TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/8 W278 2230887-3

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Veröffentlicht am 08.09.2020
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Entscheidungsdatum

08.09.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch

W278 2230887-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl: IFA: XXXX , über die weitere Anhaltung von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Indien, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 26.02.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) vom 26.04.2018 abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.06.2018 als unbegründet abgewiesen.

Am 13.02.2019 wurde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifkates vom Bundesamt eingeleitet.

Am 05.09.2019 wurde aufgrund des unbekannten Aufenthalts des Beschwerdeführers vom Bundesamt ein Festnahmeauftrag erlassen. Am 17.04.2020 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen einer fremdenpolizeilichen Kontrolle festgenommen. Eine Einvernahme des Beschwerdeführers erfolgte am selben Tag.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.04.2020 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Beschwerdeführer wird seit 17.04.2020 in Schubhaft angehalten.

Das Bundesamt führte im Wesentlichen aus, dass gegen den Beschwerdeführer eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen worden sei und der Beschwerdeführer dennoch die bestehende Ausreiseverpflichtung missachtete und illegal und zum Teil ohne behördliche Meldung im Bundesgebiet verblieben sei. Zuletzt habe er sich über mehrere Monate im Verborgenen aufgehalten und der Behörde den tatsächlichen Aufenthaltsort nicht mitgeteilt. Der Beschwerdeführer verfüge weder über Barmittel noch über Ersparnisse, sondern erhalte gelegentliche finanzielle Unterstützung durch einen Freund. Er weise keinerlei berufliche oder soziale Verankerung in Österreich auf, habe keine Angehörigen oder Verwandten im Bundesgebiet und verfüge auch nicht über eine Meldeadresse. Es bestehe Sicherungsbedarf und Fluchtgefahr, mit einem gelinderen Mittel könne nicht das Auslangen gefunden werden.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Der Beschwerdeführer brachte im Wesentlichen vor, dass die Schubhaft rechtswidrig sei und der Beschwerdeführer für das Bundesamt greifbar war und sich kooperativ verhalten habe. Das Bundesamt habe kein Heimreisezertifikat erlangen können und sei die Schubhaft unverhältnismäßig, da die Ausreiseunwilligkeit kein Haftgrund sei und sich auch kein Termin für eine Abschiebung abzeichne. Eine Meldeverpflichtung als gelinderes Mittel sei im vorliegenden Fall ausreichend gewesen.

Über die Beschwerde entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis W283 2230887-1/18E vom 15.05.2020:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs.2 Z 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.“

Mit Erkenntnis des BVwG W117 2230887-2 vom 12.08.2020 wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Die Verwaltungsbehörde übermittelte den Verwaltungsakt mit Schreiben vom 02.09.2020 und begehrte die Fortsetzung der Anhaltung. Unter anderem führte sie aus:

Der BF wurde am 16.07.2020 bei der Vorführung zum indischen Konsulat als indischer Staatsbürger identifiziert. Von einer zeitnahen Ausstellung eines Heimreisezertifikates wird daher ausgegangen.

Sollte innerhalb der nächsten 1-2 Monate der Flugverkehr mit Indien nicht aufgenommen werden bzw. kein Heimreisezertifikat ausgestellt werden, ist die Anordnung des Gelinderen Mittels angedacht.

Am 04.09.2020 wurden die vom BVwG angeforderten medizinischen Unterlagen des BF übermittelt.

Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 26.02.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 26.04.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien zulässig ist, es wurde keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt und einer Beschwerde gegen den Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.06.2018 als unbegründet abgewiesen (W220 2196811-1/2E).

Der Beschwerdeführer wurde von einer Staatsanwaltschaft am 28.10.2019 zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben. Aufgrund des unbekannten Aufenthalts des Beschwerdeführers musste das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer in weiterer Folge abgebrochen werden.

Am 17.04.2020 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen einer fremdenpolizeilichen Kontrolle festgenommen. Eine Einvernahme des Beschwerdeführers erfolgte am selben Tag.

Am 16.07.2020 wurde der BF im Zuge eines Interviewtermins vor der indischen Botschaft als indischer Staatsbürger identifiziert.

2. Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft

Der Beschwerdeführer ist volljährig, nicht österreichischer Staatsbürger und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Der Beschwerdeführer ist gesund und haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

Der Beschwerdeführer wird seit dem 17.04.2020 in Schubhaft angehalten (Anhaltedatei).

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme (W220 2196811-1/2E).

Der Beschwerdeführer weist keine strafgerichtlichen Verurteilungen auf (rezenter Strafregisterauszug).

Ein Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der indischen Vertretungsbehörde wurde vom Bundesamt bereits am 13.02.2019 eingeleitet. Ein Interview mit der indischen Vertretungsbehörde ist am 16.07.2020 erfolgt. Mit einer Abschiebung des Beschwerdeführers ist innerhalb kurzer Zeit nach der Ausstellung des Heimreisezertifikats und vorhandener Flugverbindungen zu rechnen. Der Beschwerdeführer ist seit 29.08.2019 untergetaucht und hat sich dadurch der Ausstellung eines Heimreisezertifikats und seiner Außerlandesbringung entzogen. Der Beschwerdeführer ist seiner Meldeverpflichtung nicht nachgekommen (Auszug aus dem Melderegister).

Der Beschwerdeführer hat in Österreich weder Verwandte noch enge soziale Anknüpfungspunkte.

Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und hat kein Einkommen. Der Beschwerdeführer verfügt über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen (SIM Verfahren Anhaltedatei).

Seit der letzten durch das BVwG durchgeführten Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft haben sich keine für die Freilassung des BF sprechenden Änderungen ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt insbesondere zu den GZ W283 2230887-1/2Z und W117 2230887-2/4E, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das asylrechtliche Verfahren des Beschwerdeführers betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zitierten Stellen im Akt des Bundesamtes, den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die Schubhaft betreffend, sowie aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das asylrechtliche Verfahren des Beschwerdeführers betreffend.

2. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers. Da sein Asylantrag in Österreich abgewiesen wurde, ist der Beschwerdeführer weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Dass der Beschwerdeführer gesund ist, beruht auf den vom BVwG angeforderten medizinischen Unterlagen, die am 04.09.2020 übermittelt wurden und aus denen sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorliegen würde.

Dass der Beschwerdeführer seit 17.04.2020 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei (Anhaltedatei).

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

Dass gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung besteht, war aufgrund des unbestrittenen Akteninhaltes festzustellen (W220 2196811-1/2E).

Die Feststellungen zum Verfahren des Bundesamtes zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer beruhen auf der Einsichtnahme in den Gerichtsakt zu W283 2230887-1/2Z, W117 2230887-2/4E und das Zentrale Fremdenregister (Zentrales Fremdenregister; Stellungnahme des Bundesamtes). Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb eine Abschiebung des zwischenzeitlich als indischen Staatangehörigen identifizierten Beschwerdeführers nach Ausstellung eines Heimreisezertifikats nicht zeitnah erfolgen können soll. Trotz der aktuellen Einschränkungen im Zusammenhang mit den Covid-19 Maßnahmen und der vorübergehenden Einschränkungen des Flugverkehrs liegen dem erkennenden Gericht keine Hinweise vor, dass die Erlangung eines Heimreisezertifikates – nach der bereits erfolgten Identifizierung als indischer Staatsangehörigen und die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers in den nächsten ein bis zwei Monate, aber jedenfalls innerhalb höchstzulässigen Schubhaftdauer, nicht möglich sein wird.

Aus dem Behörden- und Gerichtsakten ergeben sich keine Anhaltspunkte für familiäre, soziale oder berufliche Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Österreich und entsprechen diese Feststellungen den eigenen Angaben des Beschwerdeführers am 17.04.2020.

Eine nachhaltige Existenzsicherung ist mangels ausreichender Geldreserven nicht zu erblicken (Anhaltedatei). Einer legalen Erwerbstätigkeit zur Erlangung einer Selbsterhaltungsfähigkeit steht das Fehlen einer diesbezüglichen Bewilligung entgegen.

Indem die Verwaltungsbehörde auch die weitere Anhaltung nicht nur selbständig in kurzen Abständen überprüft, sondern auch einen zeitlichen Horizont für eine weitere Anhaltung anführt – ein bis zwei Monate – hat die Verwaltungsbehörde jedenfalls bis dato alles unternommen, um die Schubhaft möglichst kurz währen zu lassen.

In diesem Sinne war (daher) auch die Feststellung, es habe sich bis zum heutigen Zeitpunkt keine Änderung auf Tatsachenebene ergeben, welche für eine Freilassung des Beschwerdeführers spreche, zu treffen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt A. (Fortsetzung der Schubhaft):

Gesetzliche Grundlagen:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß

Die Grundlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft über die Viermonatsfrist im BFA-VG iVm. § 80 FPG lautet:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

Angesichts des Verhaltens des Beschwerdeführers wonach er seit dem 29.08.2019 im Verborgenen, ohne behördliche Meldung gelebt hat, liegt der Tatbestand nach § 76 Abs. 3 Z 1 FPG vor, zumal der Beschwerdeführer dadurch seine Abschiebung umgangen bzw. behindert hat.

Da gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige, durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliegt, ist auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt.

Das Verfahren hat keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass im Fall des Beschwerdeführers Umstände vorliegen, die wegen seiner Verankerung im Bundesgebiet gegen das Bestehen der Fluchtgefahr sprechen. Er verfügt im Inland über keinerlei soziales Netz, welches ihn vom Untertauchen bewahren könnte. § 76 Abs. 3 Z 9 FPG liegt daher gegenständlich ebenfalls vor.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3 und 9 FPG vor.

Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Vor dem Hintergrund des aktuell unbestritten feststehenden Sachverhaltes, welcher bereits umfassend dem angeführten Vorerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes und der Aktenvorlage zugrunde gelegt wurde, waren, wie ausgeführt, keine für den Beschwerdeführer sprechenden Änderungen auf Sachverhaltsebene zu konstatieren.

Im Hinblick auf die weitere Durchführbarkeit der Abschiebung und des von der Verwaltungsbehörde selbst ins Auge gefassten Zeithorizonts von ein bis zwei Monaten erweist sich auch die weitere Anhaltung als verhältnismäßig.

Es war daher die Fortsetzung der Schubhaft auszusprechen.

Zu Spruchpunkt B – Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in allen Spruchpunkten nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Ausreiseverpflichtung Ausreisewilligkeit Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Haftfähigkeit Heimreisezertifikat Mittellosigkeit öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W278.2230887.3.00

Im RIS seit

26.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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