TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/17 W216 2230230-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.09.2020
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Entscheidungsdatum

17.09.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W216 2230230-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Benedikta TAURER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , bevollmächtigt vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland (KOBV), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 28.02.2020, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer brachte am 01.10.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses sowie am 28.02.2020 verfahrensgegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (im Folgenden: belangte Behörde) ein.

Seitens der belangten Behörde wurde ein Facharzt für Orthopädie und Traumatologie (Unfallchirurgie) um Erstellung eines Sachverständigengutachtens ersucht, um zu beurteilen, ob die medizinischen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses sowie die beantragte Zusatzeintragung vorlägen. In dem eingeholten Sachverständigengutachten vom 17.02.2020 wurde – nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers am 12.02.2020 und Erstellung eines Untersuchungsbefundes – seitens des befassten Facharztes im Ergebnis festgehalten, dass eine wesentliche Mobilitätseinschränkung nicht vorliege und dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei. Beim Beschwerdeführer liege ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. vor.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 21.02.2020 wurde dem Beschwerdeführer – basierend auf dem Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens – ein unbefristeter Behindertenpass mit einem eingetragen Grad der Behinderung von 50 v.H. übermittelt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 28.02.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ebenfalls unter Zugrundelegung des eingeholten Sachverständigenbeweises abgewiesen. In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG.

Mit bei der belangten Behörde am 07.04.2020 eingelangtem Schreiben vom 02.04.2020 erhob der Beschwerdeführer – fristgerecht und unter Vorlage eines medizinischen Befundes (MRT Knie links) vom 05.02.2020 – das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin führt er im Wesentlichen aus, dass – im Gegensatz zu der Einschätzung des Gutachtens – sehr wohl eine wesentliche Mobilitätseinschränkung vorliege. Aufgrund der motorischen Peroneusparese links benötige er ständig eine Peroneusschiene und zusätzlich, ab einer Gehstrecke von 150 Meter, eine Gehhilfe durch zwei Unterarmstützkrücken, da er ansonsten nicht einmal diese kurzen Wegstrecken bewältigen könnte. Er könne weiters keine Stiegen steigen und sei insgesamt die Gehstrecke aufgrund der vorliegenden Gesundheitsschädigungen als nicht ausreichend zu bewerten Auch das sichere Ein- und Aussteigen und der sichere Transport seien nicht gewährleistet, da zusätzlich zu den bisher genannten Beschwerden auch noch ein Funktionsdefizit des linken Knies vorliege und die Wade nach der Muskelentfernung noch dünner als zuvor und dadurch kraftloser sei. Somit sei die ganze Unterschenkelaußenseite taub und bestehe dadurch ein immenses Handikap und eine Sturzgefahr. Für ganz kurze Distanzen mögen die Ausführungen betreffend Gesamtmobilität und Gangbild im Gutachten zutreffen, jedoch sei ihm aufgrund der bereits genannten Beschwerden eine Wegstrecke von 300-400m nicht zumutbar und somit auch die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht. Die Ausführungen des Gutachters betreffend die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung seien insgesamt sehr kurz gehalten und dadurch auch keine taugliche Grundlage für eine Entscheidung.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habende Verwaltungsakte wurde von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht am 08.04.2020 vorgelegt.

Zur Überprüfung des Beschwerdevorbringens sowie zur Begutachtung des neu vorgelegten medizinischen Befundes wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts ein Sachverständigengutachten des bereits befassten Facharztes für Orthopädie und Traumatologie (Unfallchirurgie) aufgrund der Aktenlage eingeholt. In seinem Sachverständigengutachten vom 13.08.2020 kommt der beigezogene Sachverständige zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

Mit Schreiben vom 20.08.2020 wurden der Beschwerdeführer und die belangte Behörde vom Bundesverwaltungsgericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen die Gelegenheit eingeräumt, zu dem übermittelten Aktengutachten vom 13.08.2020 innerhalb einer Frist von zwei Wochen Stellung zu nehmen.

Die belangte Behörde erstatte keine Stellungnahme.

Mit Schreiben vom 04.09.2020 erstatte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung eine Stellungnahme, in der er sich mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht einverstanden zeigt und im Wesentlichen festhält, dass er nur sehr kurze Wege zurücklegen könne und dies auch nur mit einer Peroneusschiene. Mit dieser Schiene würden jedoch bereits nach kurzen Wegstrecken Probleme auftreten. Dadurch sei auch mit der Schiene die Wegstrecke massiv eingeschränkt. Gehen stelle für den Beschwerdeführer eine große Belastung dar und jeder Weg sei ihm zu weit. Er könne nur unter erheblicher Belastung gehen und sei ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar. Der bereits ein Jahr zurückliegende Rehabilitationsbericht stelle keine aktuelle Grundlage zur Beurteilung seines Gesundheitszustandes dar. Es wäre ein neurologisches Gutachten einzuholen gewesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses.

Er brachte am 28.02.2020 den gegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass bei der belangten Behörde ein.

Der Beschwerdeführer leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:

1)       Motorische Peroneusparese links bei Unterschenkelfraktur mit Compartementsyndrom;

2)       Zustand nach perforierter Sigmadivertikulitis mit Komplikationen, Zustand nach Antrumgastritis,

3)       Funktionsdefizit linkes Knie.

Gangbild/Mobilität: Der Gang in Straßenschuhen ohne Gehbehelfe ist mit Peroneusschiene etwas kleinschrittig, aber sicher möglich, mäßig linkshinkend. Das Hauptleiden der Peroneuslähmung kann mit einer Schiene gut kompensiert werden. Die Mobilität ist beim Beschwerdeführer eingeschränkt, jedoch nicht in einem solchen Ausmaß, um die sichere Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel zu verhindern.

Das Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel ist möglich. Die Beugefunktionen der Gelenke der unteren Extremitäten sind ausreichend.

Stehen in öffentlichen Verkehrsmitteln im Nahebereich ist möglich und das Anhalten ist ungestört. Ebenso ist dem Beschwerdeführer die Sitzplatzsuche und das Fortbewegen in öffentlichen Verkehrsmitteln möglich.

Beim Beschwerdeführer ist beim Benützen von öffentlichen Verkehrsmitteln mit leichten – kurzfristig bis zu mittleren – Schmerzen zu rechnen; starke Schmerzen sind nicht zu erwarten.

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer zumutbar.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung liegen zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur gegenständlichen Antragstellung und zum Vorliegen eines Behindertenpasses ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen sowie zum Nichtvorliegen erheblicher – die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bewirkender – Funktionseinschränkungen gründen sich auf das im Auftrag der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie und Traumatologie (Unfallchirurgie) in Verbindung mit dem seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholten ergänzenden – auf der Aktenlage basierenden – Sachverständigengutachten ebenfalls des Facharztes für Orthopädie und Traumatologie (Unfallchirurgie).

Die vorliegenden Sachverständigenbeweise werden seitens des Bundesverwaltungsgerichtes als vollständig und schlüssig erachtet. Einbezogen wurden von dem befassten Sachverständigen die vom Beschwerdeführer im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunde, die im Übrigen nicht in Widerspruch zu den gutachterlichen Beurteilungen stehen und kein höheres Funktionsdefizit dokumentieren, als anlässlich der Begutachtungen festgestellt wurde.

In den Gutachten des Sachverständigen wurde unter Berücksichtigung der festgestellten Leidenszustände detailliert und nachvollziehbar dargelegt, warum dem Beschwerdeführer aus medizinischer Sicht die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.

Anhand der Art und Schwere der festgestellten Gesundheitsschädigungen konnten – den Gutachten zufolge – weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren und oberen Extremitäten oder der Wirbelsäule, der körperlichen Belastbarkeit, der psychischen, neurologischen oder intellektuellen Fähigkeiten und Funktionen noch eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems objektiviert werden. Bei seinen Einschätzungen konnte sich der Sachverständige auf den von ihm erhobenen klinischen Untersuchungsbefund einschließlich des festgestellten Gangbildes sowie auf die vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Beweismittel stützen.

Die Einwendungen des Beschwerdeführers im Rahmen des ihm eingeräumten Parteiengehörs sowie der Beschwerde waren ebenfalls nicht geeignet, die vorliegenden Sachverständigenbeweise in Zweifel zu ziehen und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen, zumal die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Leidenszustände vom befassten Sachverständigen in seinen Gutachten gehörig gewürdigt wurden.

Im Ergebnis gelangte der Sachverständige in nachvollziehbarer Weise zu dem Schluss, dass eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus medizinischer Sicht nicht gegeben ist, zumal – im Ergebnis – das Ausmaß bzw. die Auswirkungen der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Leidenszustände im Rahmen der klinischen Untersuchung und anhand der Befundlage in der vom Beschwerdeführer subjektiv empfundenen Form nicht objektiviert werden konnten.

Die bestehenden Funktionseinschränkungen erreichen – wie dargelegt – kein entsprechend schweres Ausmaß, um die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu rechtfertigen.

Der Beschwerdeführer, dem es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl, die getroffenen Einschätzungen der beigezogenen Sachverständigen zu entkräften, ist den eingeholten Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Soweit der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 04.09.2020 moniert, dass der bereits ein Jahr alte Rehabilitationsbericht keine aktuelle Grundlage zur Beurteilung seines Gesundheitszustandes darstelle, ist ihm zu entgegnen, dass sich der fachärztliche Sachverständige in seiner Beurteilung nicht ausschließlich auf diesen gestützt hat. Vielmehr hat der beigezogene Facharzt für Orthopädie und Traumatologie (Unfallchirurgie) den Beschwerdeführer persönlich untersucht und bildete die Basis seiner Beurteilung – wie er in seinem im Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts erstellten ergänzenden Sachverständigengutachten auch dezidiert festhält – diese persönliche Untersuchung ebenso wie die vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde.

Soweit in der Beschwerde sowie Stellungnahme die Einholung eines weiteren medizinischen Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich Neurologie beantragt wird, ist dazu auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den vergleichbaren Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) zu verweisen, wonach die Behörde iZm der Einschätzung des Grades der Behinderung verpflichtet ist, zur Klärung medizinischer Fachfragen ärztliche Gutachten einzuholen. Das Gesetz enthält aber keine Regelung, aus der erschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtung bestünde. Es besteht demnach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten an (vgl. VwGH 24.06.1997, Zl. 96/08/0114).

Gegenständlich liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, dass die Befassung eines Sachverständigen der Fachrichtungen Orthopädie und Traumatologie (Unfallchirurgie) sachwidrig erfolgt ist.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet die vorliegenden Sachverständigenbeweise für schlüssig, nachvollziehbar und vollständig. Das Bundesverwaltungsgericht findet daher auch keinen Anlass zur Annahme, dass die Sachverständigengutachten mit den Erfahrungen des Lebens oder den Denkgesetzen in Widerspruch stehen und diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990, idF BGBl. I. Nr. 57/2015, (BBG), hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, StF: BGBl. II Nr. 495/2013, lautet auszugsweise:

§ 1 ....

(2) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: 
1. .......         
2. ......         
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und         
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder         
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder         
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder         
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder         
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(3) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(4) ..."

Die Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013, ist gemäß § 5 Abs. 1 leg.cit. mit 1. Jänner 2014 in Kraft getreten. Die Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. Nr. 86/1991, ist mit Ablauf des 31. Dezember 2013 außer Kraft getreten.

Gemäß § 1 Abs. 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigten.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung das im Auftrag der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie und Traumatologie (Unfallchirurgie) in Verbindung mit dem seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholten ergänzenden – auf der Aktenlage basierenden – Sachverständigengutachten ebenfalls des Facharztes für Orthopädie und Traumatologie (Unfallchirurgie) zu Grunde gelegt. In diesen wird schlüssig und nachvollziehbar verneint, dass die beim Beschwerdeführer vorliegenden Funktionseinschränkungen die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass rechtfertigen.

Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, wurden die in der Beschwerde erhobenen Einwendungen einer medizinischen Begutachtung zugeführt und waren diese im Ergebnis nicht geeignet, das vorliegende Gutachten zu entkräften. Es ist daher im Beschwerdefall davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" nach Maßgabe des § 41 Abs.2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel betreffend den Beschwerdeführer unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen überprüft. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht ausreichend substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigenbeweise geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W216.2230230.1.00

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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