TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/9 W185 2226523-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2020
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Entscheidungsdatum

09.09.2020

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch

W185 2226523-1/7E

W185 2226525-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX alias XXXX und 2.) mj. XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch den Kindesvater XXXX , beide StA. des Iran, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.11.2019, Zl. 1.) 1248378805-191013986 und 2.) 1248378707-191013994, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 idgF und § 61 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer ist der Vater des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers. Der Erstbeschwerdeführer stellte für sich und den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer nach versuchter Einreise nach Deutschland, Einreiseverweigerung und Zurückweisung nach Österreich, am 05.10.2019 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

Eurodac-Treffermeldungen liegen nicht vor. Der im Akt aufliegenden Abfrage des Visa-Informationssystems ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführer im Besitz von Visa der Kategorie C, ausgestellt von der tschechischen Vertretungsbehörde in Teheran, mit einer Gültigkeit vom 25.09.2019 – 13.10.2019, waren.

Im Zuge der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.10.2019 gab der Erstbeschwerdeführer zusammengefasst an, der Einvernahme ohne gesundheitliche Probleme folgen zu können. Der Erstbeschwerdeführer sei gemeinsam mit dem mj Zweitbeschwerdeführer am 25.09.2019 aus dem Herkunftsstaat mittels Flugzeug legal nach Tschechien gereist. Ein Schlepper habe ihm und seinem Sohn das tschechische Visum besorgt. Seine Frau habe kein Visum bekommen und lebe bei Verwandten im Iran. Die Beschwerdeführer seien dann mittels Bus von Prag nach Wien und weiter von Wien nach XXXX gereist. In Tschechien hätten sich die Beschwerdeführer 4 Tage aufgehalten; einen Behördenkontakt oder eine ED-Behandlung habe es dort nicht gegeben. Das Zielland sei Deutschland gewesen, da er der Erstbeschwerdeführer dort Freunde habe. In Deutschland hätten sie einen Asylantrag gestellt, welcher jedoch nicht akzeptiert worden sei; in der Folge seien die Beschwerdeführer nach Österreich zurückgeschickt worden. In Österreich oder einem anderen Mitgliedstaat der EU habe der Erstbeschwerdeführer keine weiteren Familienangehörigen. Die Beschwerdeführer würden weder nach Deutschland noch nach Tschechien zurückkehren, sondern in Österreich bleiben wollen.

Am 08.10.2019 richtete das Bundesamt ein auf Art. 12 Abs. 2 oder 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: „Dublin III-VO“) gestütztes Gesuch an Tschechien, die Beschwerdeführer aufzunehmen. Dies unter Hinweis auf die von Tschechien ausgestellten Visa der Kategorie C.

Mit Schreiben vom 21.11.2019 stimmte Tschechien der Aufnahme der Beschwerdeführer nach Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ausdrücklich zu (AS 111).

