TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/9 W259 2212573-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2020
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Entscheidungsdatum

09.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W259 2212573-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ulrike RUPRECHT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Iran, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Perser, reiste ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 20.07.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, dass er mit seinem Cousin auf einen Berg gegangen sei und er seinen Cousin dann tot im Wasser gefunden habe. Die Familie seines Cousins sei der Meinung, dass er mit dem Tod des Cousins etwas zu tun habe. Deshalb hätten sie ihn umbringen wollen. Das sei der Grund seiner Flucht (AS 11).

3. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge kurz „BFA“) am 09.08. 2018 und am 13.11.2018 gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er mit einem Cousin mütterlicherseits und einem Freund auf einen Berg gegangen sei. Sein Cousin sei vom Berg in einen See gestürzt und dort verstorben. Ein Gericht habe entschieden, dass er unschuldig sei und er sei daraufhin freigekommen. Er habe jedoch Angst vor der Familie seines Cousins gehabt und habe deshalb beschlossen, das Land zu verlassen. Einmal habe ihn auch ein Motorrad überfahren und einmal hätten vier Personen ihn zusammengeschlagen. Er habe danach für eine bestimmte Zeit in Teheran gelebt. Er habe in XXXX , seiner Heimatstadt, Angst gehabt (AS 59 f und 110 f)

4. Das BFA wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit dem im Spruch genannten Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Weiters wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.). Gegenüber dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Schließlich sprach das BFA aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde. In der Beschwerdebegründung wurde insbesondere ausgeführt, dass der Beschwerdeführer wegen einer Blutfehde im Iran verfolgt werde und der iranische Staat nicht Willens bzw. nicht in der Lage sei, den Beschwerdeführer vor dieser Verfolgung zu schützen. Zudem drohe dem Beschwerdeführer aufgrund einer Blutfehde unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung. Im Falle einer Abschiebung würde Art. 3 EMRK verletzt werden und mache damit jene unzulässig (AS 245 ff).

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 30.09.2019 in Anwesenheit einer beeideten Dolmetscherin für die Sprache Farsi und im Beisein des rechtskundigen Vertreters des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde.

7. Mit Schreiben vom 14.10.2019 nahm der rechtskundige Vertreter des Beschwerdeführers Stellung zu den Länderberichten.

8. Mit Schreiben vom 14.02.2020 wurde dem Beschwerdeführer die erfolgte Übersetzung der beiden in der mündlichen Verhandlung eingebrachten Unterlagen zum Parteiengehör übermittelt. Es erfolgte keine weitere Stellungnahme durch die Partei.

9. Im Rahmen des Parteiengehörs vom 16.06.2020 und 29.07.2020 wurden dem Beschwerdeführer die aktuellen Länderberichte zu Iran zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Dabei hatte er zusätzlich die Möglichkeit zu allfälligen Änderungen seit der letzten mündlichen Verhandlung ein Vorbringen zu erstatten. Der rechtskundige Vertreter brachte weitere Urkunden sowie Stellungnahmen ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahmen des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA, der eingebrachten Stellungnahme, der im Verfahren vorgelegten Dokumente und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer besitzt die iranische Staatangehörigkeit, gehört der Volksgruppe der Perser an und ist Angehöriger des islamischen Glaubens. Er leidet an keiner lebensbedrohlichen Krankheit. Der Beschwerdeführer leidet an Depressionen und nimmt bei Bedarf Medikamente gegen Stress. In Österreich wurde dem Beschwerdeführer die Einnahme des Medikamentes Quetiapin empfohlen, nachdem vermutet wurde, dass der Beschwerdeführer bereits im Iran wegen einer posttraumatische Belastungsstörung behandelt wurde. Bereits im Iran litt er unter Depressionen und war deshalb auch bei einem Arzt. In Österreich war er zwei Mal bei einem Neurologen. Der Beschwerdeführer befindet sich im erwerbsfähigen Alter und hat den Iran zuletzt legal verlassen.

Der Beschwerdeführer ist am XXXX in der Stadt Teheran geboren und lebte zuletzt in der Stadt XXXX . Er wohnte dort gemeinsam mit seinen Eltern im elterlichen Haus. Zu seiner Familie zählen seine Eltern, eine Schwester und drei Brüder. Seine Eltern und zwei Brüder leben in XXXX . Ein Bruder lebt in Teheran und seine Mutter fährt regelmäßig nach Teheran, um sich medizinisch behandeln zu lassen. Während des Aufenthaltes in Teheran lebt sie bei seinem Bruder. Seine Schwester lebt in Kanada. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Farsi.

