Entscheidungsdatum
21.09.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W265 2232307-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 07.05.2020, Zl. XXXX , betreffend die Abweisung seines Antrages vom 27.12.2019 auf Gewährung von Hilfeleistungen in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach dem Verbrechensopfergesetz, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer brachte am 27.12.2019 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) in Form der Pauschalentschädigung für Schmerzengeld ein. Antragsbegründend gab der Beschwerdeführer an, am 21.09.2019 in Wien eine Ellbogenluxation erlitten zu haben. Diese Verletzung habe eine länger als vierundzwanzig Tage dauernde Berufsunfähigkeit nach sich gezogen, weshalb eine schwere Körperverletzung vorliege. Es sei ein Ermittlungsverfahren seitens der Staatsanwaltschaft eingeleitet worden, jedoch sei der Täter nicht bekannt. Am 19.12.2019 sei der Beschwerdeführer über den Abbruch des Strafverfahrens informiert worden, da der Täter nicht ausgeforscht habe werden können. Der Beschwerdeführer erfülle alle Voraussetzungen des § 6a VOG, wonach er einen Anspruch auf eine einmalige Geldleistung im Betrag von EUR 4.000,- habe. Die Ausschlussbestimmung des § 8 Abs. 1 Z 3 VOG sei nicht gegeben, da der Beschwerdeführer nicht an einem Raufhandel teilgenommen habe, sondern vielmehr nur als unglücklicher Beobachter von einem Angreifer verletzt worden sei.
Im Rahmen der Antragstellung legte der Beschwerdeführer das polizeiliche Vernehmungsprotokoll des Beschwerdeführers vom 26.09.2019, ambulante Befundberichte des LKH Graz vom 21.09.2019, 27.09.2019, 11.10.2019 und 12.11.2019, sowie einen Therapieplan vor.
Aus der polizeilichen Einvernahme des Beschwerdeführers vom 26.09.2019 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer seit geraumer Zeit als Koch in einem Imbiss im Volksgartenpark arbeite. Am 21.09.2019 hätten sich einige Afghanen auf zur Imbissbude gehörende Sessel gesetzt, wobei nur einer ein Getränk konsumiert habe. Als der Chef des Beschwerdeführers zum Schichtwechsel gekommen sei, habe er die Afghanen weg haben wollen, da diese sein Geschäft schädigen würden. Er habe zum Beschwerdeführer gesagt, dass er die Polizei rufen solle, damit die das erledige. Einer der Afghanen dürfte dies gehört haben und nachgefragt, weshalb sie die Polizei rufen wollen. Der Chef habe einen Afghanen am Kragen gepackt und ihnen gesagt, dass sie verschwinden sollen, er wolle keine Probleme mit ihnen, und habe diesen weggestoßen. Der Afghane habe seinen Chef beschimpft und ihm mit der Faust in die Schläfe geschlagen. Sein Chef sei dadurch nicht verletzt worden. Der Beschwerdeführer habe den Afghanen gefragt, was er wolle, woraufhin dieser mit der geballten Faust auf ihn zugegangen sei, ihn zwar nicht getroffen, ihm aber einen Tritt in den Lendenbereich versetzt habe. Die anderen Afghanen hätten diesen schließlich gepackt und von dort weg in den Park gezerrt. Der Beschwerdeführer habe den Afghanen einen Aschenbecher nachgeworfen, jedoch niemanden getroffen. Nach ungefähr 25 Minuten sei der eine Afghane wieder zurückgekommen und sie hätten wieder zu streiten begonnen. Der Beschwerdeführer sei sich sicher gewesen, dass der Afghane ein Messer dabei habe, weshalb er zu seiner eigenen Sicherheit eine hölzerne Pfeffermühle in die Hand genommen und dem Afghanen mit dieser gegen das Bein geschlagen habe. Die andren Afghanen seien inzwischen auch zurückgekommen und hätten die Situation beruhigen wollen. Leider sei dies erfolglos gewesen. Zwischen dem Afghanen und seinem Chef sei es eskaliert und der Beschwerdeführer habe beschlossen erneut dazwischen zu gehen, da habe ihn der Afghane zuerst gegen den unteren Rücken, dann gegen seinen rechten Arm getreten. Der Beschwerdeführer habe auch einen Schlag gegen seine linke Gesichtshälfte verspürt und sei in der Folge bewusstlos geworden.