Im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesamt am 26.11.2019 gab der Erstbeschwerdeführer, in Anwesenheit einer Rechtsberaterin und nach durchgeführter Rechtsberatung, verfahrenswesentlich an, „ein bisschen Stress“ zu haben, sich jedoch in der Lage zu fühlen, die Befragung zu absolvieren. Er leide nicht an Erkrankungen und müsse keine Medikamente einnehmen. Der mj Zweitbeschwerdeführer hingegen sei krank und sei auch in Behandlung. Er müsse alle zwei Wochen ins Krankenhaus, um eine Blutkontrolle durchführen zu lassen. Er müsse momentan keine Medikamente einnehmen; es könne jedoch sein, dass er Blutungen bekomme und dann ins Krankenhaus müsse. Er habe zuletzt vor zwei Monaten im Iran Medikamente (Prednisolon) genommen. Der Zweitbeschwerdeführer habe diese Krankheit seit etwa einem Jahr. Seit die Beschwerdeführer in Europa seien, habe der mj Zweitbeschwerdeführer keine Anfälle gehabt. Der Erstbeschwerdeführer legte diesbezügliche medizinische Unterlagen vor und erklärte sich mit der Einholung von medizinischen Unterlagen und ärztlichen Befunden einverstanden. Der Erstbeschwerdeführer gab weiters bisher im Verfahren wahre Angaben erstattet zu haben; dies auch hinsichtlich des Reiseweges. Der Erstbeschwerdeführer sei weder in ärztlicher Behandlung noch in einer Therapie und nehme auch keine Medikamente ein. Die Beschwerdeführer hätten sich für fünf Tage in Tschechien aufgehalten. Der Zweitbeschwerdeführer habe keine eigenen Fluchtgründe. Eine Tante des Zweitbeschwerdeführers lebe in Deutschland. Ein Cousin des Erstbeschwerdeführers lebe in Österreich; eine besonders enge Beziehung zu diesem bestehe aber nicht. Die Beschwerdeführer hätten diesen hier einmal getroffen und fünf bis sechs Mal miteinander telefoniert. Weiters lebe eine Cousine des Erstbeschwerdeführers in Österreich; zu dieser bestehe kein Kontakt. Über Vorhalt, dass Tschechien der Übernahme der Beschwerdeführer zugestimmt habe und daher beabsichtigt sei, die Asylanträge der Beschwerdeführer als unzulässig zurückzuweisen und die Außerlandesbringung nach Tschechien zu veranlassen, erklärte der Erstbeschwerdeführer, nicht nach Tschechien zurückkehren zu wollen. Er habe „recherchiert“ und herausgefunden, dass er dort keinen positiven Asylbescheid bekommen werde. Die Aufnahmequote in Deutschland liege bei 35%, in Tschechien lediglich bei 2,76%. Die tschechische Bevölkerung hasse Flüchtlinge. Er habe ein Visum von Tschechien und Angst, deswegen in Tschechien ins Gefängnis zu kommen. Auch würden seine Verfolger wissen, dass die Beschwerdeführer tschechische Visa hätten; die angesprochenen Verfolger würden ihn daher in Tschechien finden und töten. Über Nachfrage nach konkreten Vorfällen gegen die Beschwerdeführer in Tschechien, gab der Erstbeschwerdeführer an, dass ihnen während ihres Aufenthaltes in Tschechien nichts passiert sei. Er habe aber gesehen, dass andere Asylwerber von Tschechen geschlagen worden seien. Was in den Länderfeststellungen zu Tschechien stehe, stimme nicht mit dem überein, was er in Tschechien gesehen habe. Ergänzend gab der Erstbeschwerdeführer noch an, während des Aufenthaltes in Tschechien einen Anruf seiner Verfolger bekommen zu haben und aufgefordert worden sei, in den Iran zurückzukehren. Der Erstbeschwerdeführer legte diverse Unterlagen zur Situation in Tschechien vor.

Aus den, den mj Zweitbeschwerdeführer betreffenden medizinischen Unterlagen, insbesondere einen Ambulanzbrief der pädiatrischen Hämatologie/Onkologie/Gerinnungsambulanz eines Klinikums vom 29.10.2019 und einer Abdomensonographie, ergeben sich folgende Diagnosen:

Idiopathische Thrombozytopenie (Anm: Blutungsstörung); Hepatomegalie wie bei einer Steatose; mäßige Splenomegalie, keine Lymphome

Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Art. 12 Abs. 2 oder 3 Dublin III-VO Tschechien für die Prüfung der Anträge zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Tschechien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Tschechien wurden in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert und gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (MVCR 5.8.2016; vgl. MVCR o.D.a, MVCR o.D.b für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).

Quellen:

?        MVCR – Tschechisches Innenministerium (5.8.2016): Procedure for Granting International Protection in the Czech Republic, http://www.mvcr.cz/mvcren/article/procedure-for-granting-international-protection-in-the-czech-republic.aspx, Zugriff 11.4.2018

?        MVCR – Tschechisches Innenministerium (o.D.a): Course of administrative proceedings for granting international protection, http://www.mvcr.cz/mvcren/article/course-of-administrative-proceedings-for-granting-international-protection.aspx, Zugriff 11.4.2018

?        MVCR – Tschechisches Innenministerium (o.D.b): Court review of actions and cassation complaints filed against decisions issued during administrative proceedings for granting international protection, http://www.mvcr.cz/mvcren/article/court-review-of-actions-and-cassation-complaints-filed-against-decisions-issued-during-administrative-proceedings-for-granting-international-protection.aspx, Zugriff 11.4.2018

Dublin-Rückkehrer

In der Tschechischen Republik werden Take charge-Rückkehrer automatisch in ein Aufnahmezentrum gebracht, wo diese gefragt werden, ob ihr Verfahren in der Tschechischen Republik fortgesetzt werden soll.

?        Wenn ja, wird der Rückkehrer registriert, der Antrag formell eingebracht und das Verfahren fortgesetzt.

