Index
83 Natur- und UmweltschutzNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Zulässigkeit der Individualanträge auf Aufhebung der Verwertungs-, Einbringungs- oder Rückgabepflicht des Letztverbrauchers und des Vermischungsverbotes in der Verpackungsverordnung; Gesetzwidrigkeit der Rückgabeverpflichtung des Letztverbrauchers; keine Zulässigkeit der Festlegung einer solchen, bloß subsidiären Maßnahme unabhängig von der Erreichung bestimmter Ziele; keine Gesetzwidrigkeit des Vermischungsverbotes bei Einbringen von Verpackungen in Sammel- und Verwertungssysteme; gesetzliche Deckung eines solchen Abfalltrennungsgebotes; kein Konkurrenzverbot mit einer Zielverordnung; keine verfassungswidrige BlankettstrafnormSpruch
1. §7 Abs1 der Verordnung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen und bestimmten Warenresten (VerpackVO), BGBl. 645/1992, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. September 1996 in Kraft.
Der Bundesminister für Umwelt ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.
2. Der Antrag, §10 der Verordnung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen und bestimmten Warenresten (VerpackVO), BGBl. 645/1992, als gesetzwidrig aufzuheben, wird abgewiesen.
3. Im übrigen wird das Verfahren eingestellt.
4. Der Bund (Bundesminister für Umwelt) ist schuldig, den antragstellenden Parteien zu Handen ihrer Vertreter die mit
S 36.000,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Mit ihrem auf Art139 Abs1 B-VG gestützten Antrag vom 18. Juli 1994 begehrten die Antragsteller die Aufhebung einzelner Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen und bestimmten Warenresten, BGBl 645/1992, (VerpackVO), in eventu die Aufhebung der VerpackVO zur Gänze, in eventu die Aufhebung des §7 Abs1 VerpackVO.
In ihrer Äußerung vom 20. Juli 1995 schränkten die Antragsteller wegen der durch die Verordnung des Bundesministers für Umwelt vom 17. Mai 1995, BGBl. 334/1995, bewirkten Änderungen der VerpackVO ihren Antrag auf Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof vom 18. Juli 1994 auf §7 Abs1 und §10 VerpackVO, in eventu lediglich §7 Abs1 VerpackVO mit der Begründung ein, daß die Novelle zur VerpackVO sowohl am Inhalt als auch an der Anwendung dieser - weiterhin - bekämpften Bestimmungen nichts geändert habe, sodaß diesbezüglich der ursprüngliche Antrag aufrecht bleibe.
1.2. Die demnach angefochtenen Bestimmungen der VerpackVO lauten in ihrem Zusammenhang:
"Rückgabepflicht des Letztverbrauchers
§7.(1) Sofern der Letztverbraucher die Verpackungen nicht einer zulässigen Verwendung oder Verwertung zuführt, ist er verpflichtet, diese in dafür bestimmte Sammel- und Verwertungssysteme einzubringen oder dem Rücknahmeverpflichteten zurückzugeben.
(2) ..."
"Vermischungsverbot
§10.(1) Das Einbringen von Verpackungen und Warenresten, die nicht dem Geltungsbereich dieser Verordnung (§1 Abs2) unterliegen, in Sammel- und Verwertungssysteme für Verpackungen und Warenreste im Sinne dieser Verordnung ist nicht zulässig.
(2) Unbeschadet des Abs1 ist das Einbringen dieser Verpackungen und Warenreste in Sammel- und Verwertungssysteme für Verpackungen und Warenreste im Sinne dieser Verordnung dann zulässig, wenn der Betreiber des jeweiligen Sammel- und Verwertungssystem dem Einbringen ausdrücklich zustimmt."
Durch die Verordnung des Bundesministers für Umwelt, mit der die Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen und bestimmten Warenresten geändert wird, BGBl. 334/1995, wurde der Wortlaut der wiedergegebenen Bestimmungen der VerpackVO nicht geändert.
2. Ihre Antragslegitimation begründen die Antragsteller wie folgt:
Die Antragsteller erwerben verpackte Waren zu ihrem Ge- oder Verbrauch, die Erstantragstellerin insbesondere Büromaterial oder Lebensmittel für die Betriebsküche.
Durch die angefochtene Verordnung werde ihnen als Letztverbraucher sowohl eine "Rückgabepflicht" als auch eine "Trennungspflicht" auferlegt.
Die VerpackVO verbiete (systemfremde) Vermischungen (§10 Abs1 VerpackVO). Aus §7 Abs1 VerpackVO ergebe sich die Verpflichtung des Letztverbrauchers, Verpackungen "in dafür bestimmte Sammel- und Verwertungssysteme einzubringen"; somit "Papier in die Papiercontainer, Glas in die Glascontainer u.s.f. zu werfen. Ein Fehlwurf, also etwa von Glas in den Papiercontainer verstößt gegen §7 Abs1 VerpackVO, weil er die Verpflichtung zum bestimmungsgemäßen Einbringen verletzt."
Für den Fall des Zuwiderhandelns gegen diese Rechtspflichten drohten Verwaltungsstrafen gemäß §39 Abs1 litb Z1 und 6 sowie litc Z1 Abfallwirtschaftsgesetz, BGBl. 325/1990, (AWG).