Nach Einsichtnahme in den Strafakt und durchgeführten Erhebungen beim LKH Graz, teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 18.03.2020 im Wege des Parteiengehörs mit, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem VOG abzuweisen. Der Beschwerdeführer habe in dem Glauben, sein Gegenüber sei mit einem Messer bewaffnet, mit einer Pfeffermühle zugeschlagen und sich damit grob fahrlässig der Gefahr ausgesetzt, Opfer eines Verbrechens zu werden. Dass die Situation weiter eskaliere und es dabei zu Körperverletzungen kommen werde, sei voraussehbar gewesen. Die Behauptung seinen Chef schützen haben zu wollen, sei als Schutzbehauptung zu qualifizieren. Es wäre ihm bereits nach dem ersten Vorfall bzw. zu dem Zeitpunkt, als er angenommen habe, dass der Afghane ein Messer habe, zumutbar gewesen, die Polizei zu rufen. Ihm werde die Gelegenheit eingeräumt binnen vier Wochen zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen.
Mit Stellungnahme vom 23.04.2020 äußerte der Beschwerdeführer, dass ein unmittelbarer Angriff auf seine Person vorgelegen habe, weshalb er lediglich bemüht gewesen sei, diesen durch den Einsatz der Pfeffermühle abzuwehren. Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit sei absurd. Es könne einem Opfer keinesfalls zugemutet werden, den Täter zu ersuchen, den Angriff zu unterlassen, da vorerst die Polizei verständigt werden müsse. Jedes Opfer sei vorerst bemüht, seine eigene körperliche Sicherheit zu schützen. Außerdem übersehe die Behörde, dass der Versuch die Polizei zu rufen, dazu geführt habe, dass das Opfer und sein Arbeitgeber vom Täter angegriffen worden seien.
Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 07.05.20120 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem VOG (§ 1 Abs. 1, 6, 7, § 2 Z 10, § 6a) gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall VOG ab.
Die belangte Behörde nahm nach Feststellung des Sachverhaltes gemäß den Schilderungen des Beschwerdeführers den Ausschlussgrund nach § 8 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall VOG an, zitierte dazu Judikatur des VwGH und OGH und führte zum gegenständlichen Fall wie im Schreiben vom 18.03.2020 aus. Darüber hinaus begründete die belangte Behörde, dass ein gegenwärtiger oder unmittelbar drohender Angriff von dem Afghanen nicht bestanden habe, da er entgegen der Annahme des Beschwerdeführers kein Messer gehabt habe, also nicht bewaffnet gewesen sei. Der Beschwerdeführer hätte auch während der ersten Auseinandersetzung mit seinem Chef die Polizei rufen können. Auch habe er beim zweiten Vorfall, während die anderen Afghanen die Situation beruhigen hätten wollen, erneut beschlossen, in die Auseinandersetzung zwischen seinem Chef und dem Afghanen einzugreifen, anstatt die Polizei zu rufen. Durch sein Verhalten habe sich der Beschwerdeführer mehrmals, sowohl im Zuge des ersten als auch des zweiten Vorfalles grob fahrlässig der Gefahr ausgesetzt, Opfer eines Verbrechens zu werden, weshalb wie im Spruch zu entscheiden gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 15.06.2020 – beim Sozialministeriumservice am 18.06.2020 eingelangt – das Rechtsmittel der Beschwerde. Die belangte Behörde sei ihrer Pflicht zur materiellen Wahrheitsfindung nicht nachgekommen. Sie hätte dem Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Äußerung geben müssen, um dessen rechtliches Gehör zu wahren. Diesfalls hätte sich ergeben, dass der Beschwerdeführer davon ausgehen habe müssen, dass der auf ihn zukommende, bereits zuvor aggressive Täter bewaffnet sei. Er sei bereits zuvor von dem besagten Täter in den Lendenbereich getreten worden. Der Beschwerdeführer habe sich durch Zuhilfenahme einer Pfeffermühle eine Möglichkeit der Verteidigung offen gehalten. In Anbetracht der Begleitumstände und des zu erwartenden Angriffes sei dies nicht grob fahrlässig. Die Behörde gehe von einem falschen Sachverhalt aus. Hinsichtlich des ersten Vorfalles habe es die Behörde unterlassen, den Sachverhalt überhaupt aufzuklären, wobei es ihr durch Kontaktaufnahme mit dem Beschwerdeführer leicht möglich gewesen wäre. Darüber hinaus sei die rechtliche Würdigung verfehlt. Der Beschwerdeführer habe sich im Sinne von Notwehr bzw. Nothilfe verteidigt, was keinen Ausschlussgrund nach § 8 Abs. 1 VOG darstelle.
Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 18.06.2020 zur Entscheidung vorgelegt und langten die Unterlagen am 24.06.2020 hg. ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Türkei und besitzt einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel in Österreich.
Er arbeitete am 21.09.2019 in einem Imbiss im Volksgartenpark in Graz, als gegen 19 Uhr sein Arbeitgeber zum Schichtwechsel kam. Zu diesem Zeitpunkt saßen bereits mehrere Afghanen auf den Sesseln, die zum Imbissstand gehörten, wobei nur einer der Afghanen ein Getränk konsumierte.
Der Arbeitgeber des Beschwerdeführers forderte den Beschwerdeführer auf, die Polizei zu rufen, damit diese die Afghanen verscheuchen. Einer der Afghanen hörte das Wort Polizei und kam zu den beiden, um nachzufragen, weshalb sie die Polizei rufen wollen. Der Arbeitgeber des Beschwerdeführers antwortete, dass die Imbissbude seine Arbeit sei und die Kundschaft ausbleibe, weil sie immer auf den Stühlen herumsitzen. In der Folge kam es zu einer Rangelei zwischen dem Arbeitgeber und dem Afghanen, wobei niemand verletzt wurde. Der Beschwerdeführer mischte sich ein und fragte den Afghanen, was er wolle, woraufhin ihn der Afghanen versuchte mit der Faust zu schlagen und ihm folglich einen Tritt in den Lendenbereich versetzte. Eine Verletzung des Beschwerdeführers entstand dabei nicht. Die übrigen Afghanen begannen den Streit zu schlichten und zerrten den einen Afghanen weg vom Imbissstand, in den Park. Der Beschwerdeführer warf ihnen einen Aschenbecher hinterher, traf aber niemanden von ihnen.
Nach ungefähr 25 Minuten kehrte der eine Afghane zurück zum Imbissstand und es entfachte sich ein neuer Streit. Der Beschwerdeführer griff in diesem Zuge nach einer Pfeffermühle und schlug dem Afghanen ohne einem Angriff von diesem ausgesetzt zu sein gegen das Bein. Inzwischen kamen auch die anderen Afghanen zurück, nahmen dem Beschwerdeführer die Pfeffermühle aus der Hand und versuchten die Situation zu beruhigen. Zwischen dem Arbeitgeber und dem einen Afghanen eskalierte der Streit. Der Beschwerdeführer beschloss erneut einzuschreiten, wobei der Afghane den Beschwerdeführer gegen den Rücken und seinen rechten Arm trat und in der Folge einen Schlag in seine linke Gesichtshälfte versetzte. Der Beschwerdeführer ging daraufhin bewusstlos zu Boden und fiel dabei auf seinen rechten Arm.
Der Beschwerdeführer zog sich Verletzungen an seinem Kopf, Unterkiefer, Ellbogengelenk, Ober- und Unterarm, an seiner Hand und Hüfte zu.
