TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/31 I414 2223958-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.08.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

31.08.2020

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I414 2223958-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. NIGERIA, vertreten durch: DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gemeinnützige GmbH gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark (BAG) vom 29.08.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.08.2020, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der XXXX geborene Beschwerdeführer (in der Folge als BF bezeichnet), ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte im August 2001 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes negativ entscheiden. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Schreiben vom 27.10.2004 zurückgezogen.

Der BF heiratete eine österreichische Staatsangehörige. Er verfügte zumindest seit seiner Heirat mit einer österreichischen Staatsangehörigen durchgehend über einen Aufenthaltstitel – mittlerweile wurde diese Ehe geschieden -, und zwar zunächst über einen Aufenthaltstitel mit dem Zweck „Daueraufenthalt- EU“. Seit September 2016 verfügt der BF über einen Aufenthaltstitel für den Zweck „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 23.10.2014, Zl. XXXX , wurde der BF wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG sowie nach § 28 Abs 1 und Abs 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 4 (vier) Jahren verurteilt.

Der Berufung gegen die Strafe wurde vom Oberlandesgericht XXXX vom 24.04.2015, Zl. XXXX , dahin Folge gegeben, dass die Freiheitsstrafe auf dreieinhalb Jahre herabgesetzt wurde.

Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als belangte Behörde oder kurz BFA bezeichnet) vom 18.06.2016 wurde dem BF eine Ermahnung zur Kenntnis gebracht, worin er informiert wurde, dass bei einer neuerlichen Verurteilung ein Verfahren hinsichtlich einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbotes eingeleitet werde.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 27.06.2019, Zl. XXXX , wurde der BF - binnen offener Probezeit - wegen das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 12 (zwölf) Monaten verurteilt.

Der BF wurde im Rahmen, eines ihm am 18.07.2019 persönlich zugestellten Schreibens des BFA, über die Einleitung eines Aufenthaltsbeendigungsverfahren in Kenntnis gesetzt. Er wurde aufgefordert, unter Darlegung seiner persönlichen und finanziellen Verhältnisse Stellung zu beziehen.

Am 26.07.2019 langte die Stellungnahme des BF beim BFA ein.

Mit gegenständlich bekämpften Bescheid des BFA vom 29.08.2019, wurde gemäß § 52 Abs 4 FPG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs 9 PFG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG gegen den BF ein auf 6 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) und gemäß § 55 eine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.).

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde. Dabei wurde zusammengefasst ausgeführt, dass am 18.08.2010 dem BF der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ erteilt worden sei. Aufgrund der Scheidung mit einer österreichischen Staatsangehörigen sei der Aufenthaltstitel auf eine „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ abgeändert worden.

Der BF sei zweimal aufgrund des Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz verurteilt worden und er bereue diese Straftaten zutiefst. Die Verurteilungen stammen aus den Jahren 2014 und 2018.

Der BF arbeite seit Oktober 2017 bei einer Firma und sorge somit selbst für seinen Lebensunterhalt. Aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit sei dem BF eine Fußfessel bewilligt worden.

Ohne vorher eine niederschriftliche Einvernahme durchzuführen und sich einen persönlichen Eindruck des BF zu verschaffen, habe die belangte Behörde gegenständlichen Bescheid erlassen.

Mit Urkundenvorlage vom 21.08.2020 legte der BF einen Arbeitsvertrag, Versicherungsdatenauszug sowie ein Schreiben des Vereins „Neustart“ vor.

Das BVwG führte am 28.08.2020 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die englische Sprache, des BF und seiner rechtsfreundlichen Vertretung, eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Gemeinsam mit der Ladung war dem BF das aktuelle Länderinformationsblatt zu Nigeria übermittelt worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.1 Feststellungen:

Der 42-jährige BF ist Staatsangehöriger Nigerias und Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs 1 Z 20b AsylG. Seine Identität steht fest.

Der BF ist in Benin City geboren und aufgewachsen. In seiner Heimat besuchte er die Grund- und Mittelschule. Die Familie des BF, bestehend aus seiner Mutter, eine Schwester, einen Bruder und der Tochter des BF leben in Benin City. Der BF hat zu seiner Familie regelmäßig Kontakt. Zuletzt war der BF im Dezember 2018 in Nigeria.

Im August 2001 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz. Während seines Asylverfahrens heiratete er eine österreichische Staatsangehörige und erhielt im August 2010 einen Aufenthaltstitel für Österreich. Die Berufung gegen den Asylbescheid zog der BF im Jahr 2004 zurück. Die Ehe des BF wurde mittlerweile geschieden. Aus der Ehe entstammen keine Kinder.

