TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/28 W272 2214272-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.08.2020
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Entscheidungsdatum

28.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W272 2214272-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle Linz, vom XXXX , XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 03.03.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (in der Folge AsylG).

2. Am selben Tag wurde der BF durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragung unterzogen, wobei er zunächst zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt angab, am XXXX geboren und ledig zu sein. Er bekenne sich zur Glaubensrichtung des sunnitischen Islam und gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an. Er habe sechs Jahre die Grundschule besucht und zuletzt als KFZ-Mechaniker gearbeitet. Seine Eltern sowie seine Geschwister würden sich nach wie vor in Kabul aufhalten, wo auch er zuletzt gelebt habe.

Befragt nach dem Grund seiner Flucht führte der BF aus, dass sein Vater mit der UN zusammengearbeitet habe. Aufgrund dessen sei dieser am Weg zu seinem Vater von Taliban angehalten und bedroht worden. Er habe jedoch rechtzeitig flüchten können.Der Vater sei mehrmals aufgefordert worden, seinen Job mit UN-Verbindung aufzugeben, habe diese Forderung jedoch nicht erfüllt. Daraufhin sei seine Schwester XXXX von den Taliban entführt worden. Sie habe jedoch im Zuge einer Kontrolle durch die afghanische Armee befreit werden können. Als seine Schwester zurückkehrte, hätten die Taliban kurz darauf gedroht auch den BF zu entführen.

3. Am 09.01.2018 wurden vom BF mittels Urkundenvorlage Patientenkarten des LKH Schärding vom 30.03.2017, 21.04.2017, 18.06.2017, 12.09.2017 und vom 13.10.2017, Radiologieaufnahmen des LHK Schärding vom 18.06.2017 und vom 12.09.2017, ein Kurzarztbrief von XXXX vom 28.08.2017, Überweisungen von XXXX für Physiotherapie vom 24.04.2017 und vom 30.06.2017, eine Arztbesuchsbestätigung vom XXXX vom 28.04.2017, ein Arzterstbericht des LKH Schärding vom 24.04.2017, ein Röntgenbefund von XXXX vom 20.04.2017, eine ärztliche Bestätigung von XXXX vom 10.05.2016 sowie ein Entlassungsbrief inkl. –schein des Uniklinikum Salzburg vom 04.04.2016 ins Verfahren eingebracht.

4. Mit Verfahrensanordnung vom 16.01.2018 stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass der BF spätestens am XXXX geboren worden sei. Dem medizinischen Sachverständigengutachten vom 09.01.2018 zufolge habe der BF ein absolutes Mindestalter von 15,82 Jahren, was das behauptete Lebensalter unterschreite. Damit habe sich der BF zum Datum des Asylantrages nicht jenseits seines vollendeten 18. Lebensjahres befunden. Eine Minderjährigkeit des BF könne für den Zeitpunkt der Antragstellung nicht mit dem erforderlichen Beweismaß ausgeschlossen werden.

5. Am 03.05.2018 fand eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in der Sprache Dari statt. Dabei gab er an, dass er am XXXX in der Provinz Baghram, Distrikt Parwan, Dorf XXXX geboren worden sei. Aufgewachsen sei er in Kabul, wo er bis zu seiner Ausreise gelebt und sechs Jahre die Schule besucht habe. Während der Schule habe er fünf Jahre als Mechaniker ausgeholfen und Englischkurse besucht. Er spreche Dari, Türkisch, etwas Englisch und Deutsch. Seine Familie lebe nach wie vor in Kabul, etwa ein bis zwei Mal im Monat habe er über das Internet Kontakt zu ihr. Seine Geschwister könnten jedoch keine Schule besuchen. Zu seinem Fluchtgrund führte er aus, dass sein Vater bei der UNO gearbeitet habe. Er habe eine Karte gehabt, auf der „Messenger“ gestanden sei, außerdem habe er einen eigenen Fahrer gehabt und sei stets von zu Hause abgeholt und wieder nach Hause gebracht worden. Er sei geschützt worden, daher gehe der BF davon aus, dass sein Vater Leiter einer Abteilung sei bzw. einen wichtigen Posten habe. Der Großvater des BF sei von den Taliban bedroht worden, als diese erfahren hätten, für wen sein Vater arbeite. Sie hätten gewollt, dass sein Vater mit dieser Arbeit aufhöre, da ihm ansonsten Schlimmes passieren würde. Da sein Vater diese Drohung nicht ernst genommen habe, hätten die Taliban eines Tages seine Schwester auf dem Weg zum Einkaufen entführt. Die ganze Familie hätte die Schwester des BF gesucht, jedoch nicht gefunden. Daher habe seine Mutter seinen Vater kontaktiert. Dieser habe über seine Kontakte versucht, den Aufenthaltsort seiner Schwester herauszufinden. Etwa 1,5 Tage später hätte die Polizei sie schließlich in Mazar-e-Sharif in einer Mülltonne gefunden. Sie habe sich daran erinnern können, dass sie von einer Frau in einer Burka entführt worden sei, mehr habe sie aber nicht mehr gewusst. Nach diesem Vorfall habe sein Vater Drohriefe erhalten. Angeblich sei in einem dieser Briefe der Name des BF gestanden, daher habe sein Vater ihn fortgeschickt.

In Österreich besuche er die Schule und habe Deutschprüfungen für Niveau A1 und A2 abgelegt. Außerdem spiele er Fußball und habe ausschließlich österreichische Freunde.

Vorgelegt wurden:

?        Schulbesuchsbestätigung und Zeugnisse

?        Kursbestätigungen

?        Fachliche Stellungnahme der Volkshilfe

?        Foto seines Vaters bei der Arbeit

?        Kopien der UN-Bestätigungen seines Vaters aus Afghanistan

?        2 Drohbriefe aus Afghanistan

6. Am 14.05.2018 langte eine Urkundenvorlage des BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein. Eingebracht wurden 9 Seiten Fotographien des Vaters bei der UN, ein originaler Drohbrief, Schreiben des UN-Department vom 14.09.2006, 05.03.2007, 27.06.2007 und 25.04.2016, Bestätigungen des UN-Department vom 24.02.2010, 13.06.2011, 16.02.2012 und 22.12.2014, der originale Umschlag, mit welchem die Schreiben übermittelt wurden, ein Entlassungsbrief des Uniklinikum Salzburg vom 04.04.2016, ein Entlassungsschein des Uniklinikum Salzburg vom 04.04.2016, eine ärztliche Bestätigung von Dr. Waldhauser vom 10.05.2016, ein Erstbericht der Unfallchirurgie Schärding vom 24.04.2017, eine Überweisung von Dr. Hammel vom 24.04.2017, eine Bestätigung eines Arztbesuches UMF Schärding vom 24.08.2017, Patientenkarten des Krankenhauses Schärding vom 30.03.2017, 21.04.2017, 18.06.2017, 12.09.2017 und 13.10.2017, ein Röntgenbefund des Ärztezentrum Schärding vom 20.04.2017, eine Röntgenaufnahme vom 18.06.2018 und vom 12.09.2018, eine Überweisung von XXXX vom 30.06.2017, eine Aufenthaltsbestätigung des Kepler Uni Klinikums vom 27.03.2018, ein Vorläufiger Entlassungsbrief des Kepler Uni Klinikums vom 28.03.2018, eine Bestätigung der Turnbefreiung des Kepler Uni Klinikums vom 04.05.2018, ein Sonographiebefund des Kepler Uni Klinikums vom 04.05.2018 sowie zwei Vereinsbestätigungen des SKS Schärding vom 04.05.2018 sowie des ATSV Schärding vom 04.05.2018.

7. Am 15.05.2018 langte eine Stellungnahme des BF zu den Länderinformationen Afghanistan vom 02.03.2017 bzw. 30.01.2018 ein. Vorgebracht wurde, dass seine Furcht vor Verfolgung iSd GFK wohlbegründet sei, liege doch der Grund seiner Verfolgung für seine Verfolger – die Taliban – jedenfalls wesentlich in der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Mitarbeiter von internationalen Organisationen bzw. deren Familie. Auch existiere für den BF angesichts des geographischen großen Wirkungsradius der regierungsfeindlichen Kräfte keine sinnvolle interne Schutzalternative und stelle die vom BF dargelegte Verfolgung eine solche durch nichtstaatliche Akteure, nämlich der Taliban, dar, gegen deren Verfolgungshandlungen der afghanische Staat aktuell nicht ausreichend Schutz gewähren könne. Auch die Tatsache, dass seinen Geschwistern aus Sicherheitsgründen seit Jahren verwehrt werde, das Haus zu verlassen, verdeutliche die Unzumutbarkeit einer internen Schutzalternative. Darüber hinaus ergebe sich aus seinen glaubhaften und belegbaren Angaben, dass der BF eine westlich orientierte Wertehaltung vertrete, welche sowohl die Freiheit der Religionswahl und –ausübung als auch die Gleichstellung der verschiedenen Geschlechter gegenüber der konservativen Haltung in seinem Herkunftsstaat favorisiere. Er lehne es ab, dass seinen Schwestern aufgrund ihres Geschlechts die Schulbildung verwehrt werde und habe die Doppelehe seines Vaters, die ohne das Wissen seiner leiblichen Mutter geschlossen worden sei, von Beginn an Widerspruch in ihm ausgelöst. Auch sein Kleidungsstil orientiere sich stark am westlich „üblichen“. Die Sicherheitslage in Afghanistan habe sich verschlechtert, wozu entsprechende Berichte miteingebracht würden. Besonders als Minderjähriger sei er von einer massiven Kindeswohlgefährdung betroffen.

8. Am 17.05.20018 langte die Übersetzung der im Original eingebrachten Drohbriefe beim Bundesamt ein. In einem der Briefe werde der Vater des BF vom Talibanrat von Parwan aufgefordert, seine Arbeit bei den Vereinten Nationen zu beenden. Sollte er dieser Aufforderung nicht nachkommen, werde er und seine Familie hart bestraft werden. Er sei mehrmals von dem Imam der Moschee gewarnt worden, es habe ihn jedoch nicht gekümmert. Sollte er seine Tätigkeit nicht beenden, trage er selbst die Verantwortung dafür. Im zweiten Brief werde dem BF vorgeworfen, dass sein Vater mit den Ungläubigen zusammenarbeite. Die erste Warnung hätte seine Familie nicht beachtet, da sein Vater nach wie vor mit den Gottlosen arbeite. Dies sei die letzte Warnung, dass sein Vater die Arbeiten mit den Ungläubigen aufgeben solle. Sollte er dies nicht tun, habe der Talibanrat beschlossen, jeden Einzelnen der Familie zu töten.

9. Mit Schriftsatz vom 21.11.2018 langte eine Stellungnahme zu den Länderinformationen Afghanistan vom 29.06.2018 sowie zur Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des BFA vom 15.10.2018 und eine Urkundenvorlage beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein. Die Anfragebeantwortung des BFA bestätige die Tätigkeit seines Vaters als Bote für die UNDP bis 31.12.2016. Ebenfalls werde die aktuelle Tätigkeit als Gebäudeverwalter für Three Dabster (UN Vertragsfirma für Unterstützungsleistungen) bejaht. Die Staatendokumentation des BFA habe ebenfalls eine besondere Gefährdung für (ehemalige) UN Mitarbeiter sowie ihre Familienangehörigen bestätigt. Auch den aktuellen UNHCR-Richtlinien zufolge gebe es eine erhöhte Gefahr für NGO Mitarbeiter sowie deren Angehörige. Eingebrachten Berichte zufolge sei die afghanische Regierung nicht fähig, den BF als high profile person vor Angriffen durch regierungsfeindliche Gruppen zu schützen. Darüber hinaus sei der BF auch aufgrund seiner westlichen Gesinnung und als Rückkehrer einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt und die Sicherheitslage in Afghanistan sei nach wie vor sehr schlecht. In Österreich habe er seit 4 Monaten eine österreichische Lebensgefährtin und sei im Fußballverein Blau Weiß Linz aufgenommen, wo er ab seinem 17. Lebensjahr zu spielen beginnen könne. Mitvorgelegt wurde ein Externistenabschlusszeugnis der Neuen Mittelschule Schärding vom 14.01.2019.

10. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und dem BF der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Antrag des BF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass der BF seine Fluchtgeschichte in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt im Gegensatz zu seiner Erstbefragung etwas anders geschildert habe. Auch die Behauptungen, dass sein Vater eine hohe und wichtige Position bei UNDP innegehabt hätte, seien nicht glaubwürdig, zumal eine Nachfrage ergeben habe, dass der Vater des BF als Bote für UNDP gearbeitet habe. Es sei nicht davon auszugehen, dass ein Bote der UNDP oder ein Gebäudeverwalter einer Beratungsgesellschaft der UNDP für die Taliban von derart großem Interesse gewesen sei, dass er unbedingt seine Tätigkeit habe aufgeben müssen. Auch in zeitlicher Hinsicht habe sich der BF in Ungereimtheiten verstrickt. Es sei weiters nicht schlüssig, dass der Vater des BF in der vorgebrachten Bedrohungssituation weiterhin in Kabul seiner bisherigen Arbeit nachgehen und lediglich seinen ältesten Sohn nach Europa schicken würde. Bezüglich einer möglichen Rückkehr in den Heimatstaat sei anzuführen, dass der BF über Familienangehörige in Kabul verfüge, eine Schul- und Berufsausbildung erfahren habe und arbeitsfähig sei. Eine prekäre Sicherheitslage sei zudem nicht für ganz Afghanistan festzustellen.

11. Mit Schriftsatz vom 18.01.2019 erhob der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte vor, dass das Bundesamt den amtswegigen Ermittlungsgrundsatz gem. § 18 Abs. 1 AsylG missachtet habe und der bisher erhobene Sachverhalt keinesfalls als ausreichende Entscheidungsgrundlage anzusehen sei. Die belangte Behörde sei ihren Ermittlungspflichten nicht in ausreichendem Maße nachgekommen und habe das Verfahren mit schwerwiegenden Mängeln belastet. So würden sich die vorgehaltenen Länderfeststellungen zwar mit der allgemeinen Lage in Afghanistan beschäftigen, sich jedoch unzureichend mit dem Fluchtvorbringen des BF befassen. Daher werde auf ergänzende Länderinformationen vierwiesen. Des Weiteren leide der Bescheid an einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung und verletze § 60 AVG. Die Behörde unterziehe in ihrer Prüfung in keinster Weise den Umstand der Minderjährigkeit sowie das junge Alter des BF zum fluchtauslösenden Moment. Hinsichtlich allfälliger Widersprüche oder Ungereimtheiten zu der Erstbefragung werde auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes verwiesen, wonach Asylwerber im Rahmen der Erstbefragung nicht näher zu ihren Fluchtgründen befragt werden dürften. Die Widersprüche der Behörde würden konstruiert und willkürlich erscheinen. In Wahrheit habe der BF ein widerspruchsfreies und nachvollziehbares Vorbringen erstattet.

12. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 16.07.2020 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung brachte der BF folgende Unterlagen in Vorlage: diverse Empfehlungsschreiben, Schulbesuchsbestätigung Schuljahr 2019/20, Integrationsprüfung B1, Prüfungsvorbereitung Integrationsprüfung, Bescheinigung als Fußballspieler bei XXXX , Werte- und Orientierungskurs, Externistenabschlusszeugnis über die achte Schulstufe der NMS vom 14.01.2019, Führerschein AM und B, Entlassungsbrief vom Krankenhaus wegen einer Blinddarmentzündung.

13. Mit Eingabe 31.07.2020 wurden zudem folgende Unterlagen in Kopie mitvorgelegt:

?        Bereits vorgelegtes Jahreszeugnis HBLA Schuljahr 2019/20;

?        Termin zur Wiederholungsprüfung für das Schuljahr 2019/20;

?        Zwei Empfehlungsschreiben vom 19.07.2020 und vom 21.07.2020;

?        Bestätigungsschreiben Vorstellungstermin vom 23.07.2020;

?        Bestätigungsschreiben Landesrat XXXX vom 21.07.2020;

?        Screenshot eines Facebookeintrages von Minister Anschober zum Thema „Ausbildung statt Abschiebung“;

?        Empfehlungsschreiben XXXX – Fußball;

?        Bestätigung betreffend ehrenamtliche Tätigkeit im Verein „ XXXX “ vom 18.07.2020;

?        Zwei Einladungen zum Vorstellungsgespräch XXXX GmbH vom 22.07.2020 und XXXX GmbH vom 24.08.2018

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.

Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan, Provinz Parwan, Distrikt Bagram, geboren, jedoch in Kabul aufgewachsen und hat dort bis zu seiner Ausreise gelebt.

Er ist ledig. Vor seiner Ausreise lebte er gemeinsam mit seiner Kernfamilie im gemeinsamen Haushalt in Kabul. Seine Familie, seine Eltern und seine Geschwister, sowie seine Stiefmutter sowie sein Halbbruder und Halbschwester leben in Afghanistan. Der Vater des Beschwerdeführers könnte den BF zumindest vorübergehend finanziell unterstützen. Er kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Dass die Familie des BF aus Afghanistan verzogen ist, konnte nicht festgestellt werden.

In Afghanistan hat der Beschwerdeführer sechs Jahre lang die Schule besucht und Berufserfahrung als Mechaniker erworben; durch seine Arbeit in der Autowerkstatt und durch die Unterstützung seines Vaters konnte er für seinen Lebensunterhalt aufkommen. Der Beschwerdeführer kann lesen und schreiben. Der Beschwerdeführer spricht die Sprachen Dari, etwas Türkisch, Englisch und Deutsch.

Der BF ist grundsätzlich seinem Alter entsprechend entwickelt, gesund und arbeitsfähig.

Der BF ist in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft, war dort nie inhaftiert, war kein Mitglied einer politischen Partei oder sonstigen Gruppierung, er hat sich nicht politisch betätigt und hatte keine Probleme mit staatlichen Einrichtungen oder Behörden im Herkunftsland.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF ist seit März 2016 in Österreich aufhältig. In Österreich besuchte der BF im Jahr 2017 die NMS in XXXX und absolvierte er die Externistenabschlussprüfung über die achte Schulstufe. Im Schuljahr 2019/20 besuchte der BF die erste Klasse der dreijährigen Fachschule für wirtschaftliche Berufe. Der BF weist kein positives Abschlusszeugnis auf, in den Fächern Deutsch, Englisch, Betriebswirtschaft, Rechnungswesen und wirtschaftliches Rechnen sowie Officemanagement hat er ein „Nicht Genügend“ sowie die Verhaltensnote: „Zufriedenstellend“ und legte er eine Terminbestätigung zur Wiederholungsprüfung für September 2020 vor. Der BF hat am 24.08.2018, am 22.07.2020 und am 23.07.2020 an Vorstellungsgesprächen teilgenommen. Er besuchte einzelne Deutschkurse und hat bisher A2 und B1 positiv bestanden sowie einen Werte- und Orientierungskurs absolviert. Der BF ist einmal wöchentlich im Verein „ XXXX “ ehrenamtlich tätig und Mitglied eines Fußballvereins. In seiner Freizeit betreibt er Sport. Der Beschwerdeführer verfügt über gute Deutschkenntnisse und hat er in Österreich einen Freundes- und Bekanntenkreis. Er führt seit März 2019 eine Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin; es besteht ein guter Kontakt zur Familie seiner Freundin. Ein Abhängigkeitsverhältnis ist nicht hervorgekommen. Der BF ist nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Der BF verfügt über keine Familienangehörigen in Österreich. Derzeit ist der BF in einer Unterkunft der Diakonie untergebracht.

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 03.03.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Nicht als Sachverhalt zugrunde gelegt werden sämtliche Angaben des Beschwerdeführers zur behaupteten Bedrohungssituation in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan. Insbesondere wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer einer konkreten Verfolgung bzw. Bedrohung ausgesetzt war.

Es wird festgestellt, dass der BF wegen Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter nicht bedroht oder verfolgt gewesen wäre.

1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr des BF in sein Herkunftsland:

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter keiner Gefährdung ausgesetzt ist.

Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer auf Grund der Tatsache, dass er sich etwas über vier Jahre und fünf Monate in Europa aufgehalten hat bzw. dass er als afghanischer Staatsangehöriger, der aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, deshalb in Afghanistan einer Verfolgung ausgesetzt wäre.

Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder auf Grund seines Aufenthalts in einem europäischen Land in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

Die Feststellungen zu den Folgen einer Wiederansiedlung des Beschwerdeführers in Kabul bzw. außerhalb seiner Herkunftsprovinz gelegenen Landesteilen, insbesondere in der Stadt Mazar-e Sharif und Herat, ergeben sich aus den o.a. Länderberichten in Zusammenschau mit den vom Beschwerdeführer glaubhaft dargelegten persönlichen Umständen.

Dem BF steht als innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in die Städte Mazar-e-Sharif oder Herat zur Verfügung, obwohl in diesen beiden Städten eine angespannte Situation vorherrschen. Es ist ihm jedoch möglich ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befrieden zu können, bzw. ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem BF würde bei seiner Rückkehr in eine dieser Städte kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Der BF hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und zumindest vorrübergehend verschiedene Hilfsprogramme in Anspruch nehmen, die in bei der Ansiedlung in Mazar- e Sharif oder Herat unterstützen. Ein Auffinden des BF in den beiden Städten ist nicht wahrscheinlich, da kein Meldesystem in Afghanistan vorhanden ist. Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in Kabul oder der Stadt Mazar-e Sharif oder Herat Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Der BF kennt sich mit der sozialen und kulturellen Umgebung in Afghanistan aus. Er ist in Afghanistan aufgewachsen und hat dort die Schule besucht und gearbeitet.

