TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/24 95/12/0269

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.09.1997
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §62 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der E in K, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 21. Juli 1995, Zl. VIII/1-L-1111/1, betreffend Berichtigungsbescheid gemäß § 62 Abs. 4 AVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1939 geborene Beschwerdeführerin steht seit 1. Februar 1995 als Volksschuloberlehrerin i.R. in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich.

Mit Bescheid vom 2. Jänner 1995, der Beschwerdeführerin zugestellt am 5. Jänner 1995, war vom Landesschulrat für Niederösterreich wie folgt abgesprochen worden:

"Es wird festgestellt, daß Ihnen gem. den §§ 3 bis 7 PG des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340/1965 (PG 1965) ab 1.2.1995 ein monatlicher Ruhegenuß in der Höhe von monatlich brutto S 35.201,20 gebührt."

In der Begründung dieses Bescheides wurde im wesentlichen ausgeführt:

"Die Bemessung Ihres Ruhegenusses stellt sich daher wie folgt dar:

Ruhegenußfähiger Monatsbezug nach dem Gehaltsgesetz 1956

Gehalt gem. § 55 der Verw.Gr. L2a2, Gehaltsstufe 17

                                    seit 1.7.1992 (fiktiv)

von monatlich .................................. S  40.975,--

Die Dienstzulage gem. § 59b Abs. 1 Ziff. 1 lit. a

im Zusammenhalt mit § 59a Abs. 6 monatlich ..... S     628,--

Die Dienstalterszulage gem. § 56 Abs. 1 i.Z.m.

§ 5 Abs. 3 PG 1965 monatlich ................... S   2.398,50

Die Ruhegenußermittlungsgrundlage beträgt daher  S  44.001,20

Hievon beträgt die Ruhegenußbemessungsgrundlage

80 v.H., d.s. monatlich ........................ S  35.201,20

Die ruhegenußfähige Gesamtdienstzeit setzt sich gem. § 6

PG 1965 wie folgt zusammen:

Ermittlung der ruhegenußfähigen Gesamtdienstzeit:

Zeiten von bis J M Tg

RGVDZ lt. Bescheid vom 19.10.1965,

Zl. I/A-Pers.-7643/39-1965                      2   7   20

LDZ                     1. 2.1962 - 31.1.1995  33   -   -

zusammen 35 Jahre, 7 Monate und 20 Tage

Der monatliche Ruhegenuß beträgt daher für die ruhegenußfähige Gesamtdienstzeit von rund 36 Jahren

für die ersten   10 Jahre    50 v.H. der

                               Ruhegenußbemessungsgrundlage,

für die weiteren 26 Jahre je  2 v.H. der

                               Ruhegenußbemessungsgrundlage

zusammen höchstens 100 v.H. der Ruhegenußbemessungsgrundlage, das sind monatlich brutto S 35.201,20."

Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Bescheid des Landesschulrates für Niederösterreich vom 16. Jänner 1995, der Beschwerdeführerin zugestellt am 24. Jänner 1995, wurde wie folgt abgesprochen:

"Da ha. Bescheid vom 2.1.1995, Zl. P/A-0076430/59-1995, wird gem. § 62 (4) AVG dahingehend berichtigt, daß der Spruch des genannten Bescheides wie folgt zu lauten hat:

Es wird festgestellt, daß Ihnen gem. dem § 3 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340/1965 (PG 1965) ab 1.2.1995 ein monatlicher Ruhegenuß in der Höhe von monatlich brutto S 33.282,40 gebührt."

Zur Begründung wurde nach Bezugnahme auf § 62 Abs. 4 AVG im wesentlichen weiter ausgeführt, im Bescheid vom 2. Jänner 1995 sei irrtümlich die Dienstalterszulage gemäß § 56 Abs. 1 im Zusammenhang mit § 5 Abs. 3 PG 1965 für die Bemessung des Ruhegenusses der Beschwerdeführerin herangezogen worden. Da die Beschwerdeführerin sich nicht wie im genannten Bescheid seit 1. Juli 1992 in der Gehaltsstufe 17 der Verwendungsgruppe L2a2 befunden habe, sondern erst seit 1. Juli 1994, habe vom § 5 Abs. 3 PG 1965 kein Gebrauch gemacht werden können.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie im wesentlichen vorbrachte, es habe sich in ihrem Fall weder um einen Schreib-/Rechenfehler noch um ein offenbares Versehen oder eine auf den technisch mangelhaften Betrieb einer Datenverarbeitungsanlage rückführbare Unrichtigkeit im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG gehandelt. Allenfalls sei ein Irrtum der Behörde in Auslegung des Gesetzes gegeben gewesen. Da der Bescheid vom 2. Jänner 1995 in Rechtskraft erwachsen sei, wäre eine Berichtigung dieses Bescheides nach § 62 Abs. 4 AVG mangels Vorliegens der vorgesehenen Tatbestände unzulässig gewesen.

