TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/3 W137 2234547-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.09.2020
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Entscheidungsdatum

03.09.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs3

Spruch

W137 2234547-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Michael VALLENDER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.07.2020, Zl. 1114437100 – 200601473, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 17.07.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft seit 17.07.2020 für rechtmäßig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 3 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Sein Antrag auf internationalen Schutz vom 10.05.2016 wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) mit Bescheid vom 11.06.2018 gemäß §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung bezüglich des Herkunftsstaats Afghanistan verbunden. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 26.09.2018, W257 2185015-2/9E, rechtskräftig als unbegründet abgewiesen. Eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof blieb in diesem Zusammenhang erfolglos.

2. Einem Asylfolgeantrag vom 18.12.2019 wurde vom Bundesamt der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a AsylG aberkannt. Diese Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 10.02.2020, W169 2805015-3/2E, als rechtmäßig bestätigt.

3. Am 16.07.2020 wurde der Beschwerdeführer – während seiner Anhaltung in Strafhaft – niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er unter anderem an, keinen Wohnsitz zu haben; er würde nach der Entlassung „ins Asylheim in Erdberg gehen“. In der Justizanstalt habe er ein Anti-Gewalt-Training besucht. Seine Lehrerin wolle ihn adoptieren. Derzeit verfüge er über Rücklagen in Höhe von rund 1200 €. Seine Abschiebung werde er versuchen zu verhindern – er werde im Flugzeug „versuchen, Schwierigkeiten zu machen“ und „sicher nicht friedlich sein“. Im Falle einer Schubhaft werde er in Hungerstreik treten.

4. Mit Bescheid vom 16.07.2020 wurde am 17.07.2020 – unmittelbar nach Entlassung aus der Strafhaft - die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründet wurde die Fluchtgefahr im Wesentlichen mit dem Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme bei Stellung des letzten (noch offenen) Antrags auf internationalen Schutz, der rechtskräftigen Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Folgeverfahren und der weitgehend fehlenden sozialen Verankerung und Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet. Mit der Anordnung des gelinderen Mittels könne angesichts des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers nicht das Auslangen gefunden werden. Insgesamt erweise sich die Schubhaft angesichts der vorliegenden „ultima-ratio-Situation“ und des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers auch als verhältnismäßig. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag durch persönliche Übergabe (gemeinsam mit der Verfahrensanordnung betreffend die Beigabe eines Rechtsberaters) zugestellt.

5. Am 18.07.2020 trat der Beschwerdeführer in einen Hungerstreik, den er am 20.07.2020 freiwillig wieder beendete. Am 30.07.2020 wurde der Großteil der Rücklagen des Beschwerdeführers – 1000 € - mit seinem Einverständnis ausgebucht. Als Zweck wurde „um die Rechtsanwaltskosten der Kanzlei Dr. VALLENDER Michael“ zu begleichen.

6. Am 28.08.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht die nunmehr verfahrensgegenständliche Beschwerde (samt Vollmachtsbekanntgabe) ein. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass ungeachtet der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes eine Abschiebung „unzulässig“ sei. Im Zusammenhang mit der Erlassung des gegenständlichen Bescheides habe sich das Bundesamt nicht mit Art. 33 Z 2 GFK befasst, weshalb der angefochtene Bescheid mangelhaft sei. Der Beschwerdeführer besitze eine Wohnmöglichkeit im Asylheim in Erdberg und werde von der Caritas und Bekannten unterstützt. Aufgrund der Gefahrensituation in seinem Herkunftsstaat bestehe „keine Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer das Bundesgebiet verlässt“.

Beantragt werde daher a) eine mündliche Verhandlung durchzuführen; b) den angefochtenen Bescheid „dahin abzuändern, dass sowohl die Schubhaft als auch die Festnahme aufgehoben werden sowie die Freilassung des Beschwerdeführers angeordnet werde, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen“; c) der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

7. Am 31.08.2020 hat das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit der angefochtenen Beschwerde gegen die Festnahme des Beschwerdeführers am 17.07.2020 ein gesondertes Verfahren (W137 2234547-2) angelegt und dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang einen Verbesserungsauftrag erteilt.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Er verfügt über keine Personal- oder Reisedokumente.