Die Städte Mazar-e-Sharif und Herat sind von Österreich aus sicher über Kabul mit dem Flugzeug zu erreichen. Die Rückführung nach Afghanistan wird von Österreich organisiert.

Der BF hat keine individuellen gefahrenerhöhenden Umstände aufgezeigt, die unter Beachtung seiner persönlichen Situation innewohnenden Umstände eine Gewährung von subsidiären Schutz auch bei einem niedrigen Grad willkürlicher Gewalt angezeigt hätte.

Festgestellt wird, dass die aktuell vorherrschende Coronapandemie in Afghanistan, mit Stand 16.07.2020 (Verhandlungstag) und zum Zeitpunkt der Entscheidung, kein Rückkehrhindernis darstellt. Zum Zeitpunkt der Verhandlung bzw. der Entscheidung liegt die Infektion bei mehr als 30.000 Personen und 1.300 Todesfällen, die Sterberate liegt im Altersbereich des BF bei unter 1%. Der BF ist körperlich gesund und gehört mit Blick auf sein Alter und das Fehlen einschlägiger physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde.

Die Lockdown-Maßnahmen in Afghanistan sind eingeschränkt. So sind die Geschäfte wieder geöffnet und Arbeitsmöglichkeiten vorhanden.

1.4. Zum Herkunftsstaat:

Das BVwG trifft folgende Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat unter Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Gesamtaktualisierung am 13.11.2019 und Teilaktualisierung am 29.06.2020 und der Kurzinformation der Staatendokumentation COVID-19 Afghanistan:

Zur Situation in Afghanistan und zur Situation von Angehörigen der Sunniten und der Tadschiken ergibt sich unter Zugrundelegung der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen Folgendes:

Bezüglich der aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf die Website der WHO bzw. der John Hopkins Universität mit täglich aktualisierten Zahlen, abzurufen.

Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB AFGHANISTAN übernommen (länderspezifische Anmerkungen).

Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

Berichten zufolge, haben sich mehr als 30.000 Menschen in Afghanistan mit COVID-19 angesteckt (WP 25.5.2020; vgl. JHU 26.6.2020), mehr als 670 sind daran gestorben. Dem Gesundheitsministerium zufolge, liegen die tatsächlichen Zahlen viel höher; auch bestünde dem Ministerium zufolge die Möglichkeit, dass in den kommenden Monaten landesweit bis zu 26 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert werden könnten, womit die Zahl der Todesopfer 100.000 übersteigen könnte. Die COVID-19 Testraten sind extrem niedrig in Afghanistan: weniger als 0,2% der Bevölkerung – rund 64.900 Menschen von geschätzten 37,6 Millionen Einwohnern – wurden bis jetzt auf COVID-19 getestet (WP 25.6.2020).

In vier der 34 Provinzen Afghanistans – Nangahar, Ghazni, Logar und Kunduz – hat sich unter den Sicherheitskräften COVID-19 ausgebreitet. In manchen Einheiten wird eine Infektionsrate von 60-90% vermutet. Dadurch steht weniger Personal bei Operationen und/oder zur Aufnahme des Dienstes auf Außenposten zur Verfügung (WP 25.6.2020).

In Afghanistan sind landesweit derzeit Mobilität, soziale und geschäftliche Aktivitäten sowie Regierungsdienste eingeschränkt. In den größeren Städten wie z.B. Kabul, Kandahar, Mazar-e Sharif, Jalalabad, Parwan usw. wird auf diese Maßnahmen stärker geachtet und dementsprechend kontrolliert. Verboten sind zudem auch Großveranstaltungen – Regierungsveranstaltungen, Hochzeitsfeiern, Sportveranstaltungen – bei denen mehr als zehn Personen zusammenkommen würden (RA KBL 19.6.2020). In der Öffentlichkeit ist die Bevölkerung verpflichtet einen Nasen-Mund-Schutz zu tragen (AJ 8.6.2020).

Wirksame Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von COVID-19 scheinen derzeit auf keiner Ebene möglich zu sein: der afghanischen Regierung zufolge, lebt 52% der Bevölkerung in Armut, während 45% in Ernährungsunsicherheit lebt (AF 24.6.2020). Dem Lockdown folge zu leisten, "social distancing" zu betreiben und zuhause zu bleiben ist daher für viele keine Option, da viele Afghan/innen arbeiten müssen, um ihre Familien versorgen zu können (AJ 8.6.2020).

Gesellschaftliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Auswirkungen

In Kabul, hat sich aus der COVID-19-Krise heraus ein "Solidaritätsprogramm" entwickelt, welches später in anderen Provinzen repliziert wurde. Eine afghanische Tageszeitung rief Hausbesitzer dazu auf, jenen ihrer Mieter/innen, die Miete zu reduzieren oder zu erlassen, die aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht arbeiten konnten. Viele Hausbesitzer folgten dem Aufruf (AF 24.6.2020).

Bei der Spendenaktion „Kocha Ba Kocha“ kamen junge Freiwillige zusammen, um auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu reagieren, indem sie Spenden für bedürftige Familien sammelten und ihnen kostenlos Nahrungsmittel zur Verfügung stellten. In einem weiteren Fall startete eine Privatbank eine Spendenkampagne, durch die 10.000 Haushalte in Kabul und andere Provinzen monatlich mit Lebensmitteln versorgt wurden. Außerdem initiierte die afghanische Regierung das sogenannte „kostenlose Brot“-Programm; bei dem bedürftige Familien – ausgewählt durch Gemeindeälteste – rund einen Monat lang mit kostenlosem Brot versorgt werden (AF 24.6.2020). In dem mehrphasigen Projekt, erhält täglich jede Person innerhalb einer Familie zwei Stück des traditionellen Brots, von einer Bäckerei in der Nähe ihres Wohnortes (TN 15.6.2020). Die Regierung kündigte kürzlich an, das Programm um einen weiteren Monat zu verlängern (AF 24.6.2020; vgl. TN 15.6.2020). Beispielsweise beklagten sich bedürftige Familien in der Provinz Jawzjan über Korruption im Rahmen dieses Projektes (TN 20.5.2020).

Weitere Maßnahmen der afghanischen Regierung

Schulen und Universitäten sind nach aktuellem Stand bis September 2020 geschlossen (AJ 8.6.2020; vgl. RA KBL 19.6.2020). Über Fernlernprogramme, via Internet, Radio und Fernsehen soll der traditionelle Unterricht im Klassenzimmer vorerst weiterhin ersetzen werden (AJ 8.6.2020). Fernlehre funktioniert jedoch nur bei wenigen Studierenden. Zum Einen können sich viele Familien weder Internet noch die dafür benötigten Geräte leisten und zum Anderem schränkt eine hohe Analphabetenzahl unter den Eltern in Afghanistan diese dabei ein, ihren Kindern beim Lernen behilflich sein zu können (HRW 18.6.2020).