Die Antragsteller seien somit als Letztverbraucher durch die VerpackVO unmittelbar rechtlich betroffen, da durch diese Verordnung Rechtspflichten auferlegt würden, deren Nichtbeachtung unter Strafsanktion stehe. Folglich greife die VerpackVO unmittelbar in die Rechtssphäre der Antragsteller ein. Ein anderer zumutbarer Weg als die Einbringung eines Individualantrages stehe ihnen nicht zur Verfügung. Es sei den Antragstellern nicht zumutbar, gegen eine der durch die VerpackVO auferlegten Pflichten zu verstoßen und sich dadurch der Gefahr von Strafsanktionen auszusetzen.
3. Inhaltlich begründen die Antragsteller wie folgt:
3.1. Die angefochtene VerpackVO entspreche nicht dem AWG und sei daher gesetzwidrig:
Gleichzeitig mit der VerpackVO sei die Verordnung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die Festsetzung von Zielen zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen von Getränkeverpackungen und sonstigen Verpackungen, BGBl. 646/1992, (VerpackungszielV), kundgemacht worden und sei am 10. Oktober 1992 in Kraft getreten.
Die VerpackungszielV gelte für Verpackungen, die der VerpackVO unterliegen (§1 VerpackungszielV).
Aus der VerpackungszielV iVm. §8 und §7 Abs4 AWG ergebe sich, daß "bis zum Jahr 2000 Maßnahmenverordnungen gemäß §7 AWG nur im Sinne der §7 Abs2 Zi 1, 2 und 6 AWG erlassen werden dürfen".
Die angefochtene VerpackVO stehe damit in ausdrücklichem Widerspruch zur Bestimmung des §7 Abs4 AWG, die eine gleichzeitige Geltung von Maßnahmen- und Zielverordnungen grundsätzlich ausschließe: Die in der VerpackVO festgelegten Pflichten der Hersteller und Vertreiber stützten sich auf die (in der VerpackVO ausdrücklich genannte) Verordnungsermächtigung des §7 Abs2 Z3 AWG. Diese Pflichten dürften aber während der Geltung der VerpackungszielV nicht zum Gegenstand einer gleichzeitig geltenden Maßnahmenverordnung gemacht werden. Die Vorschreibung solcher Pflichten belaste daher die VerpackVO mit Gesetzwidrigkeit.
3.2. Gerügt wird ferner, daß die strafsanktionierten Rechtspflichten nicht dem Erfordernis der Bestimmtheit von Strafnormen gemäß Art18 B-VG entsprechen.
Auf Grundlage des §39 Abs1 litb Z1 und Z6 und litc Z1 AWG stehe nicht fest, welcher Strafrahmen bei allfälligen Verstößen gegen die VerpackVO anzuwenden sei; so könne bei einem "Vermischen" von Abfällen, also wenn das Trennen der Abfälle im Sinne der VerpackVO unterlassen werde, sowohl die Strafdrohung der litb ("S 5.000,-- bis S 10.000,--") als auch der litc ("bis zu S 40.000,--") leg.cit. zum Tragen kommen.
Das Erfordernis der Bestimmtheit des Tatbestandes und der sanktionierten Rechtspflicht werde bei der Festlegung der Merkmale von "bestehenden flächendeckenden Sammel- und Verwertungssystemen" nicht erfüllt. Die VerpackVO enthalte diesbezüglich keine ausreichende Festlegung.
Völlig offen und gänzlich unbestimmt im Sinne des Art18 B-VG bleibe auch bei der "Trennungspflicht" gemäß §10 VerpackVO die Frage, "was getrennt zu sammeln ist und in welcher
Art fraktioniert werden muß".
3.3. Die Antragsteller behaupten weiters eine mangelhafte Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen vor Erlassung der VerpackVO.
4.1. Zur Zulässigkeit des geschilderten Antrags gemäß Art139 Abs1 B-VG äußerte sich der Bundesminister für Umwelt mit Schreiben vom 18. Juli 1995 dahin, daß auf Grund der durch die Novelle zur VerpackVO, BGBl. 334/1995, "vorgenommenen Veränderungen ... die der Anfechtung zugrundeliegenden Bestimmungen nicht mehr unmittelbar wirksam werden (können). Die gegenständlichen Anträge sind daher zurückzuweisen."
Vor der zitierten Novelle zur VerpackVO war der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie in seiner Äußerung vom 28. September 1994 der Meinung, daß der Zweit- und der Drittantragsteller durch die Bestimmung des §7 Abs1 VerpackVO unmittelbar in ihrer Rechtssphäre betroffen sind. Anderes gelte hingegen für die Erstantragstellerin, die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien. Dabei handle es sich um eine juristische Person, die gemäß §9 VStG überhaupt nicht Adressat eines Strafbescheides sein könne. Ihr fehle daher die Legitimation zur Anfechtung des §7 Abs1 VerpackVO.
4.2. Zu den Ausführungen der Antragsteller in der Sache äußerte sich der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie wie folgt:
4.2.1. Zum "Vorwurf der 'gleichzeitigen Geltung' der Maßnahmen- und Zielverordnung":
Gerade auf die Bestimmung des §7 Abs1 VerpackVO könnten die im Individualantrag geltend gemachten Bedenken hinsichtlich der gleichzeitigen Geltung von Maßnahmen- und Zielverordnung (dh. von VerpackVO und VerpackungszielV) von vornherein nicht zutreffen:
Die VerpackungszielV enthalte ausschließlich Regelungen über die Wiederverwendung von Getränkeverpackungen und über Restmengen an sonstigen Verpackungen. Die VerpackungszielV habe somit ausschließlich Regelungen zum Inhalt, die sich auf die Hersteller und Vertreiber von Verpackungen beziehen. Für Letztverbraucher sei die VerpackungszielV hingegen nicht anwendbar. Aus diesem Grund seien die diesbezüglichen Bedenken des Individualantrags schon vom Ansatz her verfehlt, weil in bezug auf Letztverbraucher keine gleichzeitige Geltung von Maßnahmen- und Zielverordnung bestehe.
