TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/11 W122 2218725-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.09.2020
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Entscheidungsdatum

11.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §17 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W122 2218725-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX XXXX , XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.08.2020, Zl. 1190939001-200526255, zu Recht:

A)

I. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.

II. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte am XXXX 2018 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Im Rahmen seiner Erstbefragung am nächsten Tag gab er zusammengefasst an, zum Christentum konvertiert zu sein, weshalb er von der Uni genommen worden wäre. Er hätte sein Geschäft verloren und die Behörde würde ihn suchen.

Bei der Einvernahme durch die belangte Behörde am XXXX 2018 gab der Beschwerdeführer soweit wesentlich an, bereits im Iran zum Christentum konvertiert zu sein. Er habe sich in der Türkei taufen lassen und sei danach wieder in den Iran zurückgekehrt, wo noch seine Eltern und sieben Geschwister leben würden. Seine Familie sei von der Geheimpolizei besucht und belästigt worden. In Österreich besuche er eine Kirche.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.04.2019 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX 2018 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Iran zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 - 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Gegen diesen Bescheid wurde eine Beschwerde eingebracht, die das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach mündlicher Verhandlung mit Erkenntnis vom 20.08.2019 abwies (W211 2218725-1/8E).

Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Verfassungsgerichtshof wegen Verspätung mit Beschluss vom 21.01.2020 zurück und der Verwaltungsgerichtshof erkannte der eingebrachten Revision keine aufschiebende Wirkung zu.

2. Der Beschwerdeführer stellte am 24.06.2019 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Bei seiner Erstbefragung am gab er zusammengefasst an, dass er getauft worden und aktives Mitglied der Kirche sei sowie er mittlerweile eine Religionsaustrittserklärung hätte. Im Iran hätte der Beschwerdeführer Angst um sein Leben. Als konvertierter Christ müsse er im Iran mit der Todesstrafe rechnen.

Befragt nach dem Zeitpunkt der Änderungen gab der Beschwerdeführer an, dass er bereits bei seiner Ankunft in Österreich angegeben hätte, konvertiert zu sein, aber man hätte ihm nicht geglaubt.

Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 08.07.2020 gab der Beschwerdeführer an, seit XXXX 2017 Christ zu sein. Näher befragt gab er an, er wäre Protestant. Er wäre keine bekannte Persönlichkeit im Iran. Die Rechtsberatung hätte dem Beschwerdeführer empfohlen, einen Taufschein oder eine Bestätigung von einer österreichischen Kirche zu besorgen. Die Bedeutung der Buchstaben A.B. kannte der Beschwerdeführer nicht. Unterschiede zu anderen Kirchen in Österreich hätte der Beschwerdeführer nicht wahrgenommen. Die Kirche würde alle Arten der Taufe akzeptieren, das Gericht nicht. Ein Interesse an der freiwilligen Ausreise hätte der Beschwerdeführer nicht.

Am 11.08.2020 fand eine weitere Befragung bei der belangten Behörde statt.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 24.09.2019 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Iran zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). Die Behörde stellte zusammengefasst fest, dass der Beschwerdeführer im neuerlichen Asylverfahren keine neuen Gründe vorgebracht habe bzw. sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben habe.

Am 08.09.2020 wurde eine Beschwerde gegen den Bescheid eingebracht und zusammengefasst vorgebracht, dass der Beschwerdeführer nun - wie schon im Vorverfahren - beweisen könne, dass eine innere Konversion stattgefunden hätte und er mittlerweile intensiver missionarisch tätig wäre. Er würde auf Facebook posten und seine Konversion wäre einem größeren Personenkreis bekannt.

Der Beschwerdeführer wäre mittlerweile aus dem Islam ausgetreten und würde sogar im Pfarrhaus leben. Für die Pfarrerin des Beschwerdeführers wäre die innere Konversion gegeben. Es wäre ausgeschlossen, dass die evangelische Kirche Taufen oder andere Bestätigungen aus Gefälligkeit oder Willkür durchführe.