Der Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid unter Bezugnahme auf die §§ 62 und 66 AVG keine Folge.

Zur Begründung wird nach Wiedergabe des Verfahrensablaufes und des § 62 Abs. 4 AVG, bei dem die Passage "offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeit" besonders hervorgehoben wird, sowie des § 68 Abs. 4 AVG nur weiter ausgeführt, aus dem vorliegenden Akt des Landesschulrates für Niederösterreich sei ersichtlich, daß im Zuge der Erstellung des Pensionsbescheides am 2. Jänner 1995 die Buchhaltungsabteilung aus der amtsinternen EDV-Anlage die unrichtige Auskunft abgerufen habe, daß die Beschwerdeführerin seit 1. Juli 1992 in der Gehaltsstufe 17 der Verwendungsgruppe L2a2 sei (anstelle richtig: 1. Juli 1994). Aus dieser unrichtigen Datumsangabe habe sich aber ergeben, daß der Anfallszeitpunkt der Dienstalterszulage ebenfalls unrichtig schon zum Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand angenommen worden sei. Daraus folge, daß die Dienstalterszulage gemäß § 56 Abs. 1 im Zusammenhang mit § 5 Abs. 3 PG 1965 zu gewähren sei. Im Zuge der Bezugsanweisung sei der bezugsanweisenden Stelle aufgefallen, daß in der EDV-Anlage der fiktive Stichtag falsch eingesetzt sei. Dadurch sei eine falsche Einstufung und damit die falsche Annahme zustandegekommen, daß der Beschwerdeführerin die Dienstalterszulage zugestanden wäre. Aus diesem Grund sei der angefochtene Berichtigungsbescheid erlassen worden. Entgegen der in der Berufung vertretenen Auffassung sehe die belangte Behörde ebenso wie der Landesschulrat für Niederösterreich den vorliegenden Fehler offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhend.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, zur Beschwerde in einem als "Gegenschrift" bezeichneten Schreiben lediglich auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht darauf, daß ein rechtskräftiger Bescheid über ihre Ruhegenußbemessung nicht unter Berufung auf §§ 62 und 68 AVG im Zusammenhalt mit § 1 DVG zu ihrem Nachteil abgeändert wird, durch unrichtige Anwendung dieser Normen, sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.

Sie bringt als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, die Behörde habe in keiner Weise begründet, wieso der Fehler ausschließlich auf technisch mangelhaften Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage zurückzuführen sei. Ursache des Begründungsmangels und der tatsachenwidrigen Behauptung sei vielmehr, daß die "gegenständliche Divergenz" überhaupt nichts mit "einer Störung der EDV" zu tun habe. Die Beschwerdeführerin habe zwar die für die Dienstalterszulage erforderliche Dienstzeit aufgewiesen, im Zusammenhang mit einer Überstellung ihrerseits sei jedoch eine Gehaltsstufenvorrückung unterblieben bzw. weggefallen. Aus diesem Grunde sei es richtig, daß sie nicht mit 1. Juli 1992, sondern erst mit 1. Juli 1994 in die Gehaltsstufe 17 gelangt sei. Wenn es tatsächlich ein Versehen gewesen wäre, daß der Überstellungsverlust von einem Biennium unberücksichtigt geblieben sei, wäre dafür keinesfalls ein technisches EDV-Versagen maßgeblich. Es könnte dies - im Zusammenhang mit der EDV - höchstens die Folge eines Programmierungs- bzw. Eingabefehlers sein oder nicht einmal das, sondern es habe sich vielmehr um einen Fehler in der Auswertung der von der EDV richtig ausgegebenen Daten gehandelt.

In Wahrheit sei jedoch auch ein Versehen dieser Art nicht vorgelegen gewesen, was sich aus der folgenden Formulierung in der Begründung des abgeänderten Bescheides ergebe:

"Gehalt gem. § 55 der Verw.Gr. L2a2, Gehaltsstufe 17 seit 1.7.1992 (fiktiv)."