Die Antragsteller gingen von der unzutreffenden Prämisse aus, daß §7 Abs4 AWG grundsätzlich eine gleichzeitige Geltung von Maßnahmen- und Zielverordnung für dieselben Waren verbiete. Aus dem Wortlaut des §7 Abs4 AWG gehe aber hervor, daß Maßnahmenverordnungen, die denselben Gegenstand wie eine Zielverordnung haben, nicht innerhalb der in der Zielverordnung festgelegten Fristen "in Kraft gesetzt werden" dürfen. Die Bestimmung des §7 Abs4 AWG verbiete somit gar nicht die gleichzeitige Geltung einer Maßnahmen- und einer Zielverordnung; es sei "lediglich unzulässig, nach Erlassung einer Zielverordnung eine Maßnahmenverordnung 'in Kraft zu setzen'".
Gehe man von diesem Verständnis des §7 Abs4 AWG aus, so sei den Bedenken der Antragsteller auch aus diesem Grund der Boden entzogen: Die VerpackVO und die VerpackungszielV seien "in demselben Stück des Bundesgesetzblattes (218. Stück) am 9.10.1992 kundgemacht, dh gleichzeitig erlassen" worden.
Da die VerpackVO somit gleichzeitig mit der VerpackungszielV in Kraft gesetzt (dh. erlassen oder kundgemacht) wurde, könne von vornherein kein Verstoß des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie bei Erlassung der VerpackVO gegen die Bestimmung des §7 Abs4 AWG vorliegen.
Die Prämisse der unter diesem Aspekt geltend gemachten Bedenken der Antragsteller sei noch in einem weiteren Punkt verfehlt: Die Bestimmung des §7 Abs4 AWG spreche von "Waren", die Gegenstand einer Zielverordnung sind. Betrachte man in diesem Zusammenhang insbesondere die Bestimmungen des §6 AWG, so zeige sich, daß der Gesetzgeber den Begriff "Waren" mit einer eigenständigen Bedeutung verwende. Es handle sich dabei (noch) nicht um "Abfälle iSd AWG, sondern um Gegenstände, die sich in einer bestimmungsgemäßen Verwendung befinden".
Schließlich sei es Grundgedanke der gesetzlichen Regelung des §7 Abs4 AWG, den von einer Zielverordnung potentiell Betroffenen eine Übergangsfrist zu gewähren, innerhalb derer sie sich auf die - nach Ablauf der in einer Zielverordnung festgelegten Frist möglichen - Maßnahmen in einer Maßnahmenverordnung einstellen können. Zugleich solle Gelegenheit geboten werden, die in der Zielverordnung "angedrohten" Maßnahmen dadurch zu vermeiden, daß auf freiwilliger (marktwirtschaftlicher) Basis Maßnahmen gesetzt werden, mit denen die in der Zielverordnung festgelegten Ziele erreicht werden; solchen freiwillig gesetzten Maßnahmen solle nicht durch später erlassene Maßnahmenverordnungen der Boden entzogen werden. Es handle sich somit bei der Bestimmung des §7 Abs4 AWG um eine Regelung, die dem aus dem Gleichheitssatz erfließenden Gebot des Vertrauensschutzes Rechnung trage.
Diesem Grundgedanken des Vertrauensschutzes entsprächen nun sowohl die VerpackVO als auch die VerpackungszielV. Dies selbst dann, wenn man - wie die Antragsteller - grundsätzlich die Auffassung vertreten wolle, daß eine denselben Gegenstand regelnde Maßnahmenverordnung und Zielverordnung nicht "gleichzeitig gelten" (dh. zur selben Zeit in Kraft stehen) dürften. Die Rechtmäßigkeit der VerpackVO und der VerpackungszielV ergebe sich dabei aus folgenden Überlegungen:
Die VerpackungszielV lege für Getränkeverpackungen (§2) und für Restmengen an sonstigen Verpackungen (§3) bestimmte Quoten bzw. Restmengen fest, die innerhalb eines genauen Zeitraumes erreicht bzw. unterschritten werden müßten. "Werden diese Ziele nicht erreicht, so 'wird der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten auf der Grundlage des Abfallwirtschaftsgesetzes unverzüglich die zur Verringerung des Abfallaufkommens erforderlichen Verkehrs- und Abgabebeschränkungen erlassen' (§4 Abs1 VerpackungszielVO)." In §4 Abs2 VerpackungszielV seien die in Betracht kommenden Verkehrs- und Abgabebeschränkungen iSd. §4 Abs1 der Verordnung demonstrativ aufgezählt.
Stelle man nun die VerpackungszielV der VerpackVO zur Seite, so zeige sich, daß diese beiden Verordnungen in Wahrheit gar nicht im Verhältnis einer Zielverordnung und einer Maßnahmenverordnung zueinander stehen. Beide Verordnungen verfolgten zwar das Ziel, die Rücklaufquoten der Verpackungen zu erhöhen (dh. die letztlich zu entsorgende Abfallmenge möglichst gering zu halten), dabei handle es sich aber nur um eines der grundlegenden Ziele des AWG (vgl. §1 AWG). Allein die Tatsache, daß beide Verordnungen dasselbe - für das Abfallwirtschaftsrecht grundlegende - Ziel verfolgten, könne demnach noch nicht zur Gesetzwidrigkeit einer der beiden Verordnungen im Lichte des §7 Abs4 AWG führen.
Eine solche Gesetzwidrigkeit könne aber auch nicht bei einer genaueren Betrachtung des normativen Gehalts beider Verordnungen gefunden werden. Die VerpackungszielV lege bestimmte Quoten (§2) und Restmengen (§3) fest. Die VerpackVO lege zwar auch bestimmte Rücklaufquoten fest (vgl. §3 Abs6 und §5 Abs7 VerpackVO); diese Quoten entsprächen aber zum Teil jenen der VerpackungszielV, zum Teil lägen sie unter jenen der VerpackungszielV. Als einzige Konsequenz des Nichterreichens der in der VerpackVO bestimmten Quoten sehe die VerpackVO die Verpflichtung der Hersteller und Vertreiber vor, sich an bestehenden flächendeckenden Systemen zu beteiligen (§3 Abs7 und §5 Abs8 VerpackVO). Die VerpackVO enthalte jedoch keine darüber hinausgehenden Verpflichtungen für die Hersteller und Vertreiber, wie sie §4 VerpackungszielV für den Fall des Unterschreitens der Quoten und des Überschreitens der Restmengen in Aussicht stelle. Nur wenn solche "weitergehende(n) Maßnahmen" bereits vor Ablauf der in der VerpackungszielV festgelegten Fristen in einer Maßnahmenverordnung "umgesetzt" würden, könnte somit von einem Verstoß gegen die Bestimmung des §7 Abs4 AWG gesprochen werden. Genau dies sei aber in der VerpackVO nicht geschehen.
4.2.2. Zum "Vorwurf, der mangelhaften 'Bestimmtheit und Erkennbarkeit der strafsanktionierten Rechtspflichten'":
Die Bestimmungen des §39 Abs1 litb Z1 AWG und des §39 Abs1 litc Z1 AWG seien im Gegensatz zur Auffassung der Antragsteller nicht wegen mangelnder Bestimmtheit iSd. Art18 B-VG verfassungswidrig. Es handle sich bei dem Verhältnis der beiden zitierten Straftatbestände um eine - nicht selten anzutreffende - Gesetzeskonkurrenz (Scheinkonkurrenz). Im konkreten Fall stünden die zitierten Bestimmungen im Verhältnis der Spezialität zueinander; die Strafbestimmung des §39 Abs1 litc Z1 AWG gehe als speziellere Strafnorm jener des §39 Abs1 litb Z1 AWG vor.
Die Einschreiter würden den normativen Gehalt des §7 Abs1 VerpackVO über die Rückgabepflicht des Letztverbrauchers verkennen. Im Gegensatz zu den anderen Bestimmungen (vgl. zB §3 Abs7, §5 Abs8 und 9 VerpackVO) werde in §7 Abs1 VerpackVO mit Absicht nicht von "flächendeckenden" Sammel- und Verwertungssystemen gesprochen, da der Letztverbraucher bei Befolgung seiner Rückgabepflicht nicht beurteilen solle, ob es sich dabei um ein "normales" oder ein "flächendeckendes" Sammel- und Verwertungssystem handle. Die Frage allerdings, ob es sich überhaupt um ein Sammel- und Verwertungssystem handle, könne - wie die Erfahrungen zeigten - von jedem Letztverbraucher ohne Schwierigkeiten beantwortet werden.
Soweit die Einschreiter die Unbestimmtheit des §1 Abs2 Z1 VerpackVO sowie des Verwaltungsstraftatbestands des §10 VerpackVO iVm. §39 Abs1 litb Z6 und §39 Abs1 litc Z1 AWG kritisierten, sei darauf hinzuweisen, daß der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie im Zusammenhang mit dem Vermischungsverbot mit Absicht eine "offene" Formulierung gewählt habe. Nur so könne auf die zukünftigen technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Wiederverwendung und Verwertung von Altstoffen Rücksicht genommen werden.
Sollte der Letztverbraucher im Ausnahmefall tatsächlich nicht imstande sein, die Verunreinigung zu beurteilen, so wäre er verwaltungsstrafrechtlich nicht strafbar, weil das objektive Tatbild eben nicht erfüllt ist; überdies wäre ihm diesfalls auch kein schuldhaftes (fahrlässiges) Verhalten vorwerfbar.
4.2.3. Dem Vorwurf der mangelhaften Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen vor Erlassung der Verordnung entgegnet der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie mit der Aufzählung und Vorlage von sechs, teilweise sehr umfangreichen Studien und Untersuchungen, die vor Erlassung bzw. vor Inkrafttreten der VerpackVO erstellt wurden.
Wesentlich sei gewesen, bereits bestehende kosteneffiziente Systeme weitgehend einzubeziehen und damit die wirtschaftliche Machbarkeit darzulegen.
Zum Begutachtungsentwurf seien zahlreiche Stellungnahmen eingelangt, die in den nachfolgenden - über ein Jahr währenden - Gesprächen mit dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, der Wirtschaftskammer Österreich, der Arbeiterkammer, sonstigen Interessenvertretungen, dem Ökologieinstitut und den Gebietskörperschaften (Ländern und Gemeinden) diskutiert worden seien. Ferner seien zur Gewinnung von Erfahrungswerten auch Pilotversuche zur getrennten Sammlung, insbesondere im Wiener Raum (22. Wiener Gemeindebezirk), durchgeführt worden.
Folglich seien vor der Erlassung der Verordnung ausreichende sowie mit allen Betroffenen abgestimmte Informationen und Entscheidungsgrundlagen eingeholt und in die Verordnung eingearbeitet worden.
