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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Juni 1995, Zl. 18.317/13-11/2/95, betreffend Erschwerniszulage gemäß § 19a GG 1956, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Revierinspektor der Sicherheitswache der Bundespolizeidirektion Wien in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er versieht seit 1992 seinen Dienst in der "Funkstelle/ID", wo er an einem Computer (PC mit Bildschirm) im Rahmen des auf elektronischer Datenverarbeitung beruhenden Einsatzleitsystems (ELS) arbeitet.
Mit Eingabe vom 31. Juli 1994 begehrte der Beschwerdeführer die "Zuerkennung" einer Erschwerniszulage gemäß §19a GG 1956 und begründete dies damit, daß sich mit Inbetriebnahme des ELS ab 16. Juni 1994 seine bisherige Arbeitsweise insoweit geändert habe, als nunmehr seine gesamte Tätigkeit von einem eine funktionelle Einheit bildenden Bildschirmgerät mit Dateneingabetastatur beherrscht werde. Diese Tätigkeit bedeute
im Vergleich zu seiner bisherigen Arbeitsweise eine quantitative und qualitative Mehrbelastung, und bilde daher für ihn eine besondere Erschwernis. Auch habe es einer umfassenden Ausbildung und Einarbeitung bedurft, um den technisch erschwerten Arbeitsanforderungen gerecht werden zu können.
Über Vorhalt der Dienstbehörde vom 18. August 1994 äußerte sich der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 1. September 1994 mit näheren Ausführungen zu der von ihm angenommenen qualitativen und quantitativen Mehrbelastung. Zur weiteren Frage der belangten Behörde, worin nach seiner Auffassung das Besondere der erschwerten Umstände läge, vor allem im Hinblick auf andere Bildschirmarbeitsplätze ("BAKS-Geräte"; BAKS = Büro-, Automations- und Kommunikationssystem), brachte der Beschwerdeführer vor, besonders erschwerend bei der Arbeit mit dem ELS sei die sequentielle Arbeitsweise. Darunter sei zu verstehen, daß der Zugriff auf einen laufenden Einsatz nur dann möglich sei, wenn ein anderer Einsatz, der gerade am Bildschirm bearbeitet werde, in den Datenspeicher oder "Bildschirmkeller" (im Original unter Anführungszeichen) gesandt werde. Das heiße, es könne immer nur nacheinander gearbeitet werden, weil nur ein Bildschirm für die Bearbeitung zur Verfügung stehe. Bisher habe der Einsatzbearbeiter alle Einsatzblöcke (händisch ausgefüllte Formulare, DIN A5) auf seinem Tisch aufgelegt und habe selektiv einen davon herausgreifen können, wenn Anfragen, Berichte, Anforderungen etc. nötig gewesen seien. Dies sei praktisch ohne Zeitverzögerung möglich gewesen. Jetzt seien durch die "Verengung" auf einen Ausgabebildschirm mehrere Bedienungsschritte nötig, um an die gewünschte Information zu kommen bzw. die erforderliche Bearbeitung vorzunehmen. Diese Bedienungsschritte summierten, ja potentierten sich im Laufe eines Dienstes. Der grundlegende Unterschied zum BAKS und zum EKIS-Terminal bestehe allerdings darin, daß das ELS dem Bearbeiter einen Dialog aufzwinge und innerhalb kürzester Zeit eine Reaktion erwarte. So erhalte der Funkeinsatzbearbeiter einen Einsatz vom Notruf, der in der Nachrichtenübersicht nur mit Uhrzeit und Prioritätsstufe angezeigt werde und durch Anklicken auf den Bearbeitungsbildschirm geholt werden müsse. Erst dann sehe der Bearbeiter, um welchen Einsatz es sich handle. Das Einlangen eines Einsatzes werde weder durch akustische noch optische Signale besonders angezeigt, was technisch möglich, aber in der Praxis undurchführbar wäre, sodaß der Bearbeiter gezwungen sei, unablässig die Nachrichtenübersicht zu beobachten. Auch näher bezeichnete Alarme tauchten so "unauffällig" (im Original unter Anführungszeichen) am Nachrichtenschirm auf. Eine verspätete Annahme könne diesbezüglich schwerwiegende Folgen haben und sei natürlich unabänderlich im EIS dokumentiert. Während beim Arbeiten mit dem BAKS vom Bearbeiter der erste Schritt (die erste Eingabe) gesetzt werde und bewußt die Reaktion (Antwort des Systems) abgewartet werden könne, gebe beim ELS das System die Arbeit vor. Art und Menge der Arbeit seien dabei völlig unvorhersehbar, was zu enormer Anspannung führe und permanente Aufmerksamkeit erfordere. Der normale "Wartestreß" bei der Arbeit am Computer werde hier von einem "Erwartungsstreß" überlagert (im Original jeweils unter Anführungszeichen).