?        Wenn der Rückkehrer kein Verfahren in der Tschechischen Republik wünscht, wird dieses formell beendet. Der Rückkehrer könnte beantragen in einem freiwilligen Rückkehrverfahren registriert zu werden, ansonsten fällt er unter das Fremdenrecht.

Im Falle von Take back-Rückkehrern deren vorhergehendes Asylverfahren noch läuft, werden diese in ein Asylzentrum gebracht und das Verfahren wird fortgesetzt.

Take back-Rückkehrer deren vorhergehendes Asylverfahren bereits abgeschlossen ist, werden in ein Aufnahmezentrum gebracht und gefragt, ob sie einen neuen Antrag auf internationalen Schutz stellen wollen.

?        Wenn ja, wird der Rückkehrer erneut registriert und der Antrag auf internationalen Schutz formell eingebracht (gilt als Folgeantrag).

?        Wenn kein Asylantrag gestellt wird, wird das Verfahren beendet. Der Rückkehrer könnte beantragen, in einem freiwilligen Rückkehrverfahren registriert zu werden. Ansonsten steht der Status der Person unter dem Alien Act-Verfahren. Der Rückkehrer könnte beantragen in einem freiwilligen Rückkehrverfahren registriert zu werden, ansonsten fällt er unter das Fremdenrecht.

Die Versorgung von Dublin-Rückkehrern in der Tschechischen Republik unterscheidet sich nicht von jener für andere Antragsteller (EASO 24.10.2017).

Dublin-Rückkehrer haben Zugang zum Asylverfahren. Wenn ein vorheriges Asylverfahren eingestellt wurde weil sich der Antragsteller dem Verfahren entzogen hat (z.B. Nichterscheinen zum Interview), wird ein neuer Antrag inhaltlich behandelt. Wenn ein Rückkehrer bereits eine inhaltlich negative Asylentscheidung in der Tschechischen Republik erhalten hat, muss ein Folgeantrag neue Elemente enthalten um zulässig zu sein. Dublin-Rückkehrer haben denselben Zugang zu kostenloser Gesundheitsversorgung und Unterbringung wie andere Antragsteller (MVCR 16.8.2016).

Quellen:

?        EASO – European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query. Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail

?        MVCR – Tschechisches Innenministerium (16.8.2016), per E-Mail

Non-Refoulement

Personen, welche die Bedingungen für internationalen Schutz nicht erfüllen, aber wegen eines Risikos ernster Gefährdung nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können, können subsidiären Schutz erhalten (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

?        USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Czech Republic, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395772.html, Zugriff 11.4.2018

Versorgung

Die Tschechische Republik verfügt zur Unterbringung von Asylwerbern über Empfangszentren, Unterbringungszentren und Integrationsasylzentren. Sie alle unterstehen dem tschechischen Innenministerium und werden von der Refugee Facility Administration verwaltet. Zuerst kommen Antragsteller in ein geschlossenes Reception Center (ReC). ReC gibt es in Zastávka u Brna und am Flughafen Prag Ruzyn?. Der Aufenthalt ist dort verpflichtend, es erfolgen Maßnahmen zur Identitätsfeststellung und eine medizinische Untersuchung. Neben der Unterkunft und Verpflegung gibt es in ReC soziale und psychologische Dienste, medizinische Versorgung etc. Danach kommen Asylwerber bis zum rechtskräftigen Ende ihres Verfahrens in ein offenes Residential Center (RC), in dem sie das Recht auf Unterkunft, Verpflegung, rechtliche und psychologische Hilfe usw., sowie ein Taschengeld haben. Sozialarbeit hat einen hohen Stellenwert. RC gibt es in folgenden Gemeinden: Kostelec nad Orlicí und Haví?ov. Wenn Asylwerber über Finanzmittel über dem Existenzminimum verfügen, müssen sie sich an den Kosten für Unterkunft und Essen beteiligen. Asylwerber haben unter bestimmten Voraussetzungen das Recht auch außerhalb des Unterbringungszentrums privat zu wohnen. Schutzsuchende können dann auch, wiederum unter bestimmten Bedingungen, für 3 Monate finanzielle Zuwendungen erhalten (MVCR 5.8.2016; vgl. RFA o.D., NIEM 12.2017). Die Bedürfnisse vulnerabler Personen werden bei der Unterbringung berücksichtigt (AA 11.11.1999). Es gibt darüber hinaus noch drei Schubhafteinrichtungen in B?lá pod Bezd?zem, Vyšní Lhoty und Balková (RFA o.D.; vgl. NIEM 12.2017).

