Entscheidungsdatum
28.09.2020Norm
AVG §68 Abs1Spruch
W265 2234657-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 20.08.2020, Zl: XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 29.06.2012 einen Antrag auf Anerkennung als Opfer der politischen Verfolgung im Sinne des Opferfürsorgegesetzes (OFG), welchen er damit begründete, dass er drei Monate in einem Weinkeller versteckt gewesen sei, wovon er einen bleibenden Herzschaden, ein Vorhofflimmern, davongetragen habe.
Nach einem durchgeführten Ermittlungsverfahren wurde dem Antrag mit Bescheid des Bundessozialamtes (nunmehr: Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen bzw. des Weiteren auch als belangte Behörde bezeichnet) vom 28.03.2013 nach einem durchgeführten Ermittlungsverfahren mangels Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nicht stattgegeben.
Der dagegen erhobenen Berufung gab der damals zur Entscheidung darüber berufene Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz mit Bescheid vom 27.09.2013 keine Folge.
Der zugleich am 29.06.2012 gestellte Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung einer Opferrente nach dem OFG wurde mit Bescheid des Bundessozialamtes vom 24.10.2013 in weiterer Folge ebenfalls abgewiesen.
Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 04.12.2013 nach Anhörung der Opferfürsorgekommission keine Folge gegeben.
Eine erhobene Revision wurde mit Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 09.09.2014 wegen Verspätung zurückgewiesen.
Am 14.07.2020 stellte der Beschwerdeführer einen neuerlichen, den gegenständlichen Antrag auf Opferrente nach dem OFG und legte seinem Antrag eine Bestätigung des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus vom 02.07.2020 bei, wonach der Beschwerdeführer als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt werde.
Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 20.08.2020 wies die belangte Behörde diesen Antrag auf Gewährung einer Opferrente wegen entschiedener Sache gemäß § 16 Abs. 1 OFG iVm § 68 Abs. 1 AVG zurück.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass das Bundessozialamt mit Bescheid vom 24.10.2013 bereits einen Antrag auf Opferrente abgewiesen habe und der dagegen erhobenen Berufung mit Bescheid vom 04.12.2013 keine Folge gegeben worden sei. Die dem aktuellen Anbringen beigegebene Bestätigung des österreichischen Nationalfonds vom 02.07.2020 bewirke keine andere rechtliche Beurteilung, da dem Verfahren des Nationalfonds und dem behördlichen Verfahren auf Gewährung einer Opferrente andere gesetzliche Voraussetzungen zugrunde liegen würden.
Der Beschwerdeführer erhob dagegen fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin aus, dass der Nationalfonds eine neue Dimension in die Diskussion seiner Opferfürsorgerente gebracht habe. Dieser berücksichtige seine Opferrolle in der Nazizeit und sei damit seine Forderung nach einer Opferrente legitim.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Mit Bescheid vom 28.03.2013 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Anerkennung als Opfer der politischen Verfolgung im Sinne des Opferfürsorgegesetzes nach einem durchgeführten Ermittlungsverfahren mangels Erfüllung der Voraussetzungen des Opferfürsorgegesetzes abgewiesen. Auch der Antrag auf Gewährung einer Opferrente wurde mit Bescheid vom 24.10.2013 negativ erledigt.
Die jeweils dagegen erhobenen Berufungen blieben erfolglos und wurden mit den Bescheiden des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 27.09.2013 und vom 04.12.2013 abgewiesen.
Eine gegen den Bescheid vom 04.12.2013 erhobene Revision wies der Verwaltungsgerichtshof wegen Verspätung zurück.
Es liegen damit rechtskräftige Entscheidungen über die Anträge des Beschwerdeführers auf Anerkennung als Opfer sowie auf Gewährung einer Opferrente nach dem Opferfürsorgegesetz vor.
Mit gegenständlicher Eingabe vom 14.07.2020 stellte der Beschwerdeführer einen neuerlichen Antrag auf Gewährung einer Opferrente und legte eine Bestätigung des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus vom 02.07.2020 vor, wonach er als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt wurde.
Ein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt liegt damit nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsakt, welchem die Bescheide, sowie der neue Antrag des Beschwerdeführers vom 14.07.2020 mit samt der Bestätigung des Nationalfonds der Republik Österreich vom 02.07.2020 einliegend sind.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 3a Abs. 1 OFG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide nach dem Bundesgesetz durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).
"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. zB VwGH 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2007, 2004/20/0100). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Stützt sich ein Antrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem (zweiten) Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).
Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 25.04.2007, 2004/20/0100, mwN).
Zu einer neuen Sachentscheidung kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls sie festgestellt werden kann - zu einem anderen Ergebnis als das erste Verfahren führen kann (VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391, mwN). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Antrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben ihre Ermittlungen, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 29.09.2010, 2007/10/0041, mwN).
Im gegenständlichen Verfahren liegt zweifelsfrei Identität der Sache (res iudicata) vor. Die vom Beschwerdeführer vorgelegte Bestätigung über seine Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus seitens des Nationalfonds der Republik Österreich bewirkt keine Änderung der Sachlage, welche zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen würde, da – wie die Behörde in ihrem Bescheid bereits richtigerweise ausführte – die Voraussetzungen des Opferfürsorgegesetzes nicht mit jenen des Bundesgesetzes über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, BGBl. Nr. 432/1995 vergleichbar sind. Eine Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus seitens des Nationalfonds der Republik Österreich begründet sohin für sich genommen noch keine Ansprüche nach dem OFG.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde gegen den den Antrag zurückweisenden Bescheid als unbegründet abzuweisen.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte die Verhandlung insbesondere unterbleiben, da der verfahrenseinleitende Antrag der Partei zurückzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Identität der Sache Opferrente Prozesshindernis der entschiedenen Sache res iudicataEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W265.2234657.1.00Im RIS seit
24.11.2020Zuletzt aktualisiert am
24.11.2020