Mit Bescheid der Dienstbehörde erster Instanz vom 20. Oktober 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, die nach Verfahrensergänzung durch die belangte Behörde (Augenschein in der Funkstelle am 25. April 1995) als unbegründet abgewiesen wurde.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtslage (S 19a Abs. 1 GG 1956) aus, von besonderen körperlichen Anstrengungen am Arbeitsplatz des Beschwerdeführers, wie beispielsweise oftmaligem Tragen schwerer Container, könne vorliegendenfalls nicht die Rede sein. Auch die Argumentation des Beschwerdeführers in Richtung auf quantitative Mehrbelastung sei unzutreffend. Der Verwaltungsgerichtshof habe in bezug auf § 19a GG 1956 ausgesprochen, daß die Arbeitsmenge an sich von dem im Abs. 1 leg. cit.-verwendeten Begriff "sein Dienst" mitumfaßt sei. Als anspruchsbegründendes Element müsse noch' hinzutreten, daß dieser Dienst in seinem jeweils gegebenen Umfang unter besonderen körperlichen Anstrengungen oder sonstigen besonders erschwerten Umständen zu verrichten sei. Die zusätzliche Ausführung von Arbeiten an sich, wie vorliegendenfalls die Bearbeitung von weiteren Einsätzen, bedeute also zunächst lediglich eine Vergrößerung der Arbeitsmenge, begründe aber noch keinen Anspruch auf eine Erschwerniszulage (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 13. September 1982, Zlen. 81/12/0105 u.a.).
Dem Argument des Beschwerdeführers, durch die Einführung des ELS würden keinerlei Aufgaben wegfallen, auch müßte er in naher Zukunft noch zusätzlich das BAKS bedienen, sei entgegenzuhalten, daß eine Erschwernis nicht vorliege, wenn durch eine andere Art der Bearbeitung das Aufgabengebiet (Bearbeitung von Einsätzen) nicht verringert bzw. nur die Arbeitsmenge größer werde (wurde näher ausgeführt).
Selbst wenn man die Meinung vertrete, daß der Beschwerdeführer seinen Dienst unter erschwerten Umständen verrichte, genüge dies noch nicht, um einen Anspruch auf Erschwerniszulage zu begründen, weil es sich vielmehr um einen Dienst unter besonders erschwerten Umständen handeln müsse (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 30. November 1987, Zl. 86/12/0120). Aus der Formulierung des § 19a GG 1956 lasse sich nicht ableiten, daß für das Kriterium der besonderen Erschwernis auch Umstände berücksichtigt werden könnten, die nicht in der Art des Dienstes und den äußeren Umständen, unter denen er zu verrichten sei, begründet seien. Als derartige äußere Faktoren, durch die ein Beamter überdurchschnittlich belastet werde, kämen insbesondere regelmäßige Arbeiten unter besonderer Lärmbelastung, Hitze bzw. Kälte und dergleichen in Betracht (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 27. September 1990, Zl. 90/12/0195). Nun gehöre zur Art des Dienstes des Beschwerdeführers gerade in der Funkstelle auch Raschheit und Präzision in der Bearbeitung der hereinkommenden Einsätze und damit schon vor der Einführung des ELS die Sorge um höchstmögliche Effizienz polizeilichen Handelns. Eine besondere Erschwernis aufgrund des durch den Einsatz des ELS höheren Arbeitsanfalles sei infolge dessen daraus nicht ableitbar.