Der Beschwerdeführer regte an, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, da er dem realen Risiko einer Verletzung der EMRK unterliegen würde. Der Beschwerdeführer beantragte zudem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und verwies umfangreich auf Rechtsprechung. Der Beschwerdeführer vermeint, der Beweiswürdigung substantiiert entgegengetreten zu sein. Eine persönliche Einvernahme zur Erstellung einer Gefährdungsprognose wäre unerlässlich.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde, den Bescheid und die bezughabenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht mit Erledigung vom 09.09.2020 vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist ein 1992 geborener, volljähriger iranischer Staatsangehöriger.

Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX in XXXX , wuchs dort auf, besuchte dort 12 Jahre die Schule und zwei Jahre die Universität, wobei er das Studium nicht abschloss. Vor seinem Studium – 2012 - hatte der Beschwerdeführer einen Supermarkt und ein Lebensmittelgeschäft, wie auch einen Spielclub.

Nach seinem Studienabbruch im Jahr 2014 oder 2015 absolvierte der Beschwerdeführer den Wehrdienst. Anschließend daran – 2017 - mietete er eine Wohnung in Teheran an und arbeitete dort für seinen Vater.

Die Eltern, zwei Brüder und zwei Schwestern leben in XXXX ; der Vater und einer der Brüder arbeiten zusammen; sie bauen Gebäude und verkaufen diese dann weiter. Die Schwestern sind verheiratet und leben in Teheran bzw. XXXX . Diese Schwestern sind Hausfrauen; ihre Ehemänner sind Immobilienmakler bzw. machen das gleiche wie der Vater. Das Einkommen des Vaters ist durchschnittlich gut.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

1.2. Zum Leben in Österreich:

Der Beschwerdeführer stellte am XXXX 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Er verfügt in Österreich über keine familiären Bindungen.

Der Beschwerdeführer spricht nur wenig Deutsch.

Er arbeitete in der Gemeinde seiner Unterkunft mit, half bei der Müllentsorgung und beim Rasenmähen (Bestätigung Markgemeinde XXXX vom 07.09.2018 und vom 22.07.2019), dies ca. sechs bis sieben Mal jeweils für eine Woche im Monat.

Der Beschwerdeführer absolvierte Integrationsmodule der Stadt XXXX .

Der Beschwerdeführer besuchte in Spittal eine christliche Kirche, die XXXX (Bestätigung vom 22.10.2018 und vom 22.04.2019; Empfehlungsschreiben vom 20.10.2018). Außerdem besuchte er einen Taufkurs (bzw. einen Bibelkurs) bei XXXX und wurde in der Türkei im Rahmen einer eigentlich in Kanada angesiedelten christlichen Gemeinschaft getauft. Nunmehr gliederte sich der Beschwerdeführer in die evangelische Pfarrgemeinde XXXX ein, wo er regelmäßig Gottesdienste besucht.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

1.3. Der Beschwerdeführer stützt seinen Folgeantrag wie auch seinen Erstantrag auf Konversion zum Christentum. Substantielle Veränderungen in Bezug auf seinen Herkunftsstaat oder in Bezug auf seine Konversion brachte der Beschwerdeführer nicht vor.

Zur maßgeblichen Situation Iran

Aus den ins Verfahren eingeführten Länderberichten ergibt sich Folgendes:

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 12.2018). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb" („Waffenaufnahme gegen Gott"), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" („Verdorbenheit auf Erden"), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb" (ÖB Teheran 12.2018, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2019). Anklagen lauten meist auf „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen", wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 12.1.2019). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019, vgl. AI 22.2.2018). Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2019).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 12.1.2019). Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen „Missionsarbeit“ verurteilt (HRW 17.1.2019). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 12.2018).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 12.2018).

Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie - obwohl sie verboten sind - trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.2.2019). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low- profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden i.d.R. aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt - oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 12.2018). Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen, und drängt sie dazu, das Land zu verlassen (Open doors 2019).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 29.5.2018).

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren (AA 12.1.2019).

Zum Thema Rückkehrer gibt es kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 12.2018).

1.4. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert ist und einen christlichen Glauben ausleben möchte. In weiterer Folge kann eine Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr in den Iran wegen seines Glaubens nicht festgestellt werden.  

