TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/9 W279 2230448-3

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Veröffentlicht am 09.09.2020
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Entscheidungsdatum

09.09.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch

W279 2230448-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX , über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX 1992, Staatsangehörigkeit Afghanistan, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, brachte nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 20.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Dieser wurde Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.05.2017 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung in den Herkunftsstaat verbunden. Die Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes W202 2159724-1/27E vom 29.05.2019 abgewiesen.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 03.04.2020 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG angeordnet. Nach der Entlassung aus der Strafhaft und Verbüßung einer mehrtägigen Verwaltungsstrafhaft wurde der Beschwerdeführer am 12.04.2020 in Schubhaft genommen.

3. Am 22.04.2020 brachte der Beschwerdeführer eine Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die laufende Anhaltung in Schubhaft ein. Mit Erkenntnis vom 24.04.2020, W275 2230448-1/6E, hat das Bundesverwaltungsgericht diese Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft für rechtmäßig erklärt. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen weiterhin vorliegen.

Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen auf das abgeschlossene Asylverfahren und die geringe soziale Verankerung im Bundesgebiet gestützt. In Rahmen der Verhältnismäßigkeit wurde auch die Straffälligkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt.

4. Aus dem Stande der Schubhaft stellte der Beschwerdeführer am 11.06.2020 neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz. Aufgrund der Annahme, dass mittels dieser Antragstellung die Vollstreckung der aufenthaltsbeenden Maßnahme verzögert werden solle, blieb die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG aufrecht.

Begründend verwies das Bundesamt insbesondere auf den Zeitpunkt der Antragstellung im Wissen um eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung und die problemlose Möglichkeit einer Antragstellung während der mehrmonatigen Strafhaft.

Mit Erkenntnis W137 2230448-2/3E des BVwG vom 12.08.2020 wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig war.

5. Am 04.09.2020 langte der Verfahrensakt zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22 Abs. 4 BFA-VG beim Bundesverwaltungsgericht ein. In einem beiliegenden Schreiben führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass im Herbst 2020 wieder Charterflügen nach Afghanistan stattfinden werden.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Er verfügt über keine Personal- oder Reisedokumente. Betreffend den Beschwerdeführer liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung (aus 2019) hinsichtlich seines Herkunftsstaates Afghanistan vor. Ein EU-Laissez-Passer ist für den Beschwerdeführer jederzeit ausstellbar. Eine Abschiebung konnte aufgrund der Situation im internationalen Flugverkehr aufgrund der CoVid-19-Pandemie nicht organisiert werden.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich seit 28.02.2019 in Justizanstalten und Polizeianhaltezentren gemeldet gewesen.

Das Bundesamt hat die gesetzlich vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt und entsprechende Aktenvermerke verfasst. Der Beschwerdeführer wurde wegen der Begehung von Suchtmitteldelikten im März 2017 zunächst zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Die bedingte Nachsicht wurde im April 2019 widerrufen. Im August 2018 wurde der Beschwerdeführer wegen strafbarer Handlungen gegen die Staatsgewalt sowie wegen strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen zu einer bedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten, im April 2019 abermals wegen strafbarer Handlungen gegen die Staatsgewalt, wegen strafbarer Handlungen gegen sie sexuelle Integrität und Selbstbestimmung sowie wegen der Begehung von Suchtmitteldelikten und der Begehung von strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht weiterhin. Die schrittweise Rücknahme der gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit Covid-19 ist bereits angelaufen. Auch Rücknahmen der Restriktionen betreffend den internationalen Luftverkehr sind bereits angelaufen und ist eine Aufnahme des Luftverkehrs in den Herkunftsstaat (zumindest im reduzierte Ausmaß, welche die Abschiebung ermöglicht) binnen weniger Wochen zu erwarten.

Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand – kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt und unter Berücksichtigung des vom Beschwerdeführer angestrengten Asylfolgeverfahrens – mit wenigen Monaten einzustufen. Eine Abschiebung im Herbst 2020 ist jedenfalls realistisch. Das Erfordernis einer HRZ-Ausstellung und die dadurch bedingte Anhaltedauer sind allein dem Beschwerdeführer zuzurechnen.

Der Beschwerdeführer ist gegenwärtig (wieder) Asylwerber. Er ist in besonderem Ausmaß nicht vertrauenswürdig. Er ist in Österreich in keiner Form integriert, spricht nur wenig Deutsch und verfügt über keine familiären oder substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Zudem ist er mittellos. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig sowie jedenfalls haftfähig.

