Entscheidungsdatum
17.09.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W242 1423873-3/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HEUMAYR als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, RA in Wien 02., Ybbsstraße 12/27, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:
A) Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II., III., IV., VI. und VII. des angefochtenen Bescheids wird stattgegeben und werden die Spruchpunkte I., II., III., IV., VI. und VII. des angefochtenen Bescheids ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Dem Beschwerdeführer, einem zum Antragzeitpunkt minderjährigen afghanischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2016, Zl. XXXX , der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde mit Schreiben 19.12.2019 gemäß § 105 Abs. 2 FPG mitgeteilt, dass gegen den Beschwerdeführer eine Anklage wegen §§ 27 Abs. 2a 2. Fall und 27 Abs. 1 Z. 1 2. Fall SMG erhoben wurde.
Aufgrund dieser Mitteilung wurde von Amt wegen ein Aberkennungsverfahren eingeleitet, in dessen Zuge der Beschwerdeführer am 08.06.2020 niederschriftlich einvernommen wurde. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er sich seit 2011 in Österreich aufhalten würde, er den Pflichtschulabschluss und eine Schweißerausbildung gemacht hätte. Er habe einen Fehler gemacht und würde ihm sein Verhalten leidtun. Er hätte zuletzt auf einer Baustelle gearbeitet, den Job wegen der Corona Krise aber wieder verloren. Er bekäme vom AMS ca. € 600, sei geschieden und würde noch immer Kontakt zu seiner Schwiegermutter haben. Bisher habe er seine im Iran lebende Mutter nur einmal besucht und beabsichtige diese und seine zwei Schwestern nach Österreich zu holen.
Am 16.06.2020 brachte er eine schriftliche Stellungnahme ein, in welcher er ausführte, dass keiner der Aberkennungsgründe des § 9 AsylG vorliegen würde. Die Verurteilung am 24.02.2020 sei nur wegen eines Vergehens erfolgt und sei die Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden, woraus der Schluss gezogen werden könne, dass das Gericht ihn nicht für eine Gefahr für die Allgemeinheit und die Republik halten würde. Er sei seit 9 Jahren in Österreich, habe sich gut integriert, spreche ausgezeichnet Deutsch, betreibe Sport, habe den Beruf des Schweißers erlernt und sei in den Arbeitsmarkt eingegliedert. Hinzu komme, dass er an PTSD leide und die Behandlung in Afghanistan nicht möglich sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer der ihm zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 aberkannt (Spruchpunkt I.) sowie die ihm mit Bescheid vom XXXX 2019 erteilte Aufenthaltsberechtigung entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan unzulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.) und ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer durch seinen unerlaubten Umgang mit Suchtgiften die Volksgesundheit gefährden würde. Er würde weder die österreichischen Gesetze noch die Exekutivorgane respektieren. Aus seinem Verhalten sei sein Unwille erkennbar, die österreichische Rechtsordnung einzuhalten, weshalb er eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde.
Am 22.07.2020 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht die gegenständliche Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II., III., IV., VI. und VII., und brachte im Kern vor, dass durch seine Person keine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegen würde, weshalb die Aberkennung des subsidiären Schutzes rechtswidrig sei.
Am XXXX .2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer sowie die von ihm beantragte Zeugin einvernommen wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer verwendet den Namen XXXX und das Geburtsdaten XXXX . Seine Identität steht nicht fest. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört zur Volksgruppe der Paschtunen und ist schiitischer Moslemin. Er wurde in der Provinz Kapisa, im Distrikt Tahgab, im Dorf Aybat-Khel geboren, spricht Paschtunisch als Muttersprache sowie Dari und Deutsch. Er ist geschieden und hat keine Kinder. Er hat an einem Werte- und Orientierungskurs, sowie an mehreren Deutschkursen teilgenommen und die ÖSD Zertifikat Deutsch Österreich B1 bestanden. Er hat eine Ausbildung zum Schweißer erhalten und verfügt seit dem XXXX 2020 über einen Arbeitsvertrag.