1.5. Zur Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr

Der Beschwerdeführer würde im Falle einer Rückkehr voraussichtlich nicht in eine existenzbedrohende oder lebensgefährliche Situation gelangen.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerden folgende Erwägungen getroffen:

Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts der belangten Behörde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zum Beschwerdeführer:

Die getroffenen Feststellungen zum Beschwerdeführer selbst, seinem Leben im Iran und seinen Familienangehörigen dort beruhen auf seinen Angaben im Laufe der beiden Verfahren in Österreich; der Beschwerdeführer brachte weder im zweiten Verfahren noch in der gegenständlichen Beschwerde vor, dass die getroffenen Feststellungen nicht den Tatsachen entsprechen würden.

Die Identität konnte mangels Vorlage (unbedenklicher) Dokumente nicht bewiesen werden.

Die Feststellungen zum Geburtsjahr und zur Staatsangehörigkeit ergeben sich aus den diesbezüglich nicht zweifelhaften Angaben des Beschwerdeführers und Feststellungen aus den Vorverfahren und dem angefochtenen Bescheid. Andere Informationen dazu werden auch in der Beschwerde nicht vorgebracht.

Das gleiche gilt für die Feststellungen zum Herkunftsort, zur Schulbildung und Berufsausübung, zu den Familienangehörigen im Iran und zum Gesundheitszustand.

2.2.2. Die Angaben des Beschwerdeführers zu fehlenden familiären Anknüpfungspunkten in Österreich sind gleichbleibend und glaubhaft, weshalb dazu Feststellungen erfolgen konnten. Die Feststellungen zum sonstigen Leben in Österreich beruhen auf den Angaben im Verfahren und den im Verfahren vorgelegten Unterlagen, wie sie auch bei den Feststellungen näher bezeichnet wurden.

Dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten ist, gründet sich auf einen Auszug aus dem Strafregister.

2.2.3.  Die Länderfeststellungen aus dem Erstverfahren beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran mit Stand 06/2019 und da wiederum auf den folgenden Einzelquellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 3.6.2019

-        AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 3.6.2019

-        DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Councile (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 3.6.2019

-        FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 3.6.2019

-        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html, Zugriff 3.6.2019

-        ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 3.6.2019

-        Open Doors (2019): Weltverfolgungsindex 2019 Länderprofil Iran, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran, Zugriff 3.6.2019

-        US DOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436871.html, Zugriff 3.6.2019

An der Aktualität, Verlässlichkeit und Richtigkeit der Informationen hat das Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel.

2.2.4.  Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen eine Gefährdung im Iran wegen einer Konversion zum Christentum vor. Eine solche – insbesondere innere - Konversion konnte er aber nicht glaubhaft machen:

Der Beschwerdeführer bleibt in seinen Angaben zu seinem Interesse am Christentum, zu seinem Glauben, zu seiner Glaubensausübung im Iran, aber auch in Österreich und zu den Gründen für seinen Entschluss durchgehend vage, oberflächlich und unkonkret. Auszüge aus dem Verhandlungsprotokoll aus dem Erkenntnis vom 20.08.2019, W211 2218725-1/8E:

„ […] R: Erzählen Sie mir bitte möglich detailliert, konkret und in eigenen Worten, warum Sie den Iran verlassen haben?

P: In der Uni hatte ich einen Studienkollegen, der ein Christ war. Ich wusste das vorher nicht, dass er ein Christ ist. Nachdem wir uns näher kennengelernt haben, habe ich erfahren, dass er ein Christ ist. Ganz schön langsam hat er mir über das Christentum erzählt. Ich war dann neugierig. Wir haben uns ein paar Mal draußen in Kaffees, Lokalen getroffen. Ein paar Mal hat er mich in eine Hauskirche mitgenommen. Ich habe ein paar Mal in dieser Kirche an religiösen Veranstaltungen teilgenommen und habe auch ein paar Mal mit dem Priester Gespräche geführt. Da habe ich gesehen, dass es nur gute Sachen im Christentum gibt. Ich habe das Christentum näher kennengelernt und mit dem Islam verglichen. Ich habe gemerkt, dass der Jesus wegen unserer Süden gekreuzigt wurde. Das Kennenlernen des Christentums war in der Zeit in der Uni und auch, als ich gearbeitet habe. Als ich beim Wehrdienst Urlaub hatte, habe den Kontakt zu der Kirche und meinem Freund aufrecht erhalten. Nach dem Wehrdienst wollte ich mich taufen lassen. Im Iran habe ich das nicht gemacht, weil es zu gefährlich war, deshalb bin ich zu einem Priester in der Türkei, in der Stadt Denizli, gegangen. Die Taufe habe ich dann am XXXX 2017 gehabt. Nach der Taufe in der Türkei bin ich nach Iran zurückgekehrt und bin dann 3 bis 4 Monate im Iran geblieben. In dieser Zeit habe ich erfahren, dass der iranische Geheimdienst öfters bei meinen Eltern war und nach mir gefragt haben. Sie sagten, dass ich mich stellen soll. Daraufhin hat mich meine Familie kontaktiert und mir über diese Vorkommnisse berichtet. Sie fragten mich, um was es sich dabei handelt und warum ich gesucht werde. Ich hatte nämlich meinen Eltern von meiner Konversion nichts erzählt gehabt. Ich habe mich dann entschlossen, das Land zu verlassen. […]“

Und dann:

„ […] R: Können Sie mir mehr über diese Hauskirche in XXXX erzählen, in der Sie waren?

P: Es war nicht nur ein bestimmter Ort, es war an mehreren Orten und es hat keine bestimmte Zeit dafür gegeben. Ich wurde vorher per Telefon über den Ort und die Zeit informiert, und dann bin ich hingefahren.

R: Wie ging es dann weiter?

P: Wir haben dort den Gottesdienst besucht bzw. eine Gebetsveranstaltung, dann ist jeder wieder nach Hause gefahren.

R: Können Sie mir etwas näher über die Taufe in der Türkei erzählen?

P: Was meinen Sie?

R: Ich meine damit, dass Sie mir das so schildern, dass ich mir das vorstellen kann.

P: Ich war in der Türkei beim Herrn XXXX XXXX . Dieser hat ein Büro in dieser Stadt in der Türkei. Sein Hauptbüro war aber in Toronto, Kanada. Zu der Taufe hatte ich spezielle Kleidung angehabt. Wir waren am Rande eines Flusses. Dort wurden mir ein paar Fragen gestellt, nämlich, ob ich den Jesus als Gott annehme, ob ich glaube, dass Jesus auferstanden ist. Danach hat er mich unter Wasser getaucht und danach haben wir Halleluja gesungen und wir haben applaudiert.

R: Wie kamen Sie zu diesem XXXX XXXX ?

P: Über den Priester in XXXX .[…]“

Und weiter:

„ […] R: Gab es ein Schlüsselerlebnis, das Anlass für eine intensivere Befassung mit dem Christentum war?

P: Ich habe mich über das Christentum erkundigt. Auch im Iran haben wir mit meinem Freund oft über das Christentum gesprochen und hier in Ö habe ich auch die religiösen Kurse besucht. Diese fanden einmal im Monat statt. Der Kurs ist vom Herrn XXXX geleitet worden, und ich habe mich immer mehr mit der Zeit für die Religion interessiert. Im Christentum hat man die Gelegenheit, noch auf diese Welt seine Fehler korrigieren zu können. Ganz wichtig ist, dass Jesus sein Leben für unsere Sünden gegeben hat, damit die Menschen den richtigen Weg finden. Ich habe das Christentum mit dem Islam verglichen. Im Islam gibt es keine Möglichkeit, sich auf dieser Welt zu korrigieren. Es wird alles nach diesem Leben beurteilt, wenn man nicht gefastet oder gebetet hat, kommt man in die Hölle.

R: Sie sagten, das Christentum hat Sie interessiert. Was genau hat Sie daran interessiert?

P: Dass Jesus für die Vergebung unserer Sünden gekreuzigt wurde. Beim Christentum geht es sehr viel um die Liebe, vor allem sind für mich die Wunder von Jesus wichtig, nämlich, dass er Verstorbene wieder lebendig gemacht hat, dass er die Blinden und Behinderten geheilt hat.

R: Wie haben Sie sich im Iran mit dem Christentum auseinandergesetzt?

P: Ich bin in die Hauskirche in Iran gegangen. Ich hatte keine Bibel. Ich habe ab und zu religiöse Unterlagen, auch per Telefon, von meinem Freund bekommen. Er hat die Unterlagen fotografiert und mir geschickt, und wir haben telefoniert.