Soweit der Antrag nicht zurückgewiesen wird, begehrt der Bundesminister, ihn als unbegründet abzuweisen. Für den Fall der Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen der VerpackVO stellt der Bundesminister für Umwelt den Antrag, für das Außerkrafttreten eine Frist von sechs Monaten zu bestimmen, "um die allenfalls erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen".
II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit des mit Schreiben der Antragsteller vom 20. Juli 1995 modifizierten Antrages erwogen:
1. Da das Schreiben der Antragsteller vom 20. Juli 1995 auf Grund der von ihnen so bezeichneten "Einschränkung des Prüfungsgegenstandes" als Zurückziehung ihres ursprünglichen Antrages zu verstehen ist, soweit mit ihm nicht die Aufhebung des §7 Abs1 sowie des §10 der VerpackVO begehrt wurde, war das Verordnungsprüfungsverfahren in seinem über die genannten Bestimmungen des §7 Abs1 und des §10 der VerpackVO hinausreichenden Umfang gemäß §19 Abs3 Z3 VerfGG einzustellen.
2. Nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG bildet eine Voraussetzung des sogenannten Individualantrages auf Verordnungsprüfung, daß die Verordnung für die anfechtende Person wirksam geworden ist und in der angefochtenen Fassung für sie weiterhin, dh. auch noch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Wirkung entfaltet (vgl. die Beschlüsse VfGH 20.6.1994, G171/92, zu Art140 Abs1 letzter Satz B-VG; sowie VfGH 26.9.1995, V296/94).
Der Verfassungsgerichtshof teilt die vom Antragsgegner vertretene Auffassung nicht, daß die von der Anfechtung betroffenen Verordnungsbestimmungen wegen der Veränderungen, welche die VerpackVO durch die Verordnung des Bundesministers für Umwelt vom 17. Mai 1995, BGBl. 334/1995, erfahren hat, "nicht mehr unmittelbar wirksam werden (können)". Der Umstand, daß der Begriff des "Letztverbrauchers", für den die Rückgabepflicht im §7 Abs1 VerpackVO festgelegt ist, durch §1 Abs1 Z3 VerpackVO idF der Novelle BGBl. 334/1995 erweitert wurde, daß ferner im - nicht angefochtenen - §7 Abs2 VerpackVO durch die Novelle BGBl. 334/1995 die Ausnahmen von der Rückgabepflicht der Letztverbraucher erweitert wurden und daß schließlich im (neuen und ebenfalls nicht angefochtenen) §7 Abs3 VerpackVO idF der Novelle BGBl. 334/1995 eine Sonderregelung für Letztverbraucher geschaffen wurde, die Verpackungen oder verpackte Waren für den Betrieb ihres Unternehmens importieren, ändert nichts daran, daß §7 Abs1 VerpackVO nicht nur in seinem ursprünglichen Wortlaut unverändert geblieben ist, sondern daß auch seine sachliche und persönliche Geltung im Kern unberührt blieb. Die Novelle zur VerpackVO, BGBl. 334/1995, hat daher (anders als in dem, dem am 26. September 1995 zu V296/94 gefaßten Beschluß des Verfassungsgerichtshofes zugrundeliegenden Fall) bezüglich der Anordnung des §7 Abs1 VerpackVO keine Änderung im Prüfungsgegenstand bewirkt, der das (ursprüngliche und weiterhin aufrechte) Antragsbegehren im Sinne des §57 Abs1 VerfGG ("bestimmte Stellen der Verordnung") unzulässig machen würde.
Das gleiche gilt für das Vermischungsverbot des §10 VerpackVO, dessen Wortlaut und Sinngehalt ebenfalls durch die Novelle BGBl. 334/1995 unberührt blieb. Mögen auch die vom Vermischungsverbot erfaßten Verpackungen und Warenreste eine Präzisierung dadurch erfahren haben, daß nunmehr die vom Trennungsgebot erfaßten, nicht dem Geltungsbereich der VerpackVO unterliegenden Verpackungen in der Anlage 1 zu §1 Abs3 VerpackVO idF der Novelle 334/1995 beispielhaft aufgezählt sind, so ändert sich dadurch der normative Inhalt des Vermischungsverbotes nach §10 VerpackVO nicht. Auch diesbezüglich liegt sohin keine Änderung des Prüfungsgegenstandes vor, die den ursprünglichen Antrag auf Aufhebung des §10 VerpackVO verfahrensrechtlich unzulässig machen würde.
3. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985).
Nach ihren unwidersprochen gebliebenen Behauptungen sind alle drei Antragsteller - einschließlich der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien - Letztverbraucher verpackter Waren im Sinne der VerpackVO. Es trifft sie daher sowohl die Verwertungs-, Einbringungs- oder Rückgabepflicht nach §7 Abs1 VerpackVO als auch das Vermischungsverbot beim Einbringen von Verpackungen und Warenresten in entsprechende Sammel- und Verwertungssysteme gemäß §10 VerpackVO. Diese rechtlichen Verpflichtungen gelten für die Antragsteller unmittelbar und aktuell, ohne daß ein zumutbarer Weg ersichtlich wäre, auf dem sie die Frage der Gesetzmäßigkeit des §7 Abs1 und des §10 VerpackVO an den Verfassungsgerichtshof herantragen könnten.
