TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/2 W159 2211360-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.09.2020
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Entscheidungsdatum

02.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W159 2211360-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geboren XXXX , Staatsangehörige von Serbien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.01.2018, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.08.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 55 Abs. und 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie 52 Abs. 9 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 55 Abs. 1-3 FPG wird die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtkraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

1. Verfahrensgang

Mit Eingabe vom 07.06.2018 stellte die Beschwerdeführerin einen „Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK“. Sie legte eine Kopie ihres serbischen Reisepasses, einen Auszug aus dem Geburtsmatrikelbuch, einen Meldezettel, ein Deutschdiplom A1, eine Heiratsurkunde sowie eine Sterbeurkunde ihres Ehemannes, einen Bescheid über Zuerkennung einer Witwenpension sowie einen Hausbesorger-Dienstvertrag mit ihrem Schwiegervater XXXX vor. Im Zuge des schriftlichen Parteiengehörs führte sie aus, dass sie und ihre am 17.11.2012 geborene Tochter keine Angehörigen in Serbien hätten und sie bei ihren Schwiegereltern mit ihrer Tochter leben würde und Privat- und Familienleben in Österreich stattfinden würde. Ihre Tochter besuche den Kindergarten in XXXX . Ihre Tochter sei hier in Österreich geboren und ersuche sie um eine persönliche Einvernahme. Abschließend wurde beantragt, ein Bleiberecht zu erteilen und keine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2018, Zahl XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus den Gründen des Art. 8 EMRK abgewiesen, unter Spruchteil II. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchpunkt III. festgestellt, dass die Abschiebung nach Serbien zulässig sei. Unter Spruchpunkt IV. eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und unter Spruchpunkt V. die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt.

In der Begründung des Bescheides wurde zunächst ausgeführt, dass die Antragstellerin 2010 einen in Österreich zum Aufenthalt berechtigten serbischen Staatsangehörigen geheiratet habe und von ihr niemals ein Antrag nach dem NAG gestellt worden sei und sie auch niemals ein sonstiges legales Aufenthaltsrecht in Österreich erworben habe. In der Vergangenheit sei es ihr auch möglich gewesen, ihr Familienleben trotz der Entfernung aufrecht zu halten, da sie zwischenzeitig in Serbien bzw. in der Schweiz gelebt habe. Auf eine mündliche Einvernahme habe verzichtet werden können, da das Privat- und Familienleben nicht wesentlich ausgeprägt sei und Entscheidungsreife bestanden habe. Weiters wurde festgestellt, dass die Antragstellerin sich „erst seit kurzem“ in Österreich befinde, keiner Beschäftigung nachgehe und nicht Deutsch spreche und auch in keiner Weise integriert sei und kein schützenswertes Privat- und Familienleben vorliege. Nach (kurzen) Länderfeststellungen zu Serbien wurde beweiswürdigend auf den gesamten Akteninhalt verwiesen. In der rechtlichen Begründung wurde zunächst ausgeführt, dass sie mit ihrer Tochter bei ihren Schwiegereltern leben würde, während ihre Eltern sich in der Schweiz aufhalten würde. Sie beziehe lediglich 270,-- Euro Witwenpension, habe keine Aussicht auf Erwerbstätigkeiten, im vorliegenden Fall müsse den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten absolute Priorität eingeräumt werden. Die Antragstellerin habe es in Kauf genommen, nach Ablauf des legalen Aufenthaltes unerlaubt weiter im Bundesgebiet zu verweilen. Aufgrund des kurzen Aufenthaltes in Österreich sei ihr Privatleben nicht entsprechend verankert. Sie befinde sich illegal in Österreich und sei zuletzt am 03.09.2018 in das Bundesgebiet eingereist. Eine besondere Integration liege nicht vor. Sie haben den Großteil ihres Lebens in Serbien bzw. in der Schweiz verbracht und bestehe kein ununterbrochener Aufenthalt in Österreich über viele Jahre. Sie sei unbescholten, aber befinde sich illegal in Österreich und sei das Privatleben zu einem Zeitpunkt entstanden, als sie illegal in Österreich aufhältig gewesen sei, es sei der bisherige Aufenthalt auch nicht auf überlange Verzögerungen der Behörden zurückzuführen. Der Beschwerdeführerin sei es zumutbar nach ihrer Ausreise weiter auf diversen Wegen, zum Beispiel elektronisch, brieflich oder telefonisch, weiterhin Kontakt mit ihren Angehörigen zu pflegen sowie nach Konsumierung der Rückkehrentscheidung unter Einhaltung der Rechtsvorschriften sichtungsvermerkfrei einzureisen und sich für 90 Tage in Österreich aufzuhalten. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG sei daher nicht in Betracht gekommen. Zu Spruchpunkt II. wurde kurz dargelegt, dass deshalb eine Rückkehrentscheidung zulässig sei. Zu Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, dass keine Fluchtgründe vorgebracht worden seien und keine Gründe, die gegen die Zulässigkeit einer Abschiebung nach Serbien sprechen würden, ersichtlich wären. Unter Spruchpunkt IV. wurde der Beschwerde eine aufschiebende Wirkung aberkannt. Im vorliegenden Fall sei die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich (Spruchpunkt V.).

Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin (gemeinsam mit ihrer minderjährigen Tochter) fristgerecht, vertreten durch XXXX , Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht verbunden mit Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Darin wurde vorgebracht, dass die Antragstellerin schon seit dem Jahre 2010 in Österreich lebe und sie mehrfach versucht habe, bei der MA 35 einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen. Die Anträge seien jedoch wegen nicht entsprechend kompletter Unterlagen nicht angenommen worden. Sie spreche auch schon sehr gut Deutsch und könne jederzeit eine höherwertige Deutschprüfung als A1 absolvieren. Bis 2010 habe sie bei ihren Eltern in der Schweiz gelebt und wäre ihren Eltern auch dort Asyl zuerkannt worden, sie habe jedoch den Antrag wegen Eheschließung mit ihrem Mann zurückgezogen. Sie habe nur die 90 Tage von Dezember 2017 bis März 2018 bei einem Freund ihres Mannes in Serbien gewohnt. Sie lebe schon seit über acht Jahren bei ihren Schwiegereltern. Bei Zuerkennung eines entsprechenden Aufenthaltstitels würde die Beschwerdeführerin auch eine Ausgleichszulage von der PVA erhalten.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.12.2018, Zahl XXXX wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.


Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 15r.04.2020 wurde der gegenständliche Verfahrensakt am 29.04.2020 dem nunmehr zuständigen Einzelrichter zugeteilt.

Dieser beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 20.08.2020 an. Die belangte Behörde ließ sich für die Nichtteilnahme entschuldigen, die Beschwerdeführerin erschien in Begleitung ihres ausgewiesenen Rechtsvertreters. Sie legte (nochmals) ein Deutschdiplom A1, die Sterbeurkunde sowie die Geburtsurkunde ihres Ehemannes, weiters eine Bezugsbestätigung für die Notstandshilfe bzw. Arbeitslosenentgeltbestätigung ihrer Schwiegereltern, einen Antrag auf Gewährung einer Ausgleichszulage der Pensionsversicherungsanstalt sowie eine Schulbesuchsbestätigung der Tochter XXXX vor.