R: Wie setzen Sie sich jetzt mit der Religion auseinander?

P: In der Kirche, wo ich jetzt wohne, findet einmal im Monat eine Veranstaltung statt, wenn überhaupt, weil die Veranstaltungen dort sehr unregelmäßig sind. Ich war bis jetzt einmal dort. In meinem ehemaligen Wohnort war ich einmal die Woche in der Kirche.

R: Haben Sie jetzt eine Bibel?

P: Ja. Ich habe sie zu Hause.

R: In welcher Sprache?

P: In Farsi.

R: Wir haben Sie sich auf Ihre Taufe vorbereitet?

P: Ich habe keinen Vorbereitungskurs im Iran besucht. Ich besuche eher hier die Kurse, aber im Iran wurde mir sehr viel über das Christentum erzählt.

R: Was wurde Ihnen im Iran über das Christentum erzählt?

P: Sehr viel über die Wunder von Jesus Christus und über die Bibel.

R: Was hat er Ihnen über die Bibel erzählt?

P: Sehr viel über die Wunder von Jesus Christus, über die diversen Geschichten von ihm und über alles, was die Jünger gemacht haben. […]“

Aus diesen Ausschnitten des Verhandlungsprotokolls lässt sich erkennen, dass eine tiefergehende Auseinandersetzung des Beschwerdeführers mit der von ihm gewählten Religion weder im Iran noch in Österreich stattgefunden hat. Im Iran soll er sieben bis acht Mal (vgl. Verhandlungsprotokoll, S. 14) eine Hauskirche über Initiative eines Freundes besucht haben; er habe aber keine Bibel gehabt, sondern man habe ihm über die Bibel erzählt, insbesondere über die Wunder, die Jesus Christus vollbracht habe. Eine eigentliche Taufvorbereitung habe er nicht gehabt, aber dennoch in der Türkei eine Taufe vornehmen lassen.

Zu den Gottesdiensten oder Gebeten macht der Beschwerdeführer in der Verhandlung die folgenden Angaben:

„ […] R: Der Gottesdienst bzw. die Gebetsveranstaltung in der Hauskirche im Iran: wie ist diese abgelaufen?

P: Wir haben dort gebetet. Vor allem das „Vater unser“. Der Priester hat uns diverse Verse aus der Bibel gelesen. Die Veranstaltung hat meistens eine halbe Stunde gedauert.

R: In XXXX : Sie sagten, Sie waren regelmäßig in der Kirche. Wie ist da die Messe abgelaufen?

P: Der Priester hat in diesen Gottesdiensten auf Englisch gesprochen. Der Herr XXXX hat das auf Deutsch übersetzt, und meine Freunde haben das mir auf Farsi erzählt.

R: Was ist passiert im Gottesdienst? Wie ist der abgelaufen?

P: Wie gesagt, wir haben gebetet. Der Priester hat immer ein paar Verse aus der Bibel vorgelesen, und es hat Musik gespielt. Wir haben dann christliche Lieder gesungen und danach Kaffee oder Tee getrunken. […]“

Auch aus dieser Erzählung gehen nähere Schilderungen über den Ablauf der Gottesdienste oder Gebete nicht hervor. Der Beschwerdeführer ist im Laufe des Verfahrens nicht in der Lage lebensnah und nachvollziehbar zu schildern, was für ihn ein auslösendes Moment für ein Interesse am Christentum gewesen sein soll, wie er die Einführung in die Hauskirche erlebt haben will, wie die Taufe näher abgelaufen ist, noch, wie er in Österreich seinen Glauben lebt und leben möchte.

Der Beschwerdeführer gab außerdem selbst in der Verhandlung an, mit der Hauskirche im Iran nicht viel Kontakt gehabt zu haben und so zB nicht zu wissen, ob es dort Taufen gegeben habe (vgl. Verhandlungsprotokoll S 11).

Der Beschwerdeführer gab weiter selbst an, kein praktizierender Muslim gewesen zu sein. Auf die Frage, wieso er dann seinen Glauben im Christentum gefunden hat, meinte er (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll):

„ […] R: Sie sagten vorher, dass Sie nicht praktizierender Muslim waren und dann den Glauben für das Christentum entdeckt haben. Wie kam es dazu?

P: Weil im Christentum wurde mir der Weg zu Gott gezeigt, das ist ein Weg der Rettung, das ist genau der Weg, den mir der Gott gezeigt hat. […]“

In Zusammenschau der nur oberflächlichen Angaben des Beschwerdeführers über seine Glaubensausübung im Iran und in Österreich, über die wenig nachvollziehbare innere Konversion und die fehlende allgemeine Auseinandersetzung mit seiner alten, wie auch mit seiner neuen Religion, lässt einen tatsächlichen Religionswechsel nicht glaubhaft erscheinen.

Das nur oberflächliche faktische Wissen zur gewählten christlichen Religion könnte dem Umstand geschuldet sein, dass der Beschwerdeführer im Iran keine Bibel zur Verfügung und nur wenige Male die Hauskirche besucht hatte, und dass er sich in Österreich erst recht kurz und unter dem Problem der Sprachbarriere aufhält. Allerdings kann auch faktisches Wissen über eine Religion, ihre Feiertage oder gegenständlich die Jünger und ihre Wunder nur eine sehr begrenzte Aussagekraft zu einer tatsächlichen inneren Überzeugung haben. Daher wird dieses (fehlende) Wissen über die Religion gegenständlich weder positiv noch negativ gewertet.

Nicht nachvollziehbar bleibt jedoch, aus welcher Motivation heraus der Beschwerdeführer die Entscheidung getroffen haben will, in der Türkei die Taufe vornehmen zu lassen. Seine Auseinandersetzung mit dem Christentum war im Iran bis dahin, wenn überhaupt, nur sehr oberflächlich. Auch kann der Beschwerdeführer zu seiner nunmehr gewählten Religion, zum Taufvorgang, aber auch zur Bedeutung der Taufe für ihn selbst nur oberflächliche Angaben machen.

Damit kann der Beschwerdeführer eine innere Konversion nicht glaubhaft machen. Ob es nun tatsächlich zu einer Taufe in der Türkei durch eine eigentlich in Kanada angesiedelte christliche Gemeinschaft gekommen sein soll, kann im Lichte der Länderinformation, die einer Taufe im Zusammenhang mit Repressalien des iranischen Regimes keine besondere Rolle einräumt, dahingestellt bleiben.

Es wird nicht übersehen, dass der Beschwerdeführer in Österreich eine christliche Gemeinschaft besucht hat, wobei diese Besuche durch den Wohnsitzwechsel nunmehr zahlenmäßig geringer ausfallen; bisher war der Beschwerdeführer seit seinem Umzug am XXXX einmal dort (vgl. Verhandlungsprotokoll S. 13), weil es nur unregelmäßig Veranstaltungen gibt. Darüber hinaus besuchte er eine Art Bibelkurs. Diese unbestrittenen Sachverhalte können aber den Eindruck nicht wettmachen, dass es dem Beschwerdeführer an einer entsprechenden Glaubensüberzeugung mangelt, die es für ihn tatsächlich besonders wichtig machen würde, auch im Iran seine Religion offen auszuleben.

Da eine Konversion nicht glaubhaft gemacht wurde, können auch die Besuche der Geheimpolizei bei den Eltern des Beschwerdeführers nicht geglaubt und damit nicht festgestellt werden. Im Lichte des Fluchtvorbringens müssen sie als verstärkende Elemente gewertet werden. Dabei bleibt – trotz konkreter Nachfrage – weitgehend offen, warum die Geheimpolizei den Verdacht gehabt haben soll, dass der Beschwerdeführer konvertiert sein soll. Wenn der Beschwerdeführer angibt, das Büro des Geheimdienstes, aber auch eines der Badij seien in der Nachbarschaft, kann das einen Verdacht der Geheimpolizei nicht erklären. Schließlich muss dazu wiederholt werden, dass der Beschwerdeführer gerade meinte, im Iran nicht sehr oft mit der Hauskirche Kontakt gehabt zu haben.