Die Höhe des Taschengeldes liegt in den Zentren in denen Essen bereitgestellt wird, bei 1,20 Euro pro Person und Tag. In den Zentren in denen selbst gekocht werden kann, liegt sie bei 4,50 Euro. Die Qualität der Unterbringung wird alle 6 Monate kontrolliert. Unabhängige Überprüfungen durch den Ombudsmann sowie das Gesundheitsamt sind möglich. Tschechien verfügt über etwa 673 Unterbringungsplätze, inklusive jener für Vulnerable und UMA. In den Empfangszentren gibt es Büchereien, Interneträume, Sportplätze, Gelegenheiten zur künstlerischen, handwerklichen und musischen Betätigung, Bereiche für Kinder und Basis-Sprachkurse. In den offenen Unterbringungszentren gibt es zusätzlich Möglichkeiten außerhalb der Zentren, wie etwa Ausflüge (EMN 2014). Nach Ablauf von sechs Monaten ab Antragstellung, haben Asylwerber legalen Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn sie über eine gültige Arbeitserlaubnis der regionalen Niederlassung des Arbeitsmarktservices der Tschechischen Republik verfügen (MVRC 7.3.2017).

Quellen:

?        AA – Asylum Act (11.11.1999), Stand: 3.4.2016, http://www.mvcr.cz/mvcren/file/asylum-act.aspx, Zugriff 11.4.2018

?        EMN – European Migration Network (2014): The Organisation of Reception Facilities for Asylum Seekers in different Member States (veröffentlicht von Europäische Kommission), http://www.emnbelgium.be/sites/default/files/publications/emn_organisation_of_reception_facilities_january_2014_3.pdf, Zugriff 11.4.2018

?        MVCR – Tschechisches Innenministerium (5.8.2016): Procedure for Granting International Protection in the Czech Republic, http://www.mvcr.cz/mvcren/article/procedure-for-granting-international-protection-in-the-czech-republic.aspx?q=Y2hudW09Mw%3D%3D, Zugriff 11.4.2018

?        MVCR – Tschechisches Innenministerium (7.3.2017): Information for employers, http://www.mvcr.cz/mvcren/article/information-for-employers.aspx, Zugriff 11.4.2018

?        NIEM – National Integration Evaluation Mechanism (12.2017): Asylum seekers and beneficiaries of international protection in V4 countries, https://www.clovekvtisni.cz/media/publications/876/file/v4niem-repot-cz-hu-pl-sk-complete.pdf, Zugriff 11.4.2018

?        RFA – Refugee Facilities Administration (o.D.): Facilities aministered by RFA of the Ministry of the Interior, http://www.suz.cz/en/, Zugriff 11.4.2018

Medizinische Versorgung

Asylwerber genießen die Leistungen des öffentlichen Krankenversicherungssystems (MVCR o.D.b).

Das tschechische Finanzministerium bezahlt die monatlichen Sozialversicherungsbeiträge für bestimmte Gruppen wirtschaftlich inaktiver Personen, darunter auch Asylwerber (HiT 2015).

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen

von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Quellen:

?        HiT – European Observatory on Health Systems and Policies: Health Systems in Transition, Vol. 17 No. 1 2015; Czech Republic, Health system review, 2015, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1441871505_czech-hit.pdf, Zugriff 11.4.2018

?        MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail

?        MVCR – Tschechisches Innenministerium (o.D.b): Court review of actions and cassation complaints filed against decisions issued during administrative proceedings for granting international protection, http://www.mvcr.cz/mvcren/article/court-review-of-actions-and-cassation-complaints-filed-against-decisions-issued-during-administrative-proceedings-for-granting-international-protection.aspx, Zugriff 11.4.2018

Schutzberechtigte

Anerkannte Flüchtlinge erhalten Asyl auf unbestimmte Zeit. Subsidiär Schutzberechtigte bekommen eine befristete Aufenthaltserlaubnis für ein bis zwei Jahre, die verlängerbar ist. Sowohl anerkannte Flüchtlinge als auch subsidiär Schutzberechtigte haben den gleichen Zugang zu Arbeitsmarkt, Bildung, Gesundheits- und Sozialhilfesystem wie tschechische Staatsbürger (NIEM 12.2017).

