TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/1 W245 2229845-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.09.2020
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Entscheidungsdatum

01.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W245 2229844-1/23E
W245 2229845-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHILDBERGER, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX und 2. XXXX , geb. XXXX , beide StA. Iran, vertreten durch XXXX gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2020, 1. Zahl: XXXX und 2. Zahl: XXXX , betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

I.1.    Der Erstbeschwerdeführer XXXX (in der Folge kurz "BF1") und die Zweitbeschwerdeführerin XXXX (in der Folge kurz "BF2“), beide iranische Staatsangehörige, reisten illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellten am XXXX Anträge auf internationalen Schutz.

I.2.    Im Rahmen der am 15.10.2019 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF1 an, dass er im Iran auf seinem Weg von der Arbeit nach Hause von unbekannten Personen angegriffen worden sei. Er sei beschimpft und geschlagen worden. Einer habe gesagt: „Wir wissen, was du machst, du Ungläubiger. Ich werde dich töten“. Der BF1 habe dann alles seinem Vater erzählt. Dann seien sie nach Teheran gefahren, wo sie sich drei bis vier Tage aufgehalten hätten. Sein Mitarbeiter, XXXX , vom Friseursalon habe seiner Frau (BF2) mitgeteilt, dass Leute nach ihm suchen würden und habe nachgefragt, warum er nicht mehr zur Arbeit komme. Die BF2 habe zu ihrer Schwester XXXX gesagt, sie solle zu deren Haus gehen und die Schriftstücke und den Laptop mit dem christlichen Inhalt mitnehmen. Diese seien jedoch bereits weg gewesen und das Schloss der Türe sei offen gewesen. Sie hätten Angst bekommen und hätten den Iran verlassen. Bei einer Rückkehr befürchte der BF1, getötet zu werden.

Die BF2 gab bei ihrer Erstbefragung an, dass sie und ihr Mann (BF1) sich für das Christentum interessiert hätten. BF1 sei von unbekannten Leuten bedroht worden. Daraufhin seien sie nach Teheran gezogen, wo sie sich drei bis vier Tage aufgehalten hätten. In Teheran hätten sie erfahren, dass ihr Haus in XXXX durchsucht worden sei und Gegenstände wie Laptop und Schriftstücke mitgenommen worden seien. Auf dem Laptop hätten sie Inhalte über das Christentum gehabt. Auch die Schriftstücke seien mit christlichem Inhalt gewesen. Im Falle einer Rückkehr befürchte die BF2, dass sie im Iran getötet werden.

I.3.    Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge „belangte Behörde“, auch „bB“) am 18.10.2019 und am 09.12.2019 gab der BF1 an, dass er in seinem Herzen Christus gefolgt und dies zum Problem geworden sei. Er sei bis vor vier oder fünf Jahren Moslem gewesen, er habe gebetet und sei in die Moschee gegangen. Zwei bis drei Jahre nach seiner Hochzeit habe er jedoch kein Interesse mehr für den Islam gehabt. Er habe zwischen dem Islam und dem Christentum Unterschiede gemerkt. Er habe im Internet herausgefunden, dass der Unterschied bezüglich der Stellung von Mann und Frau groß sei. Im Christentum seien Männer und Frauen gleichberechtigt, während im Islam die Frau als halber Mensch angesehen werde. Wenn es um das Erbe gehe, bekomme eine Frau weniger und das sei unfair.

Seine Verwandten hätten mitbekommen, dass er nicht mehr gefastet und auch nicht mehr gebetet habe. Seine Mutter habe ihn als einen Ungläubigen bezeichnet. Dies sei der Grund gewesen, dass er sein Heimatland verlassen habe. Er habe auch in seinem Freundeskreis oft offen diskutiert und seine Meinung dargelegt. Seine Freunde hätten ihm gesagt, dass er aufhören solle. Sie hätten nicht gestritten, sondern wären anderer Meinungen gewesen.