Der Beschwerdeführer hat im Iran mehrere Jahre die Schule besucht und diese abgeschlossen. Danach hat er 1 ½ bis 2 Jahre einen Lehrgang „Automechanik“ auf einer Universität besucht. Im Iran hat er als Skilehrer u.a. im väterlichen Skigebiet gearbeitet. Die Familie des Beschwerdeführers ist wohlhabend.

Der Beschwerdeführer steht mit seinen Eltern im Iran in Kontakt. Die Familie des Beschwerdeführers hat im Iran keine finanziellen Probleme.

Im Iran hatte der Beschwerdeführer keine finanziellen Probleme.

Der Beschwerdeführer kann im Falle einer Rückkehr in den Iran bei seiner Familie in XXXX wohnen und von dieser versorgt sowie finanziell unterstützt werden.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer ist in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und hatte darüber hinaus keine Probleme mit Behörden. Er ist kein Mitglied von politischen Parteien und ist bzw. war nicht politisch aktiv.

Der Beschwerdeführer fällt nicht unter die Risikogruppe gemäß der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Definition der allgemeinen COVID-19-Risikogruppe (COVID-19-Risikogruppe-Verordnung), BGBl. II Nr. 203/2020.

1.2. Zum Fluchtgrund:

Der Beschwerdeführer war im Iran nie einer individuellen konkreten Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt.

Dritte beschuldigten den Beschwerdeführer nicht, am Tod eines Cousins schuld zu sein. Ebensowenig wurde der Beschwerdeführer im Iran bedroht. Die Familie des Beschwerdeführers wurde im Iran seit der Ausreise des Beschwerdeführers nicht bedroht.

Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Rückkehr in den Iran keine physische und/oder psychische Gewalt durch Dritte oder die iranische Regierung.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Der Beschwerdeführer hat keine konkrete Verfolgung oder Bedrohung im Falle seiner Rückkehr in den Iran zu befürchten.

Der Beschwerdeführer wäre im Falle einer Rückkehr in den Iran aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter nicht bedroht.

Die Beschwerdeführer hat in der Stadt XXXX bereits bei seinen Eltern gelebt. Eine Rückkehr in die Heimatstadt ist möglich. Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in seine Heimatstadt kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Es kann ausgeschlossen werden, dass eine allfällige Rückführung des Beschwerdeführers in die Stadt XXXX über die Hauptstadt Teheran mit einer ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben verbunden ist.

Der Beschwerdeführer läuft im Falle der Rückkehr in die Stadt XXXX nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Bei einer Rückkehr findet der Beschwerdeführer familiäre Anknüpfungspunkte in seine Heimatstadt vor. Zudem war der Beschwerdeführer selbst in der Heimatstadt berufstätig. Der Beschwerdeführer ist mit den örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten der Stadt XXXX vertraut.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des Beschwerdeführers in die Stadt XXXX ausschließen, konnten nicht festgestellt werden. Er kann dort bei seinen Eltern wohnen und zusätzlich durch seine Familie finanziell unterstützt werden. Des Weiteren kann der Beschwerdeführer zumindest einfache Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten in der Stadt XXXX oder im väterlichen Skigebiet ausüben. Er kann in der Stadt XXXX seine Existenz sichern.

Die Stadt XXXX ist über einen Flughafen direkt erreichbar.

1.4. Zum Leben in Österreich:

Der Beschwerdeführer hält sich seit Juli 2018 in Österreich auf. Sonstige nahe Angehörige des Beschwerdeführers sind nicht in Österreich aufhältig.

Der Beschwerdeführer besuchte in Österreich Integrations- und Deutschkurse. Er konnte in der mündlichen Verhandlung einfache Fragen auf Deutsch nur sehr schwer verstehen und in einem sehr einfachen Deutsch beantworten. Da der Beschwerdeführer keine Arbeitserlaubnis hat, war er bisher in Österreich nicht erwerbstätig. Der Beschwerdeführer übte jedoch Arbeiten in der Gemeinde aus. Er lebt in Österreich von der Grundversorgung und sein Vater schickt ihm manchmal Geld aus dem Iran. Ferner verfügt er über keine Einstellzusage in Österreich. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht Mitglied in einem Verein. Er hat zwei österreichische Freunde. In seiner Freizeit spielt er mit einem Freund Volleyball. Ein ausgeprägtes Sozialleben pflegt der Beschwerdeführer in Österreich nicht.

Der Beschwerdeführer pflegt in Österreich kein besonderes Abhängigkeits- oder Naheverhältnis zu anderen österreichischen Staatsangehörigen.

1.5. Das Bundesverwaltungsgericht trifft aufgrund der im Beschwerdeverfahren eingebrachten aktuellen Erkenntnisquellen folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

1.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 20.06.2020:

Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 4.5.2020).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 4.5.2020; vgl. AA 4.5.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 4.5.2020b).

