TE Bvwg Beschluss 2020/9/1 W272 2196915-1

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Veröffentlicht am 01.09.2020
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Entscheidungsdatum

01.09.2020

Norm

BFA-VG §34
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §35
VwGVG §7 Abs4

Spruch

W272 2196915-1/12E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Braunstein als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. am XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch RA Dr. Herbert POCHIESER, gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vom 14.02.2018, beschlossen:

A)

I. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

II. Die Beschwerdeführerin hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Schriftsatzaufwand in Höhe von 368,80 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erließ am 23.01.2018 gegen XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, zum Zwecke der Abschiebung in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß § 34 Abs. 5 iVm § 47 Abs. 1 BFA-VG einen Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG. Die Festnahme sollte ab 13.02.2018, 06:00 erfolgen, um die Überstellung der genannten Person nach Italien am 15.02.2018 zu gewährleisten.

Gleichzeitig wurde von Seiten des BFA in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gem. § 34 Abs. 2 und § 47 Abs. 1 BFA-VG ein Durchsuchungsauftrag bezüglich der Räumlichkeiten in XXXX (Unterkunftgeber XXXX ) gemäß § 35 Abs. 1 BFA-VG erteilt.

2. Dem Bericht der LPD XXXX vom 14.02.2018, Abteilung Sondereinheiten, kann entnommen werden, dass am selben Tag um 12:10 die zuständigen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes Mitglieder der WEGA um Unterstützung bei dem Festnahme- bzw. Durchsuchungsauftrag nach dem BFA-VG ersucht hätten. Nach dem Anlegen der Schutzausrüstung sei die Türe am 14.02.2018 und 13:05 Uhr durch die WEGA gewaltsam geöffnet und die Wohnung durchsucht worden.

3. Laut Bericht der LPD XXXX , XXXX , vom 15.02.2018, sei am 14.02.2018 gegen 12.00 Uhr versucht worden, den Festnahmeauftrag des BFA gegen XXXX zu vollziehen. Auch nach heftigem Klopfen und der Androhung des gewaltsamen Öffnens der Türe habe niemand die Räumlichkeiten geöffnet. Durch die Beamten seien jedoch Geräusche in der Wohnung wahrgenommen worden. Im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass diese durch eine Jalousie bzw. zwei gekippte Fenster verursacht worden seien. Via Funk sei die WEGA bezüglich der Wohnungsöffnung beordert worden. Nach der Öffnung der Türe und Durchsuchung der Wohnung habe sich herausgestellt, dass sich niemand in der Wohnung befinde, diese jedoch bewohnt gewesen sei. Zwecks Verschließen der Türe sei die Feuerwehr XXXX an die Örtlichkeit beordert worden. Diese hätte einen neuen Schlüsselkasten eingebaut und einen Zettel an der Wohnungstüre hinterlegt. Das Informationsblatt bezüglich des Polizeientschädigungsgesetztes sei ebenfalls in der Wohnung hinterlegt worden. Eine Kopie der Meldung und die neuen Schlüssel seien bei der zuständigen Polizeiinspektion XXXX abzuholen gewesen.

4. Mit Schriftsatz vom 26.03.2018 erhob die Beschwerdeführerin (BF), XXXX , das Rechtsmittel der Maßnahmenbeschwerde gem. Art. 130 Abs. 1 Z 2 und Art 132 Abs. 2 B-VG an das Landesverwaltungsgericht XXXX (LVwG), wo die gegenständliche Beschwerde am 29.03.2018 eingegangen ist.

Vorgebracht wurde, dass die BF gegen die durch die Organe der LPD XXXX am 14.02.2018, am selben Tag zu ihrer Kenntnis gelangten, Akte der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt Beschwerde erhebe.

Bei der vom Festnahme- und Durchsuchungsauftrag betroffenen Person handle es sich um eine Freundin der BF, die sie in der Kirche kennengelernt und der sie Unterkunft gegeben habe. Seit der Rückkehr nach einer längeren Abwesenheit der BF Ende Jänner 2018 hätte sie ihre Mitbewohnerin jedoch nicht mehr gesehen und auch telefonisch nicht erreicht. Von Bekannten habe sie erfahren, dass die betroffene Person nach Italien gezogen sei.

Hinsichtlich der vom zuständigen Beamten wahrgenommenen Geräusche müsse erwähnt werden, dass die BF keine Vorhänge in ihrer Wohnung habe. Wie Jalousien in einer leeren Wohnung Geräusche, die bis vor die Haustüre zu hören seien, verursachen könnten, sei unerklärlich.

Nach dem Vorfall hätte die BF zwei Nächte in einem Hotel geschlafen und habe seither Angst vor der Polizei, weshalb sie ihre rechtsfreundliche Vertretung ersucht habe, die Schlüssel bei der zuständigen Polizeiinspektion abzuholen. Es sei völlig unbegreiflich, warum die Wohnung bereits bei dem ersten Kontaktversuch mittels Spezialeinheit aufgebrochen und nicht bis in die Abendstunden zugewartet worden sei. Sie sei in ihrem Recht gemäß Art. 8 EMRK und Art. 9 StGG verletzt.

5. Am 15.05.2018 erstattete die LPD XXXX eine Stellungnahme, in der diese ausführte, dass die Organe des Wachkörpers Bundespolizei, die im konkreten Fall eingeschritten seien, nicht als Hilfsorgan der LPD XXXX , sondern gem. § 37 Abs. 1 BFA-VG für das BFA tätig geworden seien.

6. Mit Schriftsatz des LVwG vom 22.05.2018, beim BVwG eingelangt am 30.05.2018, wurde die gegenständliche Beschwerde wegen Unzuständigkeit gemäß § 6 Abs. 1 AVG zuständigkeitshalber zur weiteren Veranlassung an das BVwG übermittelt.

7. Mit Schriftsatz vom 20.02.2019 brachte die anwaltlich vertretene BF einen Fristsetzungsantrag beim LVwG ein, da seit Erhebung der Maßnahmenbeschwerde bereits ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten vergangen sei und das LVwG keine Entscheidung erlassen habe, wodurch die Entscheidungspflicht verletzt worden sei. Daher werde der Antrag gestellt, der Verwaltungsgerichtshof möge in Stattgebung des Antrags in der Sache selbst erkennen.

8. Mit Beschluss vom 05.03.2019 wies das LVwG den Antrag gem. § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG und § 30a Abs. 1 iVm § 30a Abs. 8 VwGG als unzulässig zurück.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Weiterleitung gem. § 6 Abs. 1 AVG eine Erlöschung der Entscheidungspflicht der abtretenden Behörde bewirke. Mit Schreiben vom 22.05.2018 sei die Beschwerde zuständigkeitshalber weitergeleitet worden, weshalb das LVwG nicht mehr zum Erlass einer Entscheidung in der angeführten Rechtssache befugt sei.

9. Mit Schreiben vom 26.03.2019 erließ das BVwG einen Verspätungsvorhalt und räumte der BF eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme ein.

Das erkennende Gericht erläuterte, dass der Beschwerdeschriftsatz vom 26.03.2018 am 29.03.2018 beim LVwG eingelangt sei. Darin sei ausgeführt worden, dass die BF noch an dem Tag, an dem der Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gesetzt worden sei, Kenntnis darüber erlangt habe.

Das LVwG habe mit Anschreiben vom 22.05.2018 den Akt gem. § 6 Abs. 1 AVG an das BVwG abgetreten und am 28.05.2018 an den Zustelldienst übergeben. Gem. § 7 Abs. 4 VwGVG betrage die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gem. Art 130 Abs. 1 Z 2 B-VG sechs Wochen. Sie beginne in Fällen gem. § 7 Abs. Z 3 mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt habe, wenn er aber durch diese behindert gewesen sei, mit dem Wegfall der Behinderung. Die Beschwerdefrist habe somit am 14.02.2018 begonnen und sechs Wochen betragen.

Gem. § 6 Abs. 1 AVG habe die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Würden Anliegen einlangen, zu deren Behandlung sie nicht zuständig sei, so hätte sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten. „Auf Gefahr des Einschreiters“ bedeute, dass derjenige, der sich mit seinem Anbringen an eine unzuständige Behörde wende, die damit verbundenen rechtlichen Nachteile unter allen Umständen, also selbst dann, wenn ein Anbringen nicht ohne unnötigen Aufschub weitergeleitet werde, tragen müsse. Vor diesem Hintergrund erweise sich die am 28.05.2018 vom LVwG dem Zustelldienst übergebene und am 30.05.2018 eingelangte Beschwerde als verspätet.

10. Mit Schriftsatz vom 27.03.2019 brachte die BF eine Stellungnahme beim BVwG ein.

Es sei zu beachten, dass die Beschwerdefrist ab Kenntnis der Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu laufen beginne. Wenn die Betroffene durch die Ausübung jedoch daran gehindert gewesen sein sollte, davon Gebrauch zu machen, beginne die sechswöchige Frist erst mit dem Wegfall der Behinderung zu laufen. Da bei der Ausübung der Befehls- und Zwangsgewalt lediglich eine Verständigung der LPD XXXX hinterlassen worden sei, sei die BF bis zur Kenntnisnahme der „Ansicht“ der LPD XXXX vom 15.05.2018, dass die Befehls- und Zwangsgewalt im Auftrag des BFA und nicht der LPD XXXX erfolgt sei, mangels Kenntnis einer angeblichen Zwangsgewalt des Bundes daran gehindert gewesen, die Beschwerde beim BVwG einzubringen. Daher beginne die Frist erst mit 15.05.2018 zu laufen.

11. Mit Schriftsatz vom 29.04.2019 brachte auch das BFA eine Stellungnahme beim BVwG ein und gab an, dass die Frist zu Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde sechs Wochen betrage. Sie beginne mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung der Befehls- und Zwangsgewalt erlange, wenn er jedoch durch diese verhindert gewesen sei, mit Wegfall der Behinderung. Der Begriff der Behinderung umfasse nur jene Fälle, in denen die mangelnde Dispositionsfähigkeit in der bekämpften Ausübung selbst gegründet sei. Eine solche Behinderung liege im gegenständlichen Fall nicht vor, sodass die Beschwerdefrist bereits abgelaufen gewesen sei. Es sei ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein Vertretener grundsätzlich für die Handlungen und Unterlassungen seines Vertreters einzustehen habe. Gleichzeitig beantragte die Behörde den Schriftsatzaufwand gem. § 35 VwGVG.

12. Mit Schreiben vom 06.06.2019 wurde das LVwG durch die BF aufgefordert, den Vorlageantrag vom 22.03.2019 gem. § 30 Abs. 1b VwGG unter Anschluss der Akten dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen, da dies laut telefonischer Auskunft des VwGH vom 06.06.2019 bislang nicht geschehen sei. Es werde nicht verkannt, dass die Entscheidungspflicht selbst bei formloser Weiterleitung gem. § 6 AVG erlösche, und zwar unabhängig davon, ob sie zu Recht erfolgt sei oder nicht. Das LVwG übersehe jedoch, dass die Entscheidungspflicht wiederauflebe, sobald der VwGH oder das LVwG selbst die Zuständigkeit anerkennen würden. Mit Vorlage des Fristsetzungsantrages werde daher beantragt, formlos auszusprechen, dass die formlose Weiterleitung zu Unrecht erfolgt sei und das LVwG jedenfalls zuständig sei.

Die formlose Weiterleitung der Beschwerde sei zudem verfehlt, da die BF nicht Partei einer Amtshandlung gem. des BFA-VG gewesen sei. In der gegenständlichen Maßnahmenbeschwerde sei die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt laut Sicherheitspolizeigesetz (SPG) zur Sicherung einer Amtshandlung betreffend eine dritte Person in Beschwerde gezogen und nicht die Zwangsmaßnahme oder deren Modalitäten betreffend die Abschiebung der dritten Person gem. dem BFA-VG. Eine beschlussmäßige Entscheidung über die Zuständigkeit unter Wahrung des rechtlichen Gehörs und zur Gewährung von Rechtsschutz sei in Fällen wie diesen zwingend erforderlich.

13. Mit Beschluss vom 24.07.2019, XXXX , wies der VwGH den Fristsetzungs- und Vorlageantrag zurück und führte aus, dass die Weiterleitung des Anbringens das Erlöschen der Entscheidungspflicht der abtretenden Behörde bewirke, habe sie doch durch diesen Verwaltungsakt - wenn auch nicht bindend - eine im Gesetz vorgesehene Verfügung über den Antrag getroffen, die ihrem Wesen nach notwendig die Annahme des Weiterbestehens ihrer Entscheidungspflicht ausschließe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den Ausführungen unter Punkt I.

Der Akt der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt erfolgte am 14.02.2018 gegen die Wohnung der Beschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerin erhob mit Schriftsatz vom 26.03.2018, eingelangt beim Landesverwaltungsgericht am 29.03.2018, Beschwerde.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden und von den Parteien nicht beanstandeten Aktenlage fest.

Dass der gegenständlichen unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt am 14.02.2018 erfolgte ist aus dem Polizeibericht (Hinterlegung der Anzeige der Maßnahme an der Haustür) und der Beschwerde ersichtlich, in welcher die BF angab, am selben Tag von der Maßnahme erfahren zu haben. In der Beschwerde selbst wurde mitgeteilt, dass die BF am selben Tag von der Maßnahme erfuhr, jedoch sich zur Unterkunftsnahme in ein Hotel begab. Die BF teilte auch mit, dass die rechtsfreundliche Vertretung den Schlüssel bei der Polizei abholte und dadurch die Möglichkeit hatte sich über die Maßnahme und Grund bzw. wer die Maßnahme anordnete informieren konnte.

Das Einlangen der Beschwerde im Landesverwaltungsgericht ist mit Eingangsstempel versehen und wurde auch nicht bestritten.

Der Verspätungsvorhalt durch das BVwG ist im Akt ersichtlich.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Zur Zuständigkeit des BVwG

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit.

Die Zuständigkeit zur Entscheidung über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG kommt gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG dem BVwG zu. Das gilt auch insoweit, als sich eine Beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht (nur) gegen die Maßnahme als solche, sondern gegen deren Modalitäten richtet. […]

§ 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG sieht nun gerade für "allgemeine" Maßnahmenbeschwerden eine Zuständigkeit des BVwG vor; es gibt keinen Grund, diese Regelung nur auf Beschwerden gegen die Maßnahmen als solche und nicht auch auf Beschwerden gegen die Modalitäten ihrer Durchführung zu beziehen. Allerdings können die Modalitäten der Durchführung einer anderen Behörde zuzurechnen sein als die Maßnahme als solche, sodass im Verfahren vor dem BVwG jeweils unterschiedliche belangte Behörden zu bezeichnen und beizuziehen wären. (VwGH 17.11.2016, Ro 2016/21/0016).

Dem VwGH zufolge steht die sich aus § 7 BFA-VG ergebende Zuständigkeit des BVwG für Beschwerden gegen die Modalitäten einer Maßnahme nach dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und dem 7. und 8. Hauptstück des FPG im Einklang mit der verfassungsrechtlichen Abgrenzung der Zuständigkeiten der VwG des Bundes und der Länder: Nach Art. 131 Abs. 1 B-VG erkennen über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 B-VG (insbesondere Bescheidbeschwerden und Maßnahmenbeschwerden) die VwG der Länder, soweit sich aus Abs. 2 und 3 nicht anderes ergibt. Es besteht also eine Generalklausel zugunsten der VwG der Länder. Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das VwG des Bundes über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Gemeint ist eine tatsächliche Vollziehung in unmittelbarer Bundesverwaltung (vgl. die ErlRV 1618 BlgNR 24. GP, 15).

Hinsichtlich der Angelegenheiten des 1. Hauptstücks des 2. Teiles des BFA-VG und des 7. und 8. Hauptstücks des FPG ist die Zuständigkeit des BFA - einer Bundesbehörde - zur Vollziehung vorgesehen (vgl. insbesondere § 3 Abs. 1 Z 1 und 3 BFA-G). Diese Angelegenheiten werden demnach in unmittelbarer Bundesverwaltung vollzogen. Die Durchführung einzelner vom BFA angeordneter bzw. diesem zuzurechnender Maßnahmen obliegt gemäß § 5 BFA-VG den Landespolizeidirektionen. Auch dabei handelt es sich um eine Vollziehung in unmittelbarer Bundesverwaltung.

Die von den Sicherheitsbehörden, zu denen auch die Landespolizeidirektionen zählen, nach den Art. 78a ff B-VG besorgte Sicherheitsverwaltung ist zwar nach der herrschenden Meinung, auf die sich auch die Erläuterungen (vgl. ErlRV 1618 BlgNR 24. GP, 15) beziehen, keine mittelbare, aber auch keine unmittelbare Bundesverwaltung, sodass sie unter die Generalklausel des Art. 131 Abs. 1 B-VG fällt (vgl. VfGH E 24. Juni 2015, G 193/2014 ua). Die Landespolizeidirektionen - bei denen es sich um Bundesbehörden im organisatorischen Sinn handelt - werden aber bei der Vollziehung von Angelegenheiten des 1. Hauptstücks des 2. Teiles des BFA-VG und des 7. und 8. Hauptstücks des FPG nach dem Willen des Gesetzgebers nicht im Rahmen der Sicherheitsverwaltung tätig (VwGH 17.11.2016, Ro 2016/21/0016).

Der 1. Teil des 2. Hauptstückes des BFA-VG regelt in den Bestimmungen der §§ 34 und 35 die Voraussetzungen für die Anordnung von Festnahme- und Durchsuchungsaufträgen gegen Fremde durch das BFA sowie deren Durchsetzung durch Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

§ 34 BFA-VG lautet auszugsweise:

§ 34. (1) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden anordnen (Festnahmeauftrag), wenn dieser

1. Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt, oder

2. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden auch ohne Erlassung eines Schubhaftbescheides anordnen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorliegen und

1. der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, nicht Folge geleistet hat oder

2. der Aufenthalt des Fremden nicht festgestellt werden konnte.

(3) Ein Festnahmeauftrag kann gegen einen Fremden auch dann erlassen werden,

1. wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor das Bundesamt erfolgt;

2. wenn er seiner Verpflichtung zur Ausreise (§§ 52 Abs. 8 und 70 Abs. 1 FPG) nicht nachgekommen ist;

3. wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll oder

4. wenn eine aufgrund eines Bescheides gemäß § 46 Abs. 2b FPG erlassene Vollstreckungsverfügung nicht vollzogen werden konnte oder der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung gemäß § 46 Abs. 2b FPG, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, zur Befragung zur Klärung seiner Identität und Herkunft, insbesondere zum Zweck der Einholung einer Bewilligung gemäß § 46 Abs. 2a FPG bei der zuständigen ausländischen Behörde durch die Behörde, nicht Folge geleistet hat.

(4) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Asylwerbers anordnen, wenn er sich dem Verfahren entzogen hat (§ 24 Abs. 1 AsylG 2005).

(5) Der Festnahmeauftrag ergeht in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. Die Anhaltung auf Grund eines Festnahmeauftrages darf 72 Stunden nicht übersteigen und ist nach Durchführung der erforderlichen Verfahrenshandlungen zu beenden.

§ 35 BFA-VG lautet:

(1) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass sich ein Fremder, gegen den ein Festnahmeauftrag erlassen worden ist oder Schubhaft verhängt werden soll, in bestimmten Räumlichkeiten aufhält, kann das Bundesamt, sofern es zur Durchsetzung des Festnahmeauftrages oder zur Vollstreckung des Schubhaftbescheides erforderlich erscheint, den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Auftrag erteilen, die Räumlichkeiten zu betreten und zu durchsuchen.

(2) Der Auftrag gemäß Abs. 1 ergeht in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt. Die erfolgte Durchsuchung ist vom einschreitenden Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes dem Betroffenen auf Verlangen so bald wie möglich, jedenfalls binnen 24 Stunden, schriftlich zu bestätigen.

Im vorliegenden Fall wurden die Exekutivorgane der LPD und die von diesen angeforderte Sondereinheit WEGA nicht im Rahmen der Sicherheitsverwaltung als Fremdenpolizei iSd § 2 Abs. 2 FPG tätig, da hier die Angelegenheiten der Fremdenpolizei durch § 2 Abs. 2 FPG mit dem FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 und dem FNG-Anpassungsgesetz, BGBL I Nr. 68/2013 abschließend neu definiert wurde, demnach aufenthaltsbeendende Maßnahmen und Angelegenheiten des „Schubwesens“ nicht (mehr) zur Fremdenpolizei und damit auch nicht (mehr) zur Sicherheitsverwaltung im Sinne des SPG zählen (vgl. VwGH 17.11.2016, Ro 2016/21/0016), sondern in Vollziehung von Angelegenheiten des 1. Hauptstückes des 2. Teiles des BFA-VG, nämlich im Auftrag und in Umsetzung des Festnahme- und Durchsuchungsauftrages des BFA vom 23.01.2018. Die Ausführung des Durchsuchungsauftrages und somit die Akte unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt sind dem BFA in Vollziehung unmittelbarer Bundesverwaltung zuzurechnen, weshalb die Zuständigkeit des BVwG begründet ist.

Da Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit der Akt der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt und auch deren Modalität ist, ist nicht nur die Person beschwerdelegitimiert gegen welche der Haftbefehl erlassen wurde, sondern jene Person, welche sich tatsächlich durch die Maßnahme beschwert erachtet.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss. Da im vorliegenden Verfahren die Beschwerde zurückzuweisen ist, ist in Beschlussform zu entscheiden.

Zu A)

3.2 Zurückweisung der Beschwerde

Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG sechs Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 2 B-VG mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, wenn er aber durch diese behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, mit dem Wegfall dieser Behinderung.

Der Begriff der "Behinderung" im Sinne des § 7 Abs. 4 Z 3 VwGVG umfasst nur jene Fälle, in denen die mangelnde Dispositionsfähigkeit (zur Beschwerdeerhebung) in der zu bekämpfenden Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt selbst gründet (wie insbesondere im Fall von Festnahmen oder zwangsweisen Anhaltungen). Psychische Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers, die sich als (bloße) Folge der zu bekämpfenden Maßnahme darstellen, erfüllen diesen Tatbestand nicht. Die Beschwerdefrist beginnt in derartigen Fällen daher im Zeitpunkt der Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt (VwGH 15.12.2015, Ro 2015/01/0008).

Das Aufbrechen der Wohnungstüre und die anschließende Durchsuchung der Wohnung der BF als unmittelbare Zwangsmaßnahme iSd § 35 BFA-VG wurden am 14.02.2018 durch Organe der WEGA durchgeführt. Laut Seite 2 des Beschwerdeschriftsatzes vom 26.03.2018 gelangten die Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch am selben Tag zur Kenntnis der BF, weshalb im gegenständlichen Fall nicht von einer Behinderung iSd § 7 Abs. 4 VwGVG gesprochen werden kann. So gab die BF auf Seite 4 im Beschwerdeschriftsatz selbst an, noch am selben Tag eine Verständigung aufgefunden zu haben, wo der neue Schlüssel abzuholen sei.

Gemäß § 32 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat.

Gemäß § 33 Abs. 1 AVG werden der Beginn und Lauf einer Frist durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen (§ 33 Abs.2 AVG).

Da die Durchsuchung der Wohnung der BF und damit das fristauslösende Ereignis unbestritten am 14.02.2018 durchgeführt worden ist und am gleichen Tag zur Kenntnis erlangte, trat das Ende der sechswöchigen Beschwerdefrist am 28.03.2018 ein.

Der Beschwerdeschriftsatz vom 26.03.2018 langte am 29.03.2018 beim (unzuständigen) LVwG XXXX ein. Ein etwaiger Postenlauf wird in die Frist nicht miteinberechnet.

Da sich das LVwG in der gegenständlichen Rechtssache jedoch als unzuständig ansah, wurde die am 29.03.2018 eingelangte Beschwerde der BF mit Schriftsatz vom 22.05.2018 gem. § 6 AVG an das BVwG weitergeleitet.

§ 6 AVG lautet:

(1) Die Behörde hat ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.

(2) Durch Vereinbarung der Parteien kann die Zuständigkeit der Behörde weder begründet noch geändert werden.

Die Weiterleitung eines Anbringens bewirkt das Erlöschen der Entscheidungspflicht der abtretenden Behörde, hat sie doch durch diesen Verwaltungsakt - wenn auch nicht bindend - eine im Gesetz vorgesehene Verfügung über den Antrag getroffen, die ihrem Wesen nach notwendig die Annahme des Weiterbestehens ihrer Entscheidungspflicht ausschließt. Dies gilt sinngemäß für die Weiterleitung durch das Verwaltungsgericht (VwGH 24.07.2019, Fr 2019/01/0016).

Wird ein fristgebundenes Anbringen bei einer unzuständigen Stelle eingebracht, so erfolgt die Weiterleitung auf Gefahr des Einschreiters. Die Frist ist nur dann gewahrt, wenn die unzuständige Stelle das Anbringen zur Weiterleitung an die zuständige Stelle spätestens am letzten Tag der Frist zur Post gibt oder das Anbringen bis zu diesem Zeitpunkt bei der zuständigen Stelle einlangt (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/10/0068).

„Auf Gefahr des Einschreiters“ bedeutet, wie in Hengstschläger/Leeb, AVG § 6 RZ 11 dargelegt, dass derjenige, der sich mit seinem Anbringen an eine unzuständige Behörde wendet, die damit verbundenen rechtlichen Nachteile (zB Fristversäumnis) unter allen Umständen, also selbst dann zu tragen hat, wenn ein Anbringen nicht ohne unnötigen Aufschub weitergeleitet wird (vgl VwGH 21. 6. 1999, 98/17/0348; 25. 6. 2001, 2001/07/0081; 13. 10. 2010, 2009/06/0181; Leeb, Säumnisvoraussetzungen 92 [Rz 13]; Hauer, ÖGZ 1979, 378). Insbesondere wird dadurch der Fristenlauf weder gehemmt noch unterbrochen (AB 1925, 10). Ein bei der unzuständigen Stelle eingebrachtes, fristgebundenes Anbringen ist daher nur dann nicht verspätet, wenn das Schriftstück noch innerhalb der Frist bei der zuständigen Behörde einlangt (vgl VwSlg 6999 A/1966) oder iSd § 33 Abs. 3 AVG einem Zustelldienst zur Übermittlung an die Behörde übergeben wird (VwGH 18. 10. 2000, 95/08/0330; 9. 4. 2008, 2008/19/0040; 16. 12. 2010, 2010/07/0221; VfSlg 16.794/2003; Hauer, ÖGZ 1979, 378).

Der VwGH hielt in seiner Entscheidung vom 28.05.2014, 2013/12/0209, auch fest, dass für den Fall, dass eine Partei aus Unkenntnis von der Zuständigkeit oder Behördenorganisation einen Antrag bei der falschen Behörde eingebracht hat, die Eingabe nach § 6 AVG zwar "auf Gefahr des Einschreiters" an die zuständige Behörde weiterzuleiten ist, die Weiterleitung jedoch nicht beliebig lang hinausgezögert werden darf, sondern ohne unnötigen Aufschub zu erfolgen hat. Wenn auch das Risiko einer durch die Weiterleitung bewirkten Fristversäumung der Einschreiter zu tragen hat, steht es der Behörde nicht zu, dieses Risiko durch ihre Untätigkeit schlagend werden zu lassen. Wurde die Partei durch eine grundlose extreme Verzögerung der Weiterleitung ihres irrtümlich bei der unzuständigen Behörde eingebrachten Anbringens gehindert, die Frist einzuhalten, stellt das für die Fristversäumung letztlich kausale Fehlverhalten der Behörde ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG dar. Diesfalls trifft den Antragsteller an der Versäumung der Frist kein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden. Ein Wiedereinsetzungsgrund liegt aber nur dann vor, wenn die Partei durch ein im Nachhinein bekannt gewordenes "krasses" Fehlverhalten der zur Weiterleitung verpflichteten Behörde an der Einhaltung der Frist gehindert wurde (vgl. B 20. November 2002,2002/08/0134, betreffend den Fall eines für die Weiterleitung offenstehenden Zeitraumes von mehr als einem Monat). Ist ein für die Fristversäumnis kausales Versehen der Behörde in der Weiterleitung auf wenige Tage reduziert, so kann von einer "extremen Verzögerung" oder von einem "krassen Fehlverhalten" der zur Weiterleitung verpflichteten Behörde nicht gesprochen werden.

Im gegenständlichen Fall ist es jedoch, unabhängig vom Verhalten des LVwG und dem Irrtum der BF über die Zuständigkeit, eindeutig, dass die Beschwerde wegen Verspätung als unzulässig zurückzuweisen war, da die Maßnahmenbeschwerde bereits beim LVwG am 29.03.2018 und in Folge auch nach Weiterleitung der Akten an das BVwG, eingelangt am 30.05.2018, verspätet eingebracht worden ist.

Dem §33 Abs. 3 letzter Halbsatz AVG zufolge werden die Tage des Postenlaufes in die Beschwerdefrist nicht eingerechnet. Dies gilt aber nur, wenn die Post richtig, dh. an die zuständige Stelle, in Lauf gesetzt worden ist. Die Tage des Postenlaufes vom Beschwerdeführer an eine unzuständige Stelle (hier: Landesverwaltungsgericht) sind in die Beschwerdefrist jedoch einzurechnen. Die Frist wäre nur gewahrt, wenn wenigstens die unzuständige Behörde das Rechtsmittel am letzten Tag der Frist an das Bundesverwaltungsgericht zur Post gegeben hätte (vgl. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, zB VwSlg. 3088 A/1953, 9563 A/1978). Dem Landesverwaltungsgericht war es jedoch nicht möglich innerhalb der Frist die Beschwerde rechtzeitig weiterzuleiten, sodass auch das Zuwarten der Weiterleitung in der Dauer von zwei Monaten die Rechtsposition der BF nicht verschlechtern konnte.

Wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, dass es nicht eindeutig gewesen sei, wer belangte Behörde sei und wo eine allfällige Beschwerde einzubringen sei, so muss angemerkt werden, dass der Rechtsvertreter der BF den Schlüssel bei der zuständigen Polizeiinspektion abgeholt hat und dort, im Fall einer Unklarheit, Erkundigungen hätte einholen können.

Dass ein Vertretener grundsätzlich für die Handlungen und Unterlassungen seines Vertreters einzustehen hat, kann dem Erkenntnis des VwGH vom 15.05.2009, 2009/09/0115, entnommen werden.

Die Beschwerde war daher wegen Verspätung als unzulässig zurückzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. und III. – Kostenersatz

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der BF die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom BF vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der BF die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Die belangte Behörde ist auf Grund der Zurückweisung der Beschwerde obsiegende Partei, weshalb sie Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang (Antrag mit Schreiben vom 29.04.2019) hat. Der BF gebührt als unterlegener Partei kein Kostenersatz.

Nach § 35 Abs. 4 VwGVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs. 1 die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat (Z 1), die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren (Z 2), sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand (Z 3). Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat gemäß Abs. 5 den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht. Aufwandersatz ist laut Abs. 7 auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

§ 1 VwG-AufwErsV bestimmt die Höhe des zu ersetzenden Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei mit € 57,40 und die Höhe des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei € 368,80. Die Vorlage der Beschwerde erfolgte durch die LPD XXXX an das LVwG und von dieser an das BVwG. Aufgrund des Parteiengehörs zum Verspätungsvorhalt brachte die belangte Behörden den Antrag auf Schriftsatzaufwand gem. § 35 VwGVG ein.

Die BF hat der belangten Behörde daher Kosten des Schriftsatzaufwandes iHv € 368,80 zu ersetzen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, entfallen.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Befehls- und Zwangsgewalt Beschwerdefrist Kostenersatz Maßnahmenbeschwerde Rechtsmittelfrist Verspätung Weiterleitung Zurückweisung Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W272.2196915.1.00

Im RIS seit

26.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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