Entscheidungsdatum
23.09.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W250 2231023-3/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Georg KLAMMER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.08.2020, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) stellte am 14.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Ungarn. Er entzog sich diesem Verfahren, reiste unrechtmäßig nach Österreich ein und stellte hier am 25.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge aus Bundesamt bezeichnet) vom 21.09.2018 vollinhaltlich abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist und als Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.01.2019 abgewiesen. Dieses Erkenntnis wurde der damaligen Rechtsvertreterin des BF am 23.01.2020 zugestellt.
2. Seit 29.01.2020 verfügte der BF über keine Meldeadresse, er verließ sein Grundversorgungsquartier am 28.01.2020. Das Bundesamt erließ am 28.02.2020 gemäß § 34 Abs. 3 Z. 1 BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG einen den BF betreffenden Festnahmeauftrag.
3. Am 11.05.2020 wurde der BF von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen, festgenommen und dem Bundesamt vorgeführt. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 11.05.2020 wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG iVm § 57 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung über den BF angeordnet. Die gegen diesen Bescheid erhobene Schubhaftbeschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.05.2020 abgewiesen, gleichzeitig wurde festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
4. Der BF trat am 23.05.2020 in einen Hungerstreik, den er am 07.06.2020 wieder beendete.
5. Am 06.07.2020 wurde der BF vom Bundesamt einvernommen, wobei er im Wesentlichen angab, dass er gesund sei und keine Medikamente einnehme. Nach Afghanistan wolle er nicht ausreisen und könne dorthin auch nicht zurück. Er habe in Österreich die Sprache gelernt, sei nicht kriminell gewesen und habe keine Probleme mit der Polizei. Nach Afghanistan könne er auch auf Grund der Corona-Pandemie nicht zurückkehren.
Dem Bundesamt wurde am 13.07.2020 von einer die Rückkehrberatung durchführenden Organisation mitgeteilt, dass der BF am 02.07.2020 über das Projekt „Restart-III“ ausführlich informiert worden sei, er jedoch nicht rückkehrwillig sei.
6. Am 23.07.2020 stellte der BF einen Asyl-Folgeantrag, die diesbezügliche Erstbefragung fand noch am selben Tag statt. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, dass er weder über Barmittel noch über andere Formen der Unterstützung verfüge und keine Verpflichtungserklärung für ihn abgegeben worden sei. Er sei anwaltlich vertreten, wisse jedoch den Namen seines Vertreters nicht. An Krankheiten leide er nicht und er habe Österreich seit der rechtskräftigen Entscheidung über seinen ersten Asylantrag nicht verlassen. Zu seinen Gründen für den neuerlichen Asylantrag befragt gab der BF an, dass er noch nie in Afghanistan gewesen und in Pakistan geboren sei. Seine gesamte Familie wohne in Pakistan, in Afghanistan habe er niemanden. Das Land sei sehr gefährlich, man könne dort nicht leben. Dies seien alle seine Fluchtgründe, mehr wolle er nicht hinzufügen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte er getötet zu werden. Konkrete Hinweise, dass ihm bei seiner Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe, die Todesstrafe oder er mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen habe gebe es nicht, aber es herrsche in Afghanistan Krieg. Die Änderung der Situation bzw. die Fluchtgründe seien dem BF schon immer bekannt gewesen. An Beweismitteln könne er Unterlagen aus Pakistan holen, als Beweis dafür, dass er dort gelebt habe.
Mit Aktenvermerk des Bundesamtes vom 23.07.2020 wurde gemäß § 76 Abs. 6 FPG festgehalten, dass Gründe zur Annahme vorliegen, dass der BF den Antrag auf internationalen Schutz zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt hat. Dieser Aktenvermerk wurde dem BF am 23.07.2020 zur Kenntnis gebracht.