Die großen Reisebeschränkungen wurden mittlerweile aufgehoben; die Bevölkerung kann nun in alle Provinzen reisen(RA KBL 19.6.2020). Afghanistan hat mit 24.6.2020 den internationalen Flugverkehr mit einem Turkish Airlines-Flug von Kabul nach Istanbul wieder aufgenommen; wobei der Flugplan aufgrund von Restriktionen auf vier Flüge pro Woche beschränkt wird (AnA 24.6.2020). Emirates, eine staatliche Fluglinie der Vereinigten Arabischen Emirate, hat mit 25.6.2020 Flüge zwischen Afghanistan und Dubai wieder aufgenommen (AnA 24.6.2020; vgl. GN 9.6.2020). Zwei afghanische Fluggesellschaften Ariana Airlines und der lokale private Betreiber Kam Air haben ebenso Flüge ins Ausland wieder aufgenommen (AnA 24.6.2020). Bei Reisen mit dem Flugzeug sind grundlegende COVID-19-Schutzmaßnahmen erforderlich (RA KBL 19.6.2020). Wird hingegen die Reise mit dem Auto angetreten, so sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Zwischen den Städten Afghanistans verkehren Busse. Grundlegende Schutzmaßnahmen nach COVID-19 werden von der Regierung zwar empfohlen – manchmal werden diese nicht vollständig umgesetzt (RA KBL 19.6.2020).

Seit 1.1.2020 beträgt die Anzahl zurückgekehrter Personen aus dem Iran und Pakistan: 339.742; 337.871 Personen aus dem Iran (247.082 spontane Rückkehrer/innen und 90.789 wurden abgeschoben) und 1.871 Personen aus Pakistan (1.805 spontane Rückkehrer/innen und 66 Personen wurden abgeschoben) (UNHCR 20.6.2020).

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus Pakistan

Die Grenze zu Pakistan war fast drei Monate lang aufgrund der COVID-19-Pandemie gesperrt. Mit 22.6.2020 erhielt Pakistan an drei Grenzübergängen erste Exporte aus Afghanistan: frisches Obst und Gemüse wurde über die Grenzübergänge Torkham, Chaman und Ghulam Khan nach Pakistan exportiert. Im Hinblick auf COVID-19 wurden Standardarbeitsanweisungen (SOPs – standard operating procedures) für den grenzüberschreitenden Handel angewandt (XI 23.6.2020). Der bilaterale Handel soll an sechs Tagen der Woche betrieben werden, während an Samstagen diese Grenzübergänge für Fußgänger reserviert sind (XI 23.6.2020; vgl. UNHCR 20.6.2020); in der Praxis wurde der Fußgängerverkehr jedoch häufiger zugelassen (UNHCR 20.6.2020).

Pakistanischen Behörden zufolge waren die zwei Grenzübergänge Torkham und Chaman auf Ansuchen Afghanistans und aus humanitären Gründen bereits früher für den Transithandel sowie Exporte nach Afghanistan geöffnet worden (XI 23.6.2020).

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus dem Iran

Die Anzahl aus dem Iran abgeschobener Afghanen ist im Vergleich zum Monat Mai stark gestiegen. Berichten zufolge haben die Lockerungen der Mobilitätsmaßnahmen dazu geführt, dass viele Afghanen mithilfe von Schmugglern in den Iran ausreisen. UNHCR zufolge, gaben Interviewpartner/innen an, kürzlich in den Iran eingereist zu sein, aber von der Polizei verhaftet und sofort nach Afghanistan abgeschoben worden zu sein (UNHCR 20.6.2020).

Quellen:

AF - Asia Foundation (24.6.2020): Afghanistan’s Covid-19 Bargain, https://asiafoundation.org/2020/06/24/afghanistans-covid-19-bargain/, Zugriff 26.6.2020

AJ - al-Jazeera (8.6.2020): Afghan schools, universities to remain closed until September, https://www.aljazeera.com/news/2020/06/afghan-schools-universities-remain-closed-september-200608062711582.html, Zugriff 26.6.2020

AnA – Andolu Agency (24.6.2020): Afghanistan resumes international flights amid COVID-19, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/afghanistan-resumes-international-flights-amid-covid-19/1888176, Zugriff 26.6.2020

GN – Gulf News (9.6.2020): COVID-19: Emirates to resume regular passenger flights to Kabul from June 25, https://gulfnews.com/uae/covid-19-emirates-to-resume-regular-passenger-flights-to-kabul-from-june-25-1.71950323, Zugriff 26.6.2020

HRW - Human Rights Watch (18.6.2020): School Closures Hurt Even More in Afghanistan, https://www.hrw.org/news/2020/06/18/school-closures-hurt-even-more-afghanistan, Zugriff 26.6.2020

JHU -John Hopkins Universität (26.6.2020): COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU), https://coronavirus.jhu.edu/map.html, Zugriff 26.6.2020

RA KBL – Rechtsanwalt in Kabul (19.6.2020): Antwortschreiben per Mail, liegt bei der Staatendokumentation auf.

TN – Tolonews (15.6.2020): Govt Will Resume Bread Distribution: Palace, https://tolonews.com/afghanistan/govt-will-resume-bread-distribution-palace, Zugriff 29.6.2020

TN – Tolonews (15.6.2020): Poor Claim ‘Unjust’ Bread Distribution in Jawzjan, https://tolonews.com/afghanistan/poor-claim-%E2%80%98unjust%E2%80%99-bread-distribution-jawzjan, Zugriff 29.6.2020 UNHCR – (20.6.2020): Border Monitoring Update COVID-19 Response 14-20 June 2020, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/77302, Zugriff 26.6.2020

WHO – World Health Organization (25.3.2020): Coronavirus disease 2019 (COVID-19) Situation Report –65, https://www.who.int/docs/default-source/coronaviruse/situation-reports/20200325-sitrep-65-covid-19.pdf?sfvrsn=2b74edd8_2, Zugriff 16.4.2020

WP - Washington Post (25.6.2020): Coronavirus sweeps through Afghanistan’s security forces, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistan-coronavirus-security-forces-military/2020/06/24/0063c828-b4e2-11ea-9a1d-d3db1cbe07ce_story.html, Zugriff 26.6.2020

XI – Xinhua (23.6.2020): Pakistan receives 1st Afghan export since COVID-19 pandemic, http://www.xinhuanet.com/english/2020-06/23/c_139159139.htm, Zugriff 26.6.2020

Das gegenständliche Produkt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde gemäß den vom Staatendokumentationsbeirat beschlossenen Standards und der Methodologie der Staatendokumentation erstellt.

Die Kurzinformationen der Staatendokumentation beinhalten anlassbezogene Informationen zu relevanten Themenbereichen in Herkunftsländern bzw. EU-Mitgliedsstaaten. Die KI kann Arbeitsübersetzungen fremdsprachiger Quellen beinhalten.

Das gegenständliche Produkt erhebt bezüglich der zur Verfügung gestellten Informationen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Aus dem vorliegenden Produkt ergeben sich keine Schlussfolgerungen für die rechtliche Beurteilung eines konkreten Verfahrens. Das vorliegende Dokument kann insbesondere auch nicht als politische Stellungnahme seitens der Staatendokumentation oder des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gewertet werden.

COVID-19:

Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

In 30 der 34 Provinzen Afghanistans wurden mittlerweile COVID-19-Fälle registriert (NYT 22.4.2020). Nachbarländer von Afghanistan, wie China, Iran und Pakistan, zählen zu jenen Ländern, die von COVID-19 besonders betroffen waren bzw. nach wie vor sind. Dennoch ist die Anzahl, der mit COVID-19 infizierten Personen relativ niedrig (AnA 21.4.2020). COVID-19 Verdachtsfälle können in Afghanistan aufgrund von Kapazitätsproblem bei Tests nicht überprüft werden – was von afghanischer Seite bestätigt wird (DW 22.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; NYT 22.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Auch wird die Dunkelziffer von afghanischen Beamten höher geschätzt (WP 20.4.2020). In Afghanistan können derzeit täglich 500 bis 700 Personen getestet werden. Diese Kapazitäten sollen in den kommenden Wochen auf 2.000 Personen täglich erhöht werden (WP 20.4.2020). Die Regierung bemüht sich noch weitere Testkits zu besorgen – was Angesicht der derzeitigen Nachfrage weltweit, eine Herausforderung ist (DW 22.4.2020).

Landesweit können – mit Hilfe der Vereinten Nationen – in acht Einrichtungen COVID-19-Testungen durchgeführt werden (WP 20.4.2020). Auch haben begrenzte Laborkapazitäten und -ausrüstung einige Einrichtungen dazu gezwungen Testungen vorübergehend einzustellen (WP 20.4.2020). Unter anderem können COVID-19-Verdachtsfälle in Einrichtungen folgender Provinzen überprüft werden: Kabul, Herat, Nangarhar (TN 30.3.2020) und Kandahar. COVID-19 Proben aus angrenzenden Provinzen wie Helmand, Uruzgan und Zabul werden ebenso an die Einrichtung in Kandahar übermittelt (TN 7.4.2020a).

Jahrzehntelange Konflikte in Afghanistan machen das Land anfällig für den Ausbruch von Krankheiten: nach wie vor ist Polio dort endemisch (als eines von drei Ländern weltweit) (WP 20.4.2020) außerdem ist das Gesundheitssystem fragil (AnA 21.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Beispielsweise mangelt es an adäquaten Medikamenten für Patient/innen, die an COVID-19 erkrankt sind. Jedoch sind die wenigen Medikamente, die hierfür zur Verfügung stehen, kostenfrei (ARZ KBL 7.5.2020). Der landesweite Mangel an COVID-19-Testkits sowie an Isolations- und Behandlungseinrichtungen verdeutlichen diese Herausforderung (AnA 21.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Landesweit stehen 10.400 Krankenhausbetten (BBC 9.4.2020) und 300 Beatmungsgeräte zur Verfügung (TN 8.4.2020; vgl. DW 22.4.2020; QA 16.4.2020). 300 weitere Beatmungsgeräte plant die afghanische Regierung zu besorgen. Weiters mangelt es an geschultem Personal, um diese medizinischen Geräte in Afghanistan zu bedienen und zu warten (DW 22.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Engpässe bestehen bei den PPE (personal protective equipment), persönlichen Schutzausrüstungen für medizinisches Personal; außerdem wird mehr fachliches Personal benötigt, um Patient/innen auf den Intensivstationen zu betreuen (ARZ KBL 7.5.2020).

Aufgrund der Nähe zum Iran gilt die Stadt Herat als der COVID-19-Hotspot Afghanistans (DW 22.4.2020; vgl. NYT 22.4.2020); dort wurde nämlich die höchste Anzahl bestätigter COVID-19-Fälle registriert (TN 7.4.2020b; vgl. DW 22.4.2020). Auch hat sich dort die Anzahl positiver Fälle unter dem Gesundheitspersonal verstärkt. Mitarbeiter/innen des Gesundheitswesens berichten von fehlender Schutzausrüstung – die Provinzdirektion bestätigte dies und erklärtes mit langwierigen Beschaffungsprozessen (TN 7.4.2020b). Betten, Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräte und Medikamente wurden bereits bestellt – jedoch ist unklar, wann die Krankenhäuser diese Dinge tatsächlich erhalten werden (NYT 22.4.2020). Die Provinz Herat verfügt über drei Gesundheitseinrichtungen für COVID-19-Patient/innen. Zwei davon wurden erst vor kurzem errichtet; diese sind für Patient/innen mit leichten Symptomen bzw. Verdachtsfällen des COVID-19 bestimmt. Patient/innen mit schweren Symptomen hingegen, werden in das Regionalkrankenhaus von Herat, welches einige Kilometer vom Zentrum der Provinz entfernt liegt, eingeliefert (TN 7.4.2020b). In Hokerat wird die Anzahl der Beatmungsgeräte auf nur 10 bis 12 Stück geschätzt (BBC 9.4.2020; vgl. TN 8.4.2020).

Beispiele für Maßnahmen der afghanischen Regierung

Eine Reihe afghanischer Städte wurde abgesperrt (WP 20.4.2020), wie z.B. Kabul, Herat und Kandahar (TG 1.4.2020a). Zusätzlich wurde der öffentliche und kommerzielle Verkehr zwischen den Provinzen gestoppt (WP 20.4.2020). Beispielsweise dürfen sich in der Stadt Kabul nur noch medizinisches Personal, Bäcker, Journalist/innen, (Nahrungsmittel)Verkäufer/innen und Beschäftigte im Telekommunikationsbereich bewegen. Der Kabuler Bürgermeister warnte vor "harten Maßnahmen" der Regierung, die ergriffen werden, sollten sich die Einwohner/innen in Kabul nicht an die Anordnungen halten, unnötige Bewegungen innerhalb der Stadt zu stoppen. Die Sicherheitskräfte sind beauftragt zu handeln, um die Beschränkung umzusetzen (TN 9.4.2020a).

Mehr als die Hälfte der afghanischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze (WP 22.4.2020): Aufgrund der Maßnahmen sorgen sich zehntausende Tagelöhner in Kabul und Herat um ihre Existenz. UNICEF zufolge, arbeiten allein in Kabul mindestens 60.000 Kinder, um das Familieneinkommen zu ersetzen (TG 1.4.2020). Offiziellen Schätzungen zufolge können z.B. in Herat-Stadt 150.000 Tagelöhner aufgrund des Lockdowns nicht arbeiten und haben somit kein Einkommen. Weil es in Herat an Ressourcen mangelt, um Hunderttausende zu ernähren, nimmt die Bevölkerung die Bedrohung durch das Virus nicht ernst. Zwar hat die Bevölkerung anfangs großzügig gespendet, aber auch diese Spenden werden weniger, nachdem die langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen auf Unternehmen sichtbar werden (NYT 22.4.2020).

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die International Organization for Migration (IOM) unterstützen das afghanische Ministerium für öffentliche Gesundheit (MOPH) (WHO MIT 10.5.2020; vgl. IOM 11.5.2020); die WHO übt eine beratende Funktion aus und unterstützt die afghanische Regierung in vier unterschiedlichen Bereichen während der COVID-19-Krise (WHO MIT 10.5.2020): 1. Koordination; 2. Kommunikation innerhalb der Gemeinschaften 3. Monitoring (durch eigens dafür eingerichtete Einheiten – speziell was die Situation von Rückkehrer/innen an den Grenzübergängen und deren weitere Bewegungen betrifft) und 4. Kontrollen an Einreisepunkten – an den 4 internationalen Flughäfen sowie 13 Grenzübergängen werden medizinische Kontroll- und Überwachungsaktivitäten durchgeführt (WHO MIT 10.5.2020; vgl. IOM 11.5.2020).

