TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/1 W124 1437684-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.09.2020
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Entscheidungsdatum

01.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W124 1437684-3/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005, § 9 BFA-VG iVm §§ 52 Abs. 2 und 9 sowie 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der letzte Satz des Spruches des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:

"Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 4 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren:

1.1 Am XXXX stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz und gab Folgendes an: Er stamme aus dem Bundesstaat Punjab und beherrsche die Sprache Punjabi in Wort und Schrift; er gehöre der Volksgruppe der Jat sowie der Religionsgemeinschaft der Sikh an. Er habe in Indien von 1994 bis 2007 die Grundschule besucht. Zu seinem Fluchtgrund führte er aus, er habe Angst um sein Leben, weil er Probleme mit der Polizei und der Regierung habe. XXXX sei von der Regierung zum Tode verurteilt worden, warum wisse er nicht; deshalb habe er an einer Demonstration gegen die Todesstrafe teilgenommen, wobei er von der Polizei geschlagen worden sei.

Am XXXX habe die Polizei gegen ihn eine „falsche Anzeige“ erstattet, deren Inhalt er nicht kenne. Die Polizei habe ihn am XXXX mitgenommen und nach zwei Tagen wieder freigelassen. Am XXXX und XXXX seien Polizisten zu ihm nach Hause gekommen und hätten ihn und seine Familie geschlagen; warum sie geschlagen worden seien, könne er nicht angeben. Im Fall einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst um sein Leben. Die Polizei habe ihm gesagt, sie würde ihn umbringen. Im Herkunftsstaat seien die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers aufhältig.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde sein Antrag mit Bescheid des seinerzeit zuständigen Bundesasylamtes vom XXXX , Zl. XXXX , gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.); der Beschwerdeführer wurde zudem gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

1.2 Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX zur Zl. XXXX wurde die dagegen erhobene Beschwerde sowohl hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wurde jedoch aufgehoben und das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) zurückverwiesen.

Das Bundesverwaltungsgericht stellte im genannten Erkenntnis im Wesentlichen fest, der Beschwerdeführer sei indischer Staatsangehöriger, stamme aus dem Bundesstaat Punjab und gehöre der Volksgruppe der Jat und der Religionsgemeinschaft der Sikh an. Seine Identität stehe nicht fest; er beherrsche die Sprache Punjabi in Wort und Schrift. Im Herkunftsstaat habe er zwölf Jahre lang die Grundschule besucht und danach viele Jahre mit seinem Vater in der familieneigenen Landwirtschaft gearbeitet.

Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers seien nicht glaubhaft. Es habe nicht festgestellt werden können, dass dem Beschwerdeführer in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung drohe. Dem Beschwerdeführer stehe in Indien zudem eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. In Österreich gehe er keiner Beschäftigung nach, habe im Bundesgebiet keine Verwandten und unterhalte auch sonst keinerlei Kontakte. Er gehöre auch keinem Verein, keiner religiösen Verbindung bzw. sonstigen Gruppierung an. Seine Eltern, Geschwister, drei Onkel, eine Tante sowie vier seiner Cousins würden im Herkunftsstaat leben. Der Beschwerdeführer sei gesund und befinde sich im erwerbsfähigen Alter.

Zur Beschwerde gegen den dritten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides vom XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht rechtlich aus, die Ausweisung stelle keinen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Schutz des Familienlebens dar, da er im Bundesgebiet über keine Verwandten oder nahen Angehörigen verfüge. Die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit seiner Einreise im XXXX sei als sehr kurz zu bezeichnen und werde weiter dadurch relativiert, dass die Einreise illegal und der Aufenthalt bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter rechtmäßig gewesen sei, was dem Beschwerdeführer habe bewusst sein müssen. Er übe in Österreich keine erlaubte Beschäftigung aus und sei nicht selbsterhaltungsfähig. Weitere ausgeprägte private bzw. persönliche Interessen habe der Beschwerdeführer im Verfahren nicht dargetan; zudem habe er keine Kenntnisse der deutschen Sprache, weswegen davon auszugehen sei, dass in seinem Fall nur ein geringer Grad an Integration erreicht worden sei. Die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich sei aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt nur auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt habe, nur in geringem Maße gegeben. In Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht habe, sei davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zu diesem bestünden, zumal dort seine Familienangehörigen leben würden und er auch eine Landessprache als Muttersprache beherrsche. Der Umstand, dass er in Österreich nicht straffällig geworden sei, bewirke keine Erhöhung des Gewichts der Schutzwürdigkeit persönlicher Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen seien (vgl. VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112). Daher sei davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführer an einem Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nur geringes Gewicht hätten und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukomme, in den Hintergrund treten würden.

Sohin sei nicht zu erkennen gewesen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, weshalb das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das BFA zurückzuverweisen gewesen sei.

1.3 Mit (wie sich im nachfolgenden Beschwerdeverfahren herausstellte, nicht erlassenem und damit nichtexistentem) Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen ihn wurde gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Eintritt der Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

1.4 Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX zur GZ XXXX wurde die dagegen erhobene Beschwerde zurückgewiesen, da die Bescheidausfertigung entgegen § 9 Abs. 3 ZustellG nicht an den der belangten Behörde nachweislich bekannten rechtsfreundlichen Vertreter als Zustellbevollmächtigten zugestellt worden war und mangels rechtswirksamer Zustellung der Bescheidausfertigung kein tauglicher Beschwerdegegenstand vorlag.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1 In der am XXXX durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme hielt das einvernehmende Organ des BFA dem Beschwerdeführer zunächst vor, dass er am XXXX wegen des Deliktes des Eingehens und der Vermittlung von Aufenthaltsehen von der Polizeiinspektion (PI) XXXX zur Anzeige gebracht worden sei; laut Berichterstattung vom XXXX (AS 411 - 413) sei er mit Fr. XXXX , geb. XXXX in XXXX , Slowakei, StA. Slowakei, verheiratet, welche an der Adresse XXXX straße XXXX , XXXX gemeldet, jedoch nicht wohnhaft sei, und räumte diesem die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme ein. Der Beschwerdeführer erklärte, die genannte slowakische Staatsangehörige sei nicht mehr an der genannten Adresse wohnhaft, sie sei gemeinsam mit ihrer namentlich genannten Cousine in die Slowakei zurückgekehrt. Ursprünglich hätten sie an Heirat gedacht, dann jedoch habe Fr. XXXX ihn nicht mehr heiraten wollen.

Der Beschwerdeführer habe keine Dokumente, die seine Identität nachweisen könnten; seit XXXX sei er an der Adresse XXXX straße XXXX , XXXX wohnhaft. Im gegenständlichen Verfahren werde er von seinem Rechtsanwalt, Dr. XXXX , rechtsfreundlich vertreten; er ersuche um Zustellung jedweder Entscheidung an seinen rechtsfreundlichen Vertreter. Dieser sei nicht anwesend und der Beschwerdeführer sei damit einverstanden, dass die Einvernahme ohne sein Beisein stattfinde. Befragt, womit er seinen Rechtsanwalt bezahle, gab er an, er bezahle ihn mit dem Geld, welches er aus der Grundversorgung erhalte, aber er habe ihm seit 2015 kein Geld mehr gegeben. Er sei gesund und nehme keine Medikamente, befinde sich auch nicht in ärztlicher Behandlung. Bis XXXX habe er als Zeitungsausträger gearbeitet, nun lebe er von Leistungen aus der Grundversorgung und sei nicht beschäftigt; über eine Gewerbeberechtigung verfüge er aktuell nicht. Er könne die lateinische Schrift lesen und sich auch ein wenig auf Deutsch verständigen. Er sei in XXXX , Indien geboren und auch dort aufgewachsen, er gehöre der Volksgruppe der Jat sowie der Religionsgemeinschaft der Sikh an und sei ledig sowie kinderlos; seine Eltern, beide indische Staatsangehörige, würden XXXX SINGH , geb. 1960 (Vater), und XXXX KAUR, geb. 1963 (Mutter), heißen und seien in XXXX wohnhaft. Zudem würden sein namentlich genannter Bruder sowie seine Schwester ebenfalls in der Heimatprovinz im Bezirk XXXX leben; sein kinderloser Bruder arbeite in der elterlichen Landwirtschaft mit, seine Schwester sei mit dem Eigentümer einer Großlandwirtschaft verheiratet und habe einen namentlich genannten Sohn. Zudem hätten seine Eltern insgesamt vier Geschwister, welche verheiratet seien und Kinder sowie jeweils eine eigene Großlandwirtschaft hätten; all seine Verwandten seien Jat und Sikh.

Über Nachfrage gab der Beschwerdeführer Folgendes an: Seine Geburtsurkunde sei zuhause in XXXX (in seinem Elternhaus), ebendort sei auch seine Identitätskarte, einen Reisepass besitze er jedoch nicht. Nachgefragt, unter Vorweisung welcher Dokumente er Fr. XXXX habe ehelichen wollen, gab er an, er habe einst vorgehabt, diese Dame zu ehelichen, da daraus dann aber nichts geworden sei, habe er auch keine Dokumente benötigt. In Indien habe er von 1994 bis 2006 die Grundschule besucht, anschließend habe er als Landwirt gearbeitet, Grundwehrdienst habe er in Indien nicht geleistet, da er nie einberufen worden sei. Seine Eltern besäßen eine Großlandwirtschaft von mehreren Hundert Hektar und würden Weizen und Reis ernten; in eben dieser Landwirtschaft habe er bis zu seiner Ausreise gearbeitet.

Seit XXXX 2013 halte sich der Beschwerdeführer in Österreich auf und verfüge hier über keine Familienangehörigen bzw. Verwandten; private Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet nannte er keine. Er wohne alleine und sei in keinem Verein tätig, besuche zum Zeitpunkt der Einvernahme keinen Deutschkurs und absolviere keine Ausbildung. Er verfüge über kein Vermögen. Seine Zukunft in Österreich stelle er sich so vor, dass er einen Aufenthaltstitel erhalte und arbeite. Nachgefragt, was er an einem durchschnittlichen Tag mache, gab er an, nichts, er sei meistens zuhause, ab und an suche er den Sikh-Tempel in der Wienerstraße auf und sei auf Arbeitssuche.

Nachgefragt, ob er in Österreich jemals von einem Gericht verurteilt oder gegen ihn ein Aufenthaltsverbot bzw. eine Ausweisung erlassen worden sei, gab der Beschwerdeführer an, er habe in Österreich wegen der genannten slowakischen Staatsangehörigen, Fr. XXXX , welche immer noch an seiner Wohnadresse gemeldet sei, Probleme mit dem Gesetz. An seiner Wohnadresse sei nur eine slowakische Staatsangehörige gemeldet. Fr. XXXX habe er über XXXX , geb. XXXX , kennengelernt; dieser lebe ebenfalls in XXXX zusammen mit einer slowakischen Staatsangehörigen, welche er möglicherweise geehelicht habe, und gehe keiner Beschäftigung nach. Durch ihn habe der Beschwerdeführer Fr. XXXX kennengelernt, welche zwar noch bei ihm gemeldet sei, allerdings bereits um den XXXX 2018 in ihre Heimat zurückgefahren sei. Der Beschwerdeführer habe sie bereits abgemeldet und erhielt vom Magistrat der Stadt XXXX eine Bestätigung, wonach er drei Monate zuwarten müsse. Die Bestätigung werde er dem BFA am nächsten Tag vorlegen.

Im Zuge der Einvernahme legte der Beschwerdeführer folgende Dokumente vor:

?        Mietvertrag für die Wohnung XXXX straße XXXX , XXXX , abgeschlossen mit „ XXXX “, Höhe des Mietzinses: EUR 215,-

?        unausgefüllter Antrag auf Saisonbewilligung,

?        Sprachkurszeugnis – Deutsch A2 mit Detailergebnissen vom XXXX ,

?        Deutschkurs-Teilnahmebestätigung (Niveau A2) vom XXXX ,

?        Deutschkurs-Teilnahmebestätigungen (Niveau A2) vom XXXX betreffend Stufe 1, vom 11.12.2013 betreffend Stufe 2 sowie vom XXXX betreffend Stufe 3,

?        Ausschnitt aus der Kronen-Zeitung, Ausgabe vom XXXX , S. 5 und 6 mit einem kurzen Beitrag über den Staatsbesuch des kanadischen Premierministers Justin TRUDEAU in Indien auf S. 5, in dem berichtet wird, dass dieser in Indien „deutlich unterkühlt“ empfangen worden sei – die Inder hätten ein Problem damit, dass TRUDEAU mehrere Sikhs in seiner Regierung habe, für die in Indien lebenden Sikhs bedeute ihre Religion auch die Angehörigkeit zu einer eigenen Nation.

Das einvernehmende Organ des BFA fragte den Beschwerdeführer, was genau er mit dem vorgelegten Zeitungsausschnitt beweisen wolle; der Beschwerdeführer gab an, er wolle beweisen, dass der kanadische Premierminister in Indien aufgrund der Sikhs in seiner Regierung nicht gut behandelt worden sei.

Am Ende der Einvernahme wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, in die Länderfeststellungen zu Indien Einsicht und zu diesen gegebenenfalls Stellung zu nehmen, wobei ihm zur Abgabe einer Stellungnahme eine zweiwöchige Frist gewährt wurde. Der Beschwerdeführer verzichtete mit den Worten „Ich habe daran kein Interesse.“ auf die Abgabe einer solchen Stellungnahme.

2.2 Am XXXX langte bei der Behörde die Kopie einer Niederschrift des Magistrates XXXX als Meldebehörde vom XXXX zur Zl. XXXX ein. Als Gegenstand der Amtshandlung wurde angegeben: „ XXXX , geb. XXXX , an Adresse XXXX , XXXX straße XXXX hat nie dort gewohnt“. Der Anzeiger – der Beschwerdeführer – hatte laut Niederschrift angegeben: „Ich habe für sie den Meldezettel unterschrieben, damit sie eine Hauptwohnsitzadresse bekommt, sie hat aber bei mir nie dort gewohnt.“

2.3 Mit Bescheid des BFA vom XXXX zur Zl. XXXX wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen ihn wurde gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Eintritt der Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Das BFA konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht feststellen, in Österreich lebe er alleine, Fr. XXXX sei nicht mehr an der genannten Adresse wohnhaft, sie sei gemeinsam mit ihrer Cousine XXXX , geb. XXXX in die Slowakei zurückgekehrt. Ursprünglich hätten der Beschwerdeführer und Fr. XXXX an Heirat gedacht, dann aber habe ihn Fr. XXXX nicht mehr heiraten wollen. Laut einem Bericht der XXXX vom XXXX 2018 habe er versucht, die Schließung einer Aufenthaltsehe mit Fr. XXXX zu erzwingen, welche sich durch Zufall im Zuge eines Spaziergangs mit ihm an eine Polizeistreife habe wenden und diese von der bestehenden Freiheitsberaubung durch ihn in Kenntnis XXXX setzen können. Dem Beschwerdeführer sei vom Bundesverwaltungsgericht weder der Status des Asylberechtigten noch der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden; das Vorliegen von Abschiebungshindernissen sei vom Gericht unter Einbeziehung der allgemeinen tatsächlichen Gegebenheiten in Indien geprüft sowie verneint worden. Zum Zeitpunkt der nunmehrigen Entscheidung des BFA sei, wie sich aus den behördlichen allgemeinen Länderfeststellungen ergebe, im Vergleich zur Lage zum Zeitpunkt der genannten Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung keine Verschlechterung der allgemeinen tatsächlichen Gegebenheiten in Indien erkennbar.

Der Beschwerdeführer halte sich nach unrechtmäßiger Einreise am XXXX im Bundesgebiet auf und habe hier keine Angehörigen. Am XXXX 2018 sei er von der PI XXXX wegen des Deliktes des Eingehens und der Vermittlung von Aufenthaltsehen gemäß § 117 FPG angezeigt worden. Laut Berichterstattung der genannten Polizeiinspektion vom XXXX 2018 sei er mit XXXX nicht verheiratet; diese sei an der Adresse XXXX straße XXXX , XXXX gemeldet, aber nicht wohnhaft. Eine legale regelmäßige Erwerbstätigkeit, umfassende Deutschkenntnisse, Kursbesuche, ein Studium oder eine Vereinstätigkeit seien im Verfahren nicht hervorgekommen; derartiges habe er gegenüber der Behörde und auch dem Bundesverwaltungsgericht nicht vorgebracht. Zudem seien keine Aspekte einer schützenswerten Integration hervorgekommen. Einer Rückkehrentscheidung samt Abschiebung entgegenstehende Gründe oder Gründe für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen hätten nicht festgestellt werden können.

Rechtlich wurde zusammenfassend ausgeführt, das Bestehen eines Familienlebens iSd Art. 8 EMRK sei zu verneinen, da der Beschwerdeführer alleine in Österreich lebe. Er halte sich seit XXXX alleine aufgrund der Betreibung eines Asylverfahrens und sohin lediglich für die Dauer desselben rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Zwar liege in Österreich ein Privatleben des Beschwerdeführers von der Dauer eines Jahres vor, Aspekte einer außergewöhnlichen und schützenswerten Integration lägen gegenständlich jedoch nicht vor, zumal er Leistungen aus der Grundversorgung des Landes Oberösterreich beziehe und eine nachhaltige Integration auf dem Arbeitsmarkt nicht zu erkennen sei; auch habe er nie einen Aufenthaltstitel gehabt, der auf einen gesicherten, dauerhaften Aufenthalt in Österreich schließen habe lassen, sein Aufenthalt habe sich immer nur auf das vorläufige Aufenthaltsrecht für Asylwerber, deren Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen worden sei, gegründet.

Aufgrund der äußerst kurzen Dauer seines Aufenthalts in Österreich und seiner privaten sowie vorübergehenden Situation könne nicht von einer nachhaltigen Integration, die schwerer als das öffentliche Interesse an der Effektuierung der negativen Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz wiegen würden, ausgegangen werden. Außergewöhnliche Umstände, die dennoch im Einzelfall eine andere Beurteilung angezeigt erschienen gelassen hätten, seien im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen. Nichts deute ferner darauf hin, dass er im Fall einer Rückkehr nach Indien in hohem Maße mit Desintegration zu rechnen hätte, sodass auch ein Vergleich seiner Verhältnisse in Österreich mit jenen in Indien im Rahmen einer Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK keine gewichtigen Argumente zugunsten seiner privaten Interessen aufzeige.

Im vorangegangen bundesverwaltungsgerichtlichen Verfahren (Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX zur Zl. XXXX ) sei nach ausführlicher Prüfung festgestellt worden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Abschiebung nach Indien keine Verletzung in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 sowie den Protokollen Nr. 6 und 13 zur EMRK drohe und auch nicht von einer Bedrohung seines Lebens, seiner körperlichen Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts auszugehen sei. Ferner seien im Verfahren keine besonderen, eine längere Frist als 14 Tage für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet erfordernden Umstände hervorgekommen und wurden solche auch nicht vorgebracht. Daher sei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt worden, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise sei gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Eintritt der Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt worden.

2.4 Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der „Verein Menschenrechte Österreich“ als Rechtsberater von Amts wegen zur Seite gestellt.

2.5 Mit Schreiben vom selben Tag wurde der Beschwerdeführer darüber informiert, dass er gemäß § 15c AsylG 2005 einer Wohnsitzbeschränkung unterliege; bis zum rechtskräftigen Abschluss, Einstellung oder Gegenstandslosigkeit seines Verfahrens dürfe er bei sonstiger Verwaltungsstrafbarkeit seinen Wohnsitz nicht in ein anderes Bundesland verlegen.

2.6 Am XXXX erhob der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde in vollem Umfang und machte Verletzung von Verfahrensvorschriften, unrichtige Sachverhaltsfeststellung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Zudem beantragte er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

In seiner Einvernahme vom XXXX habe er dargelegt, dass er mit einer slowakischen Staatsangehörigen XXXX er habe dazu ausgeführt, dass diese mit ihrer Cousine in die Slowakei zurückgekehrt sei.

Fragwürdig sei der Inhalt der Niederschrift insoweit, als er angegeben habe, dass sie an Heirat gedacht hätten, XXXX dann jedoch nicht mehr habe heiraten wollen, die PI XXXX aber dennoch von einer aufrechten Ehe ausgehe. Das gelte umso mehr, als man ihm den Zeugenbericht, der am XXXX 2018 beim Landespolizeikommando XXXX eingelangt sein soll, nicht zur Kenntnis gebracht habe. Von einem Verfahren gemäß § 117 FPG (Eingehen und Vermittlung von Aufenthaltsehen) sei er bisher nicht in Kenntnis gesetzt worden. Seit XXXX halte er sich nun in Österreich auf, zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung also seit fünf Jahren, und nicht, wie die Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung fälschlich und in aktenwidriger Weise festhalte, ein Jahr. Er besitze einen Mietvertrag für die Wohnung in der XXXX straße XXXX , XXXX , habe einen Antrag auf Saisonbewilligung gestellt, habe Sprachzeugnisse (Niveau A2) sowie weitere Teilnahmebestätigungen vorgelegt und lebe von der Unterstützung aus der Grundversorgung.

Insoweit die Behörde unrichtigerweise vermeine, seine Identität stehe nicht fest, sei ihr vorzuwerfen, dass sie entsprechende Ermittlungen nicht angestellt habe. Obwohl er schon im (vorangegangenen) Asylverfahren sein Einverständnis gegeben habe, dass unter Wahrung seiner Interessen auch Ermittlungen vor Ort getätigt werden könnten, er darüber hinaus angegeben habe, dass er in seiner Heimat eine Identitätskarte besitze, seien von der Behörde keine Bemühungen unternommen worden, diese Identitätskarte zu besorgen, ihm allenfalls aufzutragen, diese an die Behörde zu übermitteln bzw. allenfalls auch unter Wahrung seiner Anonymität durch einen Verbindungsbeamten oder einen Vertrauensanwalt der Botschaft der Republik Indien Ermittlungen zu seiner Identität durchzuführen. Für die Behörde wäre dies ein Leichtes gewesen, da er umfangreiche Angaben zu seinen Eltern und seinen Geschwistern gemacht habe. Da die Behörde ihrer Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts nicht nachgekommen sei, werde der Bescheid wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben sein. Auch in rechtlicher Hinsicht sei der Behörde ein Fehler unterlaufen; aufgrund der Art und Dauer seines bisherigen Aufenthalts, der Schutzwürdigkeit seines Privatlebens, des Grades seiner Integration sowie der strafgerichtlichen Unbescholtenheit wäre festzustellen gewesen, dass gegenständlich eine schützenswerte Integration vorliege, weshalb ihm gemäß § 55 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK zu erteilen gewesen wäre.

2.7 Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde sowie den Verfahrensakt vor; diese langten am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein.

2.8 Mit Schreiben vom XXXX verständigte die Staatsanwaltschaft XXXX (Geschäftsabteilung 11) das BFA von der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den Beschwerdeführer wegen §§ 15 StGB iVm 117 Abs. 2 FPG zur AZ XXXX . Das BFA wiederum übermittelte die Verständigung an das Bundesverwaltungsgericht, wo diese am XXXX einlangte.

2.9 In einem am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten Beschwerdeergänzungsschriftsatz brachte der Beschwerdeführer vor, er habe nun weitere Integrationsschritte gesetzt; er verfüge über weitere Einstellungszusagen, nämlich einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag mit den Unternehmen „ XXXX “, XXXX straße XXXX sowie „ XXXX GmbH“, XXXX . Des Weiteren habe er im Oktober 2018 ein Praktikum beim XXXX im Ausmaß von drei Stunden absolviert. Diese freiwilligen Tätigkeiten habe er schon ca. zehn Mal absolviert. An Miete habe er inklusive Strom und Gas EUR 226,- zu bezahlen; derzeit lebe er noch von der Unterstützung aus der Grundversorgung, welche sich auf EUR 365,- pro Monat belaufe, er möchte aber ab sofort zu arbeiten beginnen. Der Beschwerdeführer legte Einstellungszusagen der genannten Unternehmen, einen Vertrag mit der Genossenschaft „ XXXX genossenschaft XXXX eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung“ über die Nutzung der Wohnung XXXX straße XXXX sowie eine Bestätigung des XXXX über das Ersuchen des Beschwerdeführers um ein Praktikum bzw. einen Schnupperdienst vor.

2.10 Mit Schreiben vom XXXX wurden dem BF die Länderfeststellungen im Wege des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und ihm Gelegenheit gegeben, dazu binnen einer Frist von 10 Tagen Stellung zu nehmen.

2.11 Mit Schriftsatz vom XXXX übermittelte der seinerzeit den BF vertretene rechtsfreundliche Vertreter im Rahmen des eingeräumten Parteiengehörs eine

-Bestätigung über die Grundversorgung des Landes O.Ö. vom XXXX

-Arbeitsdienst Vorvertrag

-Einstellungszusage vom XXXX

-Versicherungsdatenauszug.

Aus den Einstellungszusagen sei ersichtlich, dass der BF jeder Zeit zu arbeiten beginnen könne, sofern er eine gültige Aufenthalts-, und Beschäftigungsbewilligung erhalte. Der BF würde seit dem XXXX in Österreich aufhältig sein.

Die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom XXXX , in welchem der BF die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen beantragt habe, sei nach wie vor anhängig.

2.10 Am XXXX fand am Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Das Protokoll lautet auszugsweise wie folgt:

[…]

RI: Wie lautet Ihr Name und Geburtsdatum?

BF: SINGH XXXX , ich bin am XXXX geboren.

RI: Ist das Ihr richtiger Name oder haben Sie auch einen anderen Namen?

BF: Ja, der ist auf allen meinen Dokumenten.

RI: Wann sind Sie nach Österreich eingereist?

BF: Am XXXX .

RI: Haben Sie sich seit dieser Zeit durchgehend in Österreich aufgehalten?

BF: Ja.

RI: Wo sind Sie geboren?

BF: Ich bin im Dorf XXXX , im XXXX , im Bundesstaat Punjab geboren.

RI: Wie lange haben Sie an der angegebenen Adresse gelebt?

BF: Bis zu meiner Ausreise, ungefähr 22 bis 23 Jahre.

RI: Haben Sie immer an der angegebenen Adresse gelebt oder haben Sie auch wo anders gelebt?

BF: Nein, nur dort.

RI: Mit wem haben Sie dort gelebt?

BF: Mit meinen Eltern.

RI: Haben Sie Geschwister?

BF: Ich habe einen jüngeren Bruder und eine ältere Schwester.

RI: Wo wohnt Ihr jüngerer Bruder?

BF: Er wohnt bei den Eltern.

RI: Und Ihre ältere Schwester?

BF: Sie ist verheiratet und wohnt bei den Schwiegereltern.

RI: Welche Schul- und Berufsausbildung haben Sie?

BF: Von XXXX bis XXXX war ich in der Schule, danach habe ich zuhaue Landwirtschaft betrieben.

RI: Wie groß ist die Landwirtschaft Ihrer Eltern?

BF: 20 Kila.

RI: Wie geht es Ihren Eltern?

BF: Gut.

RI: Ihrem Bruder?

BF: Es geht ihm auch gut.

RI: Woher wissen Sie das?

BF: Ich telefoniere täglich, eigentlich einmal die Woche.

RI: Haben Sie darüber hinaus noch Verwandte in Indien?

BF: Ich habe Onkel ms. und eine Tante vs.

RI: Was arbeitet Ihr Onkel vs.?

BF: Der Onkel betreibt auch eine Landwirtschaft.

RI: Wie haben Sie selbst Ihren Lebensunterhalt in Indien bestritten?

BF: Ich habe unser Grundstück bebaut/bewirtschaftet.

RI: Werden die Grundstücke jetzt auch noch bewirtschaftet?

BF: Ja.

RI: Konnten Sie und Ihre Familie aus den Erträgen der Landwirtschaft leben?

BF: Es ging uns sehr gut.

RI: Wie geht es Ihrer Familie jetzt?

BF: Finanziell geht es ihnen gut.

RI: Könnten Sie wieder bei Ihren Eltern in Indien wohnen?

BF: Es gibt Gefahr seitens der Polizei, aber sonst könnte ich bei ihnen wohnen.

RI: Ist die Vollmacht zu XXXX endgültig aufgekündigt?

BF: Ich war wegen dem heutigen Termin bei XXXX . Er hat 1.400 € verlangt, die hatte ich nicht und dann hat er mir alle Unterlagen ausgehändigt, damit ich zum Verein Menschenrechte gehen kann.

RI: Wie bestreiten Sie in Österreich Ihren Lebensunterhalt?

BF: Bis XXXX habe ich gearbeitet. Dann hat mir meine Firma gesagt, dass sie meinen Vertrag auf die „weiße Karte“ nicht verlängern können, deshalb bin ich dann zur Volkshilfe gegangen und diese unterstützt mich bis heute.

RI: Wann haben Sie mit der Arbeit bis XXXX begonnen?

BF: Angefangen habe ich im XXXX .

RI: Was war Ihre Tätigkeit?

BF: Zeitungsverteiler.

RI: Was haben Sie durchschnittlich im Monat verdient?

BF: Anfangs 800 €, später dann 1.100 €.

RI: Von was leben Sie konkret seit XXXX , seitdem Sie diese Tätigkeit nicht mehr ausüben?

BF: Früher habe ich 320 € bekommen, aber jetzt bekomme ich von der XXXX 365 €.

RI: Was zahlen Sie monatlich Miete?

BF: Mit Strom und Gas zusammen, komme ich auf 300 €.

RI: Von was leben Sie? Wie bestreiten Sie Ihren übrigen Lebensunterhalt?

BF: Miete, Strom und Gas wurden kürzlich erhöht. Früher habe ich nicht so viel gezahlt. Ich werde noch einmal mit der XXXX sprechen, ob sie mir mehr zahlen können.

RI: Wer hat bisher Ihren Rechtsanwalt bezahlt?

BF: Ich habe einen Freund, der hat mich unterstützt, aber 1.400 € war ihm auch zu viel.

RI: Gehen Sie nebenbei einer Erwerbstätigkeit nach?

BF: Nein, ich darf nicht, ich habe keine Arbeitserlaubnis und mit der „weißen Karte“ geht es nicht mehr.

RI: Wie viele Leute wohnen in Ihrer Wohnung?

BF: Ich wohne alleine.

RI: Haben Sie einen Arbeitgeber gefunden, der für Sie um eine Arbeitsbewilligung angesucht hat?

BF: Ich habe nur Arbeitgeber gefunden, die mich sofort einstellen würden, wenn ich eine Arbeitserlaubnis bekomme.

RI: Verfügen Sie über einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag?

BF: Ja, die habe ich abgegeben. Es ist aber eigentlich nur das, was der Anwalt gehabt hat.

RI: Hat der Vorvertrag vom XXXX noch Gültigkeit?

BF: Die würden mich schon einstellen, ja.

RI: Haben Sie in der Vergangenheit einmal über eine arbeitsrechtliche Bewilligung verfügt oder über eine gewerberechtliche Bewilligung?

BF: Ich hatte nur einen Vertrag, als ich für die Zeitungen gearbeitet habe.

RI: Arbeiten Sie darüber hinaus ehrenamtlich oder betätigen Sie sich caritativ?

BF: Beim XXXX -Markt mache ich das. Dort wird Gemüse und Obst angeliefert, dieses muss ich aussortieren. Nachgefragt, nach was für Kriterien das Gemüse sortiert wird, gebe ich an, dass die Stücke, die faul oder kaputt sind, weggeworfen werden müssen und die Stücke, die in Ordnung sind, werden neu verpackt.

RI: Seit wann machen Sie diese Tätigkeit?

BF: Letztes Monat habe ich das erste Mal dort gearbeitet.

RI: Haben Sie vor dieser Tätigkeit auch wo anders freiwillig gearbeitet?

BF: Davor habe ich beim XXXX gearbeitet, da gab es alte Leute, die nicht selber kochen konnten, diese wurden mit Essen angeliefert. Ich habe den Fahrer unterstützt.

RI: In welchem Zeitraum haben Sie diese Tätigkeit ausgeübt?

BF: Das war XXXX .

RI: Haben Sie das ganze Jahr gearbeitet?

BF: Es war immer sehr unregelmäßig. Das Rote Kreuz hat mich immer angerufen, wenn sie mich gebraucht haben.

RI: Wie viele Stunden in der Woche haben Sie das durchschnittlich gemacht?

BF: Ich kann nicht sagen, wie viele Stunden ich gearbeitet habe. Ich habe bis XXXX gearbeitet und dann haben sie aufgehört mich anzurufen.

RI: Das ganze Jahr XXXX ?

BF: Nein, aber XXXX haben sie aufgehört mich anzurufen.

RI: Bis wann im Jahr XXXX haben Sie diese Tätigkeit ausgeübt?

BF: Im März war wahrscheinlich das letzte Mal.

RI: Haben Sie sich zwischenzeitig bemüht eine Arbeit zu finden?

BF: Ich habe sehr intensiv Arbeit gesucht, ich war auch beim AMS. Die haben mir erklärt, dass ich mit der „weißen Karte“ nur Saisonarbeit machen kann. Ich habe dann das Formular ausgefüllt und viele Firmen gesucht, aber mit der „weißen Karte“ wollte mich keiner einstellen.

RI: Wie haben Sie sich beworben?

BF: Ich bin immer persönlich hingegangen.

RI: Haben Sie dann als Saisonarbeiter gearbeitet?

BF: Keine Firma hat mich eingestellt.

RI: Werden Sie von Ihren Eltern finanziell unterstützt?

BF: Früher ja, aber jetzt schicken sie mir kein Geld mehr.

RI: Bis wann haben Ihnen Ihre Eltern Geld geschickt?

BF: Bis XXXX .

RI: Warum haben Ihre Eltern es eingestellt Ihnen Geld zu schicken?

BF: Weil ich XXXX selber Arbeit bekomme habe, ich habe ihnen selber gesagt, sie brauchen mir nichts mehr schicken.

RI: Haben Sie jetzt Ihre Eltern gefragt, ob sie Ihnen Geld schicken würden?

BF: Meine Eltern könnten mir jetzt Geld schicken, aber ich komme eigentlich mit dem Geld von der Volkshilfe aus.

Ohne Übersetzung

RI: Sprechen Sie und verstehen Sie Deutsch?

BF (auf Deutsch): Ja.

RI: Haben Sie in Österreich schon einmal einen Deutschkurs besucht?

BF (auf Deutsch): Ja, den A2-Kurs.

RI: Wann haben Sie den A2-Kurs besucht?

BF (auf Deutsch): Juli 2016.

RI: Wie lange hat der Deutschkurs gedauert?

BF (auf Deutsch): Einen Monat.

RI: Haben Sie mehrere Deutschkurse besucht?

BF (auf Deutsch): Nein, ich habe kein Geld für neuen Deutschkurs. Ich denke, für B1.

RI: An welchen Wochentagen hat dieser Deutschkurs stattgefunden?

BF (auf Deutsch): Fünf Tage in der Woche.

RI: Für wie lange?

BF (auf Deutsch): Drei Stunden.

RI: Wann hat der begonnen, um wie viel Uhr?

BF (auf Deutsch): Von halb neun bis „halb 13“. Halbe Stunde war Pause.

RI: Können Sie mir einen typischen Tag von Ihnen beschreiben?

BF (auf Deutsch): Normalerweise habe ich kein Problem mit Deutsch, aber, wenn ich nervös bin…

RI wiederholt die Frage, diese wird übersetzt.

BF (auf Deutsch): Ich wache um 07:00 Uhr, dann ich mache Essen, dann waschen, dann gehen zu unserem Tempel. Dann ich suche zwei oder drei Stunden.

RI: Wie lange halten Sie sich im Tempel auf?

BF (auf Deutsch): Zwei bis drei Stunden.

RI: Was machen Sie im Tempel?

BF (auf Deutsch): Ich mache Essen für Leute. Reinigung und reden mit Leuten, anderen. Dann ich komme zurück, um 14:00 Uhr.

RI: Mit wem reden Sie dort? Sind das indische Staatsbürger?

BF (auf Deutsch): Maximal sind dort Punjabi-Leute.

RI: Bekommen Sie für Ihre Tätigkeit dort Geld bezahlt?

BF (auf Deutsch): Ja, ich mache Reinigung, dann Essen. Alle Leute sitzen und wir essen zusammen.

Die Frage wird in Punjabi wiederholt.

BF (auf Deutsch): Das ist eine freiwillige Arbeit.

RI: Was machen Sie, wenn Sie um 14:00 Uhr nachhause kommen?

BF (auf Deutsch): Fernsehen, reinigen.

RI: Welche Sender schauen Sie sich im Fernsehen an?

BF (auf Deutsch): Ich habe Fernseher vor vier Jahren gekauft, wenn ich habe Arbeit.

Die Frage wird in Punjabi wiederholt.

BF (auf Deutsch): Bisschen Punjabilieder, Bollywoodfilme, ein oder zwei Englischfilme oder ORF.

RI: Was schauen Sie sich im ORF an?

BF (auf Deutsch): Deutsche Lieder, ORF und YouTube.

RI: Welchen ORF schauen Sie sich an?

BF (auf Deutsch): Nicht sicher welchen.

Die Verhandlung wird um 10:11 Uhr unterbrochen und um 10:21 Uhr fortgesetzt.

RV legt einen Arbeitsvorvertrag vor vom XXXX (Beilage. /E in Kopie).

RI: Warum haben Sie bisher nicht versucht einen weiteren Deutschkurs zu besuchen?

BF spricht etwas, wird aber nicht verstanden.

Die Frage wird in Punjabi wiederholt.

BF (auf Deutsch): Weil ich habe kein Geld für diese Kurse. Wenn ich gemacht habe A2, ich geben 500 €. Wenn ich habe Geld, ich besuche B1.

RI: Woher hatten Sie das Geld für den Rechtsanwalt?

BF versteht die Frage nicht.

Die Frage wird in Punjabi wiederholt.

BF (auf Deutsch): Meine Kollegen geben mir Geld dafür, 400 €.

RI: Was machen Sie, um Ihre deutsche Sprache zu verbessern?

BF (auf Deutsch): Ich rede mit vielen Leuten in Deutsch.

RI: Wo reden Sie mit Leuten in Deutsch?

BF (auf Deutsch): Vor einem Büro, als ich gesucht habe Arbeit. Ich gehe und rede mit den Leuten.

RI: Lesen Sie deutsche Bücher oder Zeitschriften?

BF (auf Deutsch): Nicht viel, bisschen. Ich lese mit Kindern.

Die Frage wird in Punjabi wiederholt.

BF: Ich meinte, ich rede viel mit Kindern. Wenn ich etwas auf Deutsch nicht verstehe, frage ich Kinder.

RI: Woher kennen Sie diese Kinder?

BF (auf Deutsch): Punjabikinder im Tempel.

RI: Lesen Sie selbst ein Buch in Deutsch?

BF (auf Deutsch): Nein, ich kein Wörterbuch, aber, wenn ich gemacht A2, sie geben mir A2-Buch. Ich habe eine Deutschapp. Wenn ich nicht verstehe, dann habe ich ein App.

RI: Wie lange fernsehen Sie am Nachmittag?

BF (auf Deutsch): Nicht sicher, halbe Stunde, eine Stunde.

RI: Was machen Sie dann?

BF (auf Deutsch): Ich gehe dann in den Indienshop etwas einkaufen.

RI: Wie kaufen Sie dort ein, wenn Sie kein Geld haben?

BF (auf Deutsch): Ich kaufe Indienessen, dann gehe ich zum Lidlmarket einkaufen, Joghurt, Butter, Brot, Banane, Mango, bisschen Gemüse.

RI: Was machen Sie, wenn Sie mit dem Einkauf fertig sind?

BF (auf Deutsch): 15 Minuten oder 20 Minuten.

Die Frage wird in Punjabi wiederholt.

BF: Dann komme ich nachhause und koche.

RI: Wenn Sie gegessen haben, was machen Sie dann?

BF (auf Deutsch): Ich mache Gemüse, Chipati.

Die Frage wird in Punjabi wiederholt.

BF (auf Deutsch): Bisschen fernsehen, bisschen Filme, Bücher, bisschen Comedyshow. Bis 22:00 Uhr ich schlafe.

RI: Was machen Sie dann ab 22:00 Uhr?

BF (auf Deutsch): Fernsehen nur.

Die Frage wird in Punjabi wiederholt.

BF (auf Deutsch): Nein, ich schlafe von 22:00 Uhr an.

RI: Haben Sie einen Freundeskreis in Österreich?

BF (auf Deutsch): Ja, ich habe viele Kollegen.

RI: Haben Sie Freunde in Österreich?

BF: Ja, habe ich.

RI: Gehören Ihrem Freundeskreis auch Österreicher an?

BF (auf Deutsch): Nicht Österreicher.

RI: Welche Staatsbürger sind Ihre Freunde?

BF (auf Deutsch): Entschuldigung, nicht verstehen.

Die Frage wird in Punjabi wiederholt.

BF (auf Deutsch): Maximal von Indien.

RI: Haben Sie eine Freundin in Österreich?

BF (auf Deutsch): Ja, ich habe eine Freundin aus Österreich. Aber für drei Monate wir nicht reden.

Die Frage wird in Punjabi wiederholt.

BF: Ich hatte eine Freundin, aber seit drei Monaten reden wir nicht, weil sie böse ist.

RI: Welche Staatsbürgerin ist Ihre Freundin?

BF (auf Deutsch): Sie ist Österreicherin.

RI: Wie heißt sie?

BF (auf Deutsch XXXX , ich weiß nur XXXX .

RI: Wo wohnt Karin?

BF (auf Deutsch): Sie wohnt in XXXX .

RI: Wo in Linz?

BF (auf Deutsch): Wo wohnen in XXXX .

Die Frage wird in Punjabi wiederholt.

BF (auf Deutsch): XXXX , XXXX straße. Sie kommt zu meinem Hause. Immer kommen zu meinem Hause.

RI: Haben Sie Ihre Freundin dort einmal besucht?

BF versteht die Frage nicht.

Die Frage wird in Punjabi wiederholt.

BF (auf Deutsch): Nein.

RI: Warum nicht?

BF (auf Deutsch): Sie arbeitet in einer Museumgalerie, dann kommen zu mir nachhause.

RI: Ist Sie verheiratet?

BF (auf Deutsch): Nein, nicht heiraten.

Die Frage wird in Punjabi wiederholt.

BF (auf Deutsch): Nein, sie leben alleine.

RI: Warum haben Sie sie nie besucht?

BF (auf Deutsch): Wir treffen uns seit sechs Monaten. Wir treffen uns immer bei mir zuhause.

RI: Wie alt ist Ihre Freundin?

BF (auf Deutsch): Ich denke, sie ist 35 Jahre alt.

RI: Wann hat Sie Geburtstag?

Keine Antwort.

Die Frage wird in Punjabi wiederholt.

BF (auf Deutsch): Ich weiß nicht.

Die Befragung wird in Punjabi fortgesetzt.

RI: Weiß Ihre Freundin, dass Sie keinen Aufenthaltstitel haben?

BF: Nein, darüber haben wir nie gesprochen.

RI: Läuft gegen Sie ein gerichtliches Strafverfahren bzw. ein Verwaltungsstrafverfahren?

Der BF wird auf sein Entschlagungsrecht hingewiesen.

BF (auf Deutsch): Nein.

RI: Sie wurden einmal angezeigt wegen § 117 FPG (Aufenthaltsehe)?

BF: Da wurde ich freigesprochen. Ich habe den Beschluss da.

Der BF wird aufgefordert, den Beschluss vorzuzeigen. Der Beschluss wird in Kopie zum Akt genommen (Beilage ./F)

RI: Sind Sie verheiratet?

BF (auf Deutsch): Nein.

RI: Geschieden?

BF (auf Deutsch): Nein.

RI. Haben Sie das verstanden?

BF (auf Deutsch): Ein bisschen verstanden.

Die Frage wird in Punjabi wiederholt.

BF (auf Deutsch): Ich bin weder verheiratet noch bin ich geschieden.

RI: Haben Sie Kinder?

BF (auf Deutsch): Nein.

RI: Sind Sie Mitglied in einem Verein, Organisation oder Ähnliches?

BF (auf Deutsch): Ich habe nicht verstanden.

Die Frage wird in Punjabi wiederholt.

BF (auf Deutsch): Nein.

RI: Haben Sie Verwandte in Österreich?

BF (auf Deutsch): Nein.

Die Frage wird in Punjabi wiederholt.

BF (auf Deutsch): Nein, nur Kollegen.

RI: Haben Sie Verwandte in der EU?

BF (auf Deutsch): Nein.

RI: Warum wollten Sie der Ladung des BFA vom XXXX nicht folgen?

BF: Mein Anwalt hat gesagt, wir machen eine Beschwerde, ich müsse da nicht hingehen.

RI an RV: Haben Sie Fragen?

RV: Nein, danke.

RI: Wollen Sie noch etwas sagen?

BF (auf Deutsch): Ich möchte sagen, ich brauche Arbeit hier. Ich habe Vorvertrag, ich habe viel Arbeit, nur Problem ist, ich habe „weiße Karte“.

RI: Was würden passieren, wenn Sie nach Indien zurückkehren müssten?

BF: Es ist möglich, dass die Polizei mich gleich bei der Ankunft am Flughafen festnimmt.

RI an RV: Wollen Sie eine Stellungnahme abgeben?

RV: Nein, danke.

1.       II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der ledige Beschwerdeführer, indischer Staatsangehöriger, stammt aus dem Dorf XXXX im Bundesstaat Punjab und spricht Punjabi und einfaches Deutsch, welches ihm ermöglicht, sich zu alltäglichen Dingen auf einfachen Niveau in deutscher Sprache zu verständigen.

Der Beschwerdeführer hält sich seit XXXX durchgehend in Österreich auf.

Der BF ist nicht verheiratet und hat keine Kinder. Er verfügt im Bundesgebiet über keine Angehörigen oder sonstige Personen, zu denen ein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass er im Bundesgebiet enge und intensive Freundschaften XXXX Staatsbürgern unterhält.

Eine regelmäßige rechtmäßige Erwerbstätigkeit, umfassende Deutschkenntnisse bzw. Kursbesuche, ein aufrechtes bzw. erfolgreich abgeschlossenes Studium oder eine Tätigkeit in einem Verein liegen im Fall des Beschwerdeführers im Entscheidungszeitpunkt nicht vor.

Der Beschwerdeführer hat im Jahr XXXX und von Jänner bis einschließlich XXXX mehrmals in unregelmäßigen Abständen für gemeinnützige Organisationen Lebensmittel an hilfsbedürftige Personen ausgeliefert. Außerdem war er in der Zeit von XXXX als Zeitungszusteller tätig.

In Indien besuchte der Beschwerdeführer zwölf Jahre lang die Schule und war in der Landwirtschaft seiner Eltern tätig. In seinem Heimatdorf XXXX leben seine Eltern sowie sein jüngerer Bruder, welche über ein landwirtschaftlich genütztes Grundstück verfügen, womit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten. Zu seinen Eltern sowie seinem Bruder pflegt der Beschwerdeführer regelmäßigen fernmündlichen Kontakt. Darüber hinaus verfügt er in Indien über eine ältere Schwester, welche bereits verheiratet ist, und eine Tante sowie einen Onkel, welcher ebenfalls über ein landwirtschaftlich genütztes Grundstück verfügt. Die Eltern des Beschwerdeführers haben keine finanziellen Probleme.

Der Beschwerdeführer läuft im Fall einer Rückkehr nicht Gefahr, in eine ausweglose, existenzbedrohende Situation zu geraten oder einer Art. 2 bzw. 3 EMRK widersprechenden Behandlung oder Bestrafung oder einer sonstigen existenziellen Bedrohung ausgesetzt zu sein.

1.2. Zur Situation im Herkunftsland wird von den, den BF im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zur Kenntnis gebrachten Feststellungen zu Indien ausgegangen. Die Situation hat sich seit dem Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung in den gegenständlich relevanten Punkten nicht entscheidungswesentlich geändert.

Politische Lage

Letzte Änderung: 30.03.2020

Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 28.2.2020; vgl. AA 19.7.2019). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 11.3.2020). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 2.2020a).

Der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist nach britischem Muster durchgesetzt (AA 2.2020a; vgl. AA 19.7.2019). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit ist verfassungsmäßig garantiert, der Instanzenzug ist dreistufig (AA 19.7.2019). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 11.2019a). Die Pressefreiheit ist von der Verfassung verbürgt, jedoch immer wieder Anfechtungen ausgesetzt. Indien hat eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 2.2020a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 11.3.2020). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 19.7.2019).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister der Regierungschef ist (USDOS 11.3.2020). Der Präsident nimmt weitgehend repräsentative Aufgaben wahr. Die politische Macht liegt hingegen beim Premierminister und seiner Regierung, die dem Parlament verantwortlich ist. Präsident ist seit 25. Juli 2017 Ram Nath Kovind, der der Kaste der Dalits (Unberührbaren) entstammt (GIZ 11.2019a).

Im April/Mai 2019 wählten etwa 900 Mio. Wahlberechtigte ein neues Unterhaus. Im System des einfachen Mehrheitswahlrechts konnte die Bharatiya Janata Party (BJP) unter der Führung des amtierenden Premierministers Narendra Modi ihr Wahlergebnis von 2014 nochmals verbessern (AA 19.7.2019).

Als deutlicher Sieger mit 352 von 542 Sitzen stellt das Parteienbündnis „National Democratic Alliance“, mit der BJP als stärkster Partei (303 Sitze) erneut die Regierung. Der BJP-Spitzenkandidat und amtierende Premierminister Narendra Modi wurde im Amt bestätigt. Die United Progressive Alliance rund um die Congress Party (52 Sitze) erhielt insgesamt 92 Sitze (AA 19.7.2019). Die Wahlen verliefen, abgesehen von vereinzelten gewalttätigen Zusammenstößen korrekt und frei. Im Wahlbezirk Vellore (East) im Bundesstaat Tamil Nadu wurden die Wahlen wegen des dringenden Verdachts des Stimmenkaufs ausgesetzt und werden zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt (AA 19.7.2019). Mit der BJP-Regierung unter Narendra Modi haben die hindunationalistischen Töne deutlich zugenommen. Die zahlreichen hindunationalen Organisationen, allen voran das Freiwilligenkorps RSS, fühlen sich nun gestärkt und versuchen verstärkt, die Innenpolitik aktiv in ihrem Sinn zu bestimmen (GIZ 11.2019a). Mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts treibt die regierende BJP ihre hindunationalistische Agenda weiter voran. Die Reform wurde

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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