7. Am 17.08.2020 wurde der BF vom Bundesamt zur Überprüfung der Anordnung eines gelinderen Mittels einvernommen, wobei er im Wesentlichen angab, dass er gesund sei und keine Medikamente einnehme. Er habe in der Schubhaftbeschwerde bereits eine Adresse angegeben an der er sich aufhalten und behördlich melden werde. Er werde sich auch bei der Polizei melden. An Barmittel verfüge er über EUR 387,--.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.08.2020 wurde über den BF gemäß § 77 Abs. 1 und 3 iVm § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG das gelindere Mittel der täglichen Meldeverpflichtung bei einer bestimmten Polizeiinspektion beginnend ab 18.08.2020 zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG ausgeschlossen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass des BF seinen Antrag auf internationalen Schutz während einer Anhaltung in Schubhaft gestellt habe, weshalb er in den Anwendungsbereich des § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG falle, ohne dass es einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bedürfe. Im Fall des BF bestehe auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 5 und 9 FPG Fluchtgefahr. Auf Grund des festgestellten Vorverhaltens des BF – insbesondere des Untertauchens des BF, seiner illegalen Einreise, seiner Weigerung aus Österreich trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung auszureisen und der Stellung eines neuerlichen Antrages auf internationalen Schutz um die bevorstehende Abschiebung zu verhindern – sei die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung erforderlich. Auch aus der persönlichen Situation des BF könne mangels Verankerung in Österreich auf Grund seines bisherigen Verhaltens darauf geschlossen werden, dass ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliege. Da der BF in seiner Einvernahme am 17.08.2020 eine Adresse angegeben habe, an der er dauerhaft Unterkunft nehmen wolle, könne mit der Anordnung eines gelinderen Mittels das Auslangen gefunden werden. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde sei ausgeschlossen worden, da das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug dieses Bescheides auf Grund des Vorverhaltens des BF evident sei.
Dieser Bescheid wurde dem BF sowie seinem Rechtsvertreter am 17.08.2020 zugestellt.
8. Am 17.08.2020 wurde der BF aus der Schubhaft entlassen.
9. Am 14.09.2020 erhob der BF durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter die verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen den Bescheid vom 17.08.2020 und brachte im Wesentlichen vor, dass eine Abschiebung des BF nach Afghanistan derzeit nicht möglich sei. Das Coronavirus sei in Afghanistan stark verbreitet, Erkrankte würden zudem stigmatisiert und führe die Coronapandemie wegen des Einkommensausfalles bei gleichzeitig gestiegenen Lebensmittelpreisen zu einer aktuellen Nahrungsmittelkrise. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohe dem BF, dass er verhungere, sodass seine Abschiebung nach Afghanistan auf Grund seiner Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK nicht zulässig sei. Damit könne die Schubhaft ihren Sinn die Abschiebung zu sichern, nicht erfüllen.
Die Abschiebung des BF sei auch deshalb nicht zulässig, da sein Asyl-Folgeantrag noch unerledigt sei und ihm daher faktischer Abschiebeschutz zukomme.
Gemäß Art. 15 der Richtlinie 2008/115/EG habe die Haftdauer so kurz wie möglich zu sein und dürfe sich nur auf die Dauer der laufenden Abschiebevorkehrungen erstrecken, solange diese mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt werden. Von laufenden Abschiebevorkehrungen könne jedoch nicht die Rede sein und sei davor der Asylfolgeantrag zu erledigen. Auf Grund der sich verschlechtert habenden Situation in Afghanistan sei eine subsidiäre Schutzgewährung nunmehr wahrscheinlich, jedenfalls habe die Behörde das Verfahren inhaltlich zu prüfen und damit zuzulassen.
Sei Schubhaft nicht zulässig, so sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch die Anordnung eines gelinderen Mittels nicht rechtens.
Der BF beantragte eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
10. Das Bundesamt legte am 16.09.2020 die gegenständliche Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Zum Verfahrensgang
Der unter I.1. bis I.10. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.
2. Zur Person des BF
2.1. Der BF ist ein volljähriger afghanischer Staatsangehöriger, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der BF ist in Österreich unbescholten.