Mit Bescheid vom 11.06.2018 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers (vom 10.05.2016) erstinstanzlich vollinhaltlich abgewiesen, gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 29.08.2019, W257 2185015-2/9E, als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision in diesem Zusammenhang blieb erfolglos. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung in Bezug auf seinen Herkunftsstaat.

Dem Asylfolgeantrag des Beschwerdeführers (vom 18.12.2019) wurde rechtskräftig der faktische Abschiebeschutz aberkannt.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich 2017 zweimal wegen Suchtmitteldelikten strafrechtlich zu (teil)bedingten Freiheitsstrafen verurteilt. 2018 erfolgte eine Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Jahren (unter Widerruf der bisherigen bedingten Strafnachsichten) wegen schweren sexuellen Missbrauchs mit einer Unmündigen, absichtlicher schwerer Körperverletzung und gefährlicher Drohung.

Der Beschwerdeführer hat (notfalls auch gewaltsamen) Widerstand gegen seine Abschiebung angekündigt. Er ist in besonderem Umfang nicht vertrauenswürdig.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären oder substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Er ging nie einer legalen Beschäftigung nach und spricht nur schlecht Deutsch. Seit 09.05.2018 ist er ausschließlich in Justizanstalten und Polizeianhaltezentren aufhältig. Vor Anordnung der Schubhaft wurde er mehr als zwei Jahre lang durchgehend in Untersuchungs- und Strafhaft angehalten. Der Beschwerdeführer verfügt über keinen gesicherten Wohnsitz. Er ist mittelos; praktisch seine gesamten Rücklagen aus der Haftzeit hat er zur Finanzierung des im gegenständlichen Verfahren aktiven Rechtsanwalts aufgewendet.

Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und jedenfalls haftfähig. Es gibt keine Hinweise auf substanzielle gesundheitliche Probleme.

Eine Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist binnen weniger Monate – voraussichtlich noch 2020 - realistisch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 1114437100 – 200601473 (Schubhaft) sowie dem Akt des Bundesverwaltungsgerichts zu 2185015-2 (Asyl) und 2185015-3 (faktischer Abschiebeschutz). Unstrittig sind die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sowie zu seinem Asylverfahren.

1.2. Unstrittig sind die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers, die sich auch aus der Aktenlage (insbesondere gekürzte Urteilsausfertigung, Strafregisterauszug) ergeben. Der (notfalls auch gewaltsame) Widerstand gegen die Abschiebung wurde vom Beschwerdeführer am 16.07.2020 – bestenfalls mäßig verklausuliert – ausdrücklich zu Protokoll erklärt: „Ich werde am Flugzeug versuchen Schwierigkeiten zu machen“; „Ich werde sicherlich nicht friedlich sein“. Aus diesen Umständen ergibt sich auch die in besonderem Umfang fehlende Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers.

1.3. Aus einer rezenten Abfrage im Zentralen Melderegister ergeben sich die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in den vergangenen gut zwei Jahren. Auch dieser ist im Übrigen unstrittig.

1.4. Das Fehlen substanzieller sozialer und beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet ergibt sich aus der Aktenlage. Substanzielle Deutschkenntnisse wurden in der Beschwerde nicht behauptet. Im Verfahren sind auch keine legalen Beschäftigungsverhältnisse oder Fähigkeiten hervorgekommen, die zu einer mittelfristigen Sicherung der eigenen Existenz in Österreich beitragen würde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass er zwischenzeitlich erworbene Barmittel fast vollständig für seinen im gegenständlichen Verfahren aktiven Rechtsanwalt aufgewendet hat. Enge soziale Beziehungen in Österreich wurden nicht dargelegt; aufgrund der vollzogenen Freiheitsstrafe waren diese allerdings in den letzten 14 Monaten vor Anordnung der Schubhaft jedenfalls massiv eingeschränkt.

1.5. Substanzielle gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers wurden in der Beschwerde nicht behauptet und sind auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich. Aus dem oben Dargestellten ergibt sich die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers, die zudem durch die zuvor vollzogene Freiheitsstrafe zweifelsfrei belegt ist.