Der Beschwerdeführer leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten und ist arbeitsfähig.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2016, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2019, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
Der Beschwerdeführer hält sich seit zumindest den XXXX 2011 in Österreich auf und bezieht keine Grundversorgung.
Im Strafregister scheinen folgende Verurteilungen auf:
1.) LG f. Strafs. Wien, 152 HV 170/2012b, vom 04.01.2013 RK seit 04.01.2013 wegen §§ 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG und §§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG, § 15 StGB, Freiheitsstrafe 2 Monate, bedingt;
2.) LG f. Strafs. Wien, 143 HV 80/2014d, vom 10.09.2014 RK seit 10.09.2014, wegen § 50 (1) Z 2 WaffG, Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt und
3.) LG f. Strafs. Wien, 062 HV 172/20129w, vom 19.02.2020 RK seit 24.02.2020, wegen § 27 (2a) 2. Fall SMG, Freiheitsstrafe 8 Monate, bedingt.
Der ersten Verurteilung lag zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am XXXX 2012 einer Person 3,0 Gramm (brutto) Marihuana gewerbsmäßig durch Verkauf überlassen und durch bereithalten von weiteren 2,2 Gramm (brutto) Marihuana anderen Personen zu überlassen versucht hat sowie im Zeitraum vom November 2011 bis zum 20.10.2012 Marihuana in einer nicht feststellbaren Menge zum persönlichen Gebrauch besessen hat.
Der zweiten Verurteilung lag zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am XXXX 2014 eine verbotene Waffe, nämlich einen Schlagring, besessen hat.
Der dritten Verurteilung lag schließlich zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am XXXX 2019 auf einer öffentlichen Verkehrsfläche, sodass es für etwa 15 Personen wahrnehmbar war, durch gewinnbringenden Verkauf 1,7 Gramm (brutto) Marihuana einer Person überlassen und einer weiteren Person mehrere Baggies überlassen hat.
Bei allen Straftaten handelt es sich um Vergehen.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch:
- Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl;
- Einsichtnahme in die Beschwerde vom 22.07.2020;
- Einsichtnahme in die eingeholten Auszüge der Grundversorgung und des Zentralen Melderegisters;
- Einsicht in das Strafregister;
- Einvernahme des Beschwerdeführers am XXXX .2020;
- Einvernahme der Zeugin XXXX , geb. XXXX , am XXXX .2020.
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers beruhen auf der unbestrittenen Aktenlage. Seine Identität kann mangels geeigneter Dokumente nicht festgestellt werden.
Die Feststellungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie der Erteilung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ergeben sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakt, dessen Inhalt nicht bestritten wurde.
Der Aufenthalt des Beschwerdeführers sowie die Feststellungen zum Privatleben im Bundesgebiet gehen aus einem amtswegig eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister sowie aus den vom Beschwerdeführer im Verfahren und in der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung getätigten Aussagen und den von ihm im gesamten Verfahren vorgelegten Unterlagen, an deren Richtigkeit kein Zweifel besteht, hervor.
Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers beruhen auf den amtswegig eingeholten Strafurteilen, die auch im vorliegenden Strafregisterauszug Deckung finden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit und anzuwendendes Verfahrensrecht:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.
Zu A) I.:
Zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
§ 8 AsylG 2005 lautet:
„(1) Einem Fremden ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
[…]
Nach Abs. 3 leg. cit. sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht.
Gemäß Abs. 4 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
[…]“
bestätigen, der Behörde zurückzustellen.
Gemäß § 9 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;
2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder
3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 9 Abs. 2 AsylG hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen ist und, wenn
1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;
2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder
3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.
In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 9 Abs. 4 AsylG ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen.
§ 17 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 i.d.g.F., lautet:
"Einteilung der strafbaren Handlungen
§ 17. (1) Verbrechen sind vorsätzliche Handlungen, die mit lebenslanger oder mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind.
(2) Alle anderen strafbaren Handlungen sind Vergehen."