Im Jahr 2010 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ ausgestellt. In weiterer Folge wurde ihm eine „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ ausgestellt.

In Österreich verfügt der BF über keine Verwandten. Er verfügt im Bundesgebiet über zahlreiche Freunde und Bekannte. Er spricht rudimentär Deutsch und hat keine Deutschprüfung abgeschlossen.

Der BF ging immer wieder unterbrochen durch Zeiten der Bezüge von Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung wiederholt Erwerbstätigkeiten nach. Seit Oktober 2017 ist er durchgehend beschäftigt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 23.10.2014, Zl. XXXX , wurde der BF wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG sowie nach § 28 Abs 1 und Abs 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 4 (vier) Jahren.

Der Verurteilung liegt zugrunde, dass der BF vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, und zwar Delta-9-THC-hältiges Cannabiskraut,

1. zwischen November 2013 und 5. April 2014 in XXXX anderen überlassen hat, indem er zumindest 8.000 Gramm an zwei Personen mit Gewinnaufschlag weiterverkaufte, wobei sein Vorsatz auch auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet war und die kontinuierliche Tatbegehung über einen längeren Deliktszeitraum den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasste, und er zumindest ernsthaft für möglich hielt und sich damit abfand, dass in Summe die Grenzmenge des § 28b SMG bzw ihr Mehrfaches überschritten wurde, und er in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung von Suchtgiftverkäufen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen,

2. am 6. April 2014 in XXXX eingeführt, indem er 13.947 Gramm Delta-9-THC-hältiges Cannabiskraut von unbekannten Lieferanten in Italien übernahm und ins österreichische Bundesgebiet brachte,

3. in einer das 15-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werden, indem er am 6. April die unter Punkt 2. angeführte Suchtgiftmenge bis zur Sicherstellung innehatte.

Mildernd konnte der bisher ordentliche Lebenswandel sowie die geständige Verantwortung des BF gewertet werden. Angesichts der beträchtlichen Menge an Suchtgift und dem daraus folgenden hohen Unrechtsgehalt der Tat wurde Seitens des Schöffengerichts eine Freiheitsstrafe von 4 Jahren für schuld- und tatangemessen gehalten.

Der Berufung gegen die Strafe wurde vom Oberlandesgericht XXXX vom 24.04.2015, Zl. XXXX , dahin Folge gegeben, dass die Freiheitsstrafe auf dreieinhalb Jahre herabgesetzt wurde. Das Oberlandesgericht führte dazu aus, dass die Freiheitsstrafe im Strafrahmen von einem bis zu 15 Jahren zu bemessen ist. Mildern wirkt dabei der bislang ordentliche Lebenswandel des BF und sein Geständnis. Wenngleich der BF sich von Beginn an zum Tatvorwurf geständig zeigte, haben seine Angaben nicht wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen. Der BF verschleierte bis zum Schluss des Verfahrens seine Motivation für die Taten. Die vorgeblich drückende wirtschaftliche Notsituation des BF konnte durch Erhebungen seiner wirtschaftlichen Verhältnisse widerlegt werden. Seine Verantwortung, vom in Mestre/Italien getroffenen pakistanischen Staatsangehörigen Ali, von dem er knapp 14 Kilogramm Cannabiskraut kaufte, sei ihm nicht anderes bekannt als der Vorname, ist ebenso unglaubwürdig wie seine Behauptung, sein Mitbewohner „Happy“, der nach den Verfahrensergebnissen in die Suchtgiftdelikte involviert war, sei ihm nur mit diesem Spitznamen bekannt und er könne ihn nicht identifizieren.

Erschwerend wirkte das Zusammentreffen von drei Verbrechen, wobei Idealkonkurrenz zwischen Schuldspruchpunkten 2. und 3. zu berücksichtigen ist.

Erschwerend ist jedoch die Qualifikationsgrenze um das Eineinhalbfache übersteigende Reinsubstanz im Fall des Schuldspruchfaktums 1., um ein Dreifaches im Fall des Schuldspruchfaktums 2. und die Qualifikationsgrenze um das Fünffache übersteigende Suchtgiftmenge des Faktums 3. sowie die professionelle Begehung, die sich in der äußerst vorsichtigen Form der Kommunikation mit den beteiligten Personen über vier Mobiltelefone mit sieben Telefonnummern, in guten Kontakten in die Szene, über die er mit großen Suchtgiftmengen in guter Qualität beliefert wurde und in zwei Abnehmern, die ihrerseits größere Suchtgiftmengen übernahmen und als Wiederverkäufer tätig waren, zeigt. Schließlich wirkt auch die Gewerbsmäßigkeit des Handelns des BF erschwerend.