Eine Verletzung der Lendenwirbelsäule lag nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
Die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers basiert auf der Angabe des Beschwerdeführers im Antrag vom 27.12.2019. Über Aufforderung der belangten Behörde seinen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich nachzuweisen, übermittelte er mit Eingabe vom 29.01.2020 die Kopie seiner Aufenthaltskarte, aus welcher sich ergibt, dass er unter dem Titel Rot-Weiß-Rot Karte Plus in Österreich aufenthaltsberechtigt ist.
Die Feststellungen zum Tathergang am 21.09.2019 gründen hauptsächlich auf den im Verwaltungsakt einliegenden polizeilichen Zeugenvernehmung des Beschwerdeführers vom 26.09.2019.
Infolge Erhebungen der belangten Behörde bei der Staatsanwaltschaft Graz konnte auch Einsicht in die polizeiliche Vernehmung des Arbeitgebers des Beschwerdeführers vom 05.10.2019 genommen werden, der bis zur Rangelei mit dem einen Afghanen dieselben Angaben, wie der Beschwerdeführer tätigte. Seine Aussage unterscheidet sich in der Folge insofern von jener des Beschwerdeführers, als dass er angab, mit dem Afghanen, der von der Absicht die Polizei verständigen zu wollen, mitbekommen habe, eine Rangelei gehabt zu haben. Geschlagen hätten sie sich nicht. Der Arbeitgeber sei auch nicht verletzt worden, obwohl ihn der Afghane provoziert habe. Es seien Leute aus dem Park gekommen um den Streit zu schlichten. Sein Mitarbeiter – gemeint der Beschwerdeführer – sei auch dazu gekommen, was genau passiert sei, könne er aber nicht angeben. Als er sich umgedreht habe, sei er am Boden gelegen seinen Arm haltend.
Dem Einvernahmeprotokoll des Arbeitgebers war für die Feststellung des Sachverhaltes einzig zu entnehmen, dass zwischen ihm und einem Afghanen eine Rangelei begann. Dass der Afghane den Arbeitgeber mit der Faust auf die Schläfe geschlagen hat, wie der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme anführte, war nicht festzustellen, da der Aussage des in dieser Situation vermeintlichen Opfers, dem Arbeitgeber, mehr Glauben zu schenken ist. Wäre der Arbeitgeber tatsächlich von dem Afghanen derart attackiert worden, hätte dieser es bei der polizeilichen Einvernahme auch so geschildert. Es ist jedenfalls nicht erkennbar, weshalb er einen Schlag verschweigen hätte sollen. Dass sein Arbeitgeber bei dieser Auseinandersetzung nicht verletzt wurde, sagt im Übrigen auch der Beschwerdeführer aus.
Betreffend den weiteren Ablauf der Geschehnisse wurde die Aussage des Beschwerdeführers vor der Polizei als Sachverhalt zugrunde gelegt.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer beim zweiten Vorfall in der Meinung, dass der Afghane mit einem Messer bewaffnet zurückgekehrt sei, mit der Pfeffermühle zugeschlagen habe, um sich gegen einen vermeintlich zu erwartenden Angriff zu verteidigen, war hingegen nicht zu treffen. Die dazu getätigten Ausführungen des Beschwerdeführers, er sei sich sicher gewesen, dass der Afghane eine Waffe mit hätte, weil dieser keine Angst gehabt hätte, vermochten den erkennenden Senat nicht zu überzeugen. Im Umkehrschluss würde diese Annahme einerseits bedeuten, dass der Afghane Angst vor dem Beschwerdeführer gehabt hätte, wenn er keine Waffe mitgeführt hätte. Aus welchem Grund dieser überhaupt Angst vor dem Beschwerdeführer haben hätte sollen, ist dem Gericht nicht erkennbar. Andererseits ist für den erkennenden Senat nicht ersichtlich, wie der Beschwerdeführer eine derartige Angst überhaupt erkennen hätte sollen bzw. diese nach seinen Ausführungen eben nicht an ihm erkannt habe, weshalb er daraus schloss, dass dieser ihn mit einem Messer angreifen wolle.