Daß die Erstantragstellerin, die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, als juristische Person im Falle des Zuwiderhandelns gegen die auch sie treffende Verpflichtungen nach §7 Abs1 und §10 VerpackVO gemäß §9 VStG nicht selbst bestraft werden kann, ändert entgegen der Auffassung des Bundesministers für Umwelt nichts an den auch sie als Letztverbraucherin unmittelbar treffenden Verpflichtungen nach den zitierten Bestimmungen der VerpackVO (ähnlich zur Antragslegitimation juristischer Personen, die durch generelle Normen unmittelbar in ihren rechtlichen Interessen betroffen waren, VfSlg. 11558/1987, 12094/1989, 12227/1989 sowie 13318/1992).
III. In der Sache hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:
1.1. §6 Abs1 AWG legt konkrete Ziele der Abfallvermeidung, sowohl was die Mengen als auch die Schadstofffrachten der entsorgungsbedürftigen Abfälle anlangt, fest. Zur Erreichung dieser Ziele sieht §7 Abs1 AWG in Verbindung mit dessen Abs2 die Anordnung bestimmter Maßnahmen zur Abfallvermeidung vor. Eine dieser Maßnahmen bildet gemäß der Z3 des §7 Abs2 AWG auch die Anordnung einer "Pflicht ... zur Rücknahme der nach der bestimmungsgemäßen Verwendung einer Ware verbleibenden Abfälle, wie Warenreste, Gebinde, Verpackungsmaterial u.a. durch Hersteller oder Vertreiber von Waren solcher Art oder bestimmte Dritte sowie die entsprechende Pflicht der Abfallbesitzer zur Rückgabe". §8 Abs1 AWG ermächtigt ferner den Bundesminister für Umwelt, die Ziele der Abfallvermeidung gemäß §6 Abs1 AWG durch Verordnung weiter zu konkretisieren, "soweit anzunehmen ist, daß innerhalb vertretbarer Frist durch die Selbstgestaltung der Wirtschaft die notwendige Verringerung der Mengen oder Schadstofffrachten der üblicherweise bei Letztverbrauchern anfallenden Abfälle erreicht werden kann". Eine derartige Zielverordnung hat insbesondere gemäß §8 Abs2 Z2 AWG "eine angemessene Frist zur Zielerreichung oder Fristen im Rahmen eines Stufenplanes" und gemäß §8 Abs2 Z5 AWG "Maßnahmen gemäß §7 Abs2 der Art nach, die angeordnet werden, wenn das Ziel im Rahmen eines Stufenplanes nicht erreicht wird", zu enthalten.
Die Anordnung von Maßnahmen nach §7 Abs2 AWG zur Abfallvermeidung ist gemäß §7 Abs1 AWG ua. nur zulässig, "soweit nicht nach §8 vorzugehen ist", soweit mithin nicht Abfallvermeidungsziele nach einem Stufenplan festgelegt werden, deren fristgebundene Nichterfüllung dann erst Maßnahmen nach §7 Abs2 AWG auslöst. Dementsprechend ist die Erlassung einer Zielverordnung unter der bereits näher zitierten Voraussetzung einer anzunehmenden "Selbstgestaltung der Wirtschaft" gemäß §8 Abs1 AWG damit zwingend verbunden, daß der Bundesminister für Umwelt "von der Erlassung einer Verordnung gemäß §7 ab(sieht)". Den genannten gesetzlichen Vorschriften der §7 Abs1 und §8 Abs1 und Abs2 Z2 und Z5 AWG läßt sich in ihrem Zusammenhalt sohin bereits entnehmen, daß bei Erlassung einer Zielverordnung nach §8 Abs1 AWG eine Maßnahmenverordnung nur mehr subsidiär zulässig ist, dh. Maßnahmen gemäß §7 Abs2 AWG - sei es im Rahmen der Zielverordnung, sei es durch eine eigene Verordnung - nur dann angeordnet werden dürfen, "wenn das Ziel im Rahmen eines Stufenplanes nicht erreicht wird" (§8 Abs2 Z5 AWG; vgl. in diesem Sinn auch der Abgeordnete Dr. Ditz, StenProtNR 17.GP, S 16758 f.).
Von dieser grundsätzlich subsidiären Funktion der gemäß §7 Abs2 AWG zu verordnenden Maßnahmen zur Abfallvermeidung im Verhältnis zur Zielverordnung nach §8 AWG ordnet §7 Abs4 AWG bestimmte Ausnahmen an: Auch innerhalb der für die Selbstgestaltung der Wirtschaft in der Zielverordnung zur Zielerreichung gesetzten angemessenen Frist oder Fristen können bestimmte Pflichten zur Kennzeichnung von Waren, ihrer Beschaffenheit, der bei ihrer Entsorgung zu beachtenden Vorsichtsmaßnahmen sowie zu ihrer Abgabe in einer die Abfallsammlung und -behandlung wesentlich entlastenden Form und Beschaffenheit durch Maßnahmenverordnung gemäß den Z1, 2 und 6 des §7 Abs2 AWG erlassen werden. Die Pflicht zur Rücknahme der nach der bestimmungsgemäßen Verwendung einer Ware verbleibenden Abfälle sowie die entsprechende Pflicht der Abfallbesitzer zur Rückgabe gemäß der Z3 des §7 Abs2 AWG darf als Maßnahme hingegen bei Erlassung einer Zielverordnung nach §8 Abs1 AWG nur im Rahmen eines Stufenplanes für den Fall angeordnet werden, daß das ausdrücklich festgesetzte Ziel nicht erreicht wird (§8 Abs2 Z5 AWG). Daran ändert auch §11 Abs3 AWG nichts, weil danach nur die Abfalltrennung (bei der Abfallsammlung, -lagerung und -behandlung) verordnet werden darf, die Verpflichtung zur Abfallsammlung und zur Einbringung der gesammelten Abfälle in bestimmte Sammel- und Verwertungssysteme aber immer nur den Gegenstand einer Maßnahmenverordnung gemäß §7 Abs2 Z3 und 7 AWG bilden kann.
1.2. Der dargestellten Gesetzeslage widerspricht §7 Abs1 VerpackVO:
Die Verpflichtung des Letztverbrauchers verpackter Waren, die Verpackungen mangels einer zulässigen Eigenverwendung oder - verwertung in dafür bestimmte Sammel- und Verwertungssysteme einzubringen oder dem Rücknahmeverpflichteten zurückzugeben, kann sich als Maßnahme zur Abfallvermeidung (- vgl. auch die in der Einleitung zur VerpackVO ausdrücklich zitierten Bestimmungen des AWG -) lediglich auf die Z3 des §7 Abs2 AWG stützen. Die dort vorgesehene Verpflichtung zur Rücknahme von Abfällen durch Hersteller oder Vertreiber einer Ware oder durch bestimmte Dritte sowie die dementsprechende Rückgabepflicht des Letztverbrauchers als Abfallbesitzer darf mangels Aufzählung im §7 Abs4 AWG Gegenstand einer Maßnahmenverordnung nur im Rahmen eines Stufenplanes einer Zielverordnung nach §8 Abs1 und Abs2 Z5 AWG sein. Ein derartiger Stufenplan wird zwar durch die VerpackungszielV für Verpackungen, die der VerpackVO unterliegen, angeordnet. Die Rückgabeverpflichtung der Letztverbraucher nach §7 Abs1 VerpackVO wird jedoch in keiner Weise von der Nichterreichung der in der VerpackungszielV fristgebunden bestimmten Ziele abhängig gemacht. Die Einbringungs- und Rückgabepflicht des Letztverbrauchers gemäß §7 Abs1 VerpackVO wurde sohin zusätzlich zur VerpackungszielV als sofort wirksame Maßnahme und neben den dort (im §4 VerpackungszielV) in Aussicht genommenen Verkehrs- und Abgabebeschränkungen für Verpackungen angeordnet. Eine derartige Anordnung widerspricht dem subsidiären Charakter einer nach §7 Abs2 Z3 AWG zu verordnenden Maßnahme, wie er aus §7 Abs1 in Verbindung mit §8 Abs1 und §8 Abs2 Z5 AWG im Falle der Erlassung einer Zielverordnung nach der letztzitierten Vorschrift abzuleiten ist und oben (unter Punkt III.1.1) dargestellt wurde.
Dem kann entgegen der Meinung des Antragsgegners der Wortlaut des §7 Abs4 AWG ("Waren" und "in Kraft gesetzt werden") nicht entgegengehalten werden, weil sich die Unzulässigkeit einer nach §7 Abs2 Z3 AWG angeordneten Maßnahme (vgl. §7 Abs1 VerpackVO) schon aus §7 Abs1 und §8 Abs1 und Abs2 Z5 AWG ergibt und §7 Abs4 AWG lediglich für bestimmte - hier nicht in Betracht kommende, andere - Maßnahmen zur Abfallvermeidung eine Ausnahme von der ansonsten gesetzlich angeordneten subsidiären Funktion von Maßnahmen- gegenüber Zielverordnungen festlegt.
Der Verfassungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, weshalb "unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Gebots des Vertrauensschutzes", wie der Bundesminister für Umwelt meint, eine unabhängig von der VerpackungszielV angeordnete Einbringungs- und Rückgabepflicht des Letztverbrauchers gemäß §7 Abs1 VerpackVO vor der dargestellten Gesetzeslage zu rechtfertigen wäre. Richtig ist, wie der Bundesminister für Umwelt ausführt, daß die VerpackungszielV und §7 Abs1 VerpackVO "in Wahrheit gar nicht im Verhältnis einer Zielverordnung und einer Maßnahmenverordnung zueinander stehen", mögen beide Verordnungen auch das gemeinsame Ziel verfolgen, die Rücklaufquoten der Verpackungen zu erhöhen. Gerade darin liegt aber die Gesetzwidrigkeit des §7 Abs1 VerpackVO, weil die dort angeordnete Einbringungs- und Rückgabepflicht der Letztverbraucher als Maßnahme nach §7 Abs2 Z3 AWG bei Erlassung einer auf dieselben Abfallarten abstellenden Zielverordnung (vgl. die Vorschriften über den - identischen - "Geltungsbereich" der VerpackVO und der VerpackungszielV im jeweiligen §1) nur dann zulässig ist, wenn die betreffende Maßnahme auf die Ziele der Zielverordnung gemäß §8 Abs2 Z5 AWG dadurch zugeordnet wird, daß die Pflicht nach §7 Abs1 VerpackVO nur für den Fall in Geltung tritt, daß die in der Zielverordnung festgesetzten Ziele im Rahmen eines befristeten Stufenplanes nicht erreicht werden. Eine derartige Zuordnung ist aber bei §7 Abs1 VerpackVO schlechtweg unterblieben.
§7 Abs1 VerpackVO war sohin als gesetzwidrig aufzuheben, ohne daß der Verfassungsgerichtshof auf die sonstigen, gegen diese Vorschrift vorgetragenen Bedenken eingehen mußte.
2.1. Gemäß §11 Abs3 AWG kann der Bundesminister für Umwelt im Einvernehmen mit dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten "unter Bedachtnahme auf die im Sinne des §1 Abs2 Z2 erforderliche Abfallverwertung mit Verordnung bestimmen, welche Materialien jedenfalls einer getrennten Sammlung, Lagerung und Behandlung zuzuführen sind, soweit dies technisch möglich und nicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist". Eine getrennte Abfallsammlung nach §11 Abs3 AWG kann sohin unter den genannten Voraussetzungen unabhängig von den Zielen und Maßnahmen der Abfallvermeidung gemäß den §§6 ff AWG als eine besondere Verpflichtung "bei der Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung" von Abfällen (so die Überschrift zum IV. Abschnitt des AWG) verordnet werden.
Das Vermischungsverbot des §10 Abs1 VerpackVO verbietet das Einbringen bestimmter, nicht dem Geltungsbereich der VerpackVO unterliegender Verpackungen und Warenreste in die Sammel- und Verwertungssysteme für Verpackungen und Warenreste; dies mit Rücksicht darauf, daß diese Verpackungen, etwa weil sie mit gefährlichen Abfällen oder mit, die Wiederverwendung oder -verwertung verhindernden oder unverhältnismäßig erschwerenden Anhaftungen verunreinigt sind, einer besonderen Behandlung zugeführt werden müssen. Ein derartiges Abfalltrennungsgebot vermag sich jedenfalls auf §11 Abs3 AWG zu stützen.
Das von den Antragstellern auch gegen das Vermischungsverbot nach §10 VerpackVO vorgetragene Bedenken, daß es sich dabei wegen der Erlassung der VerpackungszielV um eine unzulässige Maßnahmenverordnung nach §7 Abs2 Z7 AWG handle, teilt der Verfassungsgerichtshof nicht. Wie auch in der Literatur (Funk,
Die Verpackungsverordnung - ein Regelungswerk mit Konstruktionsfehlern, RdU 1994, 125) festgestellt wurde, besteht für eine Trennungsverordnung nach §11 Abs3 AWG kein "Konkurrenzverbot mit einer Zielverordnung" gemäß §8 AWG. Der Verfassungsgerichtshof hatte mangels entsprechender, von den Antragstellern vorgetragener Bedenken nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen, die §11 Abs3 AWG für eine derartige Verordnung fordert, bei Erlassung des §10 VerpackVO auch vorlagen.
2.2. Der Verfassungsgerichtshof teilt auch das Bedenken der Antragsteller nicht, daß das Vermischungsverbot in §10 Abs1 und Abs2 VerpackVO so unbestimmt umschrieben ist, daß es in Zusammenhalt mit §39 Abs1 litb Z6 AWG nicht verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert sein dürfte. Diese Bedenken treffen schon deshalb nicht zu, weil nach der ständigen Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts Blankettstrafnormen an sich rechtsstaatlich unbedenklich sind (vgl. VfSlg. 3207/1957, 4037/1961, 6355/1971, 6896/1972, 8695/1979, 12947/1991 sowie VwSlg. 6959A/1966, 8316A/1972, 8400A/1973, 9671A/1978): Auf Grund derartiger Normen darf nämlich ein unerlaubtes und daher strafbares Verhalten überhaupt nur dann und insoweit angenommen werden, als vom Normadressaten die Abgrenzung des erlaubten vom unerlaubten Verhalten so eindeutig eingesehen werden kann, daß jeder berechtigte Zweifel des Normunterworfenen über den Inhalt seines pflichtgemäßen Verhaltens ausgeschlossen ist. In Grenzfällen bestehende Unklarheiten über das Ausmaß der Trennungspflicht nach §10 VerpackVO oder das Bestehen von Sammel- und Verwertungssystemen im Sinne der VerpackVO schließen daher eine Bestrafung nach §39 Abs1 litb Z6 AWG von vornherein aus.
2.3. Auch der Vorwurf einer mangelhaften Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen kann §10 der VerpackVO nicht treffen. Die dem Verfassungsgerichtshof vom Bundesminister für Umwelt vorgelegten umfangreichen Studien und Unterlagen auch über entsprechende Pilotversuche zur Abfalltrennung sowie die zahlreichen eingeholten Stellungnahmen zum Entwurf der VerpackVO schließen eine Mangelhaftigkeit bei deren Erlassung, insbesondere auch im Hinblick auf §10 VerpackVO aus. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich daher nicht genötigt, der Frage nachzugehen, in welchem Umfang mangels besonderer gesetzlicher Regelungen Entscheidungsgrundlagen bei Erlassung von Verordnungen nach §11 Abs3 AWG von der Behörde erhoben und aktenmäßig belegt werden müssen.
2.4. Da insgesamt die von den Antragstellern vorgetragenen rechtlichen Bedenken gegen §10 VerpackVO nicht zutreffen, war ihr Antrag diesbezüglich abzuweisen.
VI. Um allfällige legistische Vorkehrungen zu ermöglichen, hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs5 letzter Satz B-VG für das Außerkrafttreten des §7 Abs1 VerpackVO eine Frist bis 30. September 1996 bestimmt.
Die Verpflichtung zur Kundmachung dieser Aussprüche über die Aufhebung des §7 Abs1 VerpackVO beruht auf Art139 Abs5 erster Satz B-VG.
Die Prozeßkostenentscheidung stützt sich auf §61 a VerfGG.
Schlagworte
VfGH / Zurücknahme, Auslegung eines Antrages, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Individualantrag, Person juristische, Abfallwirtschaft, Verwaltungsstrafrecht, Blankettstrafnorm, Verpackungsverordnung, DeterminierungsgebotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:V127.1994Dokumentnummer
JFT_10048988_94V00127_00