Schließlich erwähnte der Beschwerdeführer noch, das Studium abgebrochen zu haben, vielleicht auch wegen der Konversion. Die Angaben zu diesem möglichen Grund für den Studienabbruch können nicht geglaubt werden, da der Beschwerdeführer bei der Einvernahme beim BFA dazu angegeben hat, Probleme mit dem Vater gehabt zu haben. Solche wurden in der Verhandlung nicht mehr erwähnt; hier meinte der Beschwerdeführer, er sei von den Lehrenden unterdrückt und diskriminiert, insbesondere zu schlecht benotet worden (vgl. Verhandlungsprotokoll, S. 8). Aus keiner dieser Angaben kann geschlossen werden, dass der Beschwerdeführer an der Universität Probleme wegen einer vermeintlichen Konversion gehabt haben soll.

Auch im nun von der Behörde wiederholten Verfahren brachte der Beschwerdeführer eine Gleichgültigkeit gegenüber christlichen Religionen zum Ausdruck. Seine Aussage er sei Protestant blieb indifferent gegenüber den unterschiedlichen christlichen und evangelischen Glaubensrichtungen, die er auch zu wechseln bereit ist.

Zur Rückkehrsituation des Beschwerdeführers: Der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nicht in eine existenzbedrohende Lage geraten würde, ergibt sich in erster Linie aus der persönlichen Situation des Beschwerdeführers: Der Beschwerdeführer ist gesund, jung und arbeitsfähig; er besuchte die Grundschule, zwei Jahre lang die Universität und übte den Beruf eines Schweißers, Installateurs, zuletzt auf Baustellen in Teheran, aus. Sein Vater kann ein durchschnittliches Einkommen im Iran erwirtschaften, und gibt es keine Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Iran nicht auf die Unterstützung durch seine Familie verlassen können würde.

Die folgenden aktuellen Länderfeststellungen zeichnen kein anderes als bereits durch das Bundesverwaltungsgericht im August 2019 gezeichnetes Bedrohungsbild:

Religionsfreiheit

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA Analyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019).

Anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha‘i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament (ÖB Teheran 10.2019). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA Analyse 23.5.2018; vgl. FH 4.3.2020). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA Analyse 23.5.2018; vgl. FH 4.3.2020) und ihre politische Vertretung bleibt schwach (FH 4.3.2020).

Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 10.2019).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt (AI 18.2.2020).

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache Farsi sind verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 26.2.2020).

Schiitische Religionsführer, welche die Regierungspolitik nicht unterstützen, sind weiterhin Einschüchterungen und Verhaftungen ausgesetzt (US DOS 21.6.2019).

Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran“ waren 2018 mindestens 272 Angehörige religiöser Minderheitengruppen aufgrund des Praktizierens ihrer Religion inhaftiert, 165 Gefangene wegen „Feindschaft gegen Gott“, 34 wegen „Beleidigung des Obersten Führers und Ayatollah Khomeini“ und 20 wegen „Korruption auf Erden“ (US DOS 21.6.2019).

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 18.2.2020). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie jedoch sehr selten (wenn überhaupt noch vorhanden), bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 10.2019).

Christen

Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen – solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten – ihren Glauben relativ frei ausüben. Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden. Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA Analyse 23.5.2018). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung zuerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 26.2.2020). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam. Grundrechtlich besteht „Kultusfreiheit“ innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime weder Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, noch Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit. Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten (Proselytismusverbot) und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor, wobei es in den letzten Jahren zu keinem derartigen Urteil kam. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen („Hauskirchen“) oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot (ÖB Teheran 10.2019).

Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (US DOS 21.6.2019).

Im Weltverfolgungsindex 2020 von Christen von Open Doors befindet sich Iran, wie im letzten Jahr, auf dem neunten Platz. Im Beobachtungszeitraum (November 2018 – Oktober 2019) wurden 169 Christen verhaftet, 114 von ihnen in einer einzigen Woche Ende 2018 (Open Doors 2020).

Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2019). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“ (ÖB Teheran 10.2019; vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2020; vgl. AA 26.2.2020). Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (zehn und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019). Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2020).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2019).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2019).

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit „Konversion“ vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese „Konversion“ ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan- Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2019).

Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online- Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.3.2020; vgl. AI 18.2.2020). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low- profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 10.2019). Die Regierung nutzt unverhältnismäßig hohe Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2020).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen s

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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