In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 4.5.2020). In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 4.5.2020b).

Sicherheitsbehörden

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums, die dem Präsidenten berichten, und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC), welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen im ganzen Land, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij-Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten involviert (US DOS 11.3.2020). Organisatorisch sind die Basij den Pasdaran (Revolutionsgarden) unterstellt und ihnen gehören auch Frauen an (AA 26.2.2020). Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (ÖB Teheran 10.2019).

Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über fortschrittlichere Ausrüstung als die reguläre Armee, eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste, die auch mit Inlandsaufgaben betraut sind, sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer (AA 26.2.2020). Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 4.3.2020). Sie betreiben den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügen damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der IRGC Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als

120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Khamenei und den Revolutionsgarden gehören rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018). Längst ist aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden – gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Sehr zum Leidwesen von Hassan Rohani. Der Präsident versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Das gelingt ihm jedoch kaum (Tagesspiegel 8.6.2017; vgl. BTI 2020). Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor nach Belieben – nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen – überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017).

Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela’at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz (AA 26.2.2020).

Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem „Hohen Rat für den Cyberspace“ beschäftigt sich die iranische Cyberpolizei mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU- Menschenrechtssanktionsliste (AA 26.2.2020).

Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete. Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und für Proteste oder Aufstände. Sie wird von den Revolutionsgarden (IRGC) und den Basij Milizen unterstützt. Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den IRGC. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, ist aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BTI 2020).

Der Oberste Führer hat die höchste Autorität über alle Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Fehlverhalten der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter zur Rechenschaft zieht (US DOS 11.3.2020).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insbesondere westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger, nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Misshandlung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 10.2019).

In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Insbesondere die kurdische Region scheint stärker überwacht zu sein, als der Rest des Landes (DIS 7.2.2020).

Grundversorgung

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro) (AA 26.2.2020).

Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 10.2019; vgl. BTI 2020). Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2020 eine anhaltende Rezession, der Internationale Währungsfonds sogar einen Rückgang des BIP. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (ÖB Teheran 10.2019).

Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr viele Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund einer Million Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechende Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger „brain drain“, der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigt (ÖB Teheran 10.2019).

Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht zu großen Teilen unter staatlicher Kontrolle (GIZ 3.2020b). Der staatliche Sektor (staatliche und halbstaatliche Unternehmen) macht etwa 80% der iranischen Wirtschaftstätigkeit aus, während der private und kooperative Sektor nur 20% ausmacht (BTI 2020). So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen, auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher eine eigenständige Wirtschaft nur bedingt entwickeln. Eine etablierte Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe (GIZ 3.2020b). Die iranische Regierung ist der größte Monopolist des Landes, gefolgt von den Revolutionsgarden und anderen einflussreichen Institutionen und Menschen. Es gibt ein Gesetz gegen das Monopol, obwohl noch nie ein Unternehmen oder eine Person für monopolistische Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen wurde (BTI 2020). Erst in den letzten eineinhalb Jahrzehnten wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80- 85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner hängt vom Ölpreis ab. Problematisch sind auch die völlig veralteten Förderanlagen und Raffinerien des Landes. Aufgrund der Sanktionen konnten diese nicht modernisiert werden. Hindernisse bei der Modernisierung iranischer Förderanlagen und Raffinerien führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin lange staatlich subventioniert wurde, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hebt die Regierung den Benzinpreis an oder begrenzt die ausgegebenen Rationen, führt das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 3.2020b). Die letzten Proteste diesbezüglich entfachten sich im November 2019, als der Treibstoffpreis erhöht wurde. Dies war das jüngste Zeichen einer Wirtschaftskrise, die durch eine Kombination aus von den USA geführten Handelssanktionen und Misswirtschaft durch das Regime ausgelöst wurde. Die Krise bereitet der iranischen Bevölkerung ernsthafte Schwierigkeiten und macht sie anfälliger für Ausbeutung (FH 4.3.2020).

Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads (GIZ 3.2020b; vgl. BTI 2020). Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan-e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil-)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company. Politisch steht sie den Revolutionswächtern nahe, viele ihrer hohen Beamten kommen aus deren Reihen. Vor allem mit Hilfe dieser Stiftungen, die beide offiziell direkt dem Revolutionsführer unterstehen, setzt der iranische Staat seine Vorstellungen einer islamischen Wirtschaftspolitik um und verteilt großzügig Gelder für politische Gefälligkeiten (GIZ 3.2020b). Diese Institutionen sind weder der Regierung noch der Justiz gegenüber rechenschaftspflichtig. Außerdem genießen die Bonyads viele Privilegien wie Steuerbefreiungen und einen ausschließlichen Zugang zu lukrativen Regierungsverträgen (BTI 2020).

Sozialbeihilfen

Dem Gesundheitsministerium ist auch die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten „Hohen Versicherungsrat“ (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die „Organisation für Sozialversicherung“ (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in dessen System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen (ÖB Teheran 10.2019). Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Beitragsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch in der Höhe von ca. 20 Euro pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Höhe von 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 3 Euro, sog. Yarane) (AA 26.2.2020).

Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 26.2.2020).

Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber und privaten Anbietern oder Organisationen angeboten werden (IOM 2019).

Eine staatliche Arbeitslosenhilfe gibt es nicht, es sei denn der Rückkehrer oder dessen Arbeitgeber haben monatliche Beiträge an eine entsprechende Versicherungsfirma gezahlt. Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Die Sozialversicherung schützt im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Berufsunfällen und auch bei altersbedingtem Ausscheiden. Seit 2003 wurden die zuständigen Institutionen überholt und zusammengelegt, um Ineffektivität und Redundanzen zu vermeiden. Das System deckt alle Angestellten und Freiberuflichen ab, wobei letztere zwischen verschiedenen Stufen wählen können. Freiwillige Abdeckung ist für vorher versicherte Personen bis 55 Jahre verfügbar (mindestens 30 Tage) sowie für die Gruppe der Berufskraftfahrer. Spezielle Systeme gibt es darüber hinaus für Staatsangestellte und Militärangehörige. Solange Rückkehrende für eine iranische Organisation/Firma arbeiten, übernehmen die Arbeitgeber den Großteil der Beiträge. Ansonsten muss (je nach gewähltem Angebot) selbst eingezahlt werden. Für Angestellte müssen 7% des monatlichen Gehalts abgegeben werden, während Selbstständige und Private einen individuell abgestimmten Beitrag in Gänze bezahlen (IOM 2019).

Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die „sadeqe“, die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, dass der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 3.2020b).

Medizinische Versorgung

Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Das Gesundheitswesen ist zwar fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung, die Qualität schwankt jedoch (GIZ 12.2019c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 29.4.2020a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei bis zu 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khorasan, sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 10.2019).

Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen „Behvarz“ (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) und für durchschnittlich 1.500 Personen zuständig, wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird, und mehr als 85% der ländlichen Bevölkerung in dieser Weise „nahversorgt“ werden. In Städten übernehmen sogenannte „Gesundheitsposten“ in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser. Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren (ca. 3.000 landesweit) zu finden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an ca. 730 städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind (ÖB Teheran 10.2019). 90% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essenziellen Gesundheitsdienstleistungen (IOM 2019).

Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind und die Staatsausgaben für das Gesundheitswesen erheblich zugenommen haben, müssen durchschnittlich 55% der Gesundheitsausgaben von den versicherten Personen in bar direkt an die Gesundheitsdienstleister entrichtet werden („Out-of-pocket expenditure“ ohne staatliche oder von Versicherungen unterstützte Hilfeleistungen), sei es bei staatlichen oder größtenteils privaten sekundären oder tertiären Einrichtungen (ÖB Teheran 10.2019). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, dass die Versorgung des Kranken mit Gütern des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 12.2019c).

Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten, insofern gibt es zwei verschiedene Krankenversicherungen: entweder durch die Arbeit oder privat. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI www.tamin.ir/. Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern abgedeckt (IOM 2019).

Versicherung durch Arbeit: Regierungsangestellte profitieren vom kostenfreien Zugang zur staatlichen Krankenversicherung. Private Firmen decken die Unfallversicherung für ihre eigenen Mitarbeiter (IOM 2019).

Private Versicherung: Mit Ausnahme von Regierungsangestellten müssen sich alle iranischen Bürger selbst privat versichern, wenn deren Arbeitgeber dies nicht bereits erledigen. Um die Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig (IOM 2019).

Salamat Versicherung: Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter: http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html. Die Registrierung erfordert eine geringe Gebühr (IRR 20.000). Pro Jahr sollten 2,450.000 IRR vom Begünstigten eingezahlt werden. Es gibt Ärzte und private Zentren, die eine öffentliche und/oder SALAMAT-Versicherung akzeptieren, um einen Teil der Ausgaben zu decken. Um zu 90% abgedeckt zu sein, muss man sich auf staatliche bzw. öffentliche Krankenhäuser und Zentren beziehen. TAMIN EJTEMAEI Krankenhäuser decken 100% der versicherten Kunden ab (IOM 2019). Die „Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste“ (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisation geschaffen. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die „Imam Khomeini Stiftung“, um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge, wobei letztere kaum Chancen auf eine gute Gesundheitsversorgung haben (ÖB Teheran 10.2019).