Die Integrationsasylzentren (Integration Asylum Centers – IAC) in Jarom??, P?edlice, Brünn und ?eská Lípa dienen als temporäre Unterkünfte für Schutzberechtigte. In diesen Zentren stehen separate Wohneinheiten zur Verfügung und für die Miete und Betriebskosten wird ein Selbstbehalt eingehoben. Für Schutzberechtigte wird ein individueller Integrationsplan für zwölf Monate mit Hilfe eines Sozialarbeiters erstellt, der je nach Integrationsverlauf aktualisiert wird. Die Teilnahme daran erfolgt freiwillig. Gemäß dem aktuellen staatlichen Integrationsplan haben international Schutzberechtigte (anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte) neben der temporären Unterbringung ein Recht auf Sprachtraining (kostenloser Kurs im Ausmaß von 400 Stunden) und Unterstützung bei der Suche nach Arbeit, permanenter Unterkunft, Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen (MVCR 7.3.2017). Im Jahr 2016 erhielten 319 Personen Unterstützung im Rahmen des Integrationsprogramms. Davon bekamen 125 Personen Hilfe von Sozialarbeitern bei der Wohnungssuche, 30 Personen fanden einen Arbeitsplatz und 73 Personen nahmen an einem Sprachkurs teil (NIEM 12.2017).

In die Umsetzung des staatlichen Integrationsprogramms sind auch NGOs eingebunden, wie etwa Counselling Centre for Integration (PPI), Caritas Czech Republic, Organisation for Aid to Refugees (OPU), Centre for Integration of Foreigners (CIC), Association for Integration and Migration) (SIMI) oder InBáze (InBaze) etc. Diese arbeiten u.a. auf den Gebieten Unterbringung und Beschäftigung von Schutzberechtigten (MVCR 7.3.2017).

Bei der Integration wird jedoch kritisiert, dass die vier Asylintegrationszentren in eher strukturschwachen Gegenden mit hoher Arbeitslosigkeit liegen (CoE 13.10.2015). Außerdem berichten die Caritas, die im ersten Jahr mit der Überwachung der Umsetzung des Integrationsprogramms beauftragt wurde, und einige direkt am Programm beteiligte Organisationen, dass die unterschätzten Verwaltungskosten, die Unzuverlässigkeit der für die Sprachkurse zuständigen Sprachagentur und die suboptimale Kommunikation mit dem Innenministerium die erfolgreiche Durchführbarkeit des Integrationsprogramms beeinträchtigt haben. Weiters wird angemerkt, dass trotz der positiven Bestrebungen seitens der Regierung, weiterhin ein eindeutiger Weiterentwicklungs- und Verbesserungsbedarf bei Integrationsmaßnahmen in der Tschechischen Republik besteht (Globsec 5.2017).

Quellen:

?        CoE-ECRI – Council of Europe – European Commission against Racism and Intolerance (13.10.2015): ECRI Report on the Czech Republic (fifth monitoring cycle), http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1460532419_cze-cbc-v-2015-035-eng.pdf, Zugriff 11.4.2018

?        Globsec (5.2017): Migration politics and policies in Central Europe, https://www.globsec.org/wp-content/uploads/2017/08/migration_politics_and_policies_in_central_europe_web.pdf, Zugriff 11.4.2018

?        MVCR – Tschechisches Innenministerium (7.3.2017): Integration of recognized refugees, http://www.mvcr.cz/mvcren/article/integration-of-recognized-refugees-913320.aspx?q=Y2hudW09MQ%3d%3d, Zugriff 11.4.2018

?        NIEM – National Integration Evaluation Mechanism (12.2017): Asylum seekers and beneficiaries of international protection in V4 countries, https://www.clovekvtisni.cz/media/publications/876/file/v4niem-repot-cz-hu-pl-sk-complete.pdf, Zugriff 11.4.2018