Taliban und COVID-19

Ein Talibansprecher verlautbarte, dass die Taliban den Konflikt pausieren könnten, um Gesundheitsbehörden zu erlauben, in einem von ihnen kontrollierten Gebiet zu arbeiten, wenn COVID-19 dort ausbrechen sollte (TN 2.4.2020; vgl. TD 2.4.2020). In der nördlichen Provinz Kunduz, hätten die Taliban eine Gesundheitskommision gegründet, die direkt in den Gemeinden das öffentliche Bewusstsein hinsichtlich des Virus stärkt. Auch sollen Quarantänezentren eingerichtet worden sein, in denen COVID-19-Verdachtsfälle untergebracht wurden. Die Taliban hätten sowohl Schutzhandschuhe, als auch Masken und Broschüren verteilt; auch würden sie jene, die aus anderen Gebieten kommen, auf COVID-19 testen (TD 2.4.2020). Auch in anderen Gebieten des Landes, wie in Baghlan, wird die Bevölkerung im Rahmen einer Informationsveranstaltung in der Moschee über COVID-19 informiert. Wie in der Provinz Kunduz, versorgen die Taliban die Menschen mit (Schutz)material, helfen Entwicklungshelfern dabei zu jenen zu gelangen, die in Taliban kontrollierten Gebieten leben und bieten sichere Wege zu Hilfsorganisationen, an (UD 13.3.2020).

Der Umgang der Taliban mit der jetzigen Ausnahmesituation wirft ein Schlaglicht auf den Modus Operandi der Truppe. Um sich die Afghanen in den von ihnen kontrollierten Gebieten gewogen zu halten, setzen die Taliban auf Volksnähe. Durch die Präsenz vor Ort machten die Islamisten das Manko wett, dass sie kein Geld hätten, um COVID-19 medizinisch viel entgegenzusetzen: Die Taliban können Prävention betreiben, behandeln können sie Erkrankte nicht (NZZ 7.4.2020).

Aktuelle Informationen zu Rückkehrprojekten

IOM Österreich unterstützt auch derzeit Rückkehrer/innen im Rahmen der freiwilligen Rückkehr. Aufgrund des stark reduzierten Flugbetriebs ist die Rückkehr seit April 2020 nur in sehr wenige Länder tatsächlich möglich. Neben der Reiseorganisation bietet IOM Österreich dabei, wie bekannt, Unterstützung bei der Ausreise am Flughafen Wien Schwechat an (IOM AUT 18.5.2020).

IOM Österreich bietet derzeit, aufgrund der COVID-19-Lage, folgende Aktivitäten an:

Qualitätssicherung in der Rückkehrberatung (Erarbeitung von Leitfäden und Trainings)

Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr und Reintegration im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten (Virtuelle Beratung, Austausch mit Rückkehrberatungseinrichtungen und Behörden, Monitoring der Reisemöglichkeiten) (IOM AUT 18.5.2020).

Das Projekt RESTART III – Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems und der Reintegration freiwilliger Rückkehrer/innen in Afghanistan“ wird bereits umgesetzt. Derzeit arbeiten die österreichischen IOM-Mitarbeiter/innen vorwiegend an der ersten Komponente (Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems) und erarbeiten Leitfäden und Trainingsinhalte. Die Unterstützung der freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan ist derzeit aufgrund fehlender Flugverbindungen nicht möglich. IOM beobachtet die Situation und steht diesbezüglich in engem Austausch mit den zuständigen Rückkehrberatungseinrichtungen und den österreichischen Behörden (IOM AUT 18.5.2020)

Mit Stand 18.5.2020, sind im laufenden Jahr bereits 19 Projektteilnehmer/innen nach Afghanistan zurückgekehrt. Mit ihnen, als auch mit potenziellen Projektteilnehmer/innen, welche sich noch in Österreich befinden, steht IOM Österreich in Kontakt und bietet Beratung/Information über virtuelle Kommunikationswege an (IOM AUT 18.5.2020).

Informationen von IOM Kabul zufolge, sind IOM-Rückkehrprojekte mit Stand 13.5.2020 auch weiterhin in Afghanistan operativ (IOM KBL 13.5.2020).

Quellen:

AnA – Andalous (21.4.2020): COVID-19 rips through fragile Afghan health system, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/covid-19-rips-through-fragile-afghan-health-system-/1812821, Zugriff 23.4.2020

ARZ KBL – Arzt in Kabul (7.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail; liegt bei der Staatendokumentation auf.

BBC (9.4.2020): Coronavirus: The porous borders where the virus cannot be controlled, https://www.bbc.com/news/world-asia-52210479, Zugriff 9.4.2020

DW – Deutsche Welle (22.4.2020): Coronavirus: Tough times ahead as Afghanistan struggles to manage pandemic, https://www.dw.com/en/coronavirus-tough-times-ahead-as-afghanistan-struggles-to-manage-pandemic/a-53207173, Zugriff 23.4.2020

IOM AUT – International Organization for Migration in Austria (27.3.2020): Antwortschreiben per E-Mail.

IOM KBL – International Organization for Migration Kabul Chapter (13.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail.

IOM – International Organization for Migration (11.5.2020): Return of Undocumented Afghans - Weekly Situation Report (03-09 May 2020), https://afghanistan.iom.int/sites/default/files/Reports/iom_afghanistan-return_of_undocumented_afghans-_situation_report_03-09_may_2020.pdf, Zugriff 13.5.2020

NYT – New York Times (22.4.2020): Afghanistan’s Next War, https://www.nytimes.com/interactive/2020/04/22/magazine/afghanistan-coronavirus.html?searchResultPosition=3, Zugriff 24.4.2020

NZZ – Neue Züricher Zeitung (7.4.2020): Die Taliban, dein Freund und Helfer, https://www.nzz.ch/international/afghanistan-die-taliban-betreiben-corona-praevention-ld.1550115, Zugriff 9.4.2020

TG – The Guardian (1.4.2020): 'No profit, no food': lockdown in Kabul prompts hunger fears, https://www.theguardian.com/global-development/2020/apr/01/no-profit-no-food-lockdown-in-kabul-prompts-hunger-fears, Zugriff 2.4.2020

TG – The Guardian (1.4.2020a): Afghanistan braces for coronavirus surge as migrants pour back from Iran, https://www.theguardian.com/global-development/2020/apr/01/afghanistan-braces-for-coronavirus-surge-as-migrants-pour-back-from-iran, Zugriff 2.4.2020

TN – Tolonews (9.4.2020): 40 New COVID-19 Cases in Afghanistan, Total 484, https://tolonews.com/health/40-new-covid-19-cases-afghanistan-total-484, Zugriff 9.4.2020

TN – Tolonews (9.4.2020a): Andarabi: All Kabul Roads Will be Blocked, https://tolonews.com/afghanistan/andarabi-all-kabul-roads-will-be-blocked, Zugriff 9.4.2020

TN – Tolonews (8.4.2020): Only '300' Ventilators in Afghanistan to Treat COVID-19: MoPH, https://tolonews.com/index.php/afghanistan/only-300-ventilators-afghanistan-treat-covid-19-moph, Zugriff 9.4.2020

