und 373 Verletzten; im Jahr 2018 bis inkl. 31. Oktober zu 449 sicherheitsrelevanten Vorfällen mit 174 Toten und 232 Verletzten (DSW o.D.). Im Frühjahr 2013 hatte die damalige Pheu-Thai-Regierung einen Gesprächsprozess mit Vertretern von Rebellengruppen aufgenommen, der allerdings ohne Ergebnis blieb. Ministerpräsident Prayut erklärte, dass er diese Gespräche – wie bereits zuvor unter Vermittlung der malaysischen Regierung – fortsetzen wolle; allerdings wurden seither keine substantiellen Fortschritte erzielt (AA 3.2018a). Im April 2017 lehnten die Aufständischen einen Friedensdialog unter Vermittlung von Malaysia ab (HRW 18.1.2018).

Rechtsschutz/Justizwesen

Sowohl die Übergangsverfassung von 2014 als auch die neue Verfassung von 2017 garantieren eine unabhängige Justiz und die Regierung respektiert die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz im Allgemeinen. Es gibt Anordnungen des NCPO (National Council of Peace and Order), die Mitgliedern der Justiz negative Kommentare gegen die Militärregierung untersagen. Die interimistische Verfassung, die bis April 2017 in Kraft war, ermächtigte das NCPO unabhängig von möglichen Auswirkungen auf Legislative, Exekutive oder Jurisdiktion zu intervenieren, um das Land gegen nationale Bedrohungen zu schützen (USDOS 20.4.2018). Menschenrechtsgruppen äußern ihre Bedenken wegen der Einflussnahme des NCPO auf die Jurisdiktion, insbesondere wegen der gerichtlichen Verfolgung von Zivilisten durch Militärgerichte (USDOS 20.4.2018). Hunderte Zivilisten waren 2017 von überlangen und unfairen Prozessen u.A. wegen Missachtung der Anordnungen der NCPO, Majestätsbeleidigung und Gefährdung der nationalen Sicherheit vor Militärgerichten betroffen (AI 22.2.2018). Aufgrund der Anordnungen des NCPO 3/2015 und 13/2016 sind Militärbehörden berechtigt, Personen aufgrund einer großen Zahl an Vergehen heimlich zu verhaften und können diese bis zu sieben Tage festhalten, ohne sie über die Vorwürfe zu informieren, ihnen Zugang zu Rechtsbeihilfe zu geben oder sie gegen Misshandlungen zu schützen (HRW 18.1.2018).

Sicherheitsbehörden

Das vom Militär geführte NCPO (National Council of Peace and Order) kontrolliert die Sicherheitskräfte und alle staatlichen Institutionen. Vom Gesetz her hat das Militär Anordnungsbefugnis über alle zivilen staatlichen Behörden, wie auch die Polizei, um die öffentliche Ordnung zu sichern. Mitglieder des Militärs mit einem Rang von Leutnant oder höher haben gemäß Verordnung 13/2016 des NCPO die Befugnis, Personen vorzuladen, zu verhaften oder festzuhalten sowie Durchsuchungen und Beschlagnahmungen durchzuführen. Dieselbe Verordnung regelt Immunität der Militärangehörigen in Bezug auf Straf-, Zivil- und Dienstrecht, wenn diese ihre Polizeibefugnisse in ‚gutem Glauben‘ einsetzten (USDOS 20.4.2018). Die Royal Thai Police (RTP) ist die nationale Polizei Thailands und nicht dem Innenministerium, sondern direkt dem Büro des Premierministers unterstellt (BICC 7.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). Die RTP ist in zahlreiche Untereinheiten, die verschiedene Aufgaben wahrnehmen, gegliedert und militärisch strukturiert. Es gibt eine ca. 40.000 Mann starke Border Patrol Police Division, welche besondere Unabhängigkeit vom Rest der Polizei genießt und enge Beziehungen zum Königshaus pflegt (BICC 7.2017). Die Border Patrol Police Division verfügt in grenznahen Gebieten über spezielle Befugnisse zur Bekämpfung von Aufständischenaktivitäten (USDOS 20.4.2018), ist eher paramilitärisch ausgerichtet und hat in der Vergangenheit oft direkt mit dem Militär zusammen operiert. Ebenfalls in die Border Patrol Police Division eingegliedert sind die Spezialeinheit Naresuan 261, die auf Geiselbefreiung und Antiterrorismuseinsätze sowie den Schutz der königlichen Familie und ausländischen Diplomaten spezialisiert ist, das Voluntary Defense Corps mit ca. 45.000 Mitgliedern, und die Thahan Phran, eine ca. 20.000 Mann starke Miliz, die vor allem im Grenzgebiet zu Kambodscha agiert. Beide Einheiten nehmen sowohl polizeiliche als auch militärische Aufgaben wahr. Im Stadtgebiet von Bangok gibt es die ca. 10.000 Mann starke Metropolitan Police Division. Letztendlich hat die Royal Thai Police auch eine dem amerikanischen WAT-Team ähnliche Einheit, die Arintharat 26. Hinzu kommen noch lokale Polizeieinheiten in den einzelnen Regionen, deren Größe und Stärke allerdings unbekannt sind (BICC 12.2017). Korruption ist unter der Polizei weit verbreitet und die Zusammenarbeit von Banden mit korrupten Polizeibeamten keine Seltenheit (USDOS 20.4.2018; vgl. BICC 12.2017, AA 31.10.2018b). Die Verwicklung der thailändischen Sicherheitskräfte in illegale Machenschaften wie Waffen-, Drogen-, Tropenholz- und Menschenschmuggel deuten auf eine endemische Korruptionskultur und enge Verbindungen zur Unterwelt hin. Die thailändischen Behörden haben in der Vergangenheit bereits mehrfach verkündet, härter und entschiedener gegen die „schwarzen Schafe“ vorzugehen. Der Erfolg erscheint indes aller höchstens mäßig, weshalb die thailändischen Sicherheitskräfte einen inzwischen durchaus zweifelhaften Ruf innerhalb der Bevölkerung genießen. Mitglieder der Sicherheitskräfte werden laut Berichten auch von lokalen „Mafiapaten“ zum Eintreiben von Schutzgeldern, Einschüchterung von Kommunalpolitikern oder für Morde „gemietet“ (BICC 12.2017). Im Jahr 2017 gab es Berichte, dass Polizisten wegen Korruption, Drogenhandel und Schmuggel verurteilt wurden (USDOS 20.4.2018). Sowohl das Verteidigungsministerium als auch die Royal Thai Police verpflichten ihre Einheiten im Zuge der Ausbildung zu Schulungen bezüglich Menschenrechten (USDOS 20.4.2018).

Folter und unmenschliche Behandlung

Die interimistische Verfassung von 2014 hatte Folter nicht explizit verboten. Gemäß der neuen Verfassung von 2017 sind Folter, Brutalität und inhumane Bestrafung explizit verboten. Jedoch garantiert das Notstandsdekret Sicherheitskräften Immunität vor Strafverfolgung für Taten, die im Zuge ihrer Dienstausübung begangen wurden. Seit 2005 wurde Stand September 2017 diese Notverordnung 49 Mal für jeweils drei Monate in direkt aufeinander folgenden Perioden in den südlichen Provinzen verlängert (USDOS 20.4.2018). Operationen der Sicherheitskräfte führen in den südlichen Provinzen zur willkürlichen Verhaftung von tausenden mutmaßlichen Aufständischen und deren Sympathisanten und es gibt Berichte über

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 10 von 28

Folter und andere Menschenrechtsverletzungen (FH 1.2018) wie extralegale Tötungen sowohl durch Regierungseinheiten als auch Aufständische (FH 1.2018; vgl. BICC 12.2017). Polizei und Militär operieren dabei meist mit Straflosigkeit (FH 1.2018). In vielen Fällen bieten die thailändischen Behörden den Opfern finanzielle Entschädigungen an, damit diese nicht auf eine strafrechtliche Verfolgung von Sicherheitskräften bestehen (HRW 18.1.2018). Es gibt weiterhin Berichte über Misshandlungen von Häftlingen und Verhafteten. NGO- und Rechtsvertreter berichten, dass gelegentlich Militär- und Polizeikräfte Verdächtige zum Erzwingen eines Geständnisses foltern und schlagen würden. Zeitungen berichten über zahlreiche Fälle, in denen Bürger die Polizei und andere Sicherheitskräfte der Brutalität bezichtigen. Diese Fälle bleiben zumeist straflos. Es gibt Beschwerdemöglichkeiten in Fällen von Polizeigewalt [vgl. Abschnitt 9/Ombudsmann], aber nur wenige solcher Fälle führen zu einer Bestrafung des Täters. Menschenrechtsgruppen kritisieren die Oberflächlichkeit dieser Ermittlungen (USDOS 20.10.2018) und berichten, dass Mitarbeiter, die mit Folteropfern zusammenarbeiten, von Militäreinheiten belästigt und bedroht werden (AI 22.2.2018). Das Land ist in den letzten Jahren einigen wichtigen internationalen Verträgen im Bereich der Menschenrechte beigetreten, das Übereinkommen gegen Folter bleibt jedoch weiterhin nicht ratifiziert (BICC 12.2017). Im Februar 2017 wurde ein Gesetzesentwurf zur Prävention und Unterbindung von Folter und erzwungenen Verschwindenlassens vom Kabinett zurückgewiesen, da er nicht Thailands Verpflichtungen gemäß internationalem Rechts erfüllen konnte (AI 22.2.2018).

Korruption

Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Dienst vor (USDOS 20.4.2018). Die Nationale Anti-Korruptionskommission (NACC) erhält eine hohe Zahl von Beschwerden (FH 1.2018) und die Durchsetzung dieser Gesetze verbesserte sich unter dem NCPO (National Council of Peace and Order), obwohl manchmal Beamte wegen Korruption straflos bleiben. Es gab im Jahr 2017 Berichte über Korruption und Nepotismus in der Regierung (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018). Korruption ist unter der Polizei weit verbreitet und die Zusammenarbeit von Banden mit korrupten Polizeibeamten keine Seltenheit (AA 31.10.2018b; vgl. BICC 12.2017, USDOS 20.4.2018). Dennoch gab es im Jahr 2017 Berichte, dass Polizisten wegen Korruption, Drogenhandel und Schmuggel verurteilt wurden (USDOS 20.4.2018; zu Korruption in der Polizei siehe auch Abschnitt 5/Sicherheitskräfte). Im Jahresbericht 2017 von Transparency International, für den in 180 Staaten Befragungen zur Wahrnehmung von Korruption bei Beamten und Politikern durchgeführt wurden, liegt Thailand auf Platz 96 (TI 21.2.2018); im Jahr 2016 lag Thailand auf Platz 101 von 176 untersuchten Staaten (TI 25.1.2017).

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Eine Vielzahl von nationalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen (NGOs) ist in Thailand aktiv. Die Verordnungen des NCPO (National Council of Peace and Order), darunter Verbote politischer Versammlungen sowie Einschränkungen der Medien, beeinträchtigen die Arbeit von NGOs (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018). NGOs, die zu politisch heiklen Themen arbeiten, werden gelegentlich belästigt. Menschenrechtsvertreter, die in den südlichen Provinzen aktiv sind, sind von Einschüchterungen und Belästigungen durch Regierungsbeamte und Aufständischengruppierungen betroffen. Die Regierung gewährt nur sehr wenigen NGOs Steuerfreiheit und behindert manchmal ihre adäquate Finanzierung (USDOS 20.4.2018).

[…]

Allgemeine Menschenrechtslage

Obwohl in Thailand ein rechtsstaatlicher Rahmen vorhanden ist, haben die politischen Konflikte der letzten Jahre zu einer zunehmenden Missachtung von Menschenrechten geführt. Kritische Stimmen werden mithilfe des Gesetzes gegen Majestätsbeleidigung und dem neuen Gesetz gegen Computerkriminalität [Computer Crimes Act; vgl. Abschnitt 12/Meinungs- und Pressefreiheit] mundtot gemacht. In einigen Fällen müssen Aktivisten für viele Jahre ins Gefängnis. Mit dem Putsch von 2014 hat sich die Menschenrechtssituation drastisch verschlechtert. Selbst die kleinsten Zeichen der Opposition werden zu Verbrechen erklärt (GIZ 8.2018a). Zusätzlich zu Einschränkungen der Zivilrechte, die vom NCPO (National Council for Peace and Order) verhängt wurden, sind die schwerwiegendsten Menschenrechtsprobleme: übertriebene Gewaltanwendung durch Sicherheitskräfte gegenüber Verdächtigen, Verhafteten und Häftlingen; willkürliche Verhaftungen; missbräuchlicher Einsatz der Sicherheitskräfte im anhaltenden Konflikt in den südlichen Provinzen, Korruption, sexuelle Ausbeutung und Menschenhandel (USDOS 20.4.2018; vgl. BICC 12.2017), sowie Übergriffe und Zwangsrepatriierung burmesischer Flüchtlinge seitens des Militärs (BICC 12.2017). Außergerichtliche Hinrichtungen werden entweder direkt durch Angehörige der Sicherheitskräfte oder von ihnen unterstützte „Todesschwadronen“ durchgeführt (BICC 12.2017; vgl. FH 1.2018). Thailand hat als erstes Land Südostasiens die IstGh-Konvention [Anmerkung: Internationaler Strafgerichtshof] unterschrieben, jedoch noch nicht ratifiziert. Thailand hat die VölkermordKonvention von 1948 nicht unterschrieben. Das Land ist in den letzten Jahren einigen wichtigen internationalen Verträgen im Bereich der Menschenrechte beigetreten, das Übereinkommen gegen Folter bleibt jedoch weiterhin nicht ratifiziert (BICC 12.2017). Die Behörden unternehmen Schritte, um gegen Beamte, die Menschenrechtsverletzungen bezichtigt werden, zu ermitteln und um diese zu bestrafen. Jedoch ist die Straflosigkeit in der Verwaltung weiterhin problematisch, insbesondere in den südlichen Provinzen, wo seit 2005 eine Notstandsverordnung in Kraft ist (USDOS 20.4.2018). Unter der von der Militärjunta verkündeten vorläufigen Verfassung (2014) hat die NCPO weitreichende Befugnisse, Grundrechte einzuschränken oder zu unterdrücken – bei garantierter Immunität für diese Aktionen. Die neue Verfassung aus dem Jahr 2017 ermöglicht Einfluss des Militärs auch über die Wahlen, [die voraussichtlich im Februar 2019 stattfinden werden (vgl. Reuters 3.10.2018)], hinaus (HRW 18.1.2018).

Meinungs- und Pressefreiheit

Es gibt weit gefasste Verordnungen des NCPO (National Council for Peace and Order), die nach dem Putsch 2014 erlassen wurden und die Meinungs- und Pressefreiheit einschränken. Aufgrund dieser Verordnungen werden Medienverlage und Internetseiten gesperrt und politisch aktive Personen verhaftet. Die Regierung besitzt und kontrolliert die meisten Radio- und Fernsehsender (USDOS 20.4.2018). Unabhängige Medien sind kritisch und aktiv, unterliegen jedoch offizieller Zensur sowie Selbstzensur und riskieren bei kritischer Berichterstattung gegenüber dem Militär oder der Monarchie Sperren oder Strafen (USDOS 20.4.2018; vgl. HRW 18.1.2018, GIZ 8.2018a). Die neue Verfassung von 2017 verlangt, dass die Herausgeber von Zeitungen oder anderen Massenmedien Staatsbürger sein müssen (USDOS 20.4.2018). Das NCPO untersagt häufig die Veröffentlichung von Informationen, die das NCPO kritisieren oder Konflikte herbeiführen könnten (USDOS 20.4.2018). Die Medien werden angehalten, nur positiv über das Militärregime zu berichten (GIZ 8.2018a). Kritische Journalisten werden eingeschüchtert, ohne Anschuldigungen verhaftet und vom NCPO in Militärlagern verhört. Personen, die als kritisch gegenüber dem NCPO eingeschätzt werden, werden streng überwacht (FH 1.2018). Die wissenschaftliche Freiheit ist unter dem NCPO eingeschränkt. Universitäre Veranstaltungen, die als politisch heikel angesehen werden, werden überwacht oder von der Regierung untersagt. Forscher, die an politisch heiklen Themen arbeiten, werden überwacht und eingeschüchtert (FH 1.2018). Mit dem im Dezember 2016 erneuerten "Computer Crime Act" ist die Internetzensur nochmals verstärkt worden. Kritische Beiträge im Netz können mit langen Gefängnisstrafen belegt werden; gerade im Internet wird zunehmend von der Lèse Majesté Gesetzgebung (Majestätsbeleidigung) Gebrauch gemacht (GIZ 8.2018a; vgl. FH 18.1.2018). Unter dem NCPO ist die Zahl der registrierten Fälle von Majestätsbeleidigung stark angestiegen und das Gesetz wird gegen Aktivisten, Lehrer, Studenten, Journalisten und Politiker angewandt. Privatpersonen suchen mit Unterstützung der Regierung oder auf Eigeninitiative Postings im Internet und melden die Verfasser an die Behörden (FH 1.2018). Personen, die der Majestätsbeleidigung (Lèse Majesté, Art. 112 des Strafgesetzbuches) beschuldigt werden, wird systematisch Kaution verweigert und sie verbringen mehrere Monate bis Jahre in Untersuchungshaft. Seit dem Putsch [2014, Anm.] wurden mindestens 105 Personen wegen Majestätsbeleidigung verhaftet, die meisten von ihnen wegen kritischer Internetpostings. Manche von ihnen wurden zu jahrzehntelangen Haftstrafen verurteilt (HRW 18.1.2018).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Die Verfassung von 2017 garantiert friedliche Versammlungen, Einschränkungen gibt es zum Schutz öffentlichen Interesses, des Friedens und der Ordnung, der guten Moral oder zum Schutz der Freiheiten Anderer (USDOS 20.4.2018). Verordnungen des NCPO (National Council for Peace and Order), die unter der neuen Verfassung weiterhin gültig sind, verbieten politische Versammlungen von fünf oder mehr Teilnehmern und bestrafen Personen, die politische Versammlungen unterstützen (USDOS 20.4.2018; vgl. AI 22.2.2018, HRW 18.1.2018).