Aus Sicht des Berufungsgerichts wurde jedoch dem bislang ordentlichen Lebenswandel des BF und der Verringerung des Gefährdungspotentials des Suchtgifts und damit des Erfolgsunwerts durch die Sicherstellung der aus Italien importierten Suchtgiftmenge von nahezu 14 kg Cannabiskraut bei der Festsetzung der Strafe durch das Schöffengericht zu wenig Bedeutung beigemessen, Die Freiheitsstrafe war daher um ein halbes Jahr auf dreieinhalb Jahren herabzusetzen. Der Vollzug dieser Sanktion sollte hinreichen, den noch nicht hafterfahrenen Angeklagten in Hinkunft von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten und auch generalpräventiven Erfordernissen Genüge zu tun.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 27.06.2019, Zl. XXXX , wurde der BF - binnen offener Probezeit - wegen das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 12 (zwölf) Monaten verurteilt.

Zugleich wurde der Beschluss gefasst, dass die Probezeit auf fünf Jahre verlängert wird.

Der Verurteilung liegt zugrunde, dass der BF in XXXX vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen hat, indem er im Zeitraum von ca. November 2018 bis Mitte Dezember 2018 insgesamt ca. 625 Gramm Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von ca. 10 % an eine abgesondert verfolgten Person gewinnbringend um einen Grammpreis von EUR 3,20 weiterveräußerte, wobei sein Vorsatz dabei auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet war und die kontinuierliche Begehung über einen längeren Zeitraum und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasste und er es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass in Summe die Grenzmenge überschritten wird.

Beim BF konnte mildernd das Geständnis und erschwerend die einschlägige Vorstrafe und die Begehung während offener Probezeit gewertet werden.

Der BF befindet sich gegenwärtig im elektronisch überwachten Hausarrest.

1.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Grundversorgung:

Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor (GIZ 3.2020c). 2018 wurde ein Wachstum von 1,9 Prozent erreicht (AA 24.5.2019c).

Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 16.1.2019). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei- und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat – gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 3.2020c). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 16.1.2020). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 3.2020c). Vor allem im Bereich Stromversorgung und Transport ist die Infrastruktur weiterhin mangelhaft und gilt als ein Haupthindernis für die wirtschaftliche Entwicklung (AA 24.5.2019c).

Über 60 Prozent (AA 24.5.2019c) bzw. nach anderen Angaben über 70 Prozent (GIZ 3.2020c) der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt. Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 3.2020c; vgl. AA 24.5.2019c). Die unterentwickelte Landwirtschaft ist jedoch nicht in der Lage, den inländischen Nahrungsmittelbedarf zu decken (AA 24.5.2019c). Das Land ist nicht autark, sondern auf Importe – v.a. von Reis – angewiesen (ÖB 10.2019). Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt von kleinen Anbauflächen – in der Regel in Subsistenzwirtschaft (AA 24.5.2019c). Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt. Aufgrund fehlender Transportmöglichkeiten verrotten bis zu 40 Prozent der Ernten (ÖB 10.2019).

Die Prozentsätze der Unterernährung haben sich in den nördlichen Staaten im Vergleich zu 2015 verbessert und liegen nun unter der Alarmschwelle von 10 Prozent. Gemäß Schätzungen von UNICEF unterliegen zwei Millionen Kinder unter fünf Jahren in Nordnigeria einem hohen Risiko von schwerer akuter Unterernährung (ÖB 10.2019).

Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2020; vgl. GIZ 3.2020b). Über 80 Prozent der ca. 190 Millionen Nigerianer leben unterhalb der Armutsgrenze - Tendenz steigend (GIZ 3.2020c). 48 Prozent der Bevölkerung Nigerias bzw. 94 Millionen Menschen leben in extremer Armut mit einem Durchschnittseinkommen von unter 1,90 US-Dollar pro Tag (ÖB 10.2019). Die Armut ist in den ländlichen Gebieten größer als in den städtischen Ballungsgebieten (GIZ 3.2020b). Mietkosten, Zugang zu medizinischer Versorgung, Lebensmittelpreise variieren ebenfalls nicht nur von Bundesstaat zu Bundesstaat, sondern auch regional/ethnisch innerhalb jedes Teilstaates (ÖB 10.2019).

Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei den Jugendlichen im Alter von 15 bis 35 wird sie auf über 50 Prozent geschätzt (GIZ 3.2020b). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent – in erster Linie unter 30-jährige – mit großen regionalen Unterschieden. Die Chancen, einen sicheren Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst, staatsnahen Betrieben oder Banken zu finden, sind gering, außer man verfügt über eine europäische Ausbildung und vor allem über Beziehungen (ÖB 10.2019). Verschiedene Programme auf Ebene der Bundesstaaten aber auch der Zentralregierung zielen auf die Steigerung der Jugendbeschäftigung ab (ÖB 10.2019; vgl. BS 2020).

Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 3.2020b).

Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2019). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2020). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019).

Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Eine immer noch geringe Anzahl von Nigerianern (acht Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2020).

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 3.2020c).

Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für „peppersoup“, „garri“ oder „pounded yam“, für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch „mini-farming“ eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als „bushmeat“ gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun „grasscutter“ (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als „bushmeat“ gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und „grasscutter“ finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2019).

Im Jahr 2019 benötigten von der Gesamtbevölkerung von 13,4 Millionen Menschen, die in den Staaten Borno, Adamawa und Yobe leben, schätzungsweise 7,1 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Von den auf Hilfe Angewiesenen (7,1 Millionen) sind schätzungsweise 80 Prozent Frauen und Kinder (IOM 17.3.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)

-        AA - Auswärtiges Amt (24.5.2019c): Nigeria - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/wirtschaft/205790, Zugriff 16.4.2020

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029575/country_report_2020_NGA.pdf, Zugriff 18.5.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020c): Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 16.4.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Nigeria, Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 15.4.2020

-        IOM Nigeria - International Organization for Migration (17.3.2020): Emergency Response, 2019 Annual Reports, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/2019_annual_report_-_iom_nigeria_emergency_responsefinal.pdf, Zugriff 15.4.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria

Rückkehr:

Generell kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die allgemein herrschende Situation in Nigeria stellt keine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 16.1.2020). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations (JROs) gemeinsam mit FRONTEX (ÖB 10.2019). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 16.1.2020).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 16.1.2020). Die Erfahrungen mit den JROs seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2019). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 16.1.2020) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2019) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 16.1.2020; vgl. ÖB 10.2019). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2019).

Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im „Decree 33“ nicht zu befürchten (AA 16.1.2020). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets „overstay“ angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2019).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. die Angebote nicht bekannt sind oder eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen haben im Herbst 2018 in Lagos, Abuja und Benin City Migrationsberatungszentren der GIZ ihren Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 16.1.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt und zur Person des BF:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten und einer abgehaltenen mündlichen Verhandlung durchgeführten Ermittlungsverfahren und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Die Feststellung zur Identität des BF ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.

Die Feststellungen, wonach der BF in Benin City geboren und aufgewachsen ist, dort die Schule besuchte und seine Familie dort lebt die er regelmäßig kontaktiert und zuletzt im Dezember 2018 besuchte, ergeben sich aus den Angaben des BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 28.08.2020.

Die Feststellungen zu den Vorverfahren sowie seinen Aufenthaltsstatus ergeben sich aus den unbedenklichen Akteninhalt sowie aus den Angaben des BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Dass der BF mittlerweile geschieden ist, ergibt sich aus den Angaben des BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie aus der Stellungnahme vom 25.07.2019.

Die Feststellung, wonach der BF über keine Verwandte in Österreich verfügt, ergibt sich aus den Angaben des BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie aus der Stellungnahme vom 25.07.2019. Aus dem Umstand seines rund 19-jährigen Aufenthaltes in Österreich ergibt sich, dass er über zahlreiche Freunde und Bekannte verfügt.

Die Feststellung, wonach der BF nur rudimentär Deutsch spricht und er keine Deutschprüfung abgeschlossen hat, ergibt sich aus dem Umstand, dass der BF in der mündlichen Verhandlung auf die Übersetzung des Dolmetschers angewiesen war, den persönlichen Eindruck des erkennenden Richters, und den Angaben des BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit des BF ergeben sich aus dem Sozialversicherungsdatenauszug und aus den Angaben des BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF im Inland ergeben sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Die den Verurteilungen zugrundeliegenden Handlungen und Strafzumessungsgründe können anhand der im Akt vorliegenden Strafurteile festgestellt werden.