Der Verfassungsgerichtshof führte in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2011, U 1907/19, aus, dass eine Gefahr für die Sicherheit und Allgemeinheit eines Landes nur dann gegeben sei, wenn die Existenz oder territoriale Integrität eines Staates gefährdet sei oder wenn besonders qualifizierte strafrechtliche Verstöße (z.B. Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Drogenhandel, bewaffneter Raub) vorlägen. Zur Begründung verwies er darauf, dass § 9 Abs. 2 (Z 2) AsylG 2005 in Umsetzung der Statusrichtlinie ergangen sei und daher richtlinienkonform interpretiert werden müsse.
Gemäß Art. 17 Abs. 1 der Statusrichtlinie seien Personen vom Genuss des subsidiären Schutzes auszuschließen, die Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit (lit. a) bzw. schwere Straftaten (lit. b) begangen hätten oder sich Handlungen zuschulden kommen ließen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen (lit. c). Angesichts der schweren Natur dieser Ausschluss bzw. Aberkennungstatbestände könne nach dem Grundsatz der richtlinienkonformen Interpretation Art. 17 Abs. 1 lit. d leg. cit. (Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit eines Landes) nur dahingehend verstanden werden, dass zur Verwirklichung dieser Bestimmung zumindest die Begehung einer Straftat von vergleichbarer Schwere wie die in lit. a - c der Statusrichtlinie genannten Handlungen vorliegen müsse. Diese Sicht werde auch dadurch bestätigt, dass die Statusrichtlinie selbst bzw. die Materialien zur Statusrichtlinie auf die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) Bezug nehmen würden und sich aus der zu den einschlägigen Bestimmungen der GFK ergangenen Judikatur bzw. Literatur ergebe, dass eine "Gefahr für die Sicherheit oder für die Allgemeinheit eines Landes" nur dann gegeben sei, wenn die Existenz oder territoriale Integrität eines Staates gefährdet sei oder wenn besonders qualifizierte strafrechtliche Verstöße (z.B. Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Drogenhandel, bewaffneter Raub) vorlägen.
Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seiner Rechtsprechung erkannt, dass nur ein Flüchtling, der wegen einer "besonders schweren Straftat" rechtskräftig verurteilt wurde, als eine "Gefahr für die Allgemeinheit eines Mitgliedstaats" angesehen werden könne (EuGH vom 24. Juni 2015, C-373/13, H.T. gegen Land Baden-Württemberg, ECLI:EU:C:2015:413).
Ausgehend davon schloss sich der Verwaltungsgerichtshof den zitierten rechtlichen Erwägungen an, wonach ein Fremder jedenfalls dann eine Gefahr für die Allgemeinheit im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 darstellt, wenn sich diese aufgrund besonders qualifizierter strafrechtlicher Verstöße prognostizieren lässt.
Als derartige Verstöße kommen insbesondere qualifizierte Formen der Suchtgiftdelinquenz (wie sie beispielsweise in § 28a SMG unter Strafe gestellt werden) in Betracht, zumal an der Verhinderung des Suchtgifthandels ein besonderes öffentliches Interesse besteht (vgl. dazu etwa VwGH vom 22. November 2012, 2011/23/0556, mwN).
In den Gesetzesmaterialien zum Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 - FrÄG 2009, BGBl. I Nr. 122/2009, mit welchem die Aberkennungstatbestände des Abs. 2 des § 9 AsylG 2005 neu eingeführt wurden, wird zu § 9 Abs. 2 AsylG 2005 Folgendes ausgeführt (vgl. RV 330 BlgNR 24. GP 9):
"Der neue Abs. 2 stellt demgemäß eine Erweiterung der Aberkennungstatbestände des Abs. 1 dar. So hat eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auch in drei weiteren Fällen von Amts wegen zu erfolgen (Z 1 bis 3). Diese Aberkennungstatbestände entsprechen den in Art. 19 Abs. 3 iVm Art. 17 Abs. 1 der Statusrichtlinie (RL 2004/83/EG des Rates) (Anmerkung: nunmehr Richtlinie 2011/95/EU) normierten Aberkennungstatbeständen. Von diesen europarechtlich vorgesehenen Aberkennungsmöglichkeiten soll nun innerstaatlich Gebrauch gemacht werden. (...) Der in Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie geregelte Aberkennungstatbestand der schweren Straftat' wird im Sinne der österreichischen Strafrechtsterminologie mit der rechtskräftigen Verurteilung zu einem Verbrechen (§ 17 StGB) umgesetzt (Z 3). Die hier geforderte Schwelle des Verbrechens im Sinne des § 17 StGB steht in keinem direkten Bezug zum besonders schweren Verbrechen gemäß § 6 Abs. 1 Z 4. Die Beurteilung einer Tat (oder mehrerer Taten) als besonders schweres Verbrechen im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 ist vielmehr unabhängig von dieser formalen Einordnung und nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Straftat, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzt."