Eines Tages habe er am Abend zu Fuß nach Hause gehen wollen. Auf einmal sei er von zwei Motorradfahrern, insgesamt von vier Personen umgeben gewesen. Er habe einen Faustschlag bekommen. Sein Mund sei voller Blut gewesen. Einer habe ihn festgehalten und die anderen hätten ihn geschlagen. Sein ganzer Körper habe wehgetan. Sein Gesicht sei total geschwollen gewesen. Er wisse nicht, wieso sie ihn beschimpft hätten. Sie hätten gesagt, er sei ein Bastard und dass sie ihn umbringen würden. Er habe viele Schläge bekommen und habe Blut uriniert. Er sei am Boden gewesen und sie hätten ihn geschlagen. Er habe nichts mehr sagen können. Auf einmal hätten sie langsamer zugeschlagen. Er glaube, dass sie jemanden kommen gehört haben. Einer habe ihn noch am Kragen gepackt, ihn hoch gehoben und gesagt, dass er dieses Mal noch davonkomme, aber er beim nächsten Mal keine Chance mehr bekomme. Der Mann, der gekommen sei, habe gesagt, dass er den Samariterbund anrufen werde. Der BF1 habe das aber nicht gewollt, da er gewusst habe, weshalb er geschlagen worden sei. Wenn man den Samariterbund hole und man solche Verletzungen aufweise, werde die Polizei dazu gezogen, um eine Anzeige zu erstatten. Er habe keine Anzeige erstatten wollen. Der Mann habe ihn geholfen und er sei nach Hause gegangen. Er habe zuhause angeklingelt. Seine Frau habe geschrien und geweint. Er habe zu ihr gesagt, sie solle mit dem Weinen und Schreien aufhören und ihn hochbringen. Sie beide hätten gewusst, worum es gehe. Er sei bewusstlos geworden. Als er aufgewacht sei, seien seine Frau und sein Vater neben ihm gesessen. Sein Vater habe über seine Meinung Bescheid gewusst und habe – im Gegensatz zu seiner Mutter – seine Meinung akzeptiert. Sein Vater habe gewusst, wie der Abfall des Islam im Iran gehandhabt werde. Er habe zu seinem Vater gesagt, dass er sie zu einem Ort bringen solle, wo sie sicher seien. Zuerst werde man geschlagen und dann abgeholt. Wenn man beweisen könne, dass man noch zum Islam gehöre, werde man freigelassen, wenn nicht, werde man aufgehängt.

Sie seien mit seinem Vater nach Teheran gefahren. Er habe sie nicht in das Elternhaus, sondern in eine andere Wohnung gebracht und er habe gesagt, dass es dort sicher sei. Ihm sei es schlecht gegangen. Sein Vater habe ihnen Essen und Medikamente gebracht. Sein Freund, mit dem er im Friseursalon gearbeitet habe, habe ihn angerufen. Dieser habe gesagt, dass zu ihm seit zwei Tagen ein Mann komme, der nach ihm frage. Der Freund habe diesem Mann mitgeteilt, dass er nicht wisse, wo der BF1 sei. Der Mann habe darauf zu dem Freund gesagt, dass er den BF1 finden werde, egal wo er sich befinde. Die BF2 habe dem Freund nicht gesagt, was mit dem BF1 passiert sei. Die BF2 habe dem Freund mitgeteilt, dass der BF1 krank sei und er sich bei ihm noch melden werde.

Die BF hätten die Schwester der BF2 angerufen und sie gebeten, in deren Wohnung zu gehen, da sich dort Filme und Bücher über das Christentum befinden würden. Die BF hätten die Schwester darum ersucht, diese Sachen in denselben Safe zu geben, wo sich deren persönliche Dokument befinden würden. Als die Schwester zur Wohnung gekommen sei, habe sie gesehen, dass eingebrochen worden sei. Alle Sachen seien durcheinander gewesen. Der Safe sei aus Holz gewesen und auch in diesen sei eingebrochen worden. Die Schwester der BF2 habe noch ein paar Sätze gesagt, habe aufgelegt und sei aus der Wohnung gegangen.

Dann sei der Vater des BF1 gekommen. Der BF1 habe dem Vater erzählt, dass eingebrochen worden sei. Diese hätten jetzt genug Beweise über sie gehabt. Die BF hätten sich höchstens ein paar Tage verstecken können, aber sie hätten das Land verlassen müssen. Sein Vater sei anfangs dagegen gewesen, da er sich wegen seiner schweren Verletzungen Sorgen gemacht habe. Sie hätten gewusst, wohin sie gehen könnten, weil seine Schwiegermutter und seine Schwägerin in Österreich gewesen seien und sie hätten gewusst, dass sie dort sicher seien. Sie hätten sich in der Türkei auch nicht aufhalten können, da die Türkei sehr eng mit dem Iran zusammenhänge. Die Türkei würde die BF dem Iran ausliefern. Der Vater des BF1 habe schließlich zugestimmt und habe einen Schlepper kontaktiert. Der BF1 sei sehr erleichtert gewesen, dass sein Vater geholfen habe. Der Vater habe die BF in der Zeit, als sie in Teheran gewesen seien, vier bis fünf Mal besucht. Nach dem Gespräch sei er einen Tag später gekommen und habe ihnen mitgeteilt, dass er ihnen helfen werde.

Schließlich gab der BF1 zusätzlich an, dass die Schwiegermutter aus Österreich sie über das Christentum informiert habe und auf diese Weise sein Interesse für das Christentum noch mehr geweckt worden sei.

I.4.    Die BF2 führte bei ihrer Einvernahme durch die bB am 18.10.2019 und am 10.12.2019 aus, dass sie und BF1 wegen ihres Glaubens den Iran hätten verlassen müssen. Ihr Interesse am Islam sei nicht so stark gewesen und sie hätten einen anderen Glauben gesucht, der ihre innere Leere auffülle. Auch habe ihre Mutter den BF Fotos von netten Christen geschickt, was sie sehr geprägt und ihr Interesse an diesem Glauben geweckt habe.

Eines Tages habe der BF1 im Iran von der Arbeit nach Hause kommen wollen. Ein paar fremde Leute hätten ihn fast zu Tode geschlagen und ihm gedroht, dass sie ihn hätten umbringen wollen, weil sie gewusst hätten, was er gemacht habe.

Sie hätten Unterlagen und Filme über das Christentum in der Wohnung gehabt. Ihr Mann habe mit Freunden und Familie darüber geredet, dass sie nicht mehr an den Islam glauben würden. Diese hätten gesagt, dass sie ungläubig seien. Ein paar Monate, nachdem sie ungläubig geworden seien, sei es den anderen aufgefallen, dass sie auf der Suche nach einer Religion seien, aber diese hätten nicht gewusst, dass sie sich für das Christentum interessieren würden. Ihr Mann habe über das Christentum geredet, aber nicht direkt gesagt, dass sie Christen seien. Sie sei immer in Angst gewesen, weil das Christentum verboten sei und unter Todesstrafe stehe. Deswegen habe sie nicht gewollt, anderen zu sagen, dass sie an das Christentum glauben würden. In Banken und Büros sei es ein schmerzhafter Schlag gewesen, da sie nicht angeben hätten können, dass sie Christen seien.

Zu dem Vorfall gab sie weiters an, dass ihr Mann zwar einen Wohnungsschlüssel gehabt habe, aber er an jenem Abend an der Tür geklingelt habe und fix und fertig geklungen habe. Sie sei fix und fertig gewesen und sei runtergelaufen. Sie habe Angst gehabt. Sie habe ihn gesehen, wie er am Boden gelegen sei und er aus dem Mund geblutet habe. Sie habe ihm Fragen gestellt, wer das gewesen sei. Sie habe immer befürchtet, dass so etwas passieren werde. Er habe keinen Arzt rufen wollen, sondern habe nur gewollt, dass er raufgebracht werde. Sie habe ihn raufgebracht und habe ihm keine Fragen mehr gestellt, da sie gewusst habe, woher er das gehabt habe. Er sei bewusstlos geworden und sie habe Angst gehabt, dass er sterbe. Sie habe den Vater des BF1 angerufen und diesem gesagt, dass der BF1 zusammengeschlagen worden sei. Der Vater habe gesagt, dass er gleich kommen werde. Der Vater habe in Teheran gelebt und er sei daher erst in der Früh gekommen. Die BF1 habe nicht gewusst, was sie machen solle. Sie habe Angst gehabt und habe nichts machen können. In der Früh sei der Vater gekommen. Der BF1 habe die Augen aufgemacht und habe vom Vorfall erzählt. Er habe seinen Vater gebeten, sie an einen sicheren Ort zu bringen. Die BF seien mit dem Vater nach Teheran zu einer Wohnung, wo sie sicher gewesen seien, gefahren. Der Vater habe sie mehrmals am Tag besucht und ihnen Essen gebracht. Der BF1 habe auch noch eine Woche danach Blut uriniert. Der ganze Körper sei blau gewesen und er habe überall blaue Flecken gehabt.

Am nächsten Tag habe der Freund des BF1, mit dem er gearbeitet habe, angerufen. Der BF1 habe nicht reden können, weshalb die BF2 mit dem Freund geredet habe. Der Freund habe gesagt, dass ihn ein Mann besucht habe, der die Nummer und den Aufenthaltsort des BF1 habe wissen wollen. Die BF2 sei schockiert gewesen, dass jeder darüber Bescheid gewusst habe. Der Freund habe gefragt, was los sei und sie habe geantwortet, dass der BF1 krank sei und er in ein paar Tagen wieder zur Arbeit kommen werde. Die BF2 habe Angst gehabt, weil sie den Arbeitsplatz ihres Mannes gefunden hätten. Die BF2 habe ihre Schwester angerufen und diese darum gebeten, die christlichen Sachen zu verstecken, weil sie ansonsten Beweise gegen sie gehabt hätten. Am nächsten Tag sei die Schwester in der Wohnung der BF gewesen, aber dort sei schon eingebrochen worden. Die Schwester der BF2 habe Angst bekommen und sei wieder rausgegangen. Der BF1 habe gesagt, dass sie jetzt Beweise gegen sie hätten und sie sie aufhängen werden würden. Der Vater des BF1 sei zu ihnen gekommen und der BF1 habe diesen gebeten, ihnen bei der Ausreise zu helfen. Dieser sei nicht einverstanden gewesen, da ihr Mann nicht gesund gewesen sei. Am Ende habe er ihnen doch noch geholfen, das Land zu verlassen.

I.5.    Mit den angefochtenen Bescheiden wies die bB die Anträge der BF auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.). Es wurde den BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Iran zulässig sei (Spruchpunkt III.-V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

I.6.    Mit Verfahrensanordnung vom 20.02.2020 wurde den BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG XXXX als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Ebenso wurde mit Verfahrensanordnung vom 20.02.2020 ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG angeordnet.

I.7.    Gegen die Bescheide der bB richteten sich die am 19.03.2020 fristgerecht erhobenen Beschwerden.

I.8.    Die gegenständlichen Beschwerden und die bezugshabenden Verwaltungsakte wurden dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch „BVwG“) am 23.03.2020 von der bB vorgelegt.

I.9.    Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 19.06.2020 und 29.06.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die BF im Beisein ihres bevollmächtigten Vertreters persönlich teilnahmen. Ein Vertreter der bB nahm an der Verhandlung nicht teil.

I.10.   Am 30.06.2020 übermittelten die BF im Wege ihrer Rechtsvertretung eine Stellungnahme.

I.11.    Mit Schreiben vom 13.08.2020 wurde den Parteien ergänzendes und aktualisiertes Länderberichtsmaterial mit der Möglichkeit übermittelt, innerhalb einer Frist von einer Woche dazu Stellung zu nehmen. Innerhalb dieser Frist langte beim BVwG keine Stellungnahme von den Parteien ein.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1.   Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.

II.1.1. Zum sozialen Hintergrund der BF:

Der BF1 führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Iran und Angehöriger der Volksgruppe der Perser. Die Muttersprache des BF1 ist Farsi. Der BF1 leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung. Der BF1 ist gesund. Er leidet an Rückenschmerzen, weshalb er zukünftig eine Physiotherapie in Anspruch nehmen werde.

Der BF1 fällt nicht unter die Risikogruppe gemäß der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Definition der allgemeinen COVID-19-Risikogruppe (COVID-19-Risikogruppe-Verordnung), BGBl. II Nr. 203/2020).

Der BF1 wurde nach seinen Angaben in Teheran geboren und hat dort bis zu seiner Heirat im Jahr 2010 gelebt. Danach hat er bis zu seiner Ausreise in XXXX gelebt. Der BF1 hat den Iran gemeinsam mit der BF2 im August 2019 illegal verlassen.

Er ist im erwerbsfähigen Alter.

In seinem Herkunftsstaat besuchte der BF1 zwölf Jahre lang die Schule und schloss diese mit Matura ab. Er verfügt über eine dreijährige Berufsausbildung im Bereich Elektro- und Klimatechnik. Nach der Schule hat er ein Jahr als Hilfsarbeiter gearbeitet. Anschließend hat er seinen Militärdienst abgeleistet. Danach hat er bei seinem Onkel für ein Jahr in einer Tischlerei gearbeitet. In den darauffolgenden Jahren hat er verschiedene Jobs in Teheran gehabt, unter anderem als Heizungstechniker und Verkäufer. Nach seinem Umzug hat er in XXXX zunächst Süßigkeiten verkauft. Danach war er Verkäufer von Textilien, Decken etc. Im letzten Jahr vor seiner Ausreise war er als Friseur tätig. Der BF1 verfügt über kein Vermögen in seinem Herkunftsstaat. Aufgrund seiner Einkünfte war der BF1 auch in der Lage, für sich zu sorgen.

Der BF1 ist mit der BF2 verheiratet und hat keine Kinder. Die Familie des BF1, bestehend aus seinen Eltern, seinem Bruder und seiner Schwester, lebt in Teheran. Die Familienangehörigen des BF1 arbeiten und können ihren Lebensunterhalt erwirtschaften. Ihre wirtschaftliche Lage ist besser als durchschnittlich.

Der BF1 hat weitere Verwandte in Teheran sowie einen Onkel, der im Norden Irans wohnt.

Der BF1 hatte seit seiner Ausreise zu seinem Vater und zu seiner Schwester in Iran jeweils einmal Kontakt.

Die BF2 führt den Namen XXXX geboren am XXXX , ist Staatsangehörige der Islamischen Republik Iran und Angehörige der Volksgruppe der Perser. Die Muttersprache der BF2 ist Farsi. Die BF2 leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung. Sie ist gesund.

Die BF2 fällt nicht unter die Risikogruppe gemäß der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Definition der allgemeinen COVID-19-Risikogruppe (COVID-19-Risikogruppe-Verordnung), BGBl. II Nr. 203/2020).

Die BF2 wurde nach ihren Angaben im Bezirk XXXX , in der Provinz XXXX geboren. Sie hat bis zu ihrer Ausreise hauptsächlich in der Heimatprovinz XXXX gelebt. Sie war zwecks ihres Studiums zeitweise in Teheran aufhältig. Die BF2 hat den Iran gemeinsam mit dem BF1 im August 2019 illegal verlassen.

Sie ist im erwerbsfähigen Alter.

In ihrem Herkunftsstaat besuchte die BF2 zwölf Jahre lang die Schule und anschließend sechs Jahre lang eine Universität, an der sie Tourismus studierte. Neben dem Studium hat sie weitere Ausbildungen absolviert, wie etwa Kurse für Flughafenmitarbeiter. Sie war auch ca. fünf Jahre in einer Reiseagentur beschäftigt. Sie war in der Lage, sich selbst zu versorgen.

Die BF2 ist mit dem BF1 verheiratet und hat keine Kinder. Die Mutter und die jüngere Schwester der BF2 leben in Österreich und sind asylberechtigt. Im Iran wohnen ihr Vater und ihre ältere Schwester in XXXX , in der Provinz XXXX . Die wirtschaftliche Lage ihrer Familie ist gut.

Die BF2 steht mit ihrer Schwester in Iran in regelmäßigem Kontakt. Zu ihrem Vater hat sie keinen Kontakt.

Die BF2 hat weitere Familienangehörige in Iran, wobei zu diesen kein Kontakt besteht.

Die BF sind strafgerichtlich unbescholten. Nach ihren eigenen Angaben sind sie in ihrem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und hatten keine Probleme mit Behörden und waren politisch nicht aktiv.

Es wird festgestellt, dass die BF persönlich nicht glaubwürdig sind.

II.1.2. Zu den Fluchtgründen der BF:

Die BF stellten am XXXX Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Ihre Anträge auf internationalen Schutz begründen die BF– zusammengefasst – damit, dass sie sich im Iran mit dem christlichen Glauben beschäftigt hätten und der BF1 von unbekannten Personen überfallen und geschlagen worden sei. Anschließend habe ihn eine Person gesucht. Zudem sei in ihre Wohnung eingebrochen worden und der Computer, auf dem u.a. Filme über den christlichen Glauben gespeichert gewesen seien, sei verschwunden.

Dieses Vorbringen konnten die BF jedoch nicht glaubhaft machen, da es sich bei Gesamtbetrachtung sämtlicher im Verlauf des Verfahrens getätigten Angaben in entscheidenden Punkten unsubstantiiert, nicht schlüssig und widersprüchlich erwiesen hat.

Vor der Ausreise der BF aus dem Iran wurden sie nicht wegen eines Abfalles vom Glauben bzw. einer Hinwendung zum Christentum bedroht und verfolgt und wurde ihnen ein solcher auch nicht unterstellt. Ein Bekenntnis der BF zum Christentum war nicht ursächlich für die Ausreise der BF aus dem Iran. Sie sind nicht aufgrund eines Interesses am Christentum in den Fokus der iranischen Behörden geraten und haben die iranischen Behörden nicht von etwaigen Betätigungen der BF mit dem Christentum erfahren können. Es gab keine Übergriffe oder Misshandlungen durch Vertreter von Behörden.

Die BF haben sich vor ihrer Ausreise aus dem Iran nicht mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt, ihn nicht praktiziert und haben auch nicht beschlossen, Christen zu werden. Sie haben im Iran keine Hauskirche oder anderweitige christliche Treffen besucht und haben auch nicht über das Internet an christlichen Sitzungen oder an Bibelunterricht oder Ähnlichem teilgenommen. Die BF haben im Iran auch nicht versucht, den christlichen Glauben Dritten näher zu bringen. Der BF1 wurde im Iran nicht überfallen und wurden die BF auch nicht von einer Person gesucht.

Die BF konnten weder ein Schlüsselerlebnis noch ihre Motivation für den Glaubenswechsel bzw. für die Hinwendung zum Christentum schlüssig darlegen.

Die BF nehmen in Österreich regelmäßig an Gottesdiensten und seit November 2019 an einem Taufvorbereitungskurs teil und beteiligen sich am Gemeindeleben. Sie haben den Taufvorbereitungskurs noch nicht abgeschlossen und sind nicht getauft. Die BF sind während ihres Aufenthaltes in Österreich aus der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) ausgetreten.

Die BF konnten eine mit dem Religionswechsel einhergehende Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung nicht darstellen.

Die BF haben ein christliches Wissen, welches auf Grundzüge beschränkt ist.

Die vorgebrachte christliche Glaubensüberzeugung ist aktuell nicht derart ernsthaft, dass sie Bestandteil der Identitäten der BF wurde. Die BF sind in Österreich nicht aus einem inneren Entschluss zum Christentum konvertiert (keine schlüssige Darstellung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel bzw. der Hinwendung zum Christentum, widersprüchliche Angaben zur Religionsausübung im Iran, fehlende persönliche Glaubwürdigkeit, usw.).

Die BF werden sich im Falle einer Rückkehr in den Iran nicht privat oder öffentlich zum christlichen Glauben bekennen. Die Hinwendung zum Christentum erweist sich als eine Scheinkonversion.

Die BF sind im Falle der Rückkehr in den Iran keiner psychischen und/oder physischen Gewalt ausgesetzt, weil sie in Österreich Interesse am Christentum (Kirchenbesuche, Besuch des Taufkurses usw.) gezeigt haben.

Die BF sind weder im Iran noch in Österreich missionarisch tätig gewesen und beabsichtigen nicht ernsthaft, dies in Zukunft zu tun. Die iranischen Behörden oder Dritte wissen über die festgestellten christlichen Aktivitäten der BF in Österreich nicht Bescheid. Von den Verwandten der BF, die davon wissen, geht keine Bedrohung aus.

Die BF sind wegen eines Abfalles vom islamischen Glauben bzw. eines nicht aktiven Ausübens des islamischen Glaubens im Falle einer Rückkehr in den Iran keiner psychischen und/oder physischen Gewalt ausgesetzt. Die iranischen Behörden such(t)en nicht nach den BF.

Insgesamt kann nicht festgestellt werden, dass die BF einer konkreten Verfolgung oder Bedrohung im Iran ausgesetzt sind oder eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten hätten.

II.1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr der BF:

Aufgrund der Sicherheitslage und der Versorgungssituation in der Heimatprovinz XXXX ist eine Rückkehr der BF dorthin möglich.

Eine sichere Rückkehr der BF in ihre Heimatprovinz XXXX ist möglich. Die BF können XXXX über Teheran sicher erreichen. Die Stadt Teheran ist von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichbar. Zudem verfügt auch die Stadt XXXX über einen internationalen Flughafen.

Die BF können im Falle einer Rückkehr nach Iran, in die Provinz XXXX grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Sie sind in der Lage, in XXXX eine einfache Unterkunft zu finden bzw. am Erwerbsleben teilzunehmen. Die BF waren bereits vor ihrer Ausreise aus dem Iran in der Lage, in XXXX einer Arbeit nachzugehen und sich selbst zu versorgen. Bei einer Rückkehr laufen sie nicht in Gefahr, in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Bei einer Rückkehr der BF in den Iran ist eine Unterstützung durch Familienangehörige im Iran möglich.

Die BF sind mit den kulturellen Gepflogenheiten und der Sprache ihres Herkunftsstaates vertraut.

Die BF haben im Falle ihrer Rückkehr in den Iran keine konkrete Verfolgung oder Bedrohung zu befürchten.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr der BF in den Iran ausschließen, gibt es nicht. Die BF leiden jeweils an keiner ernsthaften Krankheit, welche ein Rückkehrhindernis darstellen würde. Es bestehen keine Zweifel an der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit der BF.

Es ist den BF möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in XXXX Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

II.1.4. Zum Leben der BF in Österreich:

Die BF halten sich seit Oktober 2019 in Österreich auf.

Die Mutter und eine Schwester der BF2 sind in Österreich aufhältig. Die BF besuchen die Mutter der BF2 an den Wochenenden. Es bestehen keine besonderen Merkmale der Abhängigkeit zwischen den BF und ihren in Österreich aufhältigen Familienangehörigen. Insbesondere sind im Verfahren keine besonderen Umstände hervorgekommen, dass die BF auf die Unterstützung bzw. Hilfe ihrer Familienangehörigen in Österreich oder die Familienangehörigen auf ihre Hilfe angewiesen sind.

Die BF pflegen in Österreich freundschaftliche Beziehungen zu Österreichern und Iranern. Es bestehen keine weiteren substanziellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens. Die BF sind keine Mitglieder von politischen Parteien und waren auch sonst nicht politisch aktiv. Neben den erwähnten Freundschaften, ist der BF1 nicht Mitglied eines Vereins. Die BF2 nimmt an Sprachcafés teil und ist im Verein XXXX aktiv. Zudem hat sie vor der Coronazeit einmal pro Woche an einem Yogakurs teilgenommen. Eine Anmeldung zu einem Computerkurs hat sie vorgenommen und steht sie nunmehr auf der Warteliste.

In ihrer Freizeit gehen die BF in die Kirche, Radfahren und mit ihrer Deutschlehrerin spazieren. Der BF1 wiederholt öfters den gelernten Deutschstoff und hat er dies in der Corona-Zeit intensiviert. Vor der Corona-Zeit spielte der BF1 gelegentlich Fußball. Die BF2 backt gerne Kuchen.

Das soziale Verhalten der BF in der Gesellschaft wird durch Referenzschreiben belegt. Daraus ist zu entnehmen, dass die BF als sehr höflich, fleißig und verlässlich wahrgenommen werden.

Der BF1 und die BF2 besuchten zwischenzeitlich Deutschkurse und wiesen dies durch Teilnahmebestätigungen nach.

Der BF1 und die BF2 sind kaum in der Lage, in einfachen Situationen des Alltagslebens auf elementarer Basis auf Deutsch zu kommunizieren.

Da die BF keine Arbeitserlaubnis haben, waren sie bisher in Österreich nicht erwerbstätig. Die BF leben von der Grundversorgung und sind nicht selbsterhaltungsfähig. Ferner verfügen sie über keine Einstellzusage. Der BF1 und die BF2 haben vereinzelt ehrenamtliche Aufgaben übernommen. Sie pflegen Gräber auf einem Friedhof in unmittelbarer Nähe zu ihrem Wohnort und gießen regelmäßig den Rasen vor der Kirche.

II.1.5. Zur maßgeblichen Situation im Iran:

II.1.5.1. Sicherheitslage (LIB, Punkt 2.):

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert.

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan.

In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen. In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht.

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region. Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan, stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen.

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen. Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind.

II.1.5.2. Sicherheitsbehörden (LIB, Punkt 4.):

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums, die dem Präsidenten berichten, und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC), welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen im ganzen Land, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij-Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten involviert. Organisatorisch sind die Basij den Pasdaran (Revolutionsgarden) unterstellt und ihnen gehören auch Frauen an. Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen.

Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über fortschrittlichere Ausrüstung als die reguläre Armee, eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste, die auch mit Inlandsaufgaben betraut sind, sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer. Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden. Sie betreiben den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügen damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der IRGC Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als 120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv. Khamenei und den Revolutionsgarden gehören rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus. Längst ist aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden – gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Sehr zum Leidwesen von Hassan Rohani. Der Präsident versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Das gelingt ihm jedoch kaum. Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor nach Belieben – nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen – überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert.

Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela’at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz.

Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem „Hohen Rat für den Cyberspace“ beschäftigt sich die iranische Cyberpolizei mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU-Menschenrechtssanktionsliste.

Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete. Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und für Proteste oder Aufstände. Sie wird von den Revolutionsgarden (IRGC) und den Basij Milizen unterstützt. Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den IRGC. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, ist aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen.

Der Oberste Führer hat die höchste Autorität über alle Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Fehlverhalten der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter zur Rechenschaft zieht.

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insbesondere westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger, nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Misshandlung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden.

In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen. Insbesondere die kurdische Region scheint stärker überwacht zu sein, als der Rest des Landes.

II.1.5.3. Religionsfreiheit (LIB, Punkt 14)

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen. Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist.

Anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen – werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha‘i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament. Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden und ihre politische Vertretung bleibt schwach.

Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück.

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt.

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache Farsi sind verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden.

Schiitische Religionsführer, welche die Regierungspolitik nicht unterstützen, sind weiterhin Einschüchterungen und Verhaftungen ausgesetzt.

Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran“ waren 2018 mindestens 272 Angehörige religiöser Minderheitengruppen aufgrund des Praktizierens ihrer Religion inhaftiert, 165 Gefangene wegen „Feindschaft gegen Gott“, 34 wegen „Beleidigung des Obersten Führers und Ayatollah Khomeini“ und 20 wegen „Korruption auf Erden“.

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie jedoch sehr selten (wenn überhaupt noch vorhanden), bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war.

II.1.5.3.1. Christen (LIB, Punkt 14.1.):

Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen – solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten – ihren Glauben relativ frei ausüben. Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden. Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden. Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran.

Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung zuerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam. Grundrechtlich besteht „Kultusfreiheit“ innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime weder Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, noch Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit. Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten (Proselytismusverbot) und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor, wobei es in den letzten Jahren zu keinem derartigen Urteil kam. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen („Hauskirchen“) oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot.

Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen.

Im Weltverfolgungsindex 2020 von Christen von Open Doors befindet sich Iran, wie im letzten Jahr, auf dem neunten Platz. Im Beobachtungszeitraum (November 2018 – Oktober 2019) wurden 169 Christen verhaftet, 114 von ihnen in einer einzigen Woche Ende 2018.

II.1.5.3.2. Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen (LIB, Punkt 14.2.):

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“. Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen. Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (zehn und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar. Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt.

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen.

In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind.

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben).

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit „Konversion“ vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese „Konversion“ ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt.

Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen.

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet. Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind.

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low-profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen.

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen. Die Regierung nutzt unverhältnismäßig hohe Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen.

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen.

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden.

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte.

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken.

II.1.5.4. Bewegungsfreiheit (LIB, Punkt 17.):

Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Im Prinzip respektiert die Regierung diese Rechte, es gibt jedoch einige Einschränkungen, besonders für Frauen und Flüchtlinge. Die Regierung verlangt von allen Bürgern für Auslandsreisen Ausreisebewilligungen. Bürger, die auf Staatskosten ausgebildet wurden oder Stipendien erhalten haben

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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