TN – Tolonews (8.4.2020a): Kabul Clinic Shut Down After Doctor Dies from COVID-19, https://tolonews.com/index.php/health/amiri-medical-complex%E2%80%99s-activities-suspended-health-ministry, Zugriff 9.4.2020

TN – Tolonews (7.4.2020): Number of COVID-19 Cases in Afghanistan: 367, https://tolonews.com/health/number-covid-19-cases-afghanistan-367, Zugriff 8.4.2020

TN – Tolonews (7.4.2020a): Coronavirus Testing Lab Opens in Kandahar: Officials, https://tolonews.com/health/coronavirus-testing-lab-opens-kandahar-officials, Zugriff 8.4.2020

TN – Tolonews (7.4.2020b): 41 Health Workers Test Positive for Coronavirus in Herat, https://tolonews.com/afghanistan/41-health-workers-test-positive-coronavirus-herat, Zugriff 8.4.2020

UD – Undark (2.4.2020): With Taliban Help, Afghanistan Girds for a Virus, https://undark.org/2020/04/02/afghanistan-covid-19/, Zugriff 8.4.2020

WHO MIT – Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Mazar-e Sharif (10.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail; liegt bei der Staatendokumentation auf.

WP – Washington Post (20.4.2020): More than a dozen staff members in Afghanistan’s presidential palace test positive for coronavirus, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistan-coronavirus-presidential-palace/2020/04/20/5836a856-8308-11ea-81a3-9690c9881111_story.html, Zugriff 24.4.2020

Politische Lage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).

Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).

In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.4.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.5.2019). Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 17.3.2019). Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Nichtsdestotrotz, hat die afghanische Regierung wichtige Transitrouten verloren (USDOD 12.2019).

Der Konflikt in Afghanistan befindet sich nach wie vor in einer "strategischen Pattsituation", die nur durch Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban gelöst werden kann (SIGAR 30.1.2020). Die afghanische Regierung führte zum ersten Mal persönliche Gespräche mit den Taliban, inhaltlich wurde über den Austausch tausender Gefangener verhandelt; bis dahin hatten die beiden Seiten sich nur per Videokonferenz unterhalten (BBC 1.4.2020). Ein erster Schritt Richtung inner-afghanischer Verhandlungen, welcher Teil eines zwischen Taliban und US-Amerikanern unterzeichneten Abkommens ist (TD 2.4.2020). Die Gespräche fanden vor dem Hintergrund anhaltender Gewalt im Land statt (BBC 1.4.2020).

Für den Berichtszeitraum 8.11.2019-6.2.2020 verzeichnete die UNAMA 4.907 sicherheitsrelevante Vorfälle – ähnlich dem Vorjahreswert. Die Sicherheitslage blieb nach wie vor volatil. Die höchste Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle wurden in der südlichen Region, gefolgt von den nördlichen und östlichen Regionen, registriert, die alle samt 68% der Zwischenfälle ausmachten. Die aktivsten Konfliktregionen waren in den Provinzen Kandahar, Helmand, Nangarhar und Balkh zu finden. Entsprechend saisonaler Trends, gingen die Kämpfe in den Wintermonaten – Ende 2019 und Anfang 2020 – zurück (UNGASC 17.3.2020).

Die Sicherheitslage im Jahr 2019

Die geographische Verteilung aufständischer Aktivitäten innerhalb Afghanistans blieb, im Vergleich der beiden Jahre 2018 und 2019, weitgehend konstant. Im Jahr 2019 fanden auch weiterhin im Süden und Westen Afghanistans weiterhin schwere Kampfhandlungen statt; feindliche Aktivitäten nahmen zu und breiteten sich in größeren Gebieten des Nordens und Ostens aus. Der Resolute Support (RS) Mision (seit 2015 die Unterstützungsmission der NATO in Afghanistan) zufolge, waren für das Jahr 2019 29.083 feindlich-initiierte Angriffe landesweit zu verzeichnen. Im Gegensatz waren es im Jahr 2018 27.417 (SIGAR 30.1.2020). Mit einer hohen Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen – speziell in den südlichen, nördlichen und östlichen Regionen – blieb die Sicherheitslage vorerst volatil, bevor ein Zeitraum der Reduzierung der Gewalt registriert werden konnte. Die UNAMA (Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan) registrierte für das gesamte Jahr 2019 10.392 zivile Opfer, was einem Rückgang von 5% gegenüber 2018 entspricht (UNGASC 17.3.2020).

Seit Ende des Jahres 2019 haben Angriffe durch regierungsfeindliche Elemente erheblich zugenommen. Im September 2019 fanden die afghanischen Präsidentschaftswahlen statt, in diesem Monat wurde auch die höchste Anzahl feindlicher Angriffe eines einzelnen Monats seit Juni 2012 und die höchste Anzahl effektiver feindlicher Angriffe seit Beginn der Aufzeichnung der RS-Mission im Januar 2010 registriert. Dieses Ausmaß an Gewalt setzte sich auch nach den Präsidentschaftswahlen fort, denn im Oktober 2019 wurde die zweithöchste Anzahl feindlicher Angriffe in einem Monat seit Juli 2013 dokumentiert. Betrachtet man jedoch das Jahr 2019 in dessen Gesamtheit, so waren scheinbar feindliche Angriffe, seit Anfang des Jahres, im Zuge der laufenden Friedensgespräche zurückgegangen. Nichtsdestotrotz führte ein turbulentes letztes Halbjahr zu verstärkten Angriffen feindlicher Elemente von insgesamt 6% und effektiver Angriffe von 4% im Jahr 2019 im Vergleich zu den bereits hohen Werten des Jahres 2018 (SIGAR 30.1.2020).

Zivile Opfer

Für das Jahr 2019 registrierte die Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) als Folge des bewaffneten Konflikts 10.392 zivile Opfer (3.403 Tote und 6.989 Verletzte), was einen Rückgang um 5% gegenüber dem Vorjahr, aber auch die niedrigste Anzahl an zivilen Opfern seit dem Jahr 2013 bedeutet. Nachdem die Anzahl der durch ISKP verursachten zivilen Opfer zurückgegangen war, konnte ein Rückgang aller zivilen Opfer registriert werden, wenngleich die Anzahl ziviler Opfer speziell durch Taliban und internationale Streitkräfte zugenommen hatte. Im Laufe des Jahres 2019 war das Gewaltniveau erheblichen Schwankungen unterworfen, was auf Erfolge und Misserfolge im Rahmen der Friedensverhandlungen zwischen Taliban und den US-Amerikanern zurückzuführen war. In der ersten Jahreshälfte 2019 kam es zu intensiven Luftangriffen durch die internationalen Streitkräfte und Suchaktionen der afghanischen Streitkräfte – insbesondere der Spezialkräfte des afghanischen Geheimdienstes NDS (National Directorate of Security Special Forces) (UNAMA 2.2020).

Aufgrund der Suchaktionen der afghanischen Streitkräfte, gab es zur Jahresmitte mehr zivile Opfer durch regierungsfreundliche Truppen als durch regierungsfeindliche Truppen. Das dritte Quartal des Jahres 2019 registrierte die höchste Anzahl an zivilen Opfern seit 2009, was hauptsächlich auf verstärkte Anzahl von Angriffen durch Selbs

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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