Alle iranischen Staatsbürger inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt, wie bereits oben beschrieben, zwei verschiedene Arten von Krankenversicherung: Versicherung über den Arbeitsplatz oder private Versicherung. Beide werden von der öffentlichen Versicherung im Iran TAMIN EJTEMAEI verwaltet. Die Anmeldung erfolgt über www.tamin.ir/. Die Leistungen variieren dabei je nach gewähltem Versicherungsschema. Informationen zu verschiedenen Varianten erhält man bei der Anmeldung.

Notwendige Dokumente: Eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto, und ein vollständiges medizinisches Check-up sind notwendig. Weitere Dokumente können noch verlangt werden. Zuschüsse hängen von der gewählten Versicherung des Klienten ab, über die er/sie während der Registrierung ausführlich informiert wird. Jegliche Kosten werden vom Arbeitgeber getragen, sobald die Person eine Arbeit in Iran aufnimmt. Andernfalls müssen die Kosten selber getragen werden (IOM 2019).

Für schutzbedürftige Gruppen im Iran gibt es zwei Arten von Zentren: Öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, älteren Menschen, Behinderten (inklusive psychischer Probleme), ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem psychosoziale Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen, Suchtbehandlungen, etc. Es gibt einige Zentren unter Aufsicht der BEHZISTI Organisation, welche Personen in Not Hilfe gewähren. Solche Leistungen sind kostenfrei. Aufgrund der hohen Nachfrage und einiger Beschränkungen bevorzugen viele zahlungspflichtige private Zentren (IOM 2019).

Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen den Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen (IOM 2019; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, Fachärzten oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem des Iran. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es für Bürger Privatkrankenhäuser mit Spezialleistungen in größeren Ballungsräumen. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2019).

Rückkehr

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. Eine Einreise ist lediglich mit einem gültigen iranischen Reisepass möglich. Die iranischen Auslandsvertretungen sind angewiesen, diesen jedem iranischen Staatsangehörigen auf Antrag auszustellen (AA 26.2.2020).

Zum Thema Rückkehrer gibt es kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 10.2019).

Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein (DIS/DRC 23.2.2018).

In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen wird berichtet, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie nach Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird wohl nichts geschehen (DIS/DRC 23.2.2018).

Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen betroffen sein (AA 26.2.2020). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online-Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach IStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).

Dokumente (einschließlich Überprüfung)

Gefälschte bzw. mit falschen Angaben erstellte Dokumente sind in Iran einfach erhältlich (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020). Auch echte Dokumente unrichtigen Inhaltes sind einfach zu beschaffen (z.B. ein echtes Stammbuch (Shenasname), in dem Privatpersonen eine nicht existierende Ehefrau eintragen) (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019).

Sowohl die von iranischen Behörden als auch von der afghanischen Botschaft in Iran ausgestellten Dokumente bestätigen unrichtige Angaben. Eine Überprüfung ist seitens der österreichischen Botschaft nicht möglich. Die Überprüfung von Haftbefehlen kann von der Botschaft aufgrund von Datenschutz nicht durchgeführt werden (ÖB Teheran 10.2019).

Die offizielle Registrierungsbehörde nimmt alle iranischen Staatsangehörigen in ihre Datenbank auf. Auslandsvertretungen sind nicht ermächtigt, Auskünfte einzuholen. Ein formales Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren ist nicht bekannt (AA 26.2.2020).

2. Beweiswürdigung:

Der Beschwerdeführer wurde zu Beginn der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gefragt, ob er psychisch und physisch in der Lage sei, der Verhandlung zu folgen. Der Beschwerdeführer bejahte dies (Seite 4 f des Verhandlungsprotokolls). Es wurden im Rahmen des Verfahrens auch keine Befunde vorgelegt, die dieser Darstellung widersprechen. Die Aussagen des Beschwerdeführers sowohl im behördlichen Verfahren als auch vor dem Bundesverwaltungsgericht konnten daher der Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft, insbesondere zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren vor dem BFA, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Farsi. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor dem BFA, in der Beschwerde, in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und den vorgelegten Unterlagen. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Im Hinblick auf die Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass er zwar bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 13.11.2018 anführte, keine Religion zu haben (AS 109), jedoch sowohl bei seiner Erstbefragung als auch in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, schiitischer Muslim zu sein (AS 3 und Seite 33 des Verhandlungsprotokolls). Es konnte sohin festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer der islamischen Glaubensgemeinschaft angehört.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer bei Bedarf auch Medikamente gegen Stress einnehme und zwei Mal bei einem Neurologen gewesen sei, ergibt sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung in Zusammenschau mit seinen Ausführungen vor dem BFA. Die empfohlene Medikation aufgrund der vermuteten Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung im Iran, ergibt sich aus dem Ambulanzbericht der XXXX , Klinikum XXXX vom 28.06.2019. Weitere medizinische Unterlagen wurden nicht vorgelegt. Eine lebensbedrohliche Erkrankung ergibt sich jedoch weder aus den Angaben des Beschwerdeführers noch aus den vorgelegten Unterlagen. Es konnten daher die entsprechenden Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand getroffen werden (AS 106; Seite 4 f des Verhandlungsprotokolls; OZ 10, 16 und 17).

Dass sich der Beschwerdeführer im erwerbsfähigen Alter befindet, ergibt sich unter Zugrundelegung seines Geburtsdatums.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburts- und Aufenthaltsort, seinen Wohn- und Vermögensverhältnissen, seinen Sprachkenntnissen, seinen Familienangehörigen und deren Aufenthaltsort und Vermögensverhältnisse sowie zu seinem beruflichen und schulischen Werdegang sind chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozio-ökonomischen Strukturen im Iran plausibel. In diesem Zusammenhang gab der Beschwerdeführer auch an, den Iran legal verlassen zu haben. Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang getätigten Angaben waren im Wesentlichen gleichbleibend und widerspruchsfrei (AS 7, 67 f und 107 bis 110; Seite 31 bis 34 des Verhandlungsprotokolls).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer unbescholten ist und keine Probleme mit den österreichischen Behörden hatte, ergibt sich jeweils durch Einsichtnahme in einen aktuellen Strafregisterauszug. Der Beschwerdeführer gab auch nachvollziehbar an, nicht Mitglied einer Partei gewesen und im Herkunftsstaat nicht strafrechtlich verurteilt worden zu sein (Seite 34 des Verhandlungsprotokolls).

2.2. Zum Fluchtgrund und zur Rückkehr:

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Iran nie einer individuellen Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt war und auch nicht im Falle einer Rückkehr in den Iran eine konkrete Verfolgung oder Bedrohung zu befürchten hat, ergibt sich aus seinem diesbezüglichen Vorbringen in Zusammenschau mit den Länderfeststellungen. Die Angaben des Beschwerdeführers seinen Fluchtgrund betreffend waren im Verfahren unsubstantiiert, unplausibel und in wesentlichen Teilen der Fluchtgeschichte widersprüchlich. Der Beschwerdeführer war insbesondere im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, ein plausibles, substantiiertes und glaubhaftes Vorbringen zu erstatten, sodass eine konkrete Verfolgungs- bzw. Bedrohungssituation nicht festgestellt werden konnte.

So führte der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA als Fluchtgrund an, dass er mit einem Cousin mütterlicherseits und einem Freund auf einen Berg gegangen sei und sie dort übernachtet hätten. Sein Cousin sei gestürzt und in einem See gestorben. Das Gericht habe entschieden, dass er unschuldig sei und er sei freigekommen. Es sei jedoch ein familiäres Problem entstanden und er habe Angst vor der Familie seines Cousins gehabt (AS 110 f).

In weiterer Folge führte er zwei zusätzliche Vorfälle an. Einmal sei er von einem Motorrad überfahren worden und ein anderes Mal hätten ihn vier Personen auf der Straße aufgehalten und geschlagen. Darüber hinaus gebe es auch noch viele Vorfälle, bei denen Personen enthauptet oder getötet worden seien. Auf ausdrückliche Nachfrage, relativierte der Beschwerdeführer diese Aussage wiederum und gab erklärend an, dass diese Aussage nur eine Information über die allgemeine Sicherheitslage sei (AS 111). Der Beschwerdeführer war jedoch nicht in der Lage, nachvollziehbar darzustellen, dass es einen Zusammenhang zwischen den beiden geschilderten Vorfällen und der Familie seines Cousins gibt. So antwortete er auf die Frage, woher er wisse, dass die Angriffe mit der Familienstreitigkeit zusammenhängen würden, dass er außer mit diesen Verwandten mit niemanden jemals Probleme gehabt habe. Diese seien hinter ihm her. Somit beruhen die Angaben des Beschwerdeführers nur auf Mutmaßungen und Spekulationen. Auch seine Aussage, dass er wisse, dass diese Vorfälle zusammenhängen würden, vermag daran nichts zu ändern. Diese Aussage begründete er in weiterer Folge damit, dass sein Vater herausgefunden habe, dass die Personen im Auftrag des Mannes seiner Tante geschickt worden seien. Dies habe sein Vater durch Freunde herausgefunden. Sein Vater habe überall nachgefragt (AS 112). Diese Aussage kann jedoch nur als Schutzbehauptung gewertet werden, nachdem der Beschwerdeführer zuvor auf die Frage, woher er wisse, dass diese Angriffe mit der Familienstreitigkeit zusammenhängen würden, noch ausdrücklich angab erklärte, dass er außer mit diesen Verwandten mit niemanden jemals Probleme gehabt habe. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer nicht bereits auf diese konkrete Frage, die Erklärung im Zusammenhang mit seinem Vater anführte. Zudem führte er in seiner Einvernahme vor dem BFA am 09.08.2018 noch an, dass er ein weiteres Mal inhaftiert worden sei, weil er beschuldigt worden wäre, mit einer Frau geschlafen zu haben. Er sei vier Monate in das Gefängnis gekommen. Er denke, dass die Familie des verstorbenen Cousins das alles gegen ihn angezettelt habe (AS 60). Einen entsprechenden Vorfall gab der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme am 13.11.2018 vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht mehr an. Mit seinem diesbezüglichen Aussageverhalten vermittelte der Beschwerdeführer somit vielmehr den Eindruck, nicht immer bei der Wahrheit zu bleiben.