Welchen Sachverhalt es die belangte Behörde infolge Unterbleibens einer Einvernahme des Beschwerdeführers verabsäumt habe festzustellen, wie in der Beschwerde moniert, ist nicht erkennbar. Dazu tätigte der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde jedenfalls keine weiteren Ausführungen. Nachdem ohnehin beinahe sämtliche Angaben des Beschwerdeführers aus dem Einvernahmeprotokoll vom 26.09.2019 den Feststellungen zugrunde gelegt wurden, ist auch nicht ersichtlich, inwiefern der Beschwerdeführer Einwendungen gegen den erhobenen Sachverhalt haben könnte.
Die Feststellungen zu den erlittenen Verletzungen basieren auf den im Verwaltungsakt einliegenden medizinischen Unterlagen. Insbesondere wurde eine Verletzung im Bereich der Lendenwirbelsäule im ambulanten Befund vom 21.09.2019 vom LKH Graz nicht erhoben. Der Beschwerdeführer behauptete auch weder in seiner Stellungnahme im Wege des Parteiengehörs noch in seiner Beschwerde Gegenteiliges.
3. Rechtliche Beurteilung:
Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat ergeben sich aus §§ 6, 7 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) iVm § 9d Abs. 1 Verbrechensopfergesetz (VOG).
Zu A)
Gemäß § 1 Abs. 1 VOG haben Anspruch auf Hilfe österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie
1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben oder
2. durch eine an einer anderen Person begangene Handlung im Sinne der Z 1 nach Maßgabe der bürgerlich-rechtlichen Kriterien einen Schock mit psychischer Beeinträchtigung von Krankheitswert erlitten haben oder
3. als Unbeteiligte im Zusammenhang mit einer Handlung im Sinne der Z 1 eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben, soweit nicht hieraus Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz, BGBl. Nr. 20/1949, bestehen,
und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Wird die österreichische Staatsbürgerschaft erst nach der Handlung im Sinne der Z 1 erworben, gebührt die Hilfe nur, sofern diese Handlung im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug (Abs. 6 Z 1) begangen wurde.
Gemäß § 1 Abs. 6 leg.cit. ist Hilfe Unionsbürgern sowie Staatsbürgern von Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in gleicher Weise wie österreichischen Staatsbürgern zu leisten, wenn die Handlung nach Abs. 1
1. im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug, unabhängig davon, wo sich dieses befindet, begangen wurde oder
2. im Ausland begangen wurde, die betroffenen Personen ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben und die Handlung nach dessen Begründung begangen wurde.
Gemäß § 1 Abs. 7 erster Satz leg.cit. ist Hilfe ferner den nicht in den Abs. 1 und 6 genannten Personen zu leisten, wenn die Handlung nach Abs. 1 nach dem 30. Juni 2005 im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug, unabhängig davon, wo sich dieses befindet, begangen wurde und sie sich zum Zeitpunkt der Handlung dort rechtmäßig aufgehalten haben.
Nach § 2 Z 10 leg.cit. ist als Hilfeleistung unter anderem die Pauschalentschädigung für Schmerzengeld vorgesehen.
Nach § 6a Abs. 1 lec.cit. ist Hilfe nach § 2 Z 10 für eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 als einmalige Geldleistung im Betrag von 2 000 Euro zu leisten; sie beträgt 4 000 Euro, sofern die durch die schwere Körperverletzung verursachte Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit länger als drei Monate andauert.
Der Abs. 2 sieht vor, dass eine einmalige Geldleistung im Betrag von 8 000 Euro gebührt, wenn die Handlung eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85 StGB) nach sich zieht; sie beträgt 12 000 Euro, sofern wegen der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen ein Pflegebedarf im Ausmaß von zumindest der Stufe 5 nach dem Bundespflegegeldgesetz (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, besteht.