Die Identität der Beschwerdeführer stehe fest. Die Beschwerdeführer würden an keinen Erkrankungen leiden, die einer Überstellung nach Tschechien im Wege stehen würden. Der Erstbeschwerdeführer habe angegeben, gesund zu sein. Der Zweitbeschwerdeführer leide an idiopathischer Thrombozytopenie. In Tschechien würden Asylwerber die Leistungen des öffentlichen Krankenversicherungssystems genießen; das tschechische Finanzministerium bezahle die monatlichen Sozialversicherungsbeiträge für Asylwerber. Der Zustand des Zweitbeschwerdeführers sei zurzeit stabil. Er habe die letzten Blutungen im Iran gehabt und benötige momentan keine Medikamente. Er werde lediglich einer regelmäßigen Kontrolle des Blutbildes unterzogen. Auch hätten die behandelnden Ärzte keine weiteren Schritte, wie die sofortige Einweisung in ein Krankenhaus, die Anordnung einer stationären Aufnahme etc., gesetzt. Es handle sich nach dem Gesagten um keine akut lebensbedrohliche Erkrankung des mj Zweitbeschwerdeführers. Es könne keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit dafür erkannt werden, dass Tschechien den Zugang der Beschwerdeführer zur Verfügung stehenden medizinischen Versorgung verweigern werde. Gegenständlich liege ein Familienverfahren vor. In Österreich würden die Beschwerdeführer über keine engen familiären oder andere enge private Anknüpfungspunkte bzw. Abhängigkeiten zu in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen verfügen. Tschechien habe der Aufnahme der Beschwerdeführer nach Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ausdrücklich zugestimmt. Betreffend den Aufenthalt in Tschechien hätten die Beschwerdeführer keine sie direkt betreffenden konkreten Vorfälle vorgebracht. Es obliege dem tschechischen Staat, den Beschwerdeführern Schutz vor Verfolgung zu bieten und geeignete Maßnahmen zu treffen, damit deren Aufenthaltsort innerhalb Tschechiens von keinen externen Akteuren herausgefunden werden könne. Betreffend das Vorbringen, der Erstbeschwerdeführer befürchte aufgrund des Missbrauchs des Visums in Tschechien inhaftiert zu werden, wurde seitens der Behörde ausgeführt, dass die Kriterien der Dublin-Verordnung ausschließlich der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz diene. Letztlich sei festzuhalten, dass sich Asylwerber nicht jenen Mitgliedstaat aussuchen könnten, in dem sie bestmögliche Unterbringung und Versorgung erwarten könnten. Der Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich sei zu kurz, als dass ein Eingriff in Art. 8 EMRK anzunehmen wäre. In Tschechien werde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK nicht eintreten. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe zu; ein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 der Dublin III-VO habe sich nicht ergeben.

Gegen die angeführten Bescheide richten sich die fristgerecht eingebrachten, gleichlautenden Beschwerden. Es wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Gründe, die gegen eine Rückkehr nach Tschechien sprechen würden, im Verfahren bereits dargelegt worden wären. Die Beschwerdeführer würden sich in Tschechien nicht sicher fühlen, da den iranischen Behörden bekannt sei, dass sie über ein Visum für Tschechien verfügen würden. Auch sei der Erstbeschwerdeführer von seinen Verfolgern zwei Mal in Tschechien angerufen und bedroht worden. Weiters werde eine nicht ausreichende medizinische Versorgung des mj Zweitbeschwerdeführers in Tschechien befürchtet. Der Genannte müsse sich aufgrund idiopathischer Thrombozytopenie regelmäßigen Blutuntersuchungen unterziehen. Das Bundesamt habe es unterlassen, sich näher mit dem Gesundheitszustand es mj Zweitbeschwerdeführers auseinander zu setzen; die Behörde hätte genauere Ermittlungen betreffend die medizinische Versorgung in Tschechien durchführen müssen. Aufgrund der niedrigen Anerkennungsquote von Flüchtlingen in Tschechien würde der Erstbeschwerdeführer befürchten, dort kein faires Asylverfahren zu erhalten. Den Bescheiden lägen mangelhafte und veraltete Länderfeststellungen zugrunde. Bei Führung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens hätte die Behörde weiterführende Berichte zur Situation von Asylberechtigten in Tschechien bzw. Rassismus gegenüber Migranten bzw. hinsichtlich der Gesundheitsversorgung in Tschechien einholen müssen. Insbesondere Angehörige der islamischen Glaubensgemeinschaft würden in Tschechien diskriminiert; eine erniedrigende und unmenschliche Behandlung der Beschwerdeführer könne sohin nicht ausgeschlossen werden. Die Behörde habe eine Einzelfallprüfung zur Beurteilung der Frage, ob den Beschwerdeführern in Tschechien eine Verletzung von Art 3 EMRK drohen würde unterlassen. Österreich hätte zwingend vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen. Eine Berücksichtigung des Kindeswohls sei unterblieben. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung würden beantragt.

Mit Schreiben des Bundesamtes vom 20.12.2019 wurden die tschechischen Behörden vom Untertauchen der Beschwerdeführer und der sich daraus ergebenden Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate informiert.

1.       Feststellungen:

Der Erstbeschwerdeführer und der minderjährige Zweitbeschwerdeführer, Staatsangehörige aus dem Iran, waren im Besitz tschechischer Schengenvisa und reisten mittels Flugzeug legal nach Tschechien ein, wo sie sich für 5 Tage aufhielten. In der Folge führen sie mit einem Bus über Österreich nach Deutschland, wo ihnen die Einreise verweigert wurde und sie nach Österreich zurückgewiesen wurden. Am 05.10.2019 stellte der Erstbeschwerdeführer für sich und den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer dann die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 08.10.2019 Aufnahmegesuche nach Art. 12 Abs. 2 und 3 Dublin III-VO an Tschechien.

Tschechien stimmte der Übernahme der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21.11.2019 nach Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Tschechien an.

Konkrete, in den Personen der Beschwerdeführer gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Tschechien Gefahr liefen, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Die Beschwerdeführer sind nicht akut lebensbedrohlich erkrankt. Der Erstbeschwerdeführer ist gesund und steht nicht in ärztlicher Behandlung. Der mj Zweitbeschwerdeführer leidet an idiopathischer Thrombozytopenie. Er wurde diesbezüglich bereits im Iran behandelt. In Österreich war er weder in stationärer noch in medikamentöser Behandlung. In Tschechien sind (bei Bedarf) alle Krankheiten behandelbar und alle gängigen Medikamente erhältlich. Es besteht ausreichende medizinische Versorgung für Asylwerber in Tschechien, welche auch in der Praxis zugänglich ist.

Die aktuelle Situation hinsichtlich der Covid-19-Pandemie begründet keine Unmöglichkeit einer Rückkehr der Beschwerdeführer nach Tschechien. Sie gehören keiner Risikogruppe an. Bei Covid-19 handelt es sich um eine durch das Corona-Virus SARS-COV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15 % der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung so schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf. Mit Stichtag 25.08.2020 hat es in Tschechien insgesamt 22.181 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen, 5.390 aktive Fälle, 16.376 genesene Fälle und 415 Todesfälle gegeben.

Die Beschwerdeführer haben keine familiären, privaten oder beruflichen Bindungen zu Österreich. Zu den hier lebenden Verwandten (Cousin, Cousine) bestehen weder Abhängigkeiten noch eine besondere Beziehungsintensität.

Seit Dezember 2019 sind die Beschwerdeführer unbekannten Aufenthalts, worüber die tschechischen Behörden seitens des Bundesamtes auch in Kenntnis gesetzt wurden.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich des Reiseweges der Beschwerdeführer und der Einreiseverweigerung Deutschlands beruhen auf den eigenen diesbezüglichen Angaben des Erstbeschwerdeführers in Zusammenhalt mit der vorliegenden Abfrage des Visa-Informationssystems und den im Akt aufliegenden Unterlagen der Bundesrepublik Deutschland.

Die Feststellungen zum durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen den österreichischen und den tschechischen Dublin-Behörden und der Zustimmung zur Übernahme der Beschwerdeführer nach der Bestimmung des Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ergeben sich aus dem Akt, wo dieses dokumentiert ist.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch hinreichend aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Tschechien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO) samt dem jeweiligen Rechtschutz im Rechtsmittelweg getroffen.

Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das tschechische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Tschechien den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, haben die Beschwerdeführer nicht dargetan. Eine die Beschwerdeführer konkret treffende Bedrohungssituation in Tschechien wurde nicht ausreichend substantiiert vorgebracht (siehe auch unten).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer ergeben sich aus den diesbezüglichen nicht anzuzweifelnden Angaben des Erstbeschwerdeführers sowie den vorgelegten medizinischen Unterlagen den Zweitbeschwerdeführer betreffend. Es wurde diesbezüglich kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Die getroffenen Feststellungen zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen. Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), welche die Ausbreitung von Covid-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung - seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen sollen. Für den Anwendungsbereich der Dublin III-VO bedeutet dies konkret, dass zahlreiche Mitgliedstaaten die Durchführung von Überstellungen temporär ausgesetzt haben, respektive keine Dublin-Rückkehrer übernehmen, wobei die Mitgliedstaaten aufgrund der dynamischen Entwicklung der Situation im engen Austausch miteinander stehen, ebenso mit der Europäischen Kommission. Es ist davon auszugehen, dass Überstellungen erst dann wieder durchgeführt werden, wenn sich die Lage entspannt hat, sich die einzelnen Mitgliedstaaten wieder dazu im Stande sehen, die von ihnen übernommenen Dublin-Rückkehrer potentiell auch medizinisch zu versorgen und insofern insgesamt eine Situation eintritt, die mit jener vor Ausbruch der Pandemie vergleichbar ist.