Opposition

2014 wurden durch das Nationale Komitee für Frieden und Ordnung (NCPO) die Gründung neuer politischer Parteien sowie Treffen und Aktivitäten bestehender Parteien verboten. Im Oktober 2017 wurde ein neues Gesetz (Political Party Act) verabschiedet, das hohe Kosten vorsieht, die von kleinen Parteien nur schwer gestemmt werden können. Die Verbote von politischen Parteien wurden mit diesem Gesetz nicht aufgehoben, jedoch wurde im Dezember 2017 ein Zusatz zum Gesetz angenommen, dass die Gründung neuer Parteien erlaubt. Alle neuen Parteien müssen jedoch vom NCPO eine Genehmigung einholen (FH 1.2018). Die Arbeit politischer Parteien ist insbesondere durch das Verbot politischer Versammlungen von fünf oder mehr Personen eingeschränkt (USDOS 20.4.2018). Die neue Verfassung von 2017 ermöglicht es den Menschen weitgehend, die Regierung und die Zusammensetzung des Parlaments durch freie und geheime, regelmäßig stattfindende Wahlen zu bestimmen, wobei seit der Verabschiedung der neuen Verfassung noch keine Wahlen stattgefunden haben (USDOS 20.4.2018). Diese werden voraussichtlich am 24. Februar 2019 stattfinden (Reuters 3.10.2018) und es wird erwartet, dass nur Parteien antreten werden, die vom NCPO genehmigt wurden (FH 1.2018). Innenpolitisch wurde Thailand seit 2005 von der politischen Polarisierung zwischen den Gelbhemden und den Rothemden beherrscht. Die “People’s Alliance for Democracy” (PAD), dessen Anhänger die königliche Farbe Gelb tragen, wurde von Veteranen der Demokratiebewegung von 1992 angeführt. Nach 2008 begannen die Gelbhemden, vom Prinzip eines gewählten Parlaments abzurücken. Unterschiedliche Positionen zur Wahl 2011 führten zur Spaltung und zu katastrophalem Wahlergebnis, was das faktische Ende der Organisation bedeutete. Die Rothemden, Anhänger der United Front for Democracy against Dictatorship (UDD), verteidigen vehement das Prinzip “Alle Macht geht vom Volke aus”, bestehen auf dem Recht der Mehrheit, den Premierminister und die Regierung demokratisch zu wählen und lehnen die Interventionen von Militar, Justiz und königlichem Netzwerk in die Politik ab. Nach 2010 radikalisierten sich die Rothemden zunehmend und bereiteten sich auf bürgerkriegsähnliche Zustände vor, um die Demokratie zu "verteidigen". Allerdings haben sie gegen den Putsch von 2014 nichts unternommen und sind so als Bewegung zunehmend irrelevant geworden (GIZ 8.2018a). Es gibt Berichte, dass Mitglieder der oppositionellen Parteien Pheu Thai Party (PTP) und United Front for Democracy Against Dictatorship (UDD) sowie andere Personen, die als Gegner der Militärregierung gelten, zur „Einstellungskorrektur“ einberufen werden. Eine Missachtung dieser Einberufung gilt als Straftat (HRW 18.1.2018).

[…]

Todesstrafe

Für einzelne Delikte sehen die thailändischen Strafgesetze die Todesstrafe vor (AA 31.10.2018b). Die Todesstrafe ist in Thailand für eine Reihe von Straftaten einschließlich Mord zwingend vorgeschrieben. Viele der Straftaten, für die die Todesstrafe verhängt werden kann, liegen unterhalb der Schwelle der „schwersten Verbrechen“ (AI 20.6.2018). Die Todesstrafe wurde am 20. Juni 2018 nach 9 Jahren Aussetzung erstmals wieder vollstreckt (AA 31.10.2018b; vgl. AI 20.6.2018). Erstmals seit vielen Jahren wurde 2018 mehreren Gnadengesuchen durch den Königspalast nicht stattgegeben. Vor der jüngsten Hinrichtung in Thailand waren im August 2009 zwei Männer durch eine Todesspritze exekutiert worden. Auch davor hatten sechs Jahre lang keine Hinrichtungen stattgefunden (AI 20.6.2018). Aus den vom Justizministerium im März 2018 vorgelegten Zahlen geht hervor, dass sich 510 Personen, darunter 94 Frauen, im Todestrakt befinden. 193 Gefangene haben alle Rechtsmittel ausgeschöpft. Gegen 108 Personen erging das Todesurteil wegen Tötungsdelikten und gegen 85 wegen Drogenstraftaten (AI 20.6.2018).

Religionsfreiheit

Die im April 2017 in Kraft getretene Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USDOS 29.5.2018). Es gibt keine Staatsreligion und die Religionsfreiheit wird größtenteils respektiert (FH 1.2018). Eine Verordnung des NCPO (Nationales Komitee für Frieden und Ordnung) vom August 2016 garantiert die Förderung und den Schutz aller anerkannten Religionen und verpflichtet staatliche Stellen, zu überprüfen, dass diese Religionen korrekt gelehrt werden und keine Gefahr für den sozialen Frieden darstellen (USDOS 29.5.2018). Religiöse Vereinigungen können ungehindert operieren und es gibt keine systemische oder institutionelle Diskriminierung aufgrund von Religion (FH 1.2018). Das Gesetz erkennt fünf Religionsgruppen an: Buddhisten, Muslime, Brahman-Hindus, Sikhs und Christen. Religiöse Gruppen, die Teil dieser fünf Übergruppen sind, können sich registrieren lassen und staatliche Unterstützungen erhalten. Gruppen, die nicht Teil dieser fünf Übergruppen sind werden nicht anerkannt. Jedoch ist die Registrierung einer religiösen Vereinigung nicht verpflichtet und Religionsgemeinschaften können auch ohne Registrierung oder Anerkennung durch die Regierung ungehindert agieren (USDOS 29.5.2018). Es gibt Berichte über gesellschaftliche Übergriffe und Diskriminierung aufgrund von Religionszugehörigkeit, Weltanschauung oder Praxis. Ethnizität und Religion sind oft untrennbar miteinander verbunden; aus diesem Grund ist es schwierig, viele Vorfälle speziell als ethnische oder religiöse Intoleranz zu kategorisieren (USDOS 29.5.2018). Es gibt keine Berichte über antisemitisch motivierte Übergriffe an der kleinen jüdischen Gemeinde (USDOS 20.4.2018). In den südlichen Provinzen gibt es einen länger anhaltenden Konflikt zwischen ethnischen muslimischen Malai und Buddhisten, die die Religionsfreiheit der Bevölkerung einschränkt (FH 1.2018). Es kommt zu Angriffen von aufständischen ethnischen Malai auf Buddhisten und andere Muslime. Jedoch gibt es keine Berichte, dass Muslime Gewalt gegen Buddhisten generell gutheißen würden. Einige buddhistische Mönche, die als Teil der Buddhistisch-Nationalistischen Bewegung angesehen werden, verbreiten in sozialen Medien Gewaltaufrufe gegen Muslime. Jedoch betonen sowohl Buddhistische als auch muslimische religiöse Führer die Bedeutung des interkonfessionellen Dialogs (USDOS 29.5.2018). Der Buddhismus ist die dominante Religion Thailands, der Islam spielt vor allem im Süden eine Rolle (GIZ 8.2018b). 93 Prozent der Bevölkerung gehören dem Theravada-Buddhismus an, fünf Prozent der Bevölkerung sind muslimisch. Es gibt kleine Gemeinschaften von Christen, Kunfuzianern, Hindus, Juden, Sikhs und Taoisten (USDOS 29.5.2018). Buddhistische Tempel (Wat) sind in fast jedem Dorf zu finden. Der Sangha (Gemeinschaft der Mönche) untersteht dem König, der den „Supreme Patriarch“ (Sangharaja) ernennt (GIZ 8.2018b). Es ist gesetzlich verboten, sich abfällig über Buddhismus zu äußern (FH 1.2018). Im Februar 2017 kam es zu einer wochenlangen Belagerung des Wat Dhammakaya durch Polizei und Militärs. Vordergründig ging es um die Festnahme des wegen Korruption gesuchten Oberhaupts des Tempels, Phra Dhammajayo, der sich auf dem Gelände versteckt haben sollte. Im Hintergrund schwelt aber eine längere Auseinandersetzung um eine Zentralisierung und Säuberung der buddhistischen Sangha. Die Dhammakaya-Bewegung ist eine der einflussreichsten buddhistischen Sekten in Thailand, die in ihrem Hauptquartier Massenveranstaltungen mit Hunderttausenden von Teilnehmern abhält. Sie ist außerordentlich gut vernetzt und ihr werden Verbindungen zum abgesetzten Premierminister Thaksin Shinawatra nachgesagt. Nach dem Tod des letzten Patriarchs der Sangha, Phra Somdet Yanasangwon, wurde zunächst Phra Somdej Maha Ratcha Mungkalajarn vom Sangharat als dienstältester Mönch für die Position vorgeschlagen. Doch weil dieser enge Verbindungen zu Dhammakaya hatte, hat die Militärjunta seine Ernennung blockiert. Das Sanghagesetz wurde vor kurzem dahingehend verändert, dass der König, und nicht der Sangharat den Patriarchen ernennt. Nun hat König Vajiralongkorn einen ihm genehmen Abt, Phra Somdej Maha Muneewong, zum Sangha Raja ernannt. Kritiker sehen die Verfolgung von Phra Dhammajayo als Versuch, den Einfluss der Dhammakayabewegung zu brechen und die Sangha nach den ideologischen Erfordernissen des Militärregimes und der Monarchie neu auszurichten. Die vom Militär eingesetzte "Nationale gesetzgebende Versammlung" hat 2018 ein neues "Mönchgesetz" einstimmig verabschiedet, das dem König die Macht zurückgibt, Mönche der Sanghaversammlung zu ernennen oder zu entlassen. Dies ist eine Rückkehr zu der Zeit der absolutistischen Herrschaft, bevor die Sangha demokratisiert wurde (GIZ 8.2018b).

Ethnische Minderheiten

Von den ca. 68,5 Millionen Einwohnern sind der größte Teil ethnische Thais. Circa 15% der Bevölkerung ist chinesisch-stämmig; im Land leben ca. circa 2 Millionen Malaien, circa 223.000 Chinesen und sogenannte Bergvölker („Hill Tribes“; darunter Akha, Hmong, Karen, Lahu, Lisu, Mien, Mon, Shan) - die Zahlenangaben dazu schwanken zwischen 0,6 und 6,5 Millionen; ferner leben im Land auch Khmer, Vietnamesen, Inder, Birmanen, Nepali (AA 2.2018b; vgl. CIA 29.10.2018).

Der Inlandskonflikt in den südlichen Provinzen, wo die muslimischen Malaien die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist durch häufige Angriffe durch mutmaßliche Aufständische und staatliche Sicherheitskräfte geprägt. Dies nährt Spannungen zwischen den örtlichen muslimischen Malaien und buddhistischen Thai-Gemeinschaften (USDOS 20.4.2018). Der anhaltende Konflikt hat seit 2004 ca. 7.000 Todesopfer gefordert, davon ca. 2/3 Zivilisten, und führt zu einem langsamen Exodus aus der Region. Thai-Buddhisten, die vermehrt von Aufständischen angegriffen werden, flüchten in den Norden, während malaische Muslime vermehrt ins angrenzende Malaysia ausweichen (MRG 9.2018). Seit dem Ende des chinesischen Bürgerkrieges leben am Land in 13 nordöstlichen Provinzen die ethnischen Chinesen, sowie Kinder der vietnamesischen Einwanderer. Den beiden ethnischen Gruppen wird die Bewegungsfreiheit, Wohnsitz, Bildung und der Zugang zu Beschäftigung aufgrund von Rechts- und Verwaltungsvorschriften weiterhin eingeschränkt. Laut Gesetz ist der Wohnsitz der Chinesen auf die drei nördlichen Provinzen Chiang Mai, Chiang Rai und Mae Hong Son beschränkt (USDOS 20.4.2018). Die thailändische Gesellschaft ist durch einen ungleichen rechtlichen Status entlang von ethnischen Zuschreibungen gekennzeichnet. So waren die sogenannten "Hilltribes" jahrelang marginalisiert und von der thailändischen Staatsbürgerschaft ausgeschlossen. Auch die malaiische Minderheit im Süden des Landes durfte bspw. jahrzehntelang die eigene Sprache nicht in den Schulen unterrichten und erfährt aufgrund der separatistischen Gewalt eine pauschale Repression seitens der Staatsgewalt. Noch schlechter geht es den burmesischen MigrantInnen, die als Geringverdiener für die Profitabilität des Textilsektors und der fischverarbeitenden Industrie sorgen (GIZ 8.2018b).