§ 8 leg.cit. regelt die Ausschlussbestimmungen, wonach gemäß Abs. 1 Opfer von den Hilfeleistungen ausgeschlossen sind, wenn sie
1. an der Tat beteiligt gewesen sind,
2. ohne einen von der Rechtsordnung anerkannten Grund den Täter zu dem verbrecherischen Angriff vorsätzlich veranlasst oder sich ohne anerkennenswerten Grund grob fahrlässig der Gefahr ausgesetzt haben, Opfer eines Verbrechens zu werden,
3. an einem Raufhandel teilgenommen und dabei die Körperverletzung oder die Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 1) erlitten haben oder
4. es schuldhaft unterlassen haben, zur Aufklärung der Tat, zur Ausforschung des Täters oder zur Feststellung des Schadens beizutragen.
Als türkischer Staatsangehöriger, der sich aufgrund des Aufenthaltstitels Rot-Weiß-Rot Karte Plus rechtmäßig in Österreich aufhält, ist der Beschwerdeführer grundsätzlich nach dem VOG anspruchsberechtigt, als die Voraussetzung des § 1 Abs. 7 Z 1 VOG vorliegt, da die Handlung nach Abs. 1 im Inland, und zwar – den Feststellungen zu Folge – in Graz, begangen wurde und sich der Beschwerdeführer bereits zu diesem Zeitpunkt rechtmäßig dort aufgehalten hat. Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen des VOG – insbesondere ob beim Beschwerdeführer eine schwere Körperverletzung vorliegend war – sind aufgrund der Erfüllung des Ausschlusstatbestandes des § 8 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall VOG nicht zu prüfen.
Bereits die belangte Behörde ging im gegenständlich angefochtenen Bescheid vom Vorliegen des Ausschlusstatbestandes nach § 8 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall VOG aus.
Dieser Beurteilung ist aus den folgenden Gründen zu folgen:
Ein Ausschlussgrund nach § 8 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall VOG ist dann gegeben, wenn sich der Betroffene ohne anerkennenswerten Grund grob fahrlässig der Gefahr aussetzt, Opfer eines Verbrechens zu werden. Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist (vgl. § 6 Abs. 1 StGB). Grobe Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn der Schaden als wahrscheinlich vorhersehbar war, wenn das Versehen mit Rücksicht auf seine Schwere oder Häufigkeit nur bei besonderer Nachlässigkeit und nur bei besonders nachlässigen oder leichtsinnigen Menschen vorkommt sowie nach den Umständen die Vermutung des „bösen Vorsatzes“ naheliegt. Dabei ist auch das Element der schweren subjektiven Vorwerfbarkeit einzubeziehen: Zum Umstand, dass ein Verstoß objektiv ohne Zweifel als besonders schwer anzusehen ist, muss hinzutreten, dass er auch subjektiv schwerstens vorwerfbar ist. Bei der Beurteilung des Vorliegens grober Fahrlässigkeit sind stets die Umstände des Einzelfalles heranzuziehen (vgl. VwGH 27.05.2014, 2011/11/0025, mwN).
Der Beschwerdeführer brachte sich gegenständlich mehrfach selbst in die Situation Opfer der letzten Endes erfolgten Körperverletzung zu werden. Zum ersten Vorfall ist auszuführen, dass sich der Beschwerdeführer in eine Rangelei zwischen seinem Arbeitgeber und einen der Afghanen einmischte, indem er letzteren fragte, was er wolle. Aufgrund des Umstandes, dass diese beiden sich bereits in einem Stadium von körperlichen Handgreiflichkeiten befanden, ist es jedenfalls fahrlässig – wenn auch möglicherweise noch nicht grob fahrlässig – sich in eine derartige Situation einzumischen. Da der Beschwerdeführer in weiterer Folge einen Tritt in den Lendenbereich, jedoch ohne Verletzungsfolgen erlitt, ist es nicht relevant, ob die Schwelle der groben Fahrlässigkeit mit seinem Handeln bereits erreicht wurde oder gerade noch nicht überschritten war. Jedenfalls als grob fahrlässig ist sein Verhalten nach der beendeten Auseinandersetzung mit den Afghanen jedoch anzusehen, wenn der Beschwerdeführer diesen einen Aschenbecher hinterherwarf, obwohl sie sich bereits in den Park entfernten. Die Auseinandersetzung schien damit vorerst als beendet.