Die Feststellung, wonach sich der BF gegenwärtig in der Vollzugsform des elektronisch überwachten Hausarrests befindet, ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt, sowie aus den Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung.

2.2. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der BF hat die Länderberichte nicht moniert und ist deren Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 52 Abs. 4 Z 4 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht.

Gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet.

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Der BF war bislang auf Grund seines Asylverfahrens und in der Folge auf Grund eines gültigen Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Der BF wurde während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 23.10.2014, Zl. XXXX , wurde der BF wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG sowie nach § 28 Abs 1 und Abs 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 4 (vier) Jahren verurteilt. Der Berufung des BF gegen die Strafe wurde vom Oberlandesgericht XXXX vom 24.04.2015, Zl. XXXX , dahin Folge gegeben, dass die Freiheitsstrafe auf dreieinhalb Jahre herabgesetzt wurde.

Innerhalb offener Probezeit wurde der BF erneut einschlägig straffällig. Darüber hinaus wurde der BF von der belangten Behörde in Kenntnis gesetzt, dass bei einer neuerlichen Verurteilung ein Aufenthaltsbeendigungsverfahren eingeleitet werde. Er wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 27.06.2019, Zl. XXXX , wegen das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 12 (zwölf) Monaten verurteilt.

Gegenwärtig befindet sich der BF im elektronisch überwachten Hausarrest.

Es ist ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität, das sowohl unter dem Blickwinkel des Schutzes der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als auch unter dem Gesichtspunkt anderer in Art. 8 Abs. 2 MRK genannter öffentlicher Interessen - insbesondere des Schutzes der Gesundheit - gegeben (VwGH 20.03.2007, 2007/18/0127).

Nach der Rechtsprechung des VwGH handelt es sich bei Suchtgiftdelinquenz um ein besonders verpöntes Fehlverhalten, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist (vgl VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014), zumal es sich bei Delikten iSd § 28a SMG, auf denen die Verurteilungen des BF beruhen, um qualifizierte Formen der Suchtgiftdelinquenz handelt.

Aufgrund des strafrechtlichen Verhaltens des BF, des raschen Rückfalls nach einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Verurteilung, während offener Probezeit und der Wirkungslosigkeit der bisherigen strafrechtlichen Sanktionen und der Androhung fremdenpolizeilicher Maßnahmen, ist davon auszugehen, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde und ein Aufenthaltsverbot aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit notwendig ist.

Die nunmehr in der Beschwerde bekundete Reue führt nicht zu einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der vom BF ausgehenden Gefährlichkeit, zumal der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (siehe z.B. VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).

Der BF befindet sich zwar gegenwärtig im gelockerten Vollzug und geht einer Beschäftigung nach. Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt klargestellt, dass sich aus dem Status eines Strafhäftlings als "Freigänger" keine maßgebliche Minderung der sich aus dem strafbaren Verhalten ergebenden Gefährdung ableiten lässt. Es ist nämlich ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat; für die Annahme eines Wegfalls der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit eines Fremden ist somit in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich. Dabei ist der Beobachtungszeitraum umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden in der Vergangenheit manifestiert hat (siehe zum Ganzen etwa VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0118, Rn. 12, mwN).

Der BF wird den Wegfall der durch seine strafgerichtlichen Verurteilungen indizierten Gefährlichkeit erst durch einen längeren Zeitraum des Wohlverhaltens in Freiheit nach dem Strafvollzug unter Beweis stellen müssen.

Die Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere von Suchtgiftdelikten, ist angesichts der massiven negativen Konsequenzen des Konsums illegaler Drogen ein Grundinteresse der Gesellschaft, insbesondere zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Aufgrund des persönlichen Verhaltens des BF, ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung unerlässlich, zumal dem BF die Gefährlichkeit von Suchtgift aufgrund seiner einschlägigen Vorstrafe bekannt sein musste. Dennoch hat der BF weiter gegen die Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes verstoßen.