Für eine erhöhte Gefährdung hinsichtlich einer Infektion mit Covid-19 während der laufenden Anhaltung im Polizeianhaltezentrum gibt es keinen Hinweis.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren sowie den Gerichts- und Verwaltungsakten zu seinen Asylverfahren sowie der jüngsten Rückkehrentscheidung (BVwG-GZ 2159724-1). Die Feststellungen bezüglich der Meldeadressen des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Aktenlage. Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen sind dem Strafregister entnommen.

Die Feststellungen betreffend das Asylfolgeverfahren und die Aufrechterhaltung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG ergeben sich aus der Aktenlage. Die entsprechenden Dokumente wurden dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

1.2. Die realistische Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich aus der diesbezüglich grundsätzlich problemlosen Zusammenarbeit mit den Vertretungen und Behörden des Herkunftsstaates. Ein EU-Laissez-Passer kann problemlos jederzeit für den Beschwerdeführer ausgestellt werden. Abschiebungen finden regelmäßig statt. Die Abschiebung des Beschwerdeführers konnte ausschließlich aufgrund der gegenwärtigen Pandemie (CoVid-19) nicht organisiert werden. Charterflüge nach Afghanistan sind geplant. Es ist von einer Abschiebung im Herbst 2020 auszugehen. Da ein EU-Laissez-Passer jederzeit ausgestellt werden kann, ist damit eine Abschiebung im Herbst 2020 nach derzeitigem Stand realistisch.

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in diesem Zeitrahmen auch das laufende Asylfolgeverfahren soweit fortgeschritten ist, dass es einer Abschiebung des Beschwerdeführers nicht mehr entgegensteht.

1.3. Die Feststellungen zur fehlenden Integration des Beschwerdeführers und seiner Vermögenslage ergeben sich aus der Aktenlage. Die in besonderem Maße geminderte Vertrauenswürdigkeit ergibt sich aus der Begehung von Straftaten sowie der Antragstellung auf internationalen Schutz aus dem Stande der Schubhaft zur bloßen Verzögerung der Vollstreckung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Hinweise für ein Fehlen der Haftfähigkeit oder gesundheitliche Probleme sind im Verfahren nicht hervorgetreten. Zudem befand sich der Beschwerdeführer vor Anordnung der Schubhaft über einen längeren Zeitraum in Strafhaft oder anderen Formen der behördlichen Freiheitsentziehung.

1.4. Es gibt keine Hinweise auf ein verstärktes Vorkommen von CoVid-19-Infektionen („Cluster“) in Justizanstalten und Polizeianhaltezentren.

2. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchteil A) (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 – FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

„§ 22a. (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

§22a Abs. 4 bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage, da der Beschwerdeführer seit 12.04.2020 in Schubhaft angehalten wird.

Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen (innerstaatlichen) verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Art 5 Abs. lit. f EMRK und des Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG sowie einfachgesetzlichen Normen des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 – FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 lauten:

Art 5 Abs. 1 lit. F EMRK

(1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
f)         wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.

Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG

(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

§ 76 FPG (in der nunmehr gültigen Fassung)

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 2 - immer noch - vor, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete (Ziffern 1, 3 und 9 des § 76 Abs. 1 FPG), haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Hinzugekommen ist nunmehr auch das Kriterium der Ziffer 5 in der qualifizierten Form (Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz während der Anhaltung in Schubhaft).

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts (in besonderem Umfang) fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit – siehe dazu auch die die Straffälligkeit – kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin.

Verzögerungen im Zusammenhang mit der Abschiebung, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen. Vielmehr kümmerte sich das Bundesamt um die Möglichkeit der jederzeitigen Ausstellung eines EU-Laissez-Passer und konnte ein Flug nur pandemiebedingt nicht organisiert werden.

Die (zum Entscheidungszeitpunkt) voraussichtliche Dauer der Anhaltung ergibt sich aus den oben angeführten Umständen. Es kann gegenwärtig auch keine erhöhte Infektionsgefahr hinsichtlich CoVid-19 während der laufenden Anhaltung in Schubhaft festgestellt werden. Substanzielle gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers sind nicht aktenkundig.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen.

Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der Schubhaft gemäß §76 Abs. 6 FPG. Die Abfassung des einschlägigen Aktenvermerkes ist belegt, womit die Umstellung der Rechtsgrundlage erfolgt ist. Dieser Aktenvermerk verfügt auch über eine – zumindest grundsätzlich – nachvollziehbare Begründung. Darüber hinaus besteht für den Beschwerdeführer jederzeit die Möglichkeit, eine gesonderte Beschwerde gegen die fortgesetzte Schubhaft auf Grundlage des § 76 Abs. 6 FPG zu erheben und diese (inhaltlich) gerichtlich prüfen zu lassen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Berücksichtigung eines unstrittigen oder zweifelsfrei belegten Vorverhaltens entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Haftfähigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W279.2230448.3.00

Im RIS seit

26.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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