Wenn man schließlich die Rückkehr des einen Afghanen nach etwa 25 Minuten als ein von der vorherigen Situation, welche der Beschwerdeführer mit seinem grob fahrlässigen Verhalten „beendete“, zu trennendes Ereignis qualifiziert, setzte sich der Beschwerdeführer erneut, ohne erkennbaren Grund grob fahrlässig der Situation aus, Opfer einer Körperverletzung zu werden, indem er sich mit der Pfeffermühle bewaffnete und ohne erkennbaren Grund gegen das Bein des Afghanen schlug. In diesem Zuge entstanden allerdings noch nicht einmal die Verletzungen des Beschwerdeführers, da der Afghane nicht mit dem Beschwerdeführer in Streit geriet, sondern eine Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber eskalierte.
Die übrigen Afghanen sind zu diesem Zeitpunkt bereits zurückgekehrt und wollten die Situation beruhigen. Selbst wenn man die Situation des Beschwerdeführers also dahingehend beurteilt, dass er mit der Pfeffermühle nur zuschlug, weil er einen Angriff des Afghanen befürchtete und damit keine grobe Fahrlässigkeit mehr gegeben wäre, war jedoch ein allfälliger „Angriff“ jedenfalls nicht mehr gegeben. Ohne einem neuerlichen direkten Angriff ausgesetzt zu sein mischte sich der Beschwerdeführer in weiterer Folge trotz der Beschwichtigungsversuche der übrigen Afghanen wieder in die Auseinandersetzung zwischen seinem Arbeitgeber und diesem einen Afghanen ein, woraufhin dieser ihm gegen den Rücken, seinen rechten Arm und ins Gesicht schlug, sodass der Beschwerdeführer zu Boden ging. Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes brachte sich der Beschwerdeführer damit mehrfach grob fahrlässig selbst in die Situation Opfer einer Körperverletzung zu werden. Der Arbeitgeber des Beschwerdeführers wurde von den Afghanen weder verletzt noch geschlagen, weshalb es auch nicht nachvollziehbar ist, weshalb sich der Beschwerdeführer dazu veranlasst sah, sich in den Streit mehrfach einzumischen und nicht den Notruf der Polizei zu wählen. Damit liegt der Ausschlussgrund des § 8 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall VOG vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Im gegenständlichen Fall war zu klären, ob der Beschwerdeführer eine Handlung gesetzt hat, welche einen Ausschlussgrund nach § 8 VOG verwirklicht. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde bereits durch die belangte Behörde durch entsprechende Erhebungen, insbesondere die Einsichtnahme in den Strafakt geklärt. Der Beschwerdeführer erstattete in seiner Beschwerde kein substantiiertes Vorbringen, welches dazu geführt hätte, dass das Bundesverwaltungsgericht von einem gänzlich anderen Sachverhalt, als die belangte Behörde ausgegangen wäre. Vor dem Hintergrund, dass der Sachverhalt den Unterlagen des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde zu entnehmen war, sohin der entscheidungsrelevante Sachverhalt durch reines Aktenstudium geklärt werden konnte, die aufgeworfene Rechtsfrage betreffend den Ausschlussgrund des § 8 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall VOG durch die bisherige – an entsprechender Stelle zitierte – Rechtsprechung beantwortet ist und in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen wurden, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätten, war eine mündliche Verhandlung im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zuletzt VwGH vom 17.02.2015, Zl. Ra 2014/09/0007, mwN) nicht geboten. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall ist nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG), weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Hinsichtlich der Rechtsfrage, ab wann der Ausschlussgrund des § 8 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall VOG vorliegt, war die entsprechende unter Punkt A) zitierte höchstgerichtliche Judikatur heranzuziehen.
Schlagworte
Ausschlusstatbestände Fahrlässigkeit Körperverletzung SchmerzengeldEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W265.2232307.1.00Im RIS seit
24.11.2020Zuletzt aktualisiert am
24.11.2020