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen haben offiziell die gleichen Rechte wie Männer, in der Praxis bestehen jedoch Probleme wie wirtschaftliche Diskriminierung, häusliche Gewalt, Vergewaltigung und Menschenhandel zu sexuellen Zwecken (FH 1.2018). Die Verfassung vor dem Militärputsch 2014 ermunterte Parteien, eine zahlenmäßige Geschlechterparität bei den Kandidaten zu verfolgen. Weder die interimistische Verfassung von 2014 noch die aktuelle Verfassung von 2017 beinhalten eine solche Textpassage. Obwohl es keine Gesetze gibt, die die politische Partizipation von Frauen einschränken, ist die Teilhabe von Frauen in der Politik gering (USDOS 20.4.2018). Obwohl es relativ viele Frauen in Führungspositionen gibt (bestes Beispiel die gestürzte Premierministerin Yingluck Shinawatra), werden Frauen in Thailand strukturell benachteiligt. Ein recht schlechtes Abschneiden beim Gender Inequality Index (0,366, Rang 79 von 159) kommt z.B. durch einen geringen Anteil an Parlamentsabgeordneten (6% nach dem Militärputsch) und deutlich weniger Frauen mit höherer Schulbildung als Männern zustande. Zu sozialen und geschlechtsspezifischen Ungleichheiten kommen regionale Unterschiede hinzu. So sind es vor allem junge Frauen aus dem ärmeren Norden und Nordosten Thailands, die mit Aussicht auf bessere Verdienstmöglichkeiten in die Prostitutionsindustrie gelockt werden (GIZ 8.2018b). Die Verfassung von 2017 sieht für alle Kinder eine zwölfjährige kostenlose Schulbildung von der Vorschule bis zum Ende der Schulpflicht vor. Das Gesetz schützt Kinder vor Missbrauch, Vergewaltigung und Kindesaussetzung. Obwohl die Strafen für sexuellen Missbrauch und Prostitution von Kindern sowie Kinderpornographie erhöht wurden, sind diese Dinge weiterhin ein Problem. Kinder von Migranten, ethnischen Minderheiten und armen Familien sind diesbezüglich besonders vulnerabel. Die Polizei verhaftet Eltern, die ihre Kinder zur Prostitution zwingen und die Regierung unternimmt Anstrengungen, um die sexuelle Ausbeutung von Kindern zu unterbinden (USDOS 20.4.2018). Es gibt keine Gesetze, die den Ausdruck der sexuellen Orientierung oder konsensuellen gleichgeschlechtlichen Verkehr zwischen Erwachsenen unter Strafe stellen. Das Gesetz verbietet Diskriminierung von Transgender-Personen (USDOS 20.4.2018). Thailand ist für seine Toleranz der LGBTI-Gemeinschaft gegenüber bekannt, obwohl gleichgeschlechtliche Paare nicht die gleichen Rechte wie heterosexuelle Paare haben und die soziale Toleranz für Touristen und Auswanderer größer als für Inländer ist (FH 1.2018). Die LGBTI-Gemeinschaft berichtet, dass die Polizei Verbrechensopfer, die der LGBTIGemeinschaft angehören, gleich behandelt wie andere Verbrechensopfer, mit der Ausnahme von sexuellen Übergriffen, bei denen es eine Tendenz gibt, sexuellen Missbrauch herunterzuspielen oder Belästigungen nicht ernstzunehmen. Das Gesetz sieht es nicht vor, dass TransgenderPersonen ihre Geschlechtsangabe in Ausweisen ändern können (USDOS 20.4.2018).

Bewegungsfreiheit

Die interimistische Verfassung von 2014 und auch die Verfassung von 2017 garantieren Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, freie Reisen ins Ausland und Emigration. Die Regierung respektiert diese Rechte bis auf einige Ausnahmen im Allgemeinen auch in der Praxis. Bewohner von neun Flüchtlingslagern an der Grenze zu Myanmar dürfen die Camps nicht verlassen und riskieren bei Zuwiderhandlung Belästigungen, Strafzahlungen und Abschiebung (USDOS 20.4.2018). Abgesehen in den von internen Unruhen betroffenen Regionen haben Bürger Bewegungsfreiheit und können ihren Wohnort frei wählen (FH 1.2018). Inlandsreisen von „Hill Tribes“ und anderen Minderheitengruppen, die nicht thailändische Staatsbürger sind aber einen thailändischen Personalausweis besitzen, dürfen ihren Wohnsitzdistrikt nur mit Genehmigung der Distriktverwaltung verlassen, ansonsten riskieren sie eine Strafzahlung oder Inhaftierung von 45 bis 60 Tagen. Personen, die eine solche Karte nicht besitzen, dürfen gar nicht reisen. Es gibt Berichte, dass die Polizei an Kontrollposten von Staatenlosen Schmiergelder im Gegenzug für die Überquerung einer Bezirksgrenze verlangt (USDOS 20.4.2018).

[…]

