TE Vwgh Beschluss 2020/11/2 Ra 2020/21/0272

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Veröffentlicht am 02.11.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §67 Abs1
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des M R in W, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11. Mai 2020, G307 2224702-1/7E, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nordmazedoniens, reiste (erstmals) im Jahr 2001 in das Bundesgebiet ein. Er wurde hier mit rechtskräftigen Urteilen jeweils des Landesgerichtes für Strafsachen Wien - vor allem wegen verschiedener gewerbsmäßig begangener (zum Teil versuchter) Einbruchsdiebstähle - zu Freiheitsstrafen verurteilt, und zwar am 14. Oktober 2003 zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten (davon 16 Monate bedingt nachgesehen), am 18. Juni 2004 zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten (davon 10 Monate bedingt nachgesehen) und am 30. August 2007 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren (zugleich wurde die bedingte Nachsicht des eben erwähnten Strafteils von 10 Monaten widerrufen).

2        Am 29. November 2011 heiratete der Revisionswerber eine slowakische Staatsangehörige, mit der er in Wien im gemeinsamen Haushalt lebt. Im Hinblick darauf war ihm am 10. Jänner 2017 eine Aufenthaltskarte als Angehöriger dieser EWR-Bürgerin ausgestellt worden.

3        Mit rechtskräftigem Urteil vom 8. März 2018 verhängte das Landesgericht für Strafsachen Wien gegen den Revisionswerber wegen des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch eine 18-monatige Freiheitsstrafe. Er hatte mit verschiedenen Mittätern im Zug von Einbruchsdiebstählen in der Nacht vom 8. auf den 9. Jänner 2018 Verfügungsberechtigten eines Steinmetzbetriebes Lebensmittel, Getränke, eine Stablampe und einen Aufsatz für einen Kammerbohrer in nicht mehr feststellbarem Wert, sowie in der Nacht vom 11. auf den 12. Jänner 2018 Verfügungsberechtigten eines weiteren Geschäftslokales einen Laptop sowie Bargeld im Wert von etwa € 230,-- gestohlen.

4        Mit Beschluss vom 13. März 2018 wurde dem Revisionswerber gemäß § 39 Abs. 1 SMG Strafaufschub bis zum 13. März 2020 gewährt, um sich verschiedenen gesundheitsbezogenen Maßnahmen im Rahmen seiner Suchtmittelabhängigkeit zu unterziehen. Zugleich wurde die Entlassung aus der gerichtlich angeordneten Haft (nach Vollzug von Verwaltungsstrafhaften) verfügt.

5        Mit rechtskräftigem Urteil vom 27. Juli 2018 verhängte das Landesgericht Wiener Neustadt über den Revisionswerber wegen zweier am 22. August 2017 sowie zwischen 29. und 30. Oktober 2017 versuchter gewerbsmäßiger Einbruchsdiebstähle in ein Wohnhaus bzw. ein Geschäftslokal, in dem er einen Standtresor aufzubrechen trachtete, - unter Bedachtnahme auf das in Rn. 3 genannte Urteil - eine Zusatzfreiheitsstrafe von acht Monaten.

6        Im Hinblick auf diese neuerlichen Verurteilungen sowie die ihnen zugrunde liegenden Tathandlungen erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber mit Bescheid vom 25. September 2019 gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot. Gemäß § 70 Abs. 3 FPG erteilte es ihm einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung.

Das BFA bejahte aufgrund der wiederholten Straffälligkeit des Revisionswerbers, der immer wieder hinsichtlich der Begehung von Einbruchsdiebstählen rückfällig geworden sei, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 Satz 1 und 2 FPG. Die nach § 9 BFA-VG vorgenommene Abwägung stehe der Aufenthaltsbeendigung nicht entgegen, weil der Revisionswerber mit Ausnahme seiner Ehefrau keine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet aufweise und seine Geschwister unbestritten im Herkunftsstaat lebten.

7        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 11. Mai 2000 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine dagegen erhobene Beschwerde - ohne Durchführung der darin beantragten mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8        Begründend stellte das BVwG insbesondere fest, ein mit Bescheid vom 22. Oktober 2007 gegen den Revisionswerber verhängtes unbefristetes Rückkehrverbot (sein im Juli 2001 gestellter Asylantrag sei im November 2008 rechtskräftig abgewiesen worden) sei „durch die seit 12.01.2007 in Haft verbrachte Zeit bis zur Abschiebung [des Revisionswerbers] nach (Nord)Mazedonien am 07.04.2010 gehemmt“ gewesen und habe „mit diesem Tag zu laufen“ begonnen. Der im April 2011 wieder in Österreich eingereiste und kurz danach erneut in Haft genommene Revisionswerber sei von einem Haftausgang am 28. Oktober 2011 nicht zurückgekommen, sei in der Justizanstalt zwar mit Nebenwohnsitz bis zum 16. September 2016 gemeldet, jedoch unsteten Aufenthalts gewesen. Sein exakter Aufenthalt vom Zeitpunkt seiner Flucht (am 28. Oktober 2011) bis 2015 (allenfalls in seiner Heimat) habe nicht festgestellt werden können. Im Juli 2015 sei er wieder nach Österreich eingereist, am 10. September 2015 neuerlich festgenommen und am 16. September 2016 aus der Haft entlassen worden.

Der Revisionswerber habe sich während folgender Zeiten im Bundesgebiet aufgehalten:

„Juli 2001 bis 04.08.2005 (4 Jahre 1 Monat)

12.01.2007 bis 07.04.2010 (3 Jahre 3 Monate)

13.04.2011 bis 28.10.2011 (6 1/2 Monate)

10.09.2015 bis dato (4 Jahre 8 Monate)“.

Aufgrund der Eintragungen im zentralen Melderegister sei, so ergänzte das BVwG in seiner Beweiswürdigung, davon auszugehen, dass er sich zumindest vom 5. August 2005 bis zum 11. Jänner 2007 nicht im Bundesgebiet aufgehalten habe.

Neben den unbestrittenen strafgerichtlichen Verurteilungen (laut Rn. 1, 3 und 5) lägen dem Revisionswerber auch Verwaltungsübertretungen, etwa wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges, ohne im Besitz einer gültigen Lenkerberechtigung zu sein, zur Last.

Ihm sei mit (in Rn. 4 erwähntem) Beschluss vom „13.12.2018“ Strafaufschub gemäß § 39 Abs. 1 SMG erteilt worden, um sich einer notwendigen gesundheitsbezogenen Maßnahme zu unterziehen. Es sei nicht ersichtlich, dass er „dieser Anordnung bis dato nachgekommen“ sei.

Zwar sei der Revisionswerber wiederholt berufstätig gewesen, habe aber immer wieder auch Notstands- und Überbrückungshilfe bezogen, ebenso Arbeitslosengeld, wie auch aktuell seit 4. Jänner 2020. Vermögen sei nicht ersichtlich. Der Revisionswerber sei gesund und arbeitsfähig. Er könne sich in Deutsch ausreichend verständigen. Abgesehen von seiner Ehefrau verfüge er „über keine nennenswerten familiären oder privaten Anknüpfungspunkte in Österreich“.

9        Rechtlich bejahte auch das BVwG eine Gefährdung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 und 2 FPG. Der fünfte Satz des § 67 Abs. 1 FPG komme infolge der festgestellten Abwesenheiten des Revisionswerbers sowie seiner mehrfachen Anhaltung aufgrund von Freiheitsstrafen nicht zur Anwendung. Dadurch sei es nämlich zu einem Abreißen der davor mit dem Aufnahmemitgliedsstaat geknüpften Integrationsverbindungen gekommen. Weder die wiederholten Strafvollzüge noch die Eheschließung im Jahr 2011 hätten den Revisionswerber veranlasst, von der Begehung weiterer Straftaten Abstand zu nehmen. Unter Berücksichtigung der bisher gezeigten gewerbsmäßigen Tatbegehungen liege es nahe, dass er insbesondere in Zeiten einer (zuletzt wieder vorliegenden) Erwerbslosigkeit weiterhin Rechtsverstöße begehen werde, sodass auch von einer gegenwärtigen Gefahr auszugehen sei. Die Interessenabwägung des BFA sowie die Dauer des Einreiseverbotes seien nicht zu beanstanden.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung habe gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG abgesehen werden können, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine.

10       Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision erweist sich als unzulässig.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

12       Insoweit wendet sich der Revisionswerber der Sache nach vor allem gegen das Unterbleiben der Anwendung des erhöhten Gefährdungsmaßstabes nach dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FPG.

Dazu ist jedoch darauf hinzuweisen, dass für die Heranziehung der erwähnten Bestimmung bereits das Erfordernis eines rechtmäßigen Aufenthalts in der Dauer von zehn Jahren (vgl. dazu etwa VwGH 12.3.2013, 2012/18/0228, und VwGH 3.7.2018, Ra 2018/21/0066, Rn. 17) fehlt. Von einem rechtmäßigen Aufenthalt kann schon angesichts des unbestritten im Jahr 2007 erlassenen Rückkehrverbotes (laut Rn. 8) nicht die Rede sein.

13       Soweit der Revisionswerber im Übrigen die Gefährdungsprognose sowie - vor allem unter Hinweis auf sein in Österreich (wenn auch mit Unterbrechungen) geführtes Familienleben - die Interessenabwägung des BVwG anspricht, ist ihm zu entgegnen, dass diese Beurteilungen dann nicht revisibel sind, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurden (vgl. etwa VwGH 28.1.2016, Ra 2016/21/0013). Dies ist fallbezogen insbesondere angesichts der jahrelang fortgesetzten massiven Straftaten, der einschlägigen Rückfälle selbst noch in den Jahren 2017 und 2018 sowie des prekären Aufenthaltsstatus des Revisionswerbers im Zeitpunkt seiner Eheschließung zu bejahen.

14       Vor diesem Hintergrund durfte das BVwG im Ergebnis sogar vom Vorliegen eines eindeutigen Falles ausgehen, der es ihm ausnahmsweise erlaubte, von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung abzusehen.

15       Die Revision erweist sich somit mangels Darstellung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 2. November 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210272.L00

Im RIS seit

21.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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