Der Verwaltungsgerichtshof habe auch wiederholt ausgesprochen, daß eine Dienstverrichtung unter besonders erschwerten Umständen im Sinne des S 19a GG 1956 dann nicht vorliege, wenn die gegebene Belastung eines Beamten auf den inneren Schwierigkeitsgrad der Arbeit, nicht aber auf äußere, die Arbeitsverrichtung beeinflussende Umstände zurückzuführen sei oder wenn die besonders erschwerten Umstände, unter denen der Dienst ausgeübt werde, nicht in dessen Eigenart, sondern in den Verhältnissen des Beamten gelegen seien. Dazu bedürfe es näherer Feststellungen hinsichtlich der dienstlichen Verrichtung des Beamten (Hinweis auf hg. Judikatur, insbesondere auf das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1994, Zl. 90/12/0009).
Unter Berücksichtung der von der Funkstelle Wien zur Verfügung gestellten Ist- und Sollanalysen des ELS-Projektes, eines Augenscheines und der Angaben dabei anwesender Beamter der Funkstelle habe festgestellt werden können, daß die äußeren Arbeitsbedingungen an sich keinen Rückschluß auf eine besondere Erschwernis für dort tätige Beamte zuließen. Bezüglich des Geräuschpegels, hervorgerufen durch eingehende Telefonanrufe und die Computer, sei angegeben worden, daß dieser seit der Einführung des ELS sogar gesunken sei. Weitere äußere, die Arbeitsverrichtung beeinflussende und damit als besonders erschwerend zu wertende Faktoren seien nicht vorgelegen.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe aufgrund der Einführung des ELS die hereinkommenden Einsätze rasch und präziser behandeln müssen, da ja auch jeder Fehler unabänderlich dokumentiert sei, sowie seine Angabe, jeder Beamte habe bei der Einführung des Systems besondere "Anwenderroutinen" entwickeln und somit innovativ tätig werden müssen, um die jeweiligen Aufgaben bewältigen zu können, sei daher zu entgegnen, daß sich diese vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Notwendigkeit, sich die Lösung konkreter Probleme selbst erarbeiten zu müssen (was sicherlich in der Regel einer erhöhten geistigen, aber auch seelischen Anspannung bedürfe) sowie die erforderliche erhöhte Konzentration allein auf den inneren Schwierigkeitsgrad der Arbeit, nicht aber auf äußere, die Arbeitsverrichtung beeinflussende Faktoren beziehe (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 3. Juni 1976, Slg. Nr. 9077/A).
Auch die in der Berufung zum Ausdruck gebrachte Besorgnis, ein Sachbearbeiter könne nicht in der Lage sein, das Tempo des Systems einzuhalten und damit ein Risiko für die hilfesuchende Bevölkerung darstellen, weise nicht auf äußere beeinflussende Faktoren, sondern nur auf den inneren Schwierigkeitsgrad der Arbeit und damit auch auf die Persönlichkeit bzw. individuelle Streßtoleranz eines Beamten hin (welcher aber die nötige Objektivierbarkeit fehle). Auch aus dem Umstand, daß der Beschwerdeführer seit der Einführung des ELS nun eine Art der Bildschirmarbeit verrichte, sei kein Anspruch auf eine Zulage abzuleiten, weil Bildschirme zwischenzeitig zum fixen Bestandteil eines Büros gehörten. Auch das Argument des Beschwerdeführers, zur Bedienung des ELS bedürfe es einer umfassenden Ausbildung und Einarbeitung, begründe nicht die Gebührlichkeit der angesprochenen Zulage.
Zusammenfassend sei zu sagen, daß die seit der Einführung des ELS vom Beschwerdeführer aufgezeigten veränderten Umstände für ihn zwar eine Erschwerung (größere Arbeitsmengen, stärkere Konzentration) seines Dienstes dargestellt haben könnten. Eine besondere Erschwernis im Hinblick auf die für den Anspruch auf eine Zulage gemäß § 19a GG 1956 maßgeblichen objektiven Besonderheiten des Dienstes und die äußeren, die Arbeitsverrichtung beeinflussenden Faktoren liege allerdings nicht vor.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß S 19a Abs. 1 GG 1956 gebührt dem Beamten eine Erschwerniszulage, der seinen Dienst unter besonderen körperlichen Anstrengungen oder sonstigen besonders erschwerten Umständen verrichten muß.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, liegt eine Dienstverrichtung unter besonders erschwerten Umständen im Sinne des § 19a GG 1956 dann nicht vor, wenn die gegebene Belastung eines Beamten auf den inneren Schwierigkeitsgrad der Arbeit, nicht aber auf äußere, die Arbeitsverrichtung beeinflussende Umstände zurückzuführen ist oder wenn die besonders erschwerenden Umstände, unter denen der Dienst ausgeübt wird, nicht in dessen Eigenart, sondern in den Verhältnissen des Beamten (beispielsweise fehlende Fachausbildung, Lebensalter usw.) gelegen sind. Ob das der Fall ist oder nicht, kann nur anhand einer aufgrund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens getroffenen Tatsachenfeststellung darüber beurteilt werden, worin die dienstlichen Verrichtungen des Beamten konkret bestehen, welche äußeren seine Arbeitsverrichtung beeinflussenden Faktoren gegeben sind (aufgrund einer objektiven auf den Arbeitsplatz bezogenen Betrachtung ohne Berücksichtigung der spezifisch subjektiven Verfassung des Bediensteten) und ob diese geeignet sind, als besondere Erschwernisse im Sinne des S 19a Abs. 1 GG 1956 gewertet zu werden (siehe das von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bezogene hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1994, Zl. 90/12/0009, unter Hinweis auf Vorjudikatur).
Die belangte Behörde hat diese Grundsätze an sich zutreffend erkannt; der Beschwerdeführer ist aber mit seinem Vorbringen im Recht, daß die belangte Behörde diese Grundsätze im Beschwerdefall unrichtig angewendet hat: Das Vorbringen des Beschwerdeführers läßt sich nämlich dahin zusammenfassen, daß das ELS ihm eine besondere, belastende Arbeitsweise (aufgrund einer eben nicht "benützungsfreundlichen Technologie" - siehe das Vorbringen im Verwaltungsverfahren) aufzwinge. Dieses Vorbringen ist rechtserheblich: Trifft es nämlich zu, daß dem Beschwerdeführer durch dieses neue System (durch die neue Technologie bzw. durch das neue EDV-Programm) auch nach entsprechender Einarbeitung eine Arbeitsweise aufgezwungen wird, die bei Durchschnittsbetrachtung als besonders belastend zu beurteilen ist, kann vorweg nicht ausgeschlossen werden, daß damit das in S 19a Abs. 1 GG 1956 umschriebene Maß an Außergewöhnlichkeit (Dienstleistung unter sonstigen erschwerten Umständen) erreicht wäre. Um dies aber gehörig beurteilen zu können, bedarf es jedenfalls der Einholung eines arbeitsmedizinischen (arbeitspsychologischen) Sachverständigengutachtens, in dem diese Frage in einer der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes zugänglichen Weise geklärt wird, was aber unterblieb.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
W i e n , am 24. September 1997
Schlagworte
Sachverhalt SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995120199.X00Im RIS seit
05.05.2003