Die skizzierten derzeit bestehenden Überstellungshindernisse sind aus heutiger Sicht - aller Wahrscheinlichkeit nach - zeitlich begrenzt. Es ist davon auszugehen, dass Reisebewegungen jedenfalls in den Maximalfristen der Verordnung (Art. 29 Dublin III-VO) wiederaufgenommen werden können.

Die festgestellten familiären und persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführer ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere aus deren eigenen Angaben. So gab der Erstbeschwerdeführer an, zu dem in Österreich lebenden Cousin keine besonders enge Beziehung zu haben; es habe ein Treffen in Österreich stattgefunden und mehrere Telefonate gegeben. Zu der angeführten in Österreich lebenden Cousine bestehe überhaupt kein Kontakt.

Dass die Beschwerdeführer seit Dezember 2019 unbekannten Aufenthalts sind, ist einer diesbezüglichen Information des Bundesamtes vom 20.12.2019 zu entnehmen und findet Deckung in der am 12.05.2020 vom Bundesverwaltungsgericht veranlassten Abfrage des Zentralen Melderegisters ZMR.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 2018/57, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.

Nach § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl. § 75 Abs. 18 AsylG 2005 idF BGBl I 144/2013).

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3.       …

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:

§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1.       dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2.       …

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-Verordnung) lauten:

"Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Art. 12 Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:

a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.

Art. 16 Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Art. 17 Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

Art 29 Modalitäten und Fristen

(1) …

(2) Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedsstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedsstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist."

Art 9 Abs. 2 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission lautet:

"(2) Ein Mitgliedsstaat, der aus einem der in Artikel 29 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 genannten Gründe die Überstellung nicht innerhalb der üblichen Frist von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Annahme des Gesuchs um Aufnahme oder Wiederaufnahme der betroffenen Person oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese aufschiebende Wirkung hat, vornehmen kann, unterrichtet den zuständigen Mitgliedstaat darüber vor Ablauf dieser Frist. Ansonsten fallen die Zuständigkeit für die Behandlung des Antrags auf internationalen Schutz bzw. die sonstigen Verpflichtungen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 gemäß Artikel 29 Absatz 2 der genannten Verordnung dem ersuchenden Mitgliedstaat zu."

Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung der gegenständlichen Verfahren pflichtet das Bundesverwaltungsgericht der Verwaltungsbehörde bei, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Tschechiens ergibt. Es war hierbei zudem eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, auf welcher Bestimmung die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates beruht (VfGH 27.6.2012, U 462/12); dies freilich, sofern maßgeblich, unter Berücksichtigung der Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 10.12.2013 in der Rechtssache C-394/12; Shamso Abdullahi/Österreich und vom 07.06.2016 in der Rechtssache C-63/15; Mehrdad Ghezelbash/Niederlande.

Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

Zudem hat der EuGH in seinem Urteil vom 07.06.2016, C-63/15, Gezelbash (Große Kammer), festgestellt, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO im Licht des 19. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass [ … ] ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriteriums […… ] geltend machen kann.

Damit im Einklang steht das Urteil des EuGH ebenfalls vom 07.06.2016, C-155/15, Karim (Große Kammer), wonach ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung einen Verstoß gegen die Regelung des Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung geltend machen kann.

Im gegenständlichen Fall ist die Zuständigkeit Tschechiens zur Prüfung der in Rede stehenden Anträge auf internationalen Schutz in materieller Hinsicht in Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO begründet, da die Beschwerdeführer zum Zeitpunkt ihrer Asylantragstellung im Besitz gültiger tschechischer Schengen-Visa waren. Die Verpflichtung Tschechiens zur Aufnahme der Beschwerdeführer basiert auf der Bestimmung des Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO. Die tschechische Dublin-Behörde hat der Aufnahme der Beschwerdeführer nach dieser Bestimmung auch ausdrücklich zugestimmt. Für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates als Tschechien finden sich keine Anhaltspunkte. Die Überstellungsfrist hat sich durch das Untertauchen der Beschwerdeführer auf 18 Monate verlängert und ist zum Entscheidungszeitpunkt noch offen.

Auch aus Art. 16 (abhängige Personen) und Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO (humanitäre Klausel) ergibt sich gegenständlich mangels relevanter familiärer und verwandtschaftlicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet keine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung der Anträge der Beschwerdeführer.

Nach der Rechtsprechung des VfGH (zB 17.06.2005, B 336/05; 15.10.2004, G 237/03) und des VwGH (zB 23.01.2007, 2006/01/0949; 25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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