2.2. Der BF wurde von 11.05.2020 bis 17.08.2020 in Schubhaft angehalten.
3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf
3.1. Der BF stellte am 14.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Ungarn. Diesem Verfahren hat er sich durch unrechtmäßige Einreise nach Österreich entzogen.
3.2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 21.09.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 25.05.2016 vollinhaltlich abgewiesen und eine den BF betreffende Rückkehrentscheidung erlassen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.01.2020 abgewiesen. Wenige Tage nach Zustellung dieses Erkenntnisses an seine damalige Rechtsvertreterin tauchte der BF unter und behinderte damit seine Abschiebung.
3.3. Nachdem mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.05.2020 die Beschwerde des BF gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes vom 11.05.2020 abgewiesen wurde und gleichzeitig ausgesprochen wurde, dass die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft zulässig ist, trat der BF am 23.05.2020 in einen Hungerstreik, den er am 07.06.2020 wieder beendete.
3.4. Am 23.07.2020 stellte der BF während seiner Anhaltung in Schubhaft einen Asylfolgeantrag.
3.5. Am 17.08.2020 gab der BF gegenüber dem Bundesamt an, dass er über eine Wohnmöglichkeit verfüge an der er sich behördlich melden und einem gelinderen Mittel nachkommen werde. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.08.2020 wurde gegen den BF das gelindere Mittel der täglichen Meldeverpflichtung bei einer näher bezeichneten Polizeiinspektion erlassen und der BF aus der Schubhaft entlassen. Dem gelinderen Mittel kam der BF zu keinem Zeitpunkt nach, über eine Meldeadresse verfügt er seit seiner Entlassung aus der Schubhaft nicht.
3.6. Der BF verfügt über keine familiären oder substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Er ging nie einer legalen Beschäftigung, verfügt über keine finanziellen Mittel zur Existenzsicherung und keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Akt des Bundesamtes und in den vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des BF betreffend sowie in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend. Einsicht genommen wurde in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres, in das Grundversorgungs-Informationssystem sowie in das Zentrale Melderegister.
1. Zum Verfahrensgang
Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes, dem vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des BF betreffend sowie aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Schubhaftverfahren des BF betreffend. Diesen Feststellungen wurde in der Beschwerde nicht entgegengetreten.
2. Zur Person des BF
2.1. Dass der BF volljährig ist ergibt sich einerseits aus dem im Asylverfahren eingeholten Gutachten zum Alter des BF sowie andererseits aus dem vom BF in seiner Erstbefragung vom 26.05.2016 angegebenen Geburtsdatum. Seine afghanische Staatsangehörigkeit steht insofern fest, als ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates durchgeführt wurde und entsprechend den Eintragungen im Zentralen Fremdenregister die Ausstellung eines EU-Laissez-Passer jederzeit möglich ist. Anhaltspunkte dafür, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Da der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 25.05.2016 rechtskräftig vollinhaltlich abgewiesen wurde und über seinen Asyl-Folgeantrag vom 23.07.2020 noch nicht entschieden wurde, handelt es sich beim BF weder um einen Asylberechtigten noch um einen subsidiär Schutzberechtigten. Die Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem Strafregister.
2.2. Der Zeitraum, in dem der BF in Schubhaft angehalten wurde, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Eintragungen in der Anhaltedatei.
3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf
3.1. Dass der BF am 14.05.2016 einen Asylantrag in Ungarn stellte ergibt sich aus dem im Zentralen Fremdenregister diesbezüglich aufscheinenden Eurodac-Treffer sowie aus der im Asyl-Akt des BF einliegenden Antwort der ungarischen Dublin-Behörde vom 26.07.2016 auf das Rückübernahme-Ersuchen im Dublin-Verfahren. Dass sich der BF seinem Asylverfahren in entzogen hat ergibt sich insbesondere daraus, dass er wenige Tage nach seinem Antrag in Ungarn einen Asylantrag in Österreich stellte und er die Tatsache, dass er in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, bei seiner am 26.05.2016 durchgeführten Erstbefragung verschwieg.
3.2. Die Feststellungen zum Bescheid des Bundesamtes vom 21.09.2018 und insbesondere der darin erlassenen Rückkehrentscheidung beruhen auf dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen diesen Bescheid betreffend. Aus diesem Akt ergibt sich insbesondere, dass das abweisende Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes der damaligen Rechtsvertreterin des BF am 23.01.2020 zugestellt wurde. Aus dem Zentralen Melderegister ergibt sich, dass der BF am 29.01.2020 von seiner damaligen Meldeadresse abgemeldet wurde und bis zur Anordnung der Schubhaft über keine weitere Meldeadresse mehr verfügte. Es konnte daher die Feststellung getroffen werden, dass der BF wenige Tage nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im ersten Asylverfahren untergetaucht ist und damit seine Abschiebung behindert hat.
3.3. Dass der BF wenige Tage nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über seine Schubhaftbeschwerde in den Hungerstreik trat ergibt sich aus den diesbezüglichen Meldungen im Verwaltungsakt sowie aus den damit übereinstimmenden Eintragungen in der Anhaltedatei.
3.4. Dass der BF am 23.07.2020 während seiner Anhaltung in Schubhaft einen Asyl-Folgeantrag stellte, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.
3.5. Die Feststellungen zu den Angaben des BF zu seiner Wohnmöglichkeit sowie seiner Bereitschaft, sich an dieser Adresse behördlich zu melden und einem gelinderen Mittel nachzukommen, ergeben sich aus der Niederschrift über die Einvernahme des BF durch das Bundesamt am 17.08.2020. Die Feststellungen zu dem mit Bescheid vom 17.08.2020 angeordneten gelinderen Mittel sowie der Entlassung des BF aus der Schubhaft ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Dass der BF seit seiner Entlassung aus der Schubhaft über keine Meldeadresse verfügt, ergibt sich aus dem Zentralen Melderegister, dass der BF seiner Meldeverpflichtung aus dem gelinderen Mittel zu keinem Zeitpunkt nachgekommen ist, steht auf Grund der diesbezüglichen Mitteilung jener Polizeiinspektion, bei der sich der BF täglich zu melden gehabt hätte, fest.
3.6. Die Feststellungen zu den mangelnden familiären und sozialen Anknüpfungspunkten des BF in Österreich sowie seiner mangelnden beruflichen Integration ergeben sich aus seinen Angaben in seinen bisherigen Verfahren. Insbesondere gab der BF bei seiner Einvernahme am 11.05.2020 an, dass er weder über Familienangehörige noch über nennenswerte Bindungen im Bundesgebiet verfüge, auch einer legalen Beschäftigung gehe er nicht nach. Am 17.08.2020 gab der BF beim Bundesamt an, dass er über EUR 387,-- verfüge. Es konnte daher die Feststellung getroffen werden, dass er über kein existenzsicherndes Vermögen verfügt. Da der BF im Schubhaftverfahren vorbrachte, dass er lediglich über eine Wohnmöglichkeit bei einem Bekannten verfüge, konnte die Feststellung getroffen werden, dass der BF über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz verfügt.
Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchteil A. – Abweisung der Beschwerde
3.1.1. Gesetzliche Grundlagen
Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
§ 77 Gelinderes Mittel
Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.
Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.
3.1.2. Zur Judikatur:
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Voraussetzung für die Anordnung eines gelinderen Mittels sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren im Zusammenhang mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen oder der Abschiebung und das Bestehen von Fluchtgefahr. Über den BF wurde ein gelinderes Mittel zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.
3.1.4. Das Bundesamt geht auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 5 und 9 FPG vom Vorliegen einer Fluchtgefahr aus.
Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG ist bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der BF hat sich seinem Asylverfahren in Ungarn entzogen und ist in Österreich nach Durchsetzbarkeit einer Rückkehrentscheidung untergetaucht, wodurch er seine Abschiebung zumindest behindert hat. Es ist daher der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt.
Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 5 FPG ist bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, zu berücksichtigen, ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 21.09.2018 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.01.2020 abgewiesen. Der BF wurde von 11.05.2020 bis 17.08.2020 in Schubhaft angehalten, am 23.07.2020 stellte er einen Asyl-Folgeantrag. Im Zeitpunkt der Stellung dieses Asyl-Folgeantrages lag eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor und wurde der BF in Schubhaft angehalten. Es ist daher auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 5 FPG erfüllt.
Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG sind bei Beurteilung der Fluchtgefahr der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Aus den zu den familiären und sozialen Anknüpfungspunkten des BF in Österreich getroffenen Feststellungen ergeben sich keine Umstände, die gegen das Vorliegen einer Fluchtgefahr sprechen. Insbesondere wird das Vorliegen von Fluchtgefahr auch durch die Möglichkeit des BF bei einem Bekannten zu wohnen, nicht vermindert. Der BF wurde im Zeitpunkt seines Untertauchens in der Grundversorgung betreut und es stand ihm im Rahmen der Grundversorgung ein gesicherter Wohnsitz zur Verfügung. Trotz dieses gesicherten Wohnsitzes ist der BF untergetaucht und hat sich seiner Abschiebung entzogen. Darüber hinaus gab der BF bei seiner Einvernahme am 11.05.2020 an, dass er nach dem Verlassen seines Grundversorgungsquartieres bei mehreren Bekannten gewohnt habe. Er nutzte daher seine Wohnmöglichkeiten bei Bekannten, um unterzutauchen.
Das Bundesamt ist daher zu Recht von Fluchtgefahr ausgegangen.
3.1.5. Das Bundesamt ist auch zu Recht von Sicherungsbedarf ausgegangen. Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen.
Der BF hat sich bereits seinem Asylverfahren in Ungarn entzogen, tauchte in Österreich unmittelbar nach Rechtskraft der ihn betreffenden Rückkehrentscheidung unter und versuchte während seiner Anhaltung in Schubhaft durch Hungerstreik seine Freilassung zu erzwingen.
In Österreich verfügt der BF weder über Familienangehörige noch über nennenswerte soziale Kontakte. Er ging bisher in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, erzielte kein Einkommen, verfügt über kein Vermögen und hat auch keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.
3.1.6. Auf Grund der Tatsache, dass sich der BF bereits in Ungarn seinem Asylverfahren entzogen hat, er in Österreich unmittelbar nach Rechtskraft der ihn betreffenden Rückkehrentscheidung untergetaucht ist und er durch Hungerstreik seine Freilassung aus der Schubhaft erzwingen wollte, ist im Fall des BF von erheblicher Fluchtgefahr auszugehen, weshalb die Verpflichtung zur täglichen Meldung bei einer bestimmten Polizeiinspektion auch verhältnismäßig ist.
3.1.7. Der BF bringt in seiner Beschwerde im Wesentlichen vor, dass seine Abschiebung nach Afghanistan derzeit nicht zulässig sei und das Bundesamt auch keine Vorbereitungen zur Abschiebung des BF treffe. Die Anordnung von Schubhaft über den BF sei daher nicht zulässig. Sei aber die Schubhaft nicht zulässig, so sei auch die Anordnung eines gelinderen Mittels nicht rechtmäßig. Diesem Vorbringen ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Anordnung des gelinderen Mittels im angefochtenen Bescheid ausdrücklich zum Zweck der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme erfolgt ist. Darauf, ob die Abschiebung des BF tatsächlich im Raum steht, kommt es bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer allenfalls anzuordnenden Schubhaft zu diesem Zweck jedoch nicht an, da über den Asyl-Folgeantrag des BF bisher noch nicht entschieden wurde. Das Vorbringen in der Beschwerde ist daher nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war abzuweisen.
3.1.8. Durch die erfolgte Sachentscheidung konnte eine Entscheidung über eine mögliche Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unterbleiben.
3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.
3.3. Zu Spruchteil B. - Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.
Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
aufenthaltsbeendende Maßnahme Fluchtgefahr gelinderes Mittel Meldeadresse Meldepflicht Schubhaft Sicherungsbedarf UntertauchenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W250.2231023.3.00Im RIS seit
24.11.2020Zuletzt aktualisiert am
24.11.2020