TE Bvwg Beschluss 2020/9/17 W216 2233413-1

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Veröffentlicht am 17.09.2020
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Entscheidungsdatum

17.09.2020

Norm

BEinstG §14
BEinstG §2
BEinstG §3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W216 2233413-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Benedikta TAURER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , bevollmächtigt vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, NÖ und Bgld. (KOBV), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 10.06.2020, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß § 2 und § 14 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG), beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 25.11.2019 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten und legte zur Begründung dessen, diverse medizinische Unterlagen, unter anderem auch der Fachrichtung Psychiatrie, vor.

Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 21.01.2020 ein, in welchem nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers am 07.01.2020 ein Grad der Behinderung von 40 v.H. festgesellt wurde.

Im Rahmen des ihm eingeräumten Parteiengehörs erhob der Beschwerdeführer Einwendungen und wies unter anderem darauf hin, dass der von ihm im Rahmen der Antragstellung bereits vorgelegte psychiatrische Befund im eingeholten Gutachten zwar erwähnt, jedoch nicht darauf eingegangen worden sei, obwohl gerade aus diesem Befund genau hervorgehe und dokumentiert sei, welche akuten Störungen, die mit Antidepressiva behandelt würden, vorlägen.

Aufgrund der Einwendungen des Beschwerdeführers holte die belangte Behörde ein Gutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie ein. In diesem – auf der Aktenlage basierendem – Gutachten vom 23.03.2020 wird der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers erneut mit 40 v.H. festgesetzt und keine Änderung des Gesamtgrades der Behinderung vorgeschlagen.

Anlässlich des dem Beschwerdeführer hierzu eingeräumten Parteiengehörs erhob dieser erneut Einwendungen und wies unter anderem darauf hin, dass er zwar seitens der belangten Behörde zur Begutachtung einen Termin erhalten habe, dieser jedoch abgesagt und ein neuer Termin avisiert worden sei, zu dem es jedoch nie gekommen sei. Vielmehr habe er drei Tage vor dem vorgesehenen Untersuchungstermin bereits das Ergebnis der Beweisaufnahme erhalten, ohne dass er die Möglichkeit gehabt hätte, persönlich sein Vorbringen darzulegen. Seiner Stellungnahme legte der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie vom 15.04.2020 bei und beantragte, diese dem Verfahren zugrunde zu legen.

Aufgrund der Einwendungen des Beschwerdeführers ersuchte die belangte Behörde die Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie um eine Stellungnahme hierzu. In dieser – erneut auf der Aktenlage basierenden – Stellungnahme vom 27.04.2020 kam die medizinische Sachverständige erneut zu dem Ergebnis, dass eine Änderung des Gesamtgrades der Behinderung nicht objektivierbar sei und daher an einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. festgehalten werde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10.06.2020 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten ab und stellte einen Grad der Behinderung von 40 v.H. fest. Begründend wurde auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens verwiesen Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, welche einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen.

Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 22.07.2020 durch seine bevollmächtigte Vertretung fristgerecht Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer begehrte am 25.11.2019 die Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten nach dem BEinstG. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.06.2020 wurde festgestellt, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 40 v.H. betrage und somit die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten nicht erfüllt seien.

Es wurde im erstinstanzlichen Verfahren ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin eingeholt. Im aufgrund der im Rahmen von Parteiengehören erhobenen Einwendungen des Beschwerdeführers wurden lediglich zwei Aktengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie eingeholt und in der Folge der Antrag mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen.

Der Beschwerdeführer wurde trotz offensichtlichen Erfordernisses keiner persönlichen Begutachtung durch einen Facharzt / eine Fachärztin für Psychiatrie unterzogen.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichts (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 19b Abs. 1 iVm Abs. 6 Behinderteneinstellungsgesetz, BGBl. 22/1970 idF BGBl. I 57/2015 (BEinstG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des § 14 Abs. 2 leg. cit. durch einen Senat, in welchem eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken hat. Im Beschwerdefall liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Behebung und Zurückverweisung:

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt hervorgehoben (vgl. etwa das Erkenntnis vom 10. September 2014, Ra 2014/08/0005), dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind.

Der Umstand, dass gegebenenfalls (punktuelle) ergänzende Einvernahmen durchzuführen wären, rechtfertigt nicht die Zurückverweisung; vielmehr wären diese Einvernahmen, sollten sie wirklich erforderlich sein, vom Verwaltungsgericht – zweckmäßigerweise im Rahmen einer mündlichen Verhandlung – durchzuführen. (Ra 2015/08/0178 vom 27.01.2016)

In § 28 VwGVG ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg cit vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN). (Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016)

Das verwaltungsbehördliche Verfahren erweist sich in Bezug auf den zur ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als grob mangelhaft:

Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 3 BEinstG)

Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. (§ 4 Abs. 1 Einschätzungsverordnung BGBl. II Nr. 261/2010 auszugsweise)

Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten. (§ 4 Abs. 2 Einschätzungsverordnung BGBl. II Nr. 261/2010)

Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt die letzte rechtskräftige Entscheidung über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH

a)       eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002, oder des Bundesverwaltungsgerichtes;

b)       eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuständigen Gerichtes;

c)       eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) oder des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes;

d)       in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge (§ 3 Z 2 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967).

Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. Die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten ( § 2 ) auf Grund der in lit. a bis d genannten Nachweise erlischt mit Ablauf des dritten Monates, der dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung folgt, sofern nicht der begünstigte Behinderte innerhalb dieser Frist gegenüber dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erklärt, weiterhin dem Personenkreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Personen angehören zu wollen. (§ 14 Abs. 1 BEinstG)

Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung der Entscheidung folgt, mit der der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird. (§ 14 Abs. 2 BEinstG)

Maßgebend für die Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten ist die Feststellung der Art und des Ausmaßes der beim Beschwerdeführer vorliegenden Gesundheitsschädigungen sowie in der Folge die Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung.

Dazu hat die belangte Behörde im angefochtenen Verfahren nur ansatzweise Ermittlungen geführt:

Die belangte Behörde hat im erstinstanzlichen Verfahren zwar ein ärztliches Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin eingeholt, welches auf der persönlichen Begutachten des Beschwerdeführer beruht und einen Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. feststellte, sowie, nach Gewährung von zwei Parteiengehören, aufgrund der zweimaligen Einwendungen des Beschwerdeführers zwei weitere Gutachten aus dem Bereich der Neurologie, Psychiatrie und Allgemeinmedizin eingeholt, welche beide jedoch lediglich auf der Aktenlage beruhen. Eine persönliche Begutachtung/Untersuchung des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner bereits bei Antragstellung durch die Vorlage medizinsicher Befunde untermauerten psychischen Leiden durch einen Facharzt/eine Fachärztin für Psychiatrie fand zu keiner Zeit statt.

Im angefochtenen Bescheid wurde dann auch lediglich das Gutachten des allgemeinmedizinischen Sachverständigen sowie die beiden auf der Aktenlage basieren Gutachten herangezogen und der Entscheidung zugrunde gelegt. Im von der belangten Behörde eingeholten – auf der persönlichen Begutachtung des Beschwerdeführers basierenden – Sachverständigengutachten des Allgemeinmediziners wird der vorgelegte fachärztlich-psychiatrische Befund zwar aufgenommen, dennoch findet sich keine vollständige Auseinandersetzung mit den darin beschriebenen Gesundheitsschädigungen. Aussagen über die Schwere der darin beschriebenen Gesundheitsschädigungen, bzw. Feststellungen hinsichtlich deren Auswirkungen und Einfluss auf den Grad der Behinderung, sind nicht getroffen worden. Festgehalten wurde lediglich, dass die posttraumatische Belastungsstörung nicht behinderungsrelevant sei, da eine rezente Diagnose, ohne weitere Behandlungs- und Verlaufsdokumentation vorliege.

Gegenständlich ist nicht nachvollziehbar, weshalb die belangte Behörde darauf verzichtet hat, ein Sachverständigengutachten der Fachrichtung Psychiatrie basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers einzuholen. Zwar besteht kein Anspruch auf die Zuziehung von Sachverständigen eines bestimmten medizinischen Teilgebietes, jedoch ist im vorliegenden Fall das von der belangten Behörde eingeholte – lediglich auf der Aktenlage basierende – Sachverständigengutachten einer Fachärzten für Psychiatrie zur Beurteilung des beim Beschwerdeführer vorgebrachten psychiatrischen Beschwerdebildes nicht geeignet. Aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen liegen konkrete Anhaltspunkte vor, dass zusätzlich die Einholung eines Gutachtens der Fachrichtungen Psychiatrie basierend auf der persönlichen Begutachtung des Beschwerdeführers unbedingt erforderlich ist, um eine vollständige und ausreichend qualifizierte Prüfung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers (auch im Hinblick auf eine mögliche wechselseitige Leidensbeeinflussung der festgestellten Gesundheitsschädigungen) zu gewährleisten.

Die seitens des Entscheidungsorganes erforderliche Überprüfung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist auf dieser Grundlage nicht möglich. Der eingeholte medizinische Sachverständigenbeweis vermag die verwaltungsbehördliche Entscheidung nicht zu tragen.

Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat, und sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung des Grades der Behinderung als so mangelhaft erweist, dass weitere Ermittlungen bzw. konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich erscheinen.

Die aufgezählten Mängel können gegenständlich auch nicht durch eine Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts saniert werden: Da Entscheidungen im Bereich des Behindertenrechts in höchstem Maße von ärztlichen Sachverständigengutachten abhängig sind, müsste das Bundesverwaltungsgericht dazu neue Sachverständigengutachten einholen, welche durch die dafür nötige erneute Untersuchung des Beschwerdeführers zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung führen würden, welche jedenfalls nicht im Sinne einer raschen und kostengünstigen Verfahrensführung liegen würden. Aus diesem Grund erscheint nach Ansicht des erkennenden Senats gegenständlich die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung an die belangte Behörde jedenfalls gerechtfertigt.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Fall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des Beschwerdeführers noch nicht abschließend feststeht und, wie erörtert, vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Das Verwaltungsgericht hat im Falle einer Zurückverweisung darzulegen, welche notwendigen Ermittlungen die Verwaltungsbehörde unterlassen hat. (Ra 2014/20/0146 vom 20.05.2015)

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde sohin unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens und der vorgelegten Beweismittel, unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen, zusätzlich zu den bereits eingeholten Sachverständigengutachten, ein auf die konkrete Fragestellung eingehendes Sachverständigengutachten der Fachrichtung Psychiatrie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, einzuholen, und die Ergebnisse bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen haben. Die Zusammenfassung der eingeholten Gutachten hat durch den bereits im angefochtenen Verfahren befassten Sachverständigen der Fachrichtung Allgemeinmedizin zu erfolgen. Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird der Beschwerdeführer mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.

Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des Beschwerdeführers noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rascher und kostengünstiger festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die gegenständlich relevante Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs wurde im gegenständlichen Beschluss zitiert. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Ermittlungspflicht Grad der Behinderung Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W216.2233413.1.00

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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