1.6. Die realistische Möglichkeit einer Abschiebung noch 2020 (mithin binnen weniger Monate) ist trotz Einschränkungen des Luftverkehrs im Zusammenhang mit der CoVid-19-Pandemie gegeben. Im Falle des Beschwerdeführers ist zudem aufgrund der Ankündigung von massivem Widerstand gegen die Abschiebung ohnehin eine Abschiebung mit Begleitung oder mittels FRONTEX-Charters erforderlich. Solche Abschiebungen werden von allfälligen Problemen im Linienverkehr jedoch nur eingeschränkt berührt.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“

2.2. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1.       er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2.       er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3.       gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

2.3. Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

2.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

3. Zum Umfang der Beschwerde

Die von RA Dr. VALLENDER eingebrachte Beschwerde richtet sich (dem Deckblatt nach) jedenfalls gegen den „Schubhaftbescheid“ und die Anhaltung in Schubhaft. Darüber hinaus ergibt sich aus der Formulierung „den angefochtenen Bescheid (…) dahin abzuändern, dass sowohl die Schubhaft als auch die Festnahme aufgehoben werden sowie die Freilassung des Beschwerdeführers angeordnet werde, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen“ zwar eine offenkundig mangelhafte Befassung mit den im Zusammenhang mit einer Schubhaftbeschwerde möglichen Beschwerdebegehren, aber hinreichend Klarheit, dass der berufsmäßige Parteienvertreter die Rechtmäßigkeit des Bescheides und der Anhaltung in Zweifel zieht sowie die Voraussetzungen einer weiteren Anhaltung in Schubhaft als nicht gegeben erachtet.

Darüber hinaus ergibt sich aus dem zitierten Beschwerdebegehren auch eine Beschwerde gegen die Festnahme am 16.07.2020, weshalb aufgrund der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in diesem Zusammenhang ein gesondertes Verfahren angelegt worden ist.

4. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft

4.1. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist – wenn sich das erst später herausstellt – umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Die „Fluchtgefahr“ ist in Österreich im § 76 Abs. 3 FPG (oben unter Punkt II.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert. Über den Beschwerdeführer wurde nach seiner Rückkehr aus Frankreich und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Asylfolgeverfahren die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

4.2. Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr im Wesentlichen mit dem Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme bei Stellung des letzten (noch offenen) Antrags auf internationalen Schutz, der rechtskräftigen Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Folgeverfahren und der weitgehend fehlenden sozialen Verankerung und Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet. Das Bundesamt stützte sich dabei erkennbar auf die Ziffern 3, 4, 5 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG. Dem Vorliegen der Kriterien der Ziffer 3, 4 und 5 wurde in der Beschwerde nicht substanziell entgegengetreten; vielmehr erweist sich deren Vorliegen auch im Zusammenhang mit der Aktenlage und der Beschwerde als unstrittig.

4.3. Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid auch auf § 76 Abs. 3 Z 9 FPG, wonach der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen sind und kommt zutreffend zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer weder eine legale Erwerbstätigkeit ausübt, noch über familiäre, substanzielle soziale oder berufliche Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt. Auch eine gesicherte Unterkunft liege nicht vor, zumal auch in der Beschwerde diesbezüglich lediglich eine Unterkunft in einem „Asylheim“ angeführt wird. Ebenso wurden keine substanziellen Integrationsschritte während des nunmehr gut vier Jahre andauernden Aufenthalts im Bundesgebiet vorgebracht. Soziale Kontakte wurden nur pauschal und ohne nähere Ausführungen genannt.

4.4. Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt im Ergebnis zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anhaltung in Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß besteht.

4.5. Auf Grund der festgestellten Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden: Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des Beschwerdeführers weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen, da der Beschwerdeführer massiven – notfalls auch gewaltsamen – Widerstand gegen seine Abschiebung ankündigte und eine Kooperationsbereitschaft in diesem Zusammenhang somit auszuschließen ist. Insbesondere durch sein vor Anordnung der Schubhaft gezeigtes Verhalten – die Begehung mehrerer teils schwerer Straftaten innerhalb eines Zeitraums von nur 15 Monaten - als nicht vertrauenswürdig erwiesen hat. Auf Grund dieser Umstände und der bestehenden Fluchtgefahr, überwogen daher – wie im angefochtenen Bescheid richtig dargelegt - die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und eines geordneten Fremdenwesens die Interessen des Beschwerdeführers an der Abstandnahme von der Anordnung der Schubhaft und ist diese als ultima-ratio-Maßnahme notwendig.

4.6. Das Bundesamt konnte aus den oben dargelegten Gründen zudem davon ausgehen, dass die Überstellung des Beschwerdeführers nach Afghanistan jedenfalls in zumutbarer Frist möglich ist. Auch die absehbare Dauer der Schubhaft war nicht unverhältnismäßig: Mit der Durchführung der Überstellung war tatsächlich und innerhalb der gesetzlichen Fristen zu rechnen. Abschiebungen nach Afghanistan mittels Frontex-Charter sind in Planung; Heimreisezertifikate werden unproblematisch und regelmäßig ausgestellt. Die Abschiebung kann dementsprechend realistisch binnen weniger Monate erfolgen.

Überdies gab es bei Anordnung der Schubhaft keine erkennbaren Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers und wurde sie auch im Beschwerdeverfahren nicht behauptet. Vielmehr befand sich der Beschwerdeführer zuvor mehr als zwei Jahre lang durchgehend in Strafhaft.

4.7. Dass aufgrund der CoVid-19-Pandemie in Afghanistan für jede Person eine Gefährdung der durch Artikel 2 und 3 EMRK geschützten Rechte gegeben wäre, wird zwar in der Beschwerde behauptet aber nicht nachvollziehbar dargelegt. Dementsprechend ist auch eine grundsätzliche Unzulässigkeit von Abschiebungen nach Afghanistan nicht ersichtlich.

4.8. Soweit RA Dr. VALLENDER in der Beschwerde auf eine den Beschwerdeführer treffende Gefährdung im Zusammenhang mit Art. 33 Z 2 GFK eingeht ist festzuhalten, dass dies in keinem nachvollziehbaren Zusammenhang mit dem Prüfungsumfang des gegenständlichen Verfahrens steht. Vielmehr war dies Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu 2185015-2. Die dort gefällte Rückkehrentscheidung ist im Übrigen rechtskräftig – genauso wie die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes im Asylfolgeverfahren.

Für eine Auseinandersetzung mit den in den genannten Verfahren bereits entschiedenen Rechtsfragen im gegenständlichen Schubhaft-Beschwerdeverfahren gibt es keine rechtliche Grundlage. Vielmehr ist auf die – nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes – besondere Bedeutung der Rechtskraft zu verweisen.

4.9. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft abzuweisen.

5. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ist festzustellen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen:

5.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Der VwGH hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung ausgesprochen, dass der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) im Rahmen seines Ausspruchs gemäß § 83 Abs. 4 FPG aF nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat; er ist auch nicht nur „ermächtigt“, einen „weiteren bzw. neuen Anhaltegrund für die Fortsetzung der Schubhaft zu schaffen“, sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens zu einem positiven und (nur) bei deren Fehlen zu einem negativen Fortsetzungsausspruch verpflichtet. Verneint der UVS daher das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft, so bedeutet dieser Ausspruch von Gesetzes wegen die Unzulässigkeit der (Fortsetzung der) Schubhaft auf Grund jeglichen zum Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Schubhafttatbestandes, unabhängig davon, ob der UVS dessen Voraussetzungen (erkennbar) geprüft und dies seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (VwGH 15.12.2011, Zl. 2010/21/0292; 28.08.2012, Zl. 2010/21/0388 mwN). Diese Rechtsprechung des VwGH ist unverändert auf den Fortsetzungsausspruch des Bundesverwaltungsgerichtes nach der inhaltlich gleichlautenden Bestimmung des § 22a Abs. 3 BFA-VG übertragbar.

5.2. Für die Durchsetzung der Rückkehrentscheidung (Abschiebung) ist die Anwesenheit des Beschwerdeführers erforderlich. Es ist angesichts seines bisherigen Verhaltens – insbesondere des angekündigten Widerstandes gegen die Abschiebung, bei dem Gewalt zumindest angedeutet worden ist - jedoch davon auszugehen, dass er sich dem behördlichen Zugriff durch Untertauchen entziehen würde, sofern sich eine Gelegenheit dazu bietet. Da er zudem über keine feststellbaren familiären, beruflichen und substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt, ist nicht ersichtlich, was den Beschwerdeführer im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft von einem Aufenthalt im Verborgenen abhalten sollte.