Das massive strafrechtliche Fehlverhalten des BF - Einfuhr von nahezu 14 kg Cannabiskraut (grenzüberschreitender Suchtgifthandel), Gewerbsmäßigkeit, Verschleierung seiner Motivation seiner Taten, mehrfacher Überschreitung der Qualifikationsgrenze iSd § 28 SMG, seiner professionellen Vorgangsweise sowie der Begehung während offener Probezeit - hat in der Interessenabwägung maßgebliche Berücksichtigung zu finden, zumal der VwGH in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz bereits wiederholt festgehalten hat, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (siehe z.B. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0249). Zudem wurde bei seiner letzten Verurteilung die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Wie die höchstgerichtliche Entscheidung vom 22.08.2019, Ra 2019/21/0062 zudem aufzeigt, ist bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 MRK ihre Verhältnismäßigkeit am Maßstab des § 9 BFA-VG 2014 zu prüfen. Nach dessen Abs. 1 ist nämlich (ua) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FrPolG 2005, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. E 12. November 2015, Ra 2015/21/0101; E 20. Oktober 2016, Ra 2016/21/0198). Das gilt aber nicht nur für die Rückkehrentscheidung und für das in § 9 Abs. 1 BFA-VG 2014 weiters ausdrücklich genannte Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FrPolG 2005, sondern auch für das - nur bei gleichzeitiger Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässige - Einreiseverbot iSd § 53 FrPolG 2005, in dessen Abs. 2 und 3 in Bezug auf die Bemessung der Dauer auch die Abwägung nach Art. 8 MRK angesprochen wird (vgl. B 3. September 2015, Ra 2015/21/0111; B 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0179).

Zunächst ist zu dem seit August 2001 bestehenden rund neunzehn Jahre andauernden Aufenthalt auszuführen, dass dieser rechtmäßig ist. Der BF reiste zunächst illegal in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag. Die Berufung gegen den Bescheid zog der BF zurück, sohin wurde das Asylverfahren eingestellt. Während des Asylverfahrens heiratete er eine österreichische Staatsangehörige und erhielt am 18. August einen Daueraufenthaltstitel. Die Ehe des BF dauerte fünf Jahre und wurde ca. 2009 geschieden. Aus der Ehe entstammen keine Kinder. Aufgrund seiner Straffälligkeit erfolgte eine Rückstufung seines Aufenthaltstitels. In der Folge wurde der Aufenthaltstitel des BF auf eine „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ abgeändert.

Der BF führt nach eigenen Angaben keine Lebensgemeinschaft oder eine „familienähnliche“ Beziehung in Österreich. Er verfügt jedoch über zahlreiche Freunde und Bekannte und spricht Deutsch.

Der BF ging immer wieder unterbrochen durch Zeiten der Bezüge von Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung wiederholt Erwerbstätigkeiten nach. Seit Oktober 2017 ist er durchgehend beschäftigt.

Unter Betrachtung der Ausführungen kann im gegenständlichen Fall somit von einem Privatleben gesprochen werden.

Der BF hat demgegenüber nach wie vor Anbindungen an seinen Herkunftsstaat Nigeria. So lebt seine Familie, bestehend aus seiner minderjährigen Tochter, seiner Mutter seiner Schwester und Bruder, in Benin City/ Nigeria. Er hat zu seiner Familie in Benin City regelmäßig telefonischen Kontakt und kommt für deren Unterhalt auf. Zuletzt war der BF im Dezember 2018 auf Besuch in Nigeria. Der BF spricht auch nach wie vor seine Muttersprache und ist mit den regionalen Sitten und Gebräuchen der nigerianischen Kultur vertraut. Daher kann im gegenständlichen Fall nicht von einer vollkommenen Entwurzelung des BF gesprochen werden.

Zu Lasten des BF ist dessen - umseits dargestellte - strafgerichtliche Verurteilung zu berücksichtigen. Dahingehend führt der Verwaltungsgerichthof aus, dass wegen der besonderen Gefährlichkeit von Suchtgiftdelikten an der Gefahr des Fremden für die öffentliche Ordnung und Sicherheit und insbesondere für die Gesundheit Dritter, die den erhöhten Gefährdungsmaßstab iSd § 86 Abs. 1 zweiter Satz FrPolG 2005 erfüllt, selbst die Gründung einer Familie sowie die berufliche und soziale Integration des Fremden nichts ändern können, zumal diese Umstände für sich genommen keinen ausreichenden Anlass dafür bieten, von einem Wegfall der Gründe auszugehen, die zur Erlassung des Rückkehrverbotes geführt haben (vgl. VwGH 13.09.2012, 2011/23/0143).