Sie gab an, dass sie am XXXX in XXXX geboren sei und die serbische Staatsbürgerschaft besitze. Sie gehöre der serbischen Volksgruppe an und sei serbisch-orthodoxen Glaubens. Sie sei in Serbien geboren und aufgewachsen. Als sie 15 Jahre alt gewesen sei, sei sie mit ihren Eltern in die Schweiz gezogen und seien sie in verschiedenen Städten der französischen Schweiz aufhältig gewesen, zuletzt in XXXX . Mit 18 Jahren sei sie dann zu ihrem zukünftigen Ehemann nach Österreich gezogen und hätten sie am 20.10.2010 geheiratet. Als sie mit ihrem Mann zusammengelebt habe, habe sie jeweils drei Monate in Österreich und drei Monate in Serbien gelebt. Erst als ihr Mann 2018 verstorben sei, habe sie Österreich nicht mehr verlassen. Nach dem Tod ihres Mannes sei sie weder in Serbien noch bei ihren Eltern in der Schweiz gewesen. Sie habe niemals einen Aufenthaltstitel für Österreich besessen. Befragt, ob sie jemals in Österreich einen Asylantrag gestellt habe, gab sie an, dass sie mit ihrem Schwiegervater zum Magistrat gefahren sei und dort an eine andere Stelle verwiesen worden sei. Zunächst gab sie an, dass sie glaube, dass sie einen Asylantrag gestellt habe, an eine Einvernahme könne sie sich nicht erinnern. Später revidierte sie ihre Aussage und gab an, dass sie doch keinen Asylantrag gestellt habe. Zu ihrer schulischen oder sonstigen Ausbildung gefragt, gab sie an, dass sie in Serbien keine Schule besucht habe, aber in der Schweiz in die Schule gegangen sei. Sie änderte wiederum ihre Aussage und gab an, dass sie schon mit zehn oder elf Jahren in die Schweiz gezogen sei, aber dann wieder nach Serbien zurückgegangen sei. Sie sei ca. sechs Jahre lang in der Schweiz in die Schule gegangen. Sie habe Friseurin lernen wollen, habe aber keine Lehrstelle gefunden. Sie seien in der Schweiz Asylwerber geworden. Als sie zu ihrem Mann nach Österreich gezogen sei, habe ihr Mann am Anfang nicht gearbeitet. Später sei er dann als Security und als Beifahrer bei Behindertentransporten tätig gewesen. Sie habe keinen Aufenthaltstitel besessen und habe auch nicht arbeiten dürfen. Gefragt, aus welchen Gründen sie seinerzeit Serbien verlassen habe, gab sie an, dass sie mit ihren Eltern und Geschwistern mitgegangen sei. Die Entscheidung zur Ausreise habe ihre Mutter getroffen. Sie hätte sich für ein besseres Leben entschieden. Sie selbst habe in Serbien weder Probleme mit staatlichen Behördenorganen noch mit Privatpersonen gehabt. Sie sei das letzte Mal 2018 mit ihrem Mann und ihrer Tochter für drei Monate lang in Serbien gewesen. Sie sei immer mit ihrem Mann und als sie schon das Kind hatte mit ihrer Tochter hin und her gependelt. Sie sei drei Monate in Österreich und drei Monate in Serbien gewesen. Ihr Mann habe einen Aufenthaltstitel für Österreich gehabt und sei auch hier geboren. In Serbien hätten sie im Haus der Schwiegereltern gelebt und zwar in XXXX , in einem kleinen Dorf. Sie hätten vom Einkommen ihres Mannes, das er in Österreich verdient habe, bzw. dem Arbeitslosengeld, das er bezogen habe, gelebt. In Serbien hätten sie weder Freunde noch Verwandte gehabt. Ihr Mann habe einen Autounfall gehabt. Er sei gar nicht so schwer verletzt gewesen, aber er sei trotzdem dann an den Folgen des Unfalles verstorben. Sie sei deswegen nicht zu ihren Eltern in die Schweiz zurückgegangen, weil sie ihre Schwiegereltern nicht allein lassen könne und jeden zweiten Tag zum Grab ihres Mannes gehe. Sie lebe jetzt mit ihren Schwiegereltern, ihrem Schwager und dessen Kind in einem Haushalt. Es sei eine Wohnung mit ca. 80 m2 und werde sie von ihren Schwiegereltern finanziell unterstützt. Ihr Schwiegervater arbeite jedoch derzeit nicht. Es würden auch die Schwiegereltern ihrerseits ihrer Unterstützung bedürfen; aufgefordert, das näher auszuführen, gab sie an, dass diese nicht krank wären, aber sie möchte für sie da sein. Sie würde sich mit ihren Schwiegereltern gut verstehen, aber es sei schwierig. Ihre Schwiegereltern würden immer für sie da sein. Weitere Verwandte oder Freunde in Österreich habe sie nicht. In Österreich habe sie lediglich einen Deutschkurs A1 gemacht, weiter Ausbildungen jedoch nicht. Sie sei gesund und leide unter keinen organischen oder psychischen Problemen, ebenso ihre Tochter. Ihre Tochter habe die erste Klasse als außerordentliche Schülerin besucht und beginne im Herbst nochmals mit der ersten Klasse. Sie spreche mit ihrer Tochter Serbisch und ein bisschen Deutsch. Die Schwiegereltern würden mit ihr Serbisch sprechen, trotzdem könne sie schon besser Deutsch wie sie. Außerschulische Aktivitäten betreibe ihre Tochter nicht. Sie wünsche sich sobald wie möglich ein Visum zu bekommen, damit sie hier arbeiten könne und würde jede Arbeit machen, auch putzen.

Über Befragen durch den Rechtsvertreter gab sie an, dass sie in Serbien nicht in die Schule gehen könne, sie stamme wohl aus einer Roma-Familie, aber dies sei nicht der Grund gewesen. Den wahren Grund möchte sie nicht nennen. Ihre Eltern würden noch immer in der Schweiz leben und hätten eine positive Asylentscheidung bekommen, sie ebenso, aber sie sei dann zu ihrem Mann nach Österreich gezogen. Die Wohnung, in der sie jetzt lebe, sei eine Dreizimmer-Wohnung. Die Witwen- und Waisenpension mache zusammen 380,-- Euro aus.

Der Rechtsvertreter beantragt zum Beweis des Familienlebens die Einvernahme des Zeugen XXXX . Dieser gab an, dass er schon seit 1969 in Österreich lebe und Vater des verstorbenen Ehemannes der Beschwerdeführerin sei. Das Ehepaar habe drei Monate in Österreich und drei Monate in Serbien gelebt. Nach dem Tod seines Sohnes hätten seine Schwiegertochter und seine Enkelin immer in Österreich gelebt. Er möchte, dass diese weiter bei ihm im gleichen Haushalt wohnen und unterstütze er seine Schwiegertochter und seine Enkelin finanziell. Er sei wohl im Moment arbeitslos, aber an und für sich Krankentransportfahrer und hoffe er, dass er bald wieder eine Anstellung finde. Die Beschwerdeführerin helfe im Haushalt mit, aber sonst habe sie nicht gearbeitet. Sie hätten mehrmals versucht, einen Aufenthaltstitel für die Beschwerdeführerin zu erlangen, aber sein Sohn habe zu wenig verdient. Er spreche mit seiner Enkelin Deutsch und mit seiner Schwiegertochter teilweise Serbisch und teilweise Deutsch. Er sei nicht auf die Anwesenheit seiner Schwiegertochter zur Bewältigung des Alltages angewiesen. Er hoffe, dass seine Schwiegertochter einmal eine eigene Wohnung habe und sie hier in Österreich ihr Leben aufbaue. Über Befragen durch den Rechtsvertreter gab der Zeuge an, dass sie mit ihrem Mann immer bei ihnen in Österreich gelebt habe, in Serbien hätte sie in ihrem Haus gelebt. Dort wohne sonst niemand. Seine Schwiegertochter habe zu ihren eigenen Eltern in der Schweiz keinen Kontakt. Er kenne die Verwandten seiner Schwiegertochter nicht.

Schließlich wurde auch der Schwager der Beschwerdeführerin, XXXX , nach Wahrheitserinnerung und Belehrung über die Entschlagungsgründe als Zeuge befragt. Er gab an, dass er der jüngere Bruder des verstorbenen Mannes der Beschwerdeführerin sei und auch in der gleichen Wohnung lebe. Er habe auch einen Sohn. Dieser werde im November sieben Jahre alt. Er sei alleinerziehender Vater und habe das volle Sorgerecht. Derzeit sei er arbeitslos. Bis vor kurzem habe er im Einzelhandel gearbeitet. Er unterstütze auch seine Schwägerin. Sie arbeite nicht, aber sie helfe im Haushalt. Er würde fast täglich mit ihr und den Kindern in den Park gehen und würden sie viel gemeinsam mit den Kindern unternehmen. Er würde sich freuen, wenn seine Schwägerin hier in Österreich eine Ausbildung mache und seine Nichte hier in Österreich zur Schule gehe.

Schließlich wurde der aktuelle Strafregisterauszug der Beschwerdeführerin verlesen, in dem keine Verurteilung aufscheint.

Der Beschwerdeführervertreter gab keine weitere Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist serbische Staatsangehörige und serbisch-orthodoxen Glaubens. Die Volksgruppenzugehörigkeit kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Die Beschwerdeführerin wurde am XXXX geboren und ist dort aufgewachsen, hat aber keine Schule besucht. Die Gründe hierfür können ebenfalls nicht festgestellt werden. Sie ist dann mit ihren Eltern in die Schweiz gegangen und hat dort für einige Jahre die Schule besucht. Mit 18 Jahren lernte sie bei einem Besuch in der Schweiz ihren späteren Ehemann XXXX kennen, der am XXXX in XXXX geboren wurde und in Österreich aufenthaltsberechtigt war. Diesen hat sie am 23.09.2010 geheiratet. Ihr Ehemann ist Vater der am XXXX geborenen Tochter XXXX .

Die Beschwerdeführerin hatte niemals in Österreich ein legales Aufenthaltsrecht. Sie hat vielmehr mit ihrem Ehemann (und später mit ihrer Tochter) jeweils drei Monate bei ihren Schwiegereltern in Wien und drei Monate im Haus der Schwiegereltern in dem Dorf XXXX in XXXX gelebt. Die Beschwerdeführerin hatte niemals Probleme mit staatlichen Behördenorganen oder Privatpersonen in Serbien. Die Beschwerdeführerin war auch in Österreich nie erwerbstätig und hat lediglich einen Deutschkurs besucht und ein Deutsch-Diplom A1 erworben. Ihre tatsächlichen Deutschkenntnisse gehen über A1 hinaus. Ihr Ehemann ist am 18.03.2018 an den Folgen eines Verkehrsunfalles verstorben. Seither hat sich die Beschwerdeführerin durchgehend bei ihren Schwiegereltern in Wien aufgehalten. In der gleichen Wohnung lebt auch der jüngere Bruder des verstorbenen Ehemannes XXXX , der alleinerziehender Vater eines siebenjährigen Sohnes ist. Die Beschwerdeführerin führt mit ihren Schwiegereltern und ihrem Schwager ein Familienleben und verbringt auch mit ihrer Tochter gemeinsam viel Zeit mit ihrem Schwager und dessen Sohn. Die Tochter XXXX hat im vergangenen Schuljahr als außerordentliche Schülerin die erste Schulstufe besucht und wird ab September die erste Schulklasse wiederholen. Die Beschwerdeführerin spricht mit ihrer Tochter teilweise Serbisch und teilweise Deutsch, der Schwiegervater eher Deutsch. Die Beschwerdeführerin bezieht eine Witwenpension, ihre Tochter eine Waisenpension, insgesamt 380,-- Euro und würde im Falle eines Aufenthaltstitels von der Pensionsversicherungsanstalt eine Ausgleichszulage erhalten.

Die Beschwerdeführerin wird von ihren Schwiegereltern (und auch von ihrem Schwager) finanziell unterstützt. Sie hilft im Haushalt. Weder die Schwiegereltern noch der Schwager sind jedoch auf die dauernde Hilfe der Beschwerdeführerin zur Bewältigung des Alltages angewiesen. Sowohl der Schwiegervater als auch der Schwager der Beschwerdeführerin sind derzeit arbeitslos. Die Beschwerdeführerin ist gesund, ebenso ihre Tochter.

Da kein auf die Ländersituation in Serbien bezogenes Vorbringen erstattet wurde, war es nicht erforderlich, länderspezifische Feststellungen zu treffen.

Beweis wurde erhoben durch schriftliches Parteiengehör der belangten Behörde sowie durch Befragung im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.08.2020, im Zuge derer auch die Zeugen XXXX (Schwiegervater) und XXXX (Schwager) befragt wurden, weiters durch Vorlage einer Kopie des serbischen Reisepasses, einem Auszug aus dem Geburtenmatrikelbuch, einem Deutschdiplom A1, einer Heiratsurkunde des Standesamtes XXXX mit dem Datum 23.09.2010, eine Sterbeurkunde des Ehemannes XXXX , eines Bescheides der Pensionsversicherungsanstalt über Gewährung einer Hinterbliebenenpension, einer Geburtsurkunde des Ehemannes XXXX , einer Bezugsbestätigung des AMS XXXX hinsichtlich XXXX ( XXXX ) und XXXX , eines Schreibens der Pensionsversicherungsanstalt betreffend Ausgleichszulage, einer Schulbesuchsbestätigung der Tochter XXXX durch die Beschwerdeführerin bzw. ihre Vertretung, weiters durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde sowie den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.12.2018 zur Zahl XXXX und schließlich die Einsichtnahme in den Strafregisterauszug.

2. Beweiswürdigung:

Die serbische Staatsangehörigkeit und das Geburtsdatum ergeben sich aus dem (von der belangten Behörde eingezogenen) serbischen Reisepass der Beschwerdeführerin. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin mit XXXX , der in Österreich geboren wurde, verheiratet war und dieser am 18.03.2018 verstorben ist, ergibt sich aus den vorgelegten Dokumenten und der Aussage der Beschwerdeführerin, ebenso der Umstand, dass die am XXXX geborene Tochter XXXX die leibliche eheliche Tochter ist.

Die Beschwerdeführerin hat selbst angegeben, dass sie nie über ein Aufenthaltsrecht in Österreich verfügt hat, dies entspricht auch dem Akteninhalt. Die Beschwerdeführerin machte hingegen widersprüchliche Angaben zu dem Umstand, ob sie je einen Asylantrag gestellt hat und zu dem Umstand, warum es (trotz Ehe mit einem in Österreich aufenthaltsberechtigten serbischen Staatsangehörigen) zu keinem legalen Aufenthalt der Beschwerdeführerin gekommen ist; in der Beschwerde sprach sie von unvollständigen Unterlagen, der Zeuge XXXX (ihr Schwiegervater) gab an, dass sein Sohn zu wenig verdient habe. Die Beschwerdeführerin und die einvernommenen Zeugen haben übereinstimmend angegeben, dass die Beschwerdeführerin bis zum Tod ihres Ehemannes keineswegs durchgängig (seit ihrer Einreise nach Österreich 2009/2010) gelebt hat, sondern jeweils (gemeinsam mit ihrem Ehemann und später auch mit ihrer Tochter) jeweils drei Monate in Österreich und drei Monate in Serbien. Es gibt für das Bundesverwaltungsgericht keinen Grund, an diesen Aussagen zu zweifeln. Weiters hat die Beschwerdeführerin in Übereinstimmung mit dem Zeugen XXXX angegeben, dass sie dort im Haus ihrer Schwiegereltern gelebt hat und offenbar weiterhin über eine Wohnmöglichkeit in Serbien verfügt.

Die Angaben der Beschwerdeführerin zu ihrem Schulbesuch sind teilweise vage und widersprüchlich. Diesbezüglich können keine exakten Feststellungen getroffen werden. Jedenfalls ist aus ihrer Aussage und der Aussage der vernommenen Zeugen zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin niemals (legal) in Österreich gearbeitet hat.

Sie hat ein Deutschdiplom im Niveau A1 vorgelegt und auch angegeben, dass sie einen Deutschkurs besucht hat, aber keine weiteren sonstigen Ausbildungen in Österreich absolviert hat. Nach dem Eindruck in der Beschwerdeverhandlung liegen die Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin deutlich über A1, eine durchgehende Verständigung in deutscher Sprache war jedoch nicht möglich. Die Beschwerdeführerin und die einvernommenen Zeugen konnten übereinstimmend darlegen, dass die Beschwerdeführerin mit ihren Schwiegereltern und auch mit ihrem Schwager in einem Haushalt lebt und ein Familienleben führt, sie wird auch von diesen unterstützt (obwohl alle nur Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe beziehen) und hilft die Beschwerdeführerin im Haushalt. Es ist jedoch aus den Aussagen weiters zu entnehmen, dass keine Abhängigkeit dergestalt, dass die Beschwerdeführerin nicht ohne ihre Schwiegereltern bzw. ihren Schwager leben könnte bzw. die Schwiegereltern dauernd auf die Hilfe der Beschwerdeführerin angewesen wären, besteht. Die Beschwerdeführerin hat selbst angegeben, keinen Kontakt zu ihren Eltern in der Schweiz zu haben, letztlich dieser Umstand nicht wirklich verfahrensrelevant.

Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin (und ihre Tochter) gesund sind, ergibt sich aus den diesbezüglichen eindeutigen Aussagen bzw. der Nichtvorlage gegenteiliger ärztlicher Befunde, die Höhe der Witwen- bzw. Waisenpension aus den vorgelegten Unterlagen und der Aussage der Beschwerdeführerin, der Umstand der Unbescholtenheit aus der Einsichtnahme in den Strafregisterauszug.

Hinsichtlich des persönlichen Eindruckes ist aufgefallen, dass die Beschwerdeführerin offenbar Probleme hatte, auch einfache Fragen auf Deutsch, aber auch in ihrer Muttersprache Serbisch zu beantworten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A

I. Gemäß § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und er gemäß Ziffer 2 Modul 1 der Integrationsvereinbarung gem. § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird. Liegt nur die Voraussetzung der Ziffer 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens iS des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung jedenfalls begründet, insbesondere darauf, ob diese auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

„Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.“

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Gemäß § 46 Abs. 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Es ist im vorliegenden Fall wohl davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin mit ihren (ehemaligen) Schwiegereltern und ihrem Schwager ein Familienleben führt, zumal sie im gemeinsamen Haushalt lebt und sie von diesen (auch finanziell) unterstützt wird und sie im Gegenzug sich im Haushalt helfend betätigt, andererseits jedoch ist das Familienleben nicht dergestalt, dass ihre Schwiegereltern oder ihr Schwager auf die dauernde Hilfe der Beschwerdeführerin zur Bewältigung des Alltages angewiesen wären, zumal diese grundsätzlich gesund und arbeitsfähig sind und auch die Beschwerdeführerin keineswegs der dauernden Hilfe und Betreuung durch ihre Schwiegereltern und ihren Schwager bedarf.

Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Sisojeva ua gg Lettland, Nr. 60654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff).

Der VwGH hat zum Ausdruck gebracht, dass einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zukommt (vgl. dazu VwGH 30.07.2015, Zl. 2014/22/0055; VwGH 23.06.2015, Zl. 2015/22/0026; VwGH 10.11.2010, Zl. 2008/22/0777, VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin erst nach dem Tod ihres Ehegatten am 18.03.2018 durchgängig in Österreich aufhältig war, somit etwa zweieinhalb Jahre und sie zuvor (mit ihrem Ehemann und später auch mit ihrer Tochter) jeweils drei Monate in Serbien und drei Monate in Österreich gelebt hat, wobei weiters hervorzuheben ist, dass die Beschwerdeführerin nie über ein legales Aufenthaltsrecht in Österreich verfügt hat.

Außerhalb der Familie, ihrer Schwiegereltern verfügt die Beschwerdeführerin offenbar über keine nennenswerten intensiven Kontakte.

Die Integration der Beschwerdeführerin ist als gering zu bezeichnen, zumal sie lediglich ein Deutschdiplom im (Anfängerniveau) A1 vorlegen konnte.

Ihre Deutschkenntnisse mögen wohl über A1 hinausgehen, eine durchgehende Verständigung in der Verhandlung in deutscher Sprache war jedoch nicht möglich. Die Beschwerdeführerin hat auch sonst keine Ausbildungen in Österreich absolviert und hat auch niemals hier (legal) gearbeitet, wobei sie andererseits auch nicht bei „Schwarzarbeit“ betreten wurde. Außer den (ideellen) Umstand, dass sich das Grab ihres Ehemann in Österreich befindet, hat sie offenbar über die Familie ihrer Schwiegereltern hinaus keine weiteren Bindungen zu Österreich und ist auch hier im gesellschaftlichen oder sozialen Leben in keiner Weise integriert.

Die Beschwerdeführerin wurde nicht nur in Serbien geboren und ist dort aufgewachsen, sondern war sie bis zum Jahre 2018 auch regelmäßig immer wieder für drei Monate in Serbien und verfügte dort im Haus der Schwiegereltern über eine Wohnmöglichkeit. Mit den 380,-- Euro Witwen- und Waisenpension ist es für die Beschwerdeführerin in Serbien notorischer Weise leichter zu überleben als in Österreich und ist auch davon auszugehen, dass ihre Schwiegereltern sie auch bei einem Aufenthalt in Serbien weiterhin unterstützen.

Die Beschwerdeführerin hat hier im Bewusstsein des unsicheren Aufenthaltes eine Familie gegründet. Von überlangen Verfahrensverzögerungen kann im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass im vorliegenden Fall wohl ein Familienleben der Beschwerdeführerin mit der Familie ihrer Schwiegereltern vorliegt, sie jedoch weder eine ausreichende (durchgehende) Aufenthaltsdauer in Österreich aufweist noch eine gute Integration Es ist der Beschwerdeführerin durchaus zumutbar, ihr Familienleben mit ihren Schwiegereltern und ihrem Schwager einerseits durch elektronische Medien (Telefon, Internet) sowie Briefkontakte und andererseits durch wechselseitige Besuche aufrecht zu erhalten, zumal die Beschwerdeführerin nach Konsumation der Rückkehrentscheidung sich visafrei 90 Tage in Österreich aufhalten darf.

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes überwiegen daher derzeit die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie des Schutzes des österreichischen Arbeitsmarktes die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet (vgl. dazu VfSlg. 17.516/2005 sowie ferner VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung gemäß § 46 leg. cit. in einen bestimmten Staat zulässig ist.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG zulässig, solange ihr keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Die Beschwerdeführerin hat keinerlei Bedrohungen oder sonstige Probleme in Serbien, weder von Seiten staatlicher Organe noch von Seiten von Privatpersonen vorgebracht und hat diese offenbar unbehelligt immer wieder bis zum Jahre 2018 in Serbien gelebt. Einer Abschiebung nach Serbien steht auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegen. Vielmehr handelt es sich bei Serbien um einen sicheren Drittstaat.

Die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Serbien ist daher zulässig.

II.

Da im vorliegenden Fall der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, war nunmehr eine 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise festzulegen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, E9 zu § 55).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B – Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall erweist sich die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG insofern als nicht zulässig, als der gegenständliche Fall einerseits tatsachenlastig ist und die Beweiswürdigung und die persönlichen Umstände die entscheidenden Punkte darstellen. Wie unzweifelhaft der rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es zu irgendeinem Sachverhaltsaspekt des gegenständlichen Falles an einer Rechtsprechung und kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf den gegenständlichen Fall uneinheitlich zu beurteilen wäre. Vielmehr gründet sich die vorliegende Entscheidung auf die bisher ergangene Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechtes, insbesondere auch eine aktuelle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Im Übrigen liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der im vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Familienleben Interessenabwägung öffentliches Interesse Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W159.2211360.1.00

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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