Der EuGH hat in seinem Urteil vom 13. September 2018, Ahmed, C-369/17, ausgesprochen:
"Art. 17 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ist dahin auszulegen, dass er einer Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der ausschließlich anhand des Strafmaßes, das für eine bestimmte Straftat nach dem Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehen ist, davon ausgegangen wird, dass die Person, die einen Antrag auf subsidiären Schutz gestellt hat, eine schwere Straftat' im Sinne dieser Bestimmung begangen hat, derentwegen sie von der Gewährung subsidiären Schutzes ausgeschlossen werden kann. Es ist Sache der zuständigen nationalen Behörde bzw. des zuständigen nationalen Gerichts, die oder das über den Antrag auf subsidiären Schutz entscheidet, die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen, wobei eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen ist."
In diesem Urteil, C-369/17, Ahmed, hat der EuGH auch hervorgehoben, "dass dem Kriterium des in den strafrechtlichen Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehenen Strafmaßes zwar eine besondere Bedeutung bei der Beurteilung der Schwere der Straftat zukommt, die den Ausschluss vom subsidiären Schutz nach Art. 17 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2011/95 rechtfertigt, dass sich die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaats gleichwohl erst dann auf den in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausschlussgrund berufen darf, nachdem sie in jedem Einzelfall eine Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände, die ihr bekannt sind, vorgenommen hat, um zu ermitteln, ob schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass die Handlungen des Betreffenden, der im Übrigen die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erfüllt, unter diesen Ausschlusstatbestand fallen".
Hierbei verweist der EuGH zudem auf den Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) vom Jänner 2016 mit dem Titel "Ausschluss:
Vor dem Hintergrund des vorliegenden Urteils des EuGH in der Rs C-369/17, Ahmed, und der nunmehr klargestellten Rechtslage ist die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach bei Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung wegen eines Verbrechens zwingend und ohne Prüfkalkül der Asylbehörde eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 stattzufinden hat, nicht weiter aufrecht zu erhalten. Vielmehr ist bei der Anwendung des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 - welcher nach der Intention des Gesetzgebers die Bestimmung des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie umsetzt (vgl. hierzu die oben angeführten Gesetzesmaterialien) - jedenfalls auch eine Einzelfallprüfung durchzuführen, ob eine "schwere Straftat" im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie vorliegt. Dabei ist die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen und eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen. Es ist jedoch nicht unbeachtet zu lassen, dass auch der EuGH dem in einer strafrechtlichen Bestimmung vorgesehenen Strafmaß eine besondere Bedeutung zugemessen hat (vgl. EuGH 13.9.2018, Ahmed, C-369/17, Rn. 55) und somit die Verurteilung des Fremden wegen eines Verbrechens zweifelsfrei ein gewichtiges Indiz für die Aberkennung darstellt, dieses Kriterium allein jedoch nach den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Aberkennung nicht ausreicht.
In einem Aberkennungsverfahren nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 ist somit zusätzlich zum Kriterium der rechtskräftigen Verurteilung des Revisionswerbers wegen eines Verbrechens eine vollständige Prüfung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen. Bei dieser einzelfallbezogenen Würdigung ist auch die konkret verhängte Strafe und die Gründe für die Strafzumessung zu berücksichtigen. (vgl. VwGH vom 06.11.2018, Ra 2018/18/0295)
Im gegenständlichen Fall wurde der Beschwerdeführer dreimalig wegen Vergehen im Sinne des § 17 StGB rechtskräftig verurteilt, weshalb die Voraussetzungen für eine Aberkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG nicht vorliegen.
Im Falle der beabsichtigten Aberkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG ist eine Gefährdungsprognose anzustellen. Dabei ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund von konkreten Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar (vgl. VwGH vom 20.08.2020, Ra 2019/19/0522).
Vorauszuschicken ist, dass die durch das Landesgericht für Strafsachen Wien abgeurteilten Handlungen des Beschwerdeführers nicht als besonders schwere Straftaten zu qualifizieren sind, zumal auch keine Verurteilungen nach § 28a SMG vorliegen und alle verhängten Strafen unter Gewährung einer Probezeit zur Bewährung ausgesetzt wurden. Der Besitz eines Schlagringes lässt zwar auf eine gewisse Gewaltbereitschaft des Beschwerdeführers schließen, jedoch ist deswegen, auch in Zusammenschau mit den vorliegenden Verstößen gegen das SMG, noch nicht von einer Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG auszugehen. Der Beschwerdeführer hat Sprachkurse und eine Ausbildung zum Schweißer absolviert, versucht sich, wenn auch mit mäßigem Erfolg, in den Arbeitsmarkt zu integrieren und hat seinen Wohnsitz verlegt, wodurch er seinen Kontakt zum Drogenmilieu, zumindest temporär, abgebrochen hat. Die einvernommene Zeugin bestätigt dem Beschwerdeführer eine grundsätzlich positive Einstellung und fällt auf, dass die Straftaten in einem größeren zeitlichen Abstand ausgeführt wurden. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass Straftaten im Bereich des SMG besonders verabscheuungswürdig sind, jedoch fällt die Gefährdungsprognose, auch aufgrund des in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks, im konkreten Fall zu Gunsten des Beschwerdeführers aus, weshalb zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nicht davon ausgegangen werden kann, der Beschwerdeführer würde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Republik Österreich darstellen.
Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erfolgte nach Ansicht des Gerichts zu Unrecht und ist daher der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dieser zu beheben.
Zum Entzug der befristeten Aufenthaltsberechtigung, Versagung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Erlassung einer Rückkehrentscheidung, Frist für die freiwillige Ausreise und Erlassung eines befristeten Einreiseverbots (Spruchpunkte II. bis IV, VI. und VII. des angefochtenen Bescheides):
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass es sich bei den Aussprüchen, mit denen etwa weder der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG noch der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt wird, sowie eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen wird, um voneinander rechtlich trennbare Aussprüche handelt. Demgemäß sind diese Aussprüche separat anfechtbar; sie können auch unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen. Es besteht zwischen diesen gemäß den maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 und des Fremdenpolizeigesetzes lediglich insofern ein rechtlicher Zusammenhang, als es für manche Aussprüche Tatbestandsvoraussetzung ist, dass bereits andere Aussprüche getätigt wurden und zudem manche Aussprüche miteinander zu verbinden sind, sodass im Fall der Aufhebung eines Spruches ein darauf rechtlich aufbauender Ausspruch seine Grundlage verlieren kann (vgl. VwGH vom 29.04.2015, Fr 2014/20/0047; vom 28.01.2015, Ra 2014/20/0121 und vom 08.09.2015, Ra 2015/18/0134, je mwN).
Nach Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts gilt dasselbe im Verhältnis zwischen der Aberkennung eines (subsidiären) Schutzstatus und einer damit verbundenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme.
Da dem Beschwerdeführer mit diesem Erkenntnis in Folge der Behebung von Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukommt, verlieren die übrigen von der belangten Behörde getroffenen Aussprüche II. bis IV., VI. und VII. ihre rechtliche Grundlage, weshalb diese (ebenfalls) ersatzlos aufzuheben sind.
Zu B)
Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten im Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 2 Behebung der Entscheidung Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung EuGH Rechtsanschauung des VfGH Rechtsanschauung des VwGH Rückkehrentscheidung behoben strafrechtliche Verurteilung Suchtmitteldelikt Vergehen VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W242.1423873.3.00Im RIS seit
26.11.2020Zuletzt aktualisiert am
26.11.2020