Den persönlichen Interessen des BF an einem weiteren Aufenthalt in Österreich steht somit insbesondere das öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer strafrechtlich relevanter Delikte gegenüber. Die im vorliegenden Beschwerdefall vorzunehmende Interessenabwägung schlägt somit zuungunsten des BF und zugunsten des öffentlichen Interesses an seiner Außerlandesschaffung aus.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie hinsichtlich des Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

3.2. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Dafür, dass dem BF im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Außerdem verfügt er über eine mehrjährige Schulausbildung und er konnte sich in Österreich bereits Arbeitserfahrungen aneignen. Durch die Aufnahme einer entsprechenden Tätigkeit - wenn auch zu Beginn nur in Form von Gelegenheitsjobs oder Hilfstätigkeiten - sollte er in seinem Herkunftsstaat zukünftig zum Verdienst seines Lebensunterhaltes imstande sein. Ungeachtet dessen verfügt der BF in Benin City nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte. So lebt seine minderjährige Tochter, seine Mutter sowie seine Schwester und ein Bruder in Benin City.

Zu der derzeitigen Situation rund um den Virus COVID-19 ist zu sagen, dass die weltweit zunehmende Ausbreitung von COVID-19 nicht nur den Herkunftsstaat des BF betrifft, sondern ist dieser Virus auch besonders in Europa aktiv. Der Virus COVID-19 vermag jedoch für sich alleine betrachtet noch nicht die Schlussfolgerung zu tragen, dass die Ausweisung in einen von diesem Virus betroffenen Staat automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde, zumal auch Österreich, wo sich der BF derzeit aufhält, in einem solchen Ausmaß von diesem Virus betroffen ist. Schließlich ist im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie aufgrund des Corona-Virus festzuhalten, dass der BF aktuell 42 Jahre alt ist und an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leidet, womit er nicht unter die Risikogruppe der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen fällt. Ein bei einer Überstellung des BF nach Nigeria vorliegendes „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK ist somit auch hierzu nicht zu erkennen.

Damit ist der BF nicht durch die Außerlandesschaffung nach Nigeria in seinem Recht gemäß Art. 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der BF allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Nigeria besser gestellt ist, genügt für die Annahme, er würde in Nigeria keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können, nicht. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Außerdem besteht ganz allgemein in Nigeria derzeit keine derartige Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Artikel 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem Länderinformationsblatt für Nigeria, die nahelegen würden, dass bezogen auf den BF ein reales Risiko einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

Der BF kann auch durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise das Auslangen finden, weshalb auch nicht zu befürchten ist, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte.

Darüber hinaus liegt in dem Umstand, dass in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar Bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention und somit auch keine Unzulässigkeit einer Abschiebung in den Herkunftsstaat.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zum befristeten Einreiseverbot (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Nach Abs. 3 Z 1 leg. cit. ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist nicht entgegenzutreten, wenn dieses anführt, dass angesichts der Verurteilung bzw. des der Verurteilung zugrundeliegenden Fehlverhaltens des BF die Tatbestandsvoraussetzungen des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG (Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen) erfüllt und dieses Verhalten eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.

Angesichts dieses Fehlverhaltens des BF gefährdet sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit, da es sich einerseits bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt. Es besteht daher kein Zweifel, dass von ihm eine Gefährdung des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität ausgeht.

Es kann der belangten Behörde nicht vorgeworfen werden, wenn sie im vorliegenden Fall durch das dargestellte persönliche Fehlverhalten des BF von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausging, welche die Anordnung eines Einreiseverbotes erforderlich macht, zumal diese Maßnahme angesichts der Schwere des Verstoßes gegen österreichischen Rechtsnormen und des zum Ausdruck gekommenen Fehlverhaltens des BF zur Verwirklichung der in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele unbedingt geboten erscheint.

Wie umseits bereits ausführlich dargestellt, schlägt die Abwägung der persönlichen Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet mit dem öffentlichen Interesse an seiner Ausreise aufgrund seines schwerwiegenden Fehlverhaltens und seiner mangelnden Bereitschaft die rechtsstaatlichen Regeln zu befolgen zuungunsten des BF und zugunsten des öffentlichen Interesses an seiner Außerlandesschaffung aus. Ein Eingriff in das Privatleben des BF durch die Erlassung eines Einreiseverbotes kann daher als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden.

Vielmehr ist die Erlassung eines Einreiseverbotes gegen ihn zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dringend geboten, um ihn von der Begehung weiterer Straftaten in Österreich abzuhalten und insbesondere um die Bevölkerung vor Drogen bzw. vor Drogenkriminalität zu schützen.