Grundversorgung

Die traditionell exportorientierte Wirtschaft hat sich von den negativen Einflüssen der Wirtschaftskrise erholen können, doch die politische Krise des Landes hat nach wie vor einen negativen Einfluss auf die Wirtschaftsentwicklung Thailands. Die von der Regierung nach dem Putsch vom Mai 2014 angestoßenen Maßnahmen führen nur langsam zur erhofften wirtschaftlichen Erholung. Nachdem Thailand im Jahr 2014 ein Wirtschaftswachstum von nur 0,8 Prozent verzeichnen konnte, blieb das Wachstum auch noch im Jahr 2015 mit 2,8 Prozent hinter den Erwartungen zurück. 2016 und 2017 wuchs das BIP [Bruttoinlandsprodukt, Anm.] deutlich mehr als drei Prozent, auch die Erwartungen für 2018 sind optimistisch. Ursächlich dafür sind sowohl eine positive Entwicklung in der Tourismusbranche, eine sehr aktive Anreizgestaltung für Neuinvestitionen, kurzfristige Fördermaßnahmen für kleinere und mittlere Unternehmen sowie umfangreiche staatliche Infrastrukturvorhaben (AA 3.2018c). Die Weltbank hat Thailand 2011 offiziell zum Land mit “gehobenem mittleren Einkommen” erklärt. Mit zweistelligen Wachstumsraten in den Boomjahren der 1990er Jahre gilt das Land als “eine Erfolgsgeschichte von Entwicklung” (GIZ 8.2018c). Das Sozialprodukt entsteht in Thailand zu jeweils ca. 45 Prozent im Dienstleistungsbereich und in der Industrie (einschließlich Bau- und Bergbauindustrie) sowie zu rund 10 Prozent in der Landwirtschaft. Der Tourismus spielt mit gut 17,7 Prozent Anteil am Sozialprodukt eine zunehmend bedeutende Rolle. Der Agrarsektor ist unter arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Gesichtspunkten mit rund 40 Prozent Anteil der Arbeitskräfte bedeutender, als es der Anteil am Sozialprodukt vermuten lässt (AA 3.2018c). Erfolgreiche, exportorientierte Industrialisierung hat die Wirtschafts- und Sozialstruktur des Landes grundlegend verändert. Wichtige industrielle Sektoren sind die Automobilindustrie, die Elektronikindustrie, die Textilindustrie und die Bauwirtschaft. Bei den Dienstleistungen dominieren Tourismus, Telekommunikation und Finanzen. Die Landwirtschaft (Reis, Kautschuk, Fisch und Geflügel) ist inzwischen auch in globale Wertschöpfungsketten eingebettet (GIZ 8.2018c). Thailands Boom hatte auch seine Schattenseiten. Eine große Zahl der Bauern und Arbeiter profitierte kaum vom Wirtschaftswachstum, das auf Niedriglöhne aufgebaut war. Gleichzeitig wurden Stimmen lauter, die vor den ökologischen Konsequenzen des unbegrenzten Wirtschaftswachstums warnten. Thailand konnte vor 2015 die meisten Millennium Development Goals (MDG) erreichen. Es sind vor allem Erfolge bei der Bekämpfung der absoluten Armut sowie im Gesundheitsbereich festzustellen, sodass Thailand sich eigene „MDGs Plus“ Ziele gesetzt hat. Ziele, die dem Wirtschaftswachstum eher widersprechen, wie ökologische Nachhaltigkeit oder Geschlechtergerechtigkeit, die die lukrative Sexindustrie bedrohen könnte, werden – gemäß GIZ - nicht so einfach zu realisieren sein. Seit 2015 verfolgt Thailand die Verwirklichung der sogenannten Sustainable Development Goals. So sollen die Ursachen von Armut, Ungleichheit und Klimawandel bekämpft werden. Mittlerweile ist die "Philosophie der Genügsamen Ökonomie" des verstorbenen Königs Bhumibol, welche auf den drei Säulen Genügsamkeit, Vernünftigkeit und Bewältigung unerwarteter Änderungen und deren Folgen beruht, die offizielle Entwicklungspolitik des Landes (GIZ 8.2018c; vgl. HBS o.D.). Nach moderaten Steigerungen der letzten Jahre betrug die Inflationsrate 2017 0,7 Prozent. Die Staatsverschuldung lag 2017 bei rund 165 Milliarden Euro und damit bei 39,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Für das Jahr 2018 wurde eine deutliche Erhöhung der Neuverschuldung angekündigt. Die Währungsreserven lagen 2017 bei 179,3 Milliarden Euro. Die Leistungsbilanz Thailands ist – vor allem bedingt durch Exportorientierung – traditionell positiv (AA 3.2018c). Thailand ist angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung zwar kein Schwerpunktland der Entwicklungszusammenarbeit mehr, doch fungiert es als regionales Zentrum für die Region, in der viele staatliche und nicht-staatliche entwicklungspolitische Organisationen tätig sind. Projekte internationaler Organisationen wie die Weltbank oder die UNDP fokussieren heute weniger auf wirtschaftliche Entwicklung, sondern zunehmend auf "good governance" oder auf umweltpolitische Themen. Thailand hat schon längst die Rolle als Tür zur Mekongregion und zu Asien eingenommen (GIZ 8.2018c). Es gibt in Thailand ein Sozialversicherungssystem, das Alters-, Behinderten-, Witwen- und Waisenpensionen sowie Unterstützungen bei Mutterschaft, Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfällen vorsieht (USSSA 3.2017).

Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung im Lande ist insbesondere in Bangkok und auch in den großen Städten von hoher Qualität, auf dem Land entspricht sie evtl. nicht europäischem Standard (AA 31.10.2018b; vgl. GIZ 8.2018b). Thailand ist mit hochmodernen Privatkrankenhäusern ein “medizinischer Hub” für die Region; Gesundheitstourismus (Zahnbehandlungen, Altenpflege, plastische Chirurgie) wurde zur boomenden Branche, was z.B. durch das Abwerben von Ärzten aus den öffentlichen Krankenhäusern für die Grundversorgung problematisch ist (GIZ 8.2018b). Es gibt drei Krankenversicherungssysteme für thailändische Staatsbürger, die Therapien sowie stationäre und ambulante Behandlungen abdecken. Staatsbürger sind von Gesetz her einem dieser Systeme zugehörig; 99 Prozent der Bevölkerung sind krankenversichert und haben ein Anrecht auf umfangreiche Behandlungen. Diese Dienste werden für Patienten im System der Sozialversicherung sowie der Beamtenversicherung kostenfrei zur Verfügung gestellt. Patienten im Universalversicherungssystem bezahlen 30 Baht pro Besuch einer Gesundheitseinrichtung. Dabei gibt es jedoch Einschränkungen bei der Wahl des Spitals. Wenn Patienten das Überweisungssystem missachten, müssen sie die vollen Kosten ihrer Behandlung selbst tragen (BIA 29.1.2016).

Rückkehr

Weder die illegale Ausreise, noch die Asylantragstellung eines thailändischen Staatsangehörigen im Ausland ist in Thailand gesetzlich strafbar (VB 22.6.2015). Die interimistische Verfassung von 2014 garantierte ebenso wie die aktuelle Verfassung von 2017 Bewegungsfreiheit, freie Reisen ins Ausland, Emigration und Repatriierung. Die Regierung respektiert diese Rechte bis auf einige Ausnahmen im Allgemeinen auch in der Praxis (USDOS 20.4.2018).

Coronavirus disease 2019 (COVID-19) Situation Report – 100 der WHO (World Health Organization)

vom 13.08.2020

Nach aktuellem Stand zum Entscheidungszeitpunkt gibt es im ganzen Land 3.359 bestätigte Infektionen mit dem Coronavirus und 58 Todesfälle.