5.3. Im gegenständlichen Fall sind die Kriterien der Ziffern 3, 4 und 5 wie dargelegt weiterhin gegeben. Hinsichtlich Ziffer 9 wurde in der Beschwerde kein substanzielles Vorbringen erstattet. In diesem Zusammenhang ist überdies festzuhalten, dass schon nach dem Wortlaut der Bestimmung (einzelne) „soziale Anknüpfungspunkte“ für sich alleine nicht ausreichen, der Anordnung einer Schubhaft entgegenzustehen. Vielmehr geht es um den „Grad der sozialen Verankerung in Österreich“, wobei familiäre Beziehungen, eine legale Erwerbstätigkeit, Existenzmittel und gesicherter Wohnraum exemplarisch genannt werden. Im gegenständlichen Fall sind diese Anknüpfungspunkte allerdings faktisch durchwegs nicht gegeben. Aus der pauschalen Behauptung einer Unterstützung durch seine „Bekannten“ ist vor diesem Hintergrund nichts zu gewinnen. Auch wenn das Bestehen gewisser sozialer Beziehungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht in Zweifel gezogen wird, legt die – von einem berufsmäßigen Parteienvertreter verfasste – Beschwerde nicht dar, in welcher Form diese geeignet sein sollten, den Beschwerdeführer von einem Aufenthalt im Verborgenen abzuhalten.

In Zusammenschau mit den obigen Ausführungen besteht damit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall (weiterhin) eine zur Schubhaftanordnung hinreichende Fluchtgefahr seitens des Beschwerdeführers sowie ein überwiegendes staatliches Interesse an der Sicherstellung einer (bereits durchsetzbaren) Abschiebung zu bejahen ist.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich auch, dass im gegenständlichen Fall die Anordnung des gelinderen Mittels nicht ausreichend ist, um den Sicherungsbedarf zu erfüllen. Damit liegt auch die geforderte „ultima-ratio-Situation“ für die Anordnung/Fortsetzung der Schubhaft vor und erweist sich diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch als verhältnismäßig.

5.4. Hinsichtlich der absehbaren Dauer der Schubhaft ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon auszugehen, dass diese in zumutbarer Zeit beendet werden kann.

Für die Annahme einer (zukünftigen) unverhältnismäßig langen Anhaltung gibt es gegenwärtig keinen Anhaltspunkt. Aus heutiger Sicht ist davon auszugehen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers mit hoher Wahrscheinlichkeit aber binnen weniger Monate erfolgen kann. Für die in der Beschwerde behauptete (faktische) Unmöglichkeit einer Rückkehr in den Herkunftsstaat bleibt der Vertreter eine nachvollziehbare Begründung schuldig.

5.5. Es ist daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

6. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

In der Beschwerde finden sich auch keine substanziellen Hinweise auf einen sonstigen möglicherweise unvollständig ermittelten entscheidungsrelevanten Sachverhalt. Zeugen wurden nicht beantragt; eine Kooperationsbereitschaft im Zusammenhang mit der Abschiebung/Rückkehr nicht einmal behauptet. Dieser stehen im Übrigen ausdrückliche Ankündigungen des Beschwerdeführers gegenüber, sich dieser (auch gewaltsam) widersetzen zu wollen.

7. Kostenersatz

Kostenersatz wurde im gegenständlichen Verfahren von keiner Verfahrenspartei beantragt.

8. Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung

Aufgrund der vollständigen Entscheidung über die Schubhaftbeschwerde kann ein derartiger Abspruch entfallen, zumal die diesbezügliche Begründung offenkundig auf die Risiken einer Abschiebung und nicht einer fortgesetzten Anhaltung in Schubhaft Bezug nimmt. Auch hier scheint der Inhalt des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens seitens des rechtsfreundlichen Vertreters verkannt zu werden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Berücksichtigung eines unstrittigen oder zweifelsfrei belegten Vorverhaltens entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Gleiches gilt für die besondere Bedeutung der Rechtskraft verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft Haftfähigkeit öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Schubhaftbeschwerde Schubhaftverfahren Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Ultima Ratio Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2234547.1.00

Im RIS seit

26.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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