Zur Befristung des Einreiseverbotes ist darauf hinzuweisen, dass ein Einreiseverbot nach Maßgabe des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG 2005 höchstens für die Dauer von zehn Jahren verhängt werden kann, wobei als "bestimmte Tatsache" iSd dieser Gesetzesbestimmung - die (u.a.) bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes von Relevanz ist - insbesondere zu gelten hat, wenn "ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen" rechtskräftig verurteilt wurde.

Der BF wurde während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 23.10.2014, Zl. XXXX , wurde der BF wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG sowie nach § 28 Abs 1 und Abs 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 4 (vier) Jahren verurteilt. Der Berufung des BF gegen die Strafe wurde vom Oberlandesgericht XXXX vom 24.04.2015, Zl. XXXX , dahin Folge gegeben, dass die Freiheitsstrafe auf dreieinhalb Jahre herabgesetzt wurde.

Innerhalb offener Probezeit wurde der BF erneut einschlägig straffällig. Darüber hinaus wurde der BF von der belangten Behörde in Kenntnis gesetzt, dass bei einer neuerlichen Verurteilung ein Aufenthaltsbeendigungsverfahren eingeleitet werde. Er wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 27.06.2019, Zl. 230 Hv 21/19p, wegen das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 12 (zwölf) Monaten verurteilt.

Der Vollständigkeit ist dem Beschwerdeeinwand, wonach sich der BF seit rund neunzehn Jahren im Bundesgebiet aufhalte und sich derzeit im überwachten elektronischen Hausarrest befindet – entgegenzuhalten, dass die Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften durch einen sich im Bundesgebiet aufhältigen Fremden als selbstverständlich anzunehmen sein sollte (vgl. VwGH 30.12.1992, 92/18/0474) und sich aus dem Status eines Strafhäftlings als „Freigänger“ keine maßgebliche Minderung der sich aus dem strafbaren Verhalten ergebenden Gefährdung ableiten lässt (vgl. VwGH 04.03.2020, 2020/21/0035).

Es werden auch die für den BF sprechenden Ausführungen im Bericht des Vereins „Neustart“ vom 20.08.2020 und seiner Beschäftigung berücksichtigt. Es kann aber aufgrund dieser Umstände allein noch nicht von einem Wegfall der Gefährdung gesprochen werden, weil hierfür in erster Linie das gezeigte Wohlverhalten in Freiheit maßgeblich ist. In diesem Zusammenhang ist im vorliegende Fall im Ergebnis zu Recht darauf Bedacht zu nehmen, dass dieser Zeitraum üblicherweise umso länger anzusetzen ist, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden manifestiert hat (vgl. VwGH 22.01.2015, Ra 2014/21/0009).

In der Zusammenschau zeigt sich für das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die zu treffende Gefährdungsprognose, dass das Gesamtverhalten des BF und dessen Persönlichkeitsbild von einer weitreichenden Missachtung gegenüber der österreichischen Rechtsordnung geprägt sind. Der BF wurde auch trotz einer Verurteilung wiederholt und auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat straffällig. Auch die Ermahnung, worin der BF von der belangten Behörde informiert wurde, dass bei einer neuerlichen Verurteilung ein Aufenthaltsbeendigungsverfahren eingeleitet wird, konnte dem BF nicht davon abhalten neuerlich straffällig zu werden.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der vom BF ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch die Verhängung eines langjährigen Einreiseverbots effektiv begegnet werden kann. In der Gesamtschau der oben angeführten Umstände ist das Einreiseverbot als rechtmäßig und die festgesetzte Dauer als angemessen zu qualifizieren.

Da somit im vorliegenden Beschwerdefall die Voraussetzungen für die Erlassung eines auf die Dauer von sechs Jahren befristeten Einreiseverbotes erfüllt sind, war die Beschwerde auch gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.4. Zum Bestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Zugleich mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG wird gemäß § 55 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt, wenn nicht der Betroffene besondere Umstände nachweist, die eine längere Frist erforderlich machen. Angesichts des besonders langen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet ist die von der Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegte Frist für die freiwillige Ausreise des BF nicht zu beanstanden.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung Einreiseverbot Einreiseverbot rechtmäßig freiwillige Ausreise Frist Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Gesamtbetrachtung Gesamtbeurteilung Haft Haftstrafe Interessenabwägung mündliche Verhandlung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung schwere Straftat Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Verbrechen Wiederholungsgefahr Wiederholungstaten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I414.2223958.1.00

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten