TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/21 W266 2224813-1

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Veröffentlicht am 21.09.2020
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Entscheidungsdatum

21.09.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W266 2224813-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan WAGNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Ulrike SCHERZ sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Rudolf HALBAUER, Bakk. Phil. als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 4.10.2019, OB: XXXX , betreffend den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit dem im Spruch zitierten Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (in der Folge: belangte Behörde) wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 21.8.2019 auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten zur Feststellung des Grades der Behinderung eingeholt worden sei und nach diesem Gutachten ein Grad der Behinderung von 40% vorliege.

Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Ergebnisse der ärztlichen Begutachtung würden als schlüssig anerkannt und in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

Da die ärztliche Begutachtung einen Grad der Behinderung in Höhe von 40% festgestellt habe, lägen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vor, da gemäß § 40 Abs. 3 Bundesbehindertengesetz der Grad der Behinderung mindestens 50% zu betragen habe.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen, fristgerechten Beschwerde führt der Beschwerdeführer – unter Vorlage weiterer Befunde – im Wesentlichen aus, dass seine Ärzte ihm bestätigt hätten, dass er in naher Zukunft einen Rollator oder Rollstuhl brauchen werde und daher die Aussage des Sachverständigen, dass eine nachhaltige Besserung durch die durchgeführte OP eingetreten sei, für ihn nicht nachvollziehbar sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Nach Einsicht in den behördlichen Verwaltungsakt, insbesondere in die vorgelegten Befunde, Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens sowie eines aktuellen Auszuges aus dem zentralen Melderegister steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger, am XXXX geboren und wohnhaft in 1220 Wien, XXXX .

Hinsichtlich des Gesundheitszustandes wird folgendes festgestellt:

Allgemeinzustand:

befriedigend

Ernährungszustand:

Sehr gut

Größe: 182,00 cm Gewicht: 110,00 kg

Klinischer Status – Fachstatus:

Thorax symmetrisch.

Wirbelsäule im Lot. HWS in R 40-0-40, F 10-0-10, KJA 2 cm, Reklination 12 cm. Normale Brustkyphose, BWS-drehung 30-0-30, FKBA 30 cm, Seitneigung bis 10 cm ober Patella.

Obere Extremitäten:

Schultern in S 40-0-150, F 140-0-50, R 60-0-60, Ellbögen 0-0-130, Handgelenke 50-0-55, Faustschluß beidseits möglich und kräftig.

Nacken- und Kreuzgriff durchführbar, endlagig eingeschränkt.

Untere Extremitäten:

Hüftgelenke in S 0-0-100, F 30-0-20, R rechts 20-0-10 zu links 30-0-10, Kniegelenke in S 0-0-130, bandfest, reizfrei.

Sprunggelenke 10-0-40. Geringfügige Dysästhesien der äußeren Zehen angegeben.

Gangbild/Mobilität:

Gang in Straßenschuhen mit Rollator, aber auch ohne Gehbehelfe möglich. Kleinerschrittig, ohne Einsinken. Zehenspitzen- und Fersenstand mit Anhalten möglich.

Die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers entsprechen den folgenden Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

Oberer Rahmensatz, da mittelgradige Bewegungseinschränkung und Vertebrostenose und schmerzbedingte Gehstrecke

Wahl der Position, da kein dauerhaftes motorisches Defizit

02.01.02

40

2

Aufbraucherscheinungen der großen Gelenke

Oberer Rahmensatz, da Schultern, Hüften und Knie betroffen; Wahl der Position, da geringe Beweglichkeitseinschränkungen

02.02.01

20

3

Diabetes mellitus

Mittlerer Rahmensatz dieser Position, da mit oraler Medikation zufriedenstellende Blutzuckerwerte erreicht werden.

09.02.01

20

4

Varikositas

Eine Stufe über unterem Rahmensatz, da Schellneigung. Wahl der Position, da keine relevante Beweglichkeitseinschränkung

05.08.01

20

5

Bluthochdruck

Fixer Rahmensatz

Wahl der Position, da keine Komplikationen dokumentiert.

05.01.01

10

und beträgt der Grad der Behinderung 40%.

Die Gesundheitsschädigung unter laufender Nummer 1 werden von den Leiden Nummer 2 bis 5 nicht erhöht, da die übrigen Leiden entweder von zu geringer funktioneller Relevanz sind oder nicht wechselwirksam sind.

Die Verwendung eines Rollators ist medizinisch nicht begründbar.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen beruhen betreffend Geburtsdatum, Staatsbürgerschaft und Wohnadresse auf den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers am Antragsformular, sowie auf den übereinstimmenden Unterlagen im Verwaltungsakt sowie auf dem eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister.

Hinsichtlich des Gesundheitszustandes und des Grades der Behinderung beruhen die Feststellungen auf dem vom Bundesveraltungsgericht eingeholten orthopädischen Gutachten, welches auf einer persönlichen Untersuchung basiert. Dieses ist in sich schlüssig, nachvollziehbar und vollständig. Es wird darin vollständig und in nachvollziehbarer Art und Weise auf alle, vom Beschwerdeführer vorgebrachten Leidenszustände unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde eingegangen.

Der Sachverständige ordnet das Leiden 1 (Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule) dem oberen Rahmensatz der Position 02.01.02 der EVO mit einem GdB in Höhe von 40% zu, da eine mittelgradige Bewegungseinschränkung, eine Vertebrostenose und schmerzbedingte Gehstrecke, jedoch kein dauerhaftes motorisches Defizit vorliegt. Diese Einschätzung entspricht den in der EVO für diese Position vorgesehenen Kriterien (40 %: Rezidivierend und anhaltend, Dauerschmerzen eventuell episodische Verschlechterungen, radiologische und/oder morphologische Veränderungen, maßgebliche Einschränkungen im Alltag).

Das Leiden 2 (Aufbraucherscheinungen der großen Gelenke) ordnet er dem oberen Rahmensatz der Position 02.02.01 mit einem GdB in Höhe von 20% zu, da Schultern, Hüften und Knie betroffen sind, aber nur geringe Beweglichkeitseinschränkungen gegeben sind. Dies entspricht den in der EVO für diese Position vorgesehenen Kriterien (Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen geringen Grades: 10 – 20 %: Leichte Beschwerden mit geringer Bewegungs- und Belastungseinschränkung).

Leiden 3 (Diabetes mellitus) wird vom Sachverständigen dem mittleren Rahmensatz der Position 09.02.01 mit einem GdB in Höhe von 20% zugeordnet, da mit oraler Medikation zufriedenstellende Blutzuckerwerte erreicht werden. Auch dies entspricht den Kriterien der EVO (Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus, 10 – 30 %; 10 %: Bei Kostbeschränkung ohne Medikation, 20 – 30 %: Je nach Ausmaß der medikamentösen Therapie und des HbA1c Wertes).

Die Zuordnung des Leiden 4 (Varikositas) erfolgt den Kriterein der EVO (Venöses und lymphatisches System: Funktionseinschränkung leichten Grades 10 – 40 %; 20%: ausgeprägte Schwellungsneigung; Lymphödem ohne wesentliche Beeinträchtigung der Gelenksbeweglichkeit) entsprechend mit einer Stufe über dem unteren Rahmensatz der Position 05.08.01 mit einem GdB in Höhe von 20%, da eine Schwellneigung ohne relevante Beweglichkeitseinschränkung vorliegt.

Das Leiden 5 (Bluthochdruck) ordnet er dem fixen Rahmensatz der Position 05.01.01 mit einem GdB in Höhe von 10% zu, da keine Komplikationen dokumentiert sind.

Auch den Gesamtgrad der Behinderung begründet der Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar, da die Leiden 2 bis 5 entweder von zu geringer funktioneller Relevanz sind oder nicht wechselwirksam sind und daher den GdB des Leiden 1 nicht erhöhen.

Zum Vorbringen des BF zu seinem Gutachten führt der Sachverständige nachvollziehbar aus, dass die Begutachtung nicht 10, sondern etwa 25 Minuten gedauert hat, was nicht als oberflächlich bezeichnet werden kann.

Weiters verweist er neuerlich auf den einzigen im Akt befindlichen klinischen Befund einer behandelnden Einheit (KH Zwettl) vom 16.10.2019 in dem festgehalten ist:

Aufnahmestatus: LWS: Lokal blande Verhältnisse, geringer Klopfschmerz, Schmerzen im Bereich der LWS in beide Beine, besonders rechts ausstrahlend. Distale Motorik erhalten, Hypästhesien am lateralen Fußrand und der Zehen 4 und 5 rechts, sonst Sensibilität in Ordnung. Lasegue bedseits negativ. Hüfte derzeit beschwerdefrei, Zehenspitzen-und Fersengang, soweit prüfbar, möglich. Röntgen 13.10.2019: Geringe Coxarthroseund ISG-arthrose beidseits. LWS: deutliche Osteochondrose L4-S1, geringe Retrolisthese L5/S1. Multisegmentale Osteochondrosen. Es erfolgte eine Facettendenervierung mit Besserung der Beschwerden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist,.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.       der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 46 BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Gemäß § 1. Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) ist unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 2 Abs. 1 Einschätzungsverordnung sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

Die relevanten Positionen der Anlage zur Einschätzungsverordnung lauten:

Wirbelsäule

02.01.01

Funktionseinschränkungen geringen Grades

10 – 20 %

Akute Episoden selten (2-3 Mal im Jahr) und kurzdauernd (Tage)

Mäßige radiologische Veränderungen

Im Intervall nur geringe Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben

Keine Dauertherapie erforderlich

02.01.02

Funktionseinschränkungen mittleren Grades

30 – 40 %

Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen andauernd, radiologische Veränderungen, andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika, Beispiel: Band-scheibenvorfall ohne Wurzelreizung (pseudoradikuläre Symptomatik)

30 %: Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen andauernd, radiologische Veränderungen

andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika

40 %: Rezidivierend und anhaltend, Dauerschmerzen eventuell episodische Verschlechterungen, radiologische und/oder morphologische Veränderungen

maßgebliche Einschränkungen im Alltag

02.02 Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates

Es ist die resultierende Gesamtfunktionseinschränkung bei entzündlich rheumatischen

Systemerkrankungen, degenerative rheumatischen Erkrankungen und systemischen

Erkrankungen der Muskulatur einzuschätzen.

Falls sie mit Lähmungserscheinungen einhergehen, sind sie entsprechend den funktionellen

Defiziten nach Abschnitt 04. „Neuromuskuläre Erkrankungen“ im Kapitel

„Nervensystem“ zu beurteilen.

02.02.01

Mit funktionellen Auswirkungen geringen Grades

10 – 20 %

 

Leichte Beschwerden mit geringer Bewegungs- und Belastungseinschränkung

 

09.02.01

Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus

10 – 30 %

10 %: Bei Kostbeschränkung ohne Medikation

20 – 30 %: Je nach Ausmaß der medikamentösen Therapie und des HbA1c Wertes

05.08 Venöses und lymphatisches System:

Lymphödem nach Operationen (z.B. Mammacarcinom, Entfernung inguinaler

Lymphknoten etwa wegen fortgeschrittenen Melanoms) ist im Rahmen der Grundkrankheit

einzuschätzen und wirkt als erhöhender Faktor innerhalb des Rahmensatzes.

Besenreiser begründen keinen GdB

05.08.01

Funktionseinschränkung leichten Grades

10 – 40 %

10 %:

Sichtbare Varizen ohne sonstige Schäden

20 %:

ausgeprägte Schwellungsneigung

Lymphödem ohne wesentliche Beeinträchtigung der Gelenksbeweglichkeit

30 %:

Postthrombotisches Syndrom

40 %:

Narbig abgeheilte Ulcera, Stauungsekze

Lymphödem mit geringer Beeinträchtigung der Gelenksbeweglichkeit

Gemäß § 3 Abs. 1 Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

Gemäß § 3 Abs. 2 Einschätzungsverordnung ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

Gemäß § 3 Abs. 3 Einschätzungsverordnung liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn

-        sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-        zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

Gemäß § 3 Abs. 4 Einschätzungsverordnung ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Gemäß § 4 Abs. 1 Einschätzungsverordnung bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

Gemäß § 4 Abs. 2 Einschätzungsverordnung hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Daraus folgt:

Das gegenständliche orthopädische Gutachten entspricht den formalen und inhaltlichen Voraussetzungen der Einschätzungsverordnung und wird, aus den unter Punkt 2 näher ausgeführten Gründen, der Entscheidung zugrunde gelegt.

Für die Ausstellung eines Behindertenpasses ist gemäß § 40 Abs. 1 BBG neben den formalen Erfordernissen ein Grad der Behinderung in Höhe von zumindest 50% Voraussetzung.

Die Funktionsbeeinträchtigungen des Beschwerdeführers betragen jedoch, wie festgestellt, 40%, da diese, wie bereits oben unter Punkt 2 ausgeführt, vom Amtssachverständigen schlüssig und nachvollziehbar den oben genannten Positionen der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet wurden.

Da beim Beschwerdeführer keine weiteren Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt werden konnten, und der Grad der Behinderung sohin entsprechend § 2 Abs. 1 Einschätzungsverordnung iVm mit den Positionen 02.01.02, 02.02.01, 09.02.01, 05.08.01 und 05.01.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung 40% beträgt, liegen nicht alle Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses vor.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Wurde – wie im vorliegenden Fall – kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße und zu begründende Ermessen des Verwaltungsgerichtes gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 VwGVG normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH).

Unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) führte der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Durchführung einer beantragten mündlichen Verhandlung im Erkenntnis vom 16.12.2013, 2011/11/0180 (mit Hinweis auf EGMR 13.10.2011, Fexler gg. Schweden, Beschw. Nr. 36.801/06) aus, dass eine solche unterbleiben kann, wenn der Ausgang des Verfahrens vor allem vom Ergebnis der Gutachten medizinischer Sachverständiger abhängt und der Beschwerdeführer auch nicht behauptet, dass er den von der Behörde eingeholten Gutachten entgegentritt. Dies gilt nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes umso mehr für den Fall einer von den Parteien nicht beantragten mündlichen Verhandlung.

In diesem Zusammenhang wird auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) verwiesen, die im Bereich von Entscheidungen, die eher technischer Natur („rather technical in nature“) sind und deren Ausgang von schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachten abhängt („the outcome depended on the written medical opinions“) unter Rücksichtnahme u.a. auf die genannten Umstände von der Zulässigkeit des Absehens einer mündlichen Verhandlung ausgeht, dies nicht nur im Verfahren vor dem jeweils zuständigen Höchstgericht, sondern auch in Verfahren vor dem als erste gerichtliche Tatsacheninstanz zuständigen (Verwaltungs)Gericht, dem die nachprüfende Kontrolle verwaltungsbehördlicher Entscheidungen zukommt (vgl. etwa EGMR [Unzulässigkeitsentscheidung] 22.05.2012, Osorio gg. Schweden, Beschw. Nr. 21.660/09, sowie VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221, mit Hinweis auf EGMR 18.07.2013, Beschw. Nr. 56.422/09, Schädler-Eberle gg. Liechtenstein; EGMR 10.05.2007, Beschw. Nr. 7401/04, Hofbauer gg. Österreich Nr. 2; EGMR 03.05.2007, Beschw. Nr. 17.912/05, Bösch gg. Österreich).

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten – vom erkennenden Gericht als schlüssig erachteten – Gutachten eines medizinischen Sachverständigen, dem der Beschwerdeführer weder auf gleicher fachlicher Ebene noch durch ein sonst substantiiertes Vorbringen entgegengetreten ist. Die strittigen Tatsachenfragen gehören ausschließlich dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

ZU B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung im Gegenstand von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W266.2224813.1.00

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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