Des Weiteren sind die Angaben des Beschwerdeführers vor dem BFA auch nicht mit seinen Aussagen in der mündlichen Verhandlung in Einklang zu bringen. Bereits zu Beginn führte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung von sich aus an, dass sein Freund, mit dem er wandern gegangen sei, in einen See gefallen und ertrunken sei. Dies sei jedoch nicht richtig protokolliert worden. Im Protokoll sei festgehalten, dass er von einem Berg in den See hineingefallen sei (Seite 31 f des Verhandlungsprotokolls). Somit gab der Beschwerdeführer nunmehr an, dass es sich bei dem Verstorbenen um seinen Freund gehandelt habe. Einen Cousin erwähnte er in diesem Zusammenhang nicht. Führte er vor dem BFA noch ausdrücklich an, dass er mit einem Cousin mütterlicherseits auf einen Berg gegangen sei, führte der Beschwerdeführer erst zu einem späteren Zeitpunkt in der mündlichen Verhandlung wiederum an, dass er mit einem befreundeten Cousin väterlicherseits seines Vaters einen Ausflug zu einem Berg gemacht habe. Diesen habe er dann tot im Wasser gefunden (AS 110; Seite 37 des Verhandlungsprotokolls). Vor diesem Hintergrund war der Beschwerdeführer sohin nicht in der Lage, einheitliche Angaben über die Person zu machen, die er angeblich tot aufgefunden habe.

Auch die Angaben zu dem angeblich im Iran durchgeführten Gerichtsverfahren divergieren in wesentlichen Punkten. Führte der Beschwerdeführer vor dem BFA noch ausdrücklich an, dass ein Gericht entschieden habe, dass er unschuldig sei und er daraufhin freigekommen sei, stellte er das Gerichtsverfahren in der mündlichen Verhandlung wiederum so dar, dass sein Anwalt in einem ersten Gerichtsverfahren auf seine Unschuld plädiert habe. Die zweite Partei habe jedoch dagegen eine Beschwerde gemacht und ihn beschuldigt. In diesem Zusammenhang führte der Beschwerdeführer selbst an, dass es noch kein Urteil gebe. Er würde nach wie vor von seinem Anwalt vertreten werden. Im Gegensatz dazu gab der Beschwerdeführer vor dem BFA klar an, dass er im Gericht freigesprochen worden sei (AS 110 und 112; Seite 34 des Verhandlungsprotokolls)

In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer ergänzend an, dass er im Iran zweimal inhaftiert worden sei und er bei einem Gefängnisaufenthalt mit einem Messer angegriffen worden sei. Er habe 40-45 Messerstiche bekommen. So habe er sich zuerst zwei Tage in Untersuchungshaft und danach eine Woche im Gefängnis befunden. Danach sei er auf Kaution freigelassen worden und nach einer Woche wieder festgenommen worden. In der Folge sei er dann ein bis zwei Monate in Haft gewesen. Dies seien die einzigen Haftaufenthalte gewesen. Das zweite Mal sei er festgenommen worden, weil ein Richter die Kaution erhöht habe. Die Familie habe dann Besitzurkunden für zwei Häuser hinterlegt und er habe freigelassen werden können (Seite 36 und 40 des Verhandlungsprotokolls). Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 09.08.2018 führte der Beschwerdeführer zuerst noch an, dass er im Iran einige Jahre im Gefängnis gewesen sei. Bei seiner Befragung am 13.11.2018 erklärte er jedoch, dass er zwei Tage und eine Woche inhaftiert worden sei (AS 56, 59 f und 112). Angesichts dessen muss sich der Beschwerdeführer einerseits ein widersprüchliches und andererseits eine Steigerung seines Fluchtvorbringens vorwerfen lassen. Führte er doch vor dem BFA zu keinem Zeitpunkt aus, dass während seiner Haft 40 bis 45 Mal mit einem Messer auf ihn eingestochen worden sei. Vor dem BFA wurde der Beschwerdeführer zudem konkret gefragt, ob er in Haft gewesen oder ob er jemals festgenommen worden sei und wenn ja, warum und wie oft. Auf diese Frage verwies der Beschwerdeführer aber lediglich auf seine bisherigen Aussagen und führte keine weitere Inhaftierung an. Auch in der Beschwerdeschrift finden sich dazu keine Ausführungen. Dort wird wiederum nur ein Monat im Rahmen einer Untersuchungshaft angeführt (AS 113 und 246). Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer nicht bereits in der Einvernahme vor dem BFA diese Situationen dargestellt hat, zumal sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen wäre, bereits im behördlichen Verfahren ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein gesteigertes Vorbringen nicht als glaubwürdig anzusehen. Vielmehr müsse grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299), weil es der Lebenserfahrung entspricht, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261, mwH). Es ist eher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mit seiner gesteigerten Aussage versucht, seinem Vorbringen einen zusätzlichen Aspekt hinzuzufügen, um seine Lage im Iran schlechter darzustellen als sie tatsächlich ist, weshalb seine Angaben nur als Schutzbehauptung gewertet werden konnten. Es waren daher entsprechende Feststellungen zu treffen.

Der Beschwerdeführer versuchte seine Aussage auf Vorhalt, warum er vor dem BFA angeführt habe, dass das Gericht entschieden habe, dass er unschuldig sei, zu relativieren, indem er anführte, dass es ein erstes Gerichtsverfahren gegeben habe und der Richter ihn dort freigesprochen habe. Nach einiger Zeit hätten sie aber ein Schreiben erhalten, dass der Fall wieder aufgerollt werde und nun drei Richter über seinen Fall entscheiden würden. Er erfahre jedoch nicht, wie es mit seinem Gerichtsverfahren weitergehe oder ob es bereits ein Gerichtsurteil gebe. Dies begründete er damit, dass seine Familie nicht wolle, dass er sich Sorgen mache (Seite 41 des Verhandlungsprotokolls). Diesen Aussagen kann jedoch kein Glaube geschenkt werden, nachdem der Beschwerdeführer vor dem BFA zuletzt noch eine gänzlich andere Fluchtgeschichte darstellte und seine Flucht auf eine private familiäre Streitigkeit begründete (AS 110 f). In diesem Zusammenhang führte der Beschwerdeführer auf die Frage: „Sie befürchten demnach eine Private Bedrohung aufgrund einer Familienstreitigkeit?“ an: „Ja, das stimmt genauso.“ (AS 111). Im Gegensatz dazu antwortete der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nunmehr auf die Frage, was der fluchtauslösende Grund gewesen sei und warum er den Iran verlassen habe, dass er bereits einen Anwalt gehabt habe und es dann einen Gerichtstermin gegeben habe. Vor diesem Termin sei er geflüchtet, weil er Angst davor gehabt habe, das Urteil könne gegen ihn sein. Nachdem er zum Gerichtstermin nicht erschienen sei und der Ladung, die er vorgelegt habe, nicht gefolgt sei, würde seine Flucht so interpretiert, dass er vor einer Straftat geflüchtet sei. Auf Nachfrage, wann dieser Gerichtstermin gewesen sei, verwies der Beschwerdeführer auf das vorgelegte Schreiben (Seite 41 f des Verhandlungsprotokolls; Beilage ./VIII). Die im Verfahren vorgelegten Schreiben wurden übersetzt und findet sich darauf das Datum 24.02.2019 bzw. 11.03.2019 betreffend das Schreiben mit dem Titel „Schriftstück zur Vorführung des Beschuldigten“ sowie das Ausstellungsdatum 04.05.2019 betreffend das Schreiben mit dem Titel „Warnschreiben“ (OZ 13). Vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer seit Juli 2018 in Österreich aufhältig ist, kann der Darstellung, dass er sich aufgrund eines Gerichtstermins, der mit einem Schreiben aus dem Jahr 2019 bekannt gegeben wurde, entschlossen habe, den Iran zu verlassen, nicht geglaubt werden.

Aus den vorgelegten Dokumenten ergibt sich darüber hinaus auch keine konkrete Bedrohungssituation für den Beschwerdeführer und geht darüb

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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