3. Beweiswürdigung:

3.1. Zur Person der BF:

Die Identität und Staatsbürgerschaft der BF stehen aufgrund ihres vorgelegten alten (Passnr.: AA4294654) und neuen (Passnr.: AA7563970) Reisepasses fest. Die Sprachkenntnisse der BF ergeben sich daraus, dass ihre Einvernahme während des gesamten Asylverfahrens unter Beiziehung eines Dolmetschers für Thailändisch erfolgte. Die Feststellungen zu ihrer Religion, ihren Familienverhältnissen und ihrem Leben in Thailand beruhen auf ihren und glaubhaften Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Dass vom Ex-Ehmann der BF gegenüber, entgegen dem in der Beschwerde behaupteten, keine Gefahr drohe, beruht auf ihren eigenen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Demnach hätten sie sich getrennt, weil ihre Interessen unterschiedlich gewesen seien und es immer wieder Auseinandersetzungen sowie familiäre Missverständnisse gegeben habe. Auf Frage des Richters, ob der Ex-Ehmann gegenüber der BF oder ihren Kindern gewalttätig gewesen sei, antwortete sie: „Nein, es gab nur laute Streitgespräche, aber keine Gewalt. Es kam zum familiären Streit, da nicht ausreichend Geld für das Familienleben da war“ (S. 8 des VH-Prot.). Demzufolge hat es nach den glaubhaften Aussagen der BF keine Gewalttätigkeiten ihr gegenüber oder den Kindern gegeben, zumal sie zum Widerspruch in der Beschwerde befragt, erneut angab, dass es keine physische Gewalt gegeben habe, sondern sie von ihrem Ex-Ehemann angeschrien und gestoßen worden sei. Es habe zwar eine Anzeige von Seiten ihrer Schwester gegeben, weil sie erwirken haben wollen, dass die Situation nicht eskaliere, weshalb es ein Schlichtungsgespräch gegeben habe. In Thailand werde jemand in familiären Situationen schnell angezeigt (S. 9 des VH-Prot). Vom erkennenden Richter dazu befragt, ob sie Angst vor ihrem Ex-Ehemann im Falle der Rückkehr nach Thailand habe, führte die BF zudem aus, dass sie keine Angst habe. Sie sei von ihm getrennt und glaube sogar, dass ihr Ex-Ehemann mittlerweile in ein buddhistisches Kloster eingetreten sei (S. 9 des VH-Prot). Der Ehemann der BF gab als Zeuge in der mündlichen Verhandlung an, dass der Ex-Ehmann der BF „ein bisschen gewalttätig“ gewesen sei. Befragt vom erkennenden Gericht, was er damit meine, sagte er, dass er durch den Schwager oder die Schwägerin erfahren habe, dass sie Watschen von ihm bekommen habe (S. 15 des VH-Prot.). Vor dem Hintergrund, dass jene vagen Informationen des Ehemannes aus dritter Hand kommen und im Widerspruch zu den Aussagen der BF selbst stehen, kommt das erkennende Gericht insgesamt zu dem Schluss, dass die BF keine Bedrohung durch den Ex-Ehemann zu befürchten hat.

Die Feststellung, dass die BF an keiner lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Krankheit leidet, ergibt sich aufgrund ihrer glaubwürdigen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aufgrund der Tatsache, dass im Verfahren nicht vorgebracht wurde, dass sie an einer schwerwiegenden Erkrankung oder Beeinträchtigung leiden würde und des Umstandes, dass sich im Akt auch keine Befunde, medizinische Unterlagen o.ä. finden, die auf das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung schließen lassen. Die BF hat in der mündlichen Beschwerdeverhandlung zwar angegeben aufgrund eines Sturzes Schmerzen im linken Finger zu haben (S. 4 des VH-Prot.), dazu jedoch keinerlei medizinische Unterlagen vorgelegt. Daraus ergibt sich auch noch keine lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankung.

3.2. Zum Privatleben der BF in Österreich:

3.2.1. Die Feststellung, dass die BF seit 26.12.2016 mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet ist, ergibt sich aus der vorgelegten und beglaubigt übersetzten Heiratsurkunde sowie des Staatsbürgerschaftsnachweises des Ehemanns der BF. Die Feststellungen zu den bisherigen Aufenthalten der BF im Bundesgebiet ergeben sich aus ihren vorgelegten Reisepässen (Einreise- und Ausreisestempel sowie darin enthaltene Visa). Die Feststellung zum Kennenlernen der BF mit ihrem Ehemann ergaben sich aus ihren Angaben und den Angaben ihres Ehemanns in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

3.2.2. Die Feststellungen der BF zur Einreise nach Österreich und Antragstellung nach dem NAG im Bundesgebiet ergeben sich aus dem in ihrem aktuellen vorgelegten Reisepass ersichtlichen Visum D und dem Einreisestempel sowie dem Bescheid vom 18.09.2017 der Magistratsabteilung 35.

3.2.3. Dass die BF gemeinsam mit ihrem Ehemann in einer Mietwohnung lebt, ergibt sich aus deren übereinstimmenden Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus ZMR-Auszügen ersichtlichen übereinstimmenden Meldeadressen. Die Feststellung zu ihren Verwandten in Österreich sowie ihrer Krankenversicherung beruhen auf ihrer Stellungnahme vom 12.02.2018, ihren Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung und einem Auszug aus dem AJ-Web. Dass die BF weder mit ihrer Schwester, noch ihrer Nichte oder Großnichte im gemeinsamen Haushalt lebt, ergibt sich aus ZMR-Auszügen. Ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu diesen ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Die BF gab zwar an, dass ihre Schwester sie im Bundesgebiet zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes unterstütze (S. 11 des VH-Prot.), daraus ergibt sich jedoch noch kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis. Sonstige besondere Nahebeziehungen sind ebensowenig hervorgekommen.

Die Feststellung zu den Deutschkenntnissen der BF beruht auf den drei vorgelegten Zeugnissen nicht bestandener Deutschprüfungen sowie dem persönlichen Eindruck, den sich der erkennende Richter in der mündlichen Beschwerdeverhandlung von den Deutschkenntnissen der BF machen konnte (S. 10 des VH-Prot.). Dass die BF über eine Einstellungszusage verfügt, ergibt sich aus dem Schreiben der XXXX vom 02.02.2018.

Die Feststellung, dass die BF keinen Integrationskurs besucht hat, oder Mitglied in einem Verein ist, ergibt sich aus dem Umstand, dass dazu keinerlei Unterlagen vorgelegt wurden. Die BF gab zwar in der mündlichen Verhandlung an, einen Integrationskurs besucht zu haben und verwies auf die vorgelegten Unterlagen, darunter finden sich jedoch ausschließlich drei nicht bestandene ÖSD Zertifikate über die Deutschprüfung A1. Dass die BF nicht ehrenamtlich tätig war, Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation ist, ergibt sich aus ihren eigenen glaubhaften Angaben in der Beschwerdeverhandlung sowie dem Umstand, dass dazu keinerlei Unterlagen vorgelegt wurden. Die BF führte auf konkrete Nachfrage zu ihren Freizeitaktivitäten an, dass sie koche, die Wohnung putze und gelegentlich ihren Mann massiere. Im Übrigen gab sie auch selbst an wenige Freunde im Bundesgebiet zu haben (S. 10 des VH-Prot.), später in

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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