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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §21 Abs7Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision der E S in G, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7. April 2020, G306 2223659-1/6E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Begleitaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die 1990 geborene Revisionswerberin, eine Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina, hält sich seit September 2013 - mit kurzfristigen Unterbrechungen - in Österreich auf. Ihr waren zwischen 15. Oktober 2013 und 1. April 2016 Aufenthaltsbewilligungen als Studierende, in der Folge - vom 2. April 2016 bis zum 1. April 2019 - Aufenthaltsbewilligungen als Schülerin erteilt worden. Danach stellte sie mangels Studien- bzw. Schulerfolges keinen weiteren Verlängerungsantrag.
2 Am 15. Juli 2019 beantragte die Revisionswerberin die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.
3 Mit Bescheid vom 22. August 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag gemäß § 55 AsylG 2005 ab. Zugleich erließ es gemäß § 52 Abs. 3 FPG eine Rückkehrentscheidung, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung der Revisionswerberin nach Bosnien und Herzegowina zulässig sei, und bestimmte gemäß § 55 FPG eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise.
4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 7. April 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Das BVwG sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, die unbescholtene Revisionswerberin sei alleinstehend und kinderlos. Sie habe in Österreich nach Absolvierung eines Vorstudienlehrganges der Grazer Universitäten und Hochschulen eine Deutschprüfung für das Sprachniveau C1 erfolgreich abgelegt. Auch sei sie gesund und arbeitsfähig. In Österreich sei sie zwischen 2014 und 2019 immer wieder im Rahmen geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse erwerbstätig gewesen. Seit deren Beendigung (mit 31. März 2019) lebe sie von Unterstützungen ihres in Österreich aufhältigen Bruders sowie einer Freundin. Seit dem 26. Juli 2019 sei sie bei der Gebietskrankenkasse Steiermark nach dem ASVG selbstversichert. Sie verfüge über einen Arbeitsvorvertrag eines Grazer Waschsalons und habe freiwilliges Engagement bei der Caritas geleistet. Überdies weise die Revisionswerberin Sozialkontakte auf und habe einen Freundeskreis erworben.
In seiner Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG verwies das BVwG zunächst auf den etwas mehr als sechs Jahre dauernden Inlandsaufenthalt sowie die dabei begonnene Ausbildung der Revisionswerberin. Allerdings seien ihr nur befristete Aufenthaltstitel zum Zweck ihres letztlich ohne Erfolg gebliebenen Studiums bzw. Schulbesuchs erteilt worden, sodass sie nicht von der Zulässigkeit eines dauerhaften Verbleibs in Österreich habe ausgehen dürfen. Die erwähnte Schulausbildung habe sie überdies bereits im Sommersemester 2018 abgebrochen, sodass ihr schon damals bewusst gewesen sei, dass ihr insoweit kein weiterer Aufenthaltstitel erteilt werde. Mit ihrem in Österreich aufhältigen Bruder, der getrennt von ihr ein eigenständiges Leben führe, bestehe kein gemeinsamer Wohnsitz.
Mit einer Reintegration im Herkunftsstaat, in dem sie 23 Jahre lang gelebt habe, wo - wenn ihre Eltern auch bereits verstorben seien - familiäre Anknüpfungspunkte vorlägen und sie die Landessprache beherrsche, sei unter zusätzlicher Berücksichtigung ihrer beachtlichen Sprachkenntnisse (neben Deutsch auch Französisch und Spanisch) zu rechnen. Eine weitere Unterstützung durch ihren Bruder von Österreich aus wäre nicht ausgeschlossen. Sozialkontakte könnten über diverse Kommunikationsmittel aufrechterhalten werden. Auch unter Berücksichtigung der eingangs erwähnten für sie sprechenden Gesichtspunkte habe das persönliche Interesse an der Fortsetzung des Privatlebens in Österreich somit hinter das große öffentliche Interesse am geordneten Vollzug fremdenrechtlicher Vorschriften zurückzutreten. Gründe, welche die Abschiebung unzulässig machten, seien nicht hervorgekommen.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem BVwG habe gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG aufgrund des ausreichend geklärten eindeutigen Sachverhalts abgesehen werden können. Selbst bei einem positiven Eindruck von der Revisionswerberin in einer mündlichen Verhandlung wäre nämlich eine andere Entscheidung nicht denkbar.
6 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 26. Juni 2020, E 1331/2020, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Die in der Folge ausgeführte Revision erweist sich als unzulässig:
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
9 In dieser Hinsicht bemängelt die Revisionswerberin das Unterbleiben der beantragten Beschwerdeverhandlung; sie wäre erforderlich gewesen, um ihr die Darlegung der Gründe zu ermöglichen, die die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels rechtfertigten.
10 In diesem Zusammenhang spricht die Revision allerdings nur ohnehin vom BVwG festgestellte und in seine (entgegen der Revision tatsächlich vorgenommene) Interessenabwägung einbezogene Umstände an, ohne nachvollziehbar aufzuzeigen, dass das BVwG davon ausgehend zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen. Auch eine „antizipierende Beweiswürdigung“ des BVwG ist nicht ersichtlich.
11 Unter Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer, des Vorliegens bloß befristeter Aufenthaltsbewilligungen zu Ausbildungszwecken, des unbestrittenen Fehlens enger familiärer Bindungen sowie einer wenig ausgeprägten beruflichen Integration der Revisionswerberin in Österreich durfte das BVwG vertretbar vom Vorliegen eines eindeutigen Falles ausgehen, der es ihm ausnahmsweise erlaubte, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von der Revisionswerberin abzusehen (vgl. dazu etwa VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0242, Rn. 11, mwN).
12 Insgesamt vermag die Revision somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.
Wien, am 27. Oktober 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210332.L00Im RIS seit
15.12.2020Zuletzt aktualisiert am
15.12.2020