Entscheidungsdatum
15.09.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1Spruch
I403 2235009-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. Ägypten, vertreten durch die „Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH“ und „Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH“ (ARGE Rechtsberatung), 1170 Wien, Wattgasse 48/3. Stock, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.08.2020, Zl. XXXX, zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I., mit dem kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 vergeben wird, wird als unbegründet abgewiesen.
II. Die übrigen Spruchpunkte werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger, wurde am 03.08.2020 von Sicherheitskräften kontrolliert und sein unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet festgestellt. Der Beschwerdeführer wurde am 07.08.2020 in Schubhaft genommen. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) vom 11.08.2020 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt II.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gegen ihn wurde ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Absatz 4 FPG nicht gewährt (Spruchpunkt V.). Zudem wurde einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).
Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 08.09.2020 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben und darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer am 13.08.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Der volljährige und unbescholtene Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Ägyptens. Am 13.08.2020 stellte er einen Erstantrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.
2. Beweiswürdigung:
Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister und dem Zentralen Melderegister (ZMR) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
Die Feststellung zur Antragstellung am 13.08.2020 ergibt sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Erstbefragung und dem IZR.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Zur Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet, und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Hinweise, die nahe legen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.
Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) und den darauf aufbauenden Spruchpunkten:
Aus den gesetzlichen Bestimmungen geht hervor, dass zugleich mit der Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz auch eine Rückkehrentscheidung zu erfolgen hat. Bevor über einen Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde, ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung daher nicht zulässig (vgl. dazu insbesondere Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.08.2016, Zl. Ra 2016/21/0162-4): Nach § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist die Rückkehrentscheidung mit der negativen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz "zu verbinden", nach § 52 Abs. 2 FPG hat sie "unter einem" zu ergehen; sie setzt also die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz voraus. Auch dann, wenn ein Rückkehrentscheidungsverfahren - unabhängig vom Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz - bereits anhängig ist, darf die Rückkehrentscheidung (unbeschadet eines allenfalls weiterbestehenden unrechtmäßigen Aufenthalts des Fremden) grundsätzlich nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergehen. Zugleich mit der Rückkehrentscheidung ist nämlich die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zu treffen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist; dies würde aber - jedenfalls in Bezug auf den Herkunftsstaat - bedeuten, das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz, in dem diese Frage erst zu klären ist, vorwegzunehmen (vgl. zum Verhältnis der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zu einem Abspruch nach §§ 3 und 8 AsylG 2005 das Erkenntnis des VwGH vom 16. Dezember 2015, Ra 2015/21/0119). Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ohne eine Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG kommt hingegen - außer im Fall, dass die Feststellung aus vom Fremden zu vertretenden Gründen nicht möglich ist - auf Grund des vom Gesetzgeber seit 1. Jänner 2014 geschaffenen Systems grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. dazu auch das Erkenntnis des VwGH vom 24. Mai 2016, Ra 2016/21/0101).
Somit ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über einen nachträglich eingebrachten Folgeantrag auf internationalen Schutz nicht zulässig. In einem solchen Fall ist ein anhängiges Rückkehrentscheidungsverfahren einzustellen bzw. eine - wie hier - bereits erlassene, mit Beschwerde bekämpfte Rückkehrentscheidung ist vom Bundesverwaltungsgericht ersatzlos zu beheben. Eine Aussetzung des Rückkehrentscheidungsverfahrens bis zur Beendigung des Verfahrens über den Folgeantrag auf internationalen Schutz kommt nicht in Betracht, weil es nach der Entscheidung über den Folgeantrag auf internationalen Schutz jedenfalls einzustellen wäre: sei es, weil Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde, sei es, weil eine negative Entscheidung und damit einhergehend eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 FPG bzw. ein Ausspruch über die dauerhafte Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder ein Ausspruch nach § 8 Abs. 3a AsylG 2005 ergangen ist (vgl. dazu auch das Erkenntnis des VwGH vom 4. August 2016, Ra 2016/21/0162-4).
Das Bundesverwaltungsgericht muss daher in der gegenständlichen Situation die vom BFA erlassene Rückkehrentscheidung samt dem gemäß § 53 Abs. 1 FPG darauf aufbauenden Einreiseverbot und die weiteren damit verbundenen Aussprüche ersatzlos beheben. Darüber wird im Verfahren über den Folgeantrag auf internationalen Schutz - dann zeitaktuell - zu entscheiden sein.
Die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides ist eine Entscheidung in der Sache selbst (vgl. das VwGH-Erkenntnis vom 25. März 2015, Ro 2015/12/0003). Als verfahrensrechtliche Grundlage für eine solche Entscheidung dient daher § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Im gegenständlichen Fall konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde und dem Folgeantrag geklärt erscheint. Zudem kann gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG eine Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Abschiebung Asylantragstellung Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel aufschiebende Wirkung - Entfall berücksichtigungswürdige Gründe Einreiseverbot Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Teilbehebung freiwillige Ausreise Frist Kassation Rückkehrentscheidung Spruchpunktbehebung ZeitpunktEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2235009.1.00Im RIS seit
24.11.2020Zuletzt aktualisiert am
24.11.2020