Das letzte Wort sei hiebei offensichtlich das ausschlaggebende. Es könne nichts anderes bedeuten als das Vorhandensein des Bewußtseins, daß es sich bei der angegebenen Einstufung nicht um die tatsächliche während des Aktivdienstverhältnisses gehandelt habe, sondern um eine rechnungsmäßige "fiktive", speziell für die Ermittlung der Ruhegenußbemessungsgrundlage. In der Berufung habe die Beschwerdeführerin im übrigen ausdrücklich geltend gemacht, daß in diesem Sinn eine bestimmte Rechtsauffassung für die Einbeziehung der Dienstalterszulage in die Bemessungsgrundlage maßgeblich gewesen sei. Die belangte Behörde gebe dieses Berufungsvorbringen zwar in der Begründung des angefochtenen Bescheides ansatzweise wieder, gehe jedoch darauf überhaupt nicht ein. Hätte sie das getan und hiezu auch den abgeänderten Bescheid gehörig herangezogen, wäre sie zum Ergebnis gelangt, daß das Vorbringen der Beschwerdeführerin richtig gewesen sei.

Die erstinstanzliche Behörde habe ihren Berichtigungsbescheid ausschließlich auf § 62 Abs. 4 AVG gestützt. Die belangte Behörde zitiere neben dieser Norm auch den § 68 Abs. 4 AVG, gebe jedoch nicht an, welcher der darin für eine Bescheidabänderung oder Bescheidaufhebung genannten Tatbestände tatsächlich verwirklicht sein solle. Es sei nicht einmal erkennbar, ob die Entscheidung auch auf diese Norm gestützt werden solle. Darin liege eine Undeutlichkeit der Bescheidbegründung; richtigerweise hätte die Abänderungsentscheidung auch nicht auf § 68 Abs. 4 AVG gestützt werden können, weil keine der darin genannten Voraussetzungen erfüllt sei.

Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu.

Die Zitierung des § 68 Abs. 4 AVG ist - wie die vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erschließen lassen - offenbar aus dem ursprünglich konzipierten Bescheid-Entwurf übernommen worden, der den Irrtum des Landesschulrates weder als Schreibfehler im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG noch als Tatbestand nach § 68 Abs. 4 AVG wertete und zu einer Aufhebung des erstinstanzlichen Berichtigungsbescheides gelangte. Dieser Entwurf wurde mit der Begründung storniert, er stimme "nicht mit der bisherigen Vorgangsweise beim LSR überein". Daß dies keine rechtlich hinreichende Begründung darstellt, bedarf keiner weiteren Darlegung.

Nach § 62 Abs. 4 des gemäß § 1 Abs. 1 DVG anwendbaren AVG können Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden von der Behörde jederzeit von Amts wegen berichtigt werden.

Eine Berichtigung nach § 62 Abs. 4 AVG setzt demnach entweder "Schreib- und Rechenfehler" oder "diesen

gleichzuhaltende ... Unrichtigkeiten" im Bescheid voraus. Wegen

des Erfordernisses "gleichzuhaltende" liegt nach der Judikatur (vgl. beispielsweise die Erkenntnisse vom 26. Februar 1990, Zl. 88/12/0074 und 88/12/0075, sowie vom 11. Dezember 1990, Zl. 90/08/0136) "eine offenbar auf einem Versehen beruhende (gleichzuhaltende) Unrichtigkeit" nur dann vor, "wenn die ursprüngliche Entscheidung den Gedanken, den die Behörde offenbar aussprechen wollte, unrichtig wiedergegeben, d.h. also, wenn die zu berichtigende Entscheidung dem Willen der Behörde offensichtlich nicht entsprochen hat". Das gilt ebenso für jene gleichzuhaltenden Unrichtigkeiten, die "offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage" beruhen.

Ausgehend von der Begründung des angefochtenen Bescheides entsprach aber der berichtigte Bescheid vom 2. Jänner 1995 dem Willen der Erstbehörde. Daß dieser Wille zur ausgesprochenen Pensionshöhe auf einer "unrichtigen Auskunft" der EDV-Anlage beruhte, die sich ihrerseits wieder auf die Einsetzung eines falschen fiktiven Stichtages gründete, ändert nichts an dem im Bescheid ausgedrückten Willen der Behörde. Ein Berichtigungsfall aus "EDV-Gründen" läge nur dann vor, wenn der Wille der Behörde im Bescheid durch den mangelhaften Betrieb der Anlage verfälscht worden wäre. Ein inhaltlich unrichtiges Beweismittel kann aber nicht eine Berichtigung begründen (vgl. dazu vor allem das schon genannte Erkenntnis vom 11. Dezember 1990 und das Erkenntnis vom 28. Mai 1982, Slg. N.F. Nr. 10.749/A).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995120269.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten