TE OGH 2020/10/20 11Os94/20p

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Veröffentlicht am 20.10.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Oktober 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pöttinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr. S***** und einen weiteren Beschuldigten wegen des Vergehens des schweren und gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB, AZ 5 St 197/18f, der Staatsanwaltschaft Steyr (AZ 12 HR 13/19g des Landesgerichts Steyr), über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 2. März 2020, AZ 7 Bs 198/19w, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Jenichl, sowie des Verteidigers Mag. Ainedter zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

In dem von der Staatsanwaltschaft Steyr zu AZ 5 St 197/18f geführten Ermittlungsverfahren wurde mit Anordnung vom 15. Oktober 2018 Dr. P***** zur Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Zahnheilkunde bestellt und mit der Erstattung eines schriftlichen Gutachtens beauftragt (ON 33).

Mit Gebührennote vom 6. Mai 2019 beanspruchte die Sachverständige für Privatbegutachtungen und Ausarbeiten von Gutachten im Zeitraum 8. Jänner 2019 bis 30. April 2019 gemäß „§ 34 Abs 3 Z 3 GebAG“ Gebühren für Mühewaltung basierend auf einem Stundensatz von 300 Euro (ON 156). Trotz dazu ablehnend erstatteten Äußerungen des Dr. S***** (ON 160, 168 und 180) bestimmte das Landesgericht Steyr mit Beschluss vom 21. Oktober 2019, GZ 12 Hr 13/19g-194, die Gebühren antragsgemäß. Der dagegen erhobenen Beschwerde des Dr. S***** (ON 202) wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Beschwerdegericht vom 2. März 2020, AZ 7 Bs 198/19w (ON 223), Folge gegeben und der angefochtene Beschluss mit der Begründung ersatzlos aufgehoben, dass der Gebührenanspruch gemäß § 38 Abs 1 GebAG erst mit (hier nicht gegebenem) Abschluss der Tätigkeit entstehe.

Dennoch führte das Beschwerdegericht zum Beschwerdevorbringen, der Sachverständigen würde für Mühewaltung lediglich eine Gebühr gemäß § 34 Abs 3 Z 3 GebAG zustehen, sofern sie kein höheres außergerichtliches Einkommen bescheinige, aus, dass die Bestimmung der Mühewaltungsgebühr unter Heranziehung des in der Honorarordnung der Österreichischen Ärztekammer für gutachterliche Tätigkeiten vom 15. September 2010 (die nach einer vorangegangenen Passage eine gesetzlich vorgesehene Gebührenordnung im Sinn des § 34 Abs 4 GebAG sei) angeführten Stundensatzes von 300 Euro (abzüglich des gemäß § 34 Abs 2 letzter Satz GebAG vorzunehmenden Abschlags von 20 %) nicht zu beanstanden sei (BS 3 f).

Rechtliche Beurteilung

Die Generalprokuratur erachtet durch die in der Begründung des Beschlusses des Oberlandesgerichts Linz als Beschwerdegericht vom 2. März 2020, AZ 7 Bs 198/19w (ON 223), vertretene Ansicht, wonach die Bestimmung der Mühewaltungsgebühr unter Heranziehung des in der Honorarordnung der Österreichischen Ärztekammer vom 15. September 2010 für gutachterliche Tätigkeiten angeführten Stundensatzes von 300 Euro abzüglich des gemäß § 34 Abs 2 letzter Satz GebAG vorzunehmenden Abschlags von 20 % nicht zu beanstanden sei, § 34 Abs 4 GebAG aufgrund folgender Überlegungen für verletzt:

„Gemäß § 34 Abs 4 GebAG sind für den Fall, dass Sachverständige für gleiche oder ähnliche außergerichtliche Tätigkeiten Honorar nach einer gesetzlich vorgesehenen Gebührenordnung beziehen, die darin enthaltenen Sätze als das anzusehen, was die Sachverständigen im außergerichtlichen Erwerbsleben üblicherweise beziehen, soweit nicht anderes nachgewiesen wird.

Seit Inkrafttreten des Zahnärztekammergesetzes (ZÄKG; BGBl I 2005/154) mit 1. Jänner 2006 (§ 126 Abs 1 ZÄKG) obliegt die berufliche Vertretung der – zuvor in der Österreichischen Ärztekammer integrierten (vgl Vorblatt 1091 BlgNR 22. GP 1) – Angehörigen des zahnärztlichen Berufs (und Dentistenberufs) der ,Österreichischen Zahnärztekammer‘ (§§ 2, 17 Abs 1 ZÄKG). Diese kann im eigenen Wirkungsbereich Richtlinien über die angemessene Honorierung zahnärztlicher Leistungen (Autonome Honorar-Richtlinien) erlassen (§ 19 Abs 2 Z 5 ZÄKG, § 40 Abs 1 Zahnärztegesetz). Bis zur Erlassung eines entsprechenden Rechtsakts der Österreichischen Zahnärztekammer waren gemäß § 122 Abs 1 Z 5 ZÄKG auch nach Ablauf des 31. Dezember 2005 die von der Österreichischen Ärztekammer erlassenen Autonomen Honorarrichtlinien 2005/2006 vom 30. April 2005 für Angehörige des zahnärztlichen Berufs anzuwenden.

Im Zeitraum der Erbringung der mit Gebührennote vom 6. Mai 2019 (ON 156) geltend gemachten Leistungen der (mit Anordnung vom 15. Oktober 2018 bestellten) Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Zahnheilkunde Dr. P***** waren die am 22. Juni 2018 kundgemachten, von der Österreichischen Zahnärztekammer gemäß § 19 Abs 2 Z 5 ZÄKG erlassenen Autonomen Honorarrichtlinien 2018/2019 bereits in Kraft.

Unabhängig von der – hier insoweit nicht präjudiziellen – Einstufung dieser Honorarrichtlinien (wie auch der Honorarordnung der Österreichischen Ärztekammer für gutachterliche Tätigkeiten) als gesetzlich vorgesehene Gebührenordnung im Sinn des § 34 Abs 4 GebAG kommt eine Gebührenbestimmung auf deren Basis nicht in Betracht.

Denn die – nach Etablierung der Österreichischen Zahnärztekammer – am 15. September 2010 beschlossene Honorarordnung der Österreichischen Ärztekammer für gutachterliche Tätigkeiten bezieht sich (nach Eintritt der in § 122 Abs 1 ZÄKG genannten Bedingung) nur mehr auf die Tätigkeit von Ärzten, nicht aber Zahnärzten als Gutachter. Die für den Zeitraum der Leistungserbringung geltenden Autonomen Honorarrichtlinien 2018/2019 der Österreichischen Zahnärztekammer wiederum enthalten keine Honoraransätze für die in Rede stehende Erstellung von Gutachten.“

 

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Die Gebühr für Mühewaltung ist nach richterlichem Ermessen nach der aufgewendeten Zeit und Mühe und nach den – vollen – außergerichtlichen Erwerbseinkünften des Sachverständigen für eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit zu bestimmen (§ 34 Abs 1 zweiter Satz GebAG – Krammer in Fasching/Konecny3 Anh § 365 ZPO Rz 12, 48; Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4 § 34 Anm 2 f).

Die Ermittlung der außergerichtlichen Einkünfte ist – soweit hier relevant – nach den Sätzen einer gesetzlich vorgesehenen Gebührenordnung (§ 34 Abs 4 GebAG – vgl Krammer in Fasching/Konecny3 Anh § 365 ZPO Rz 67, Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4 § 34 Anm 15; EBRV 303 BlgNR 23. GP 48 ff) oder in hypothetischer Annäherung an Honorare anderer Sachverständiger für vergleichbare Leistungen vorzunehmen (Krammer in Fasching/Konecny3 Anh § 365 ZPO Rz 54, Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4 § 34 Anm 3).

Nun ist der Generalprokuratur beizupflichten, dass die am 15. September 2010 beschlossene (in ihrem zweiten Teil keine auf Zahnärzte [vgl §§ 4 f ZÄG] bezogenen Honorartarife für fachspezifische Einzelleistungen enthaltende) Honorarordnung der Österreichischen Ärztekammer für gutachterliche Tätigkeiten (die § 122 Abs 1 ZÄKG schon zufolge dessen Geltung seit 1. Jänner 2006 nicht nennt) Zahnärzte nicht unmittelbar umfasst.

In dem in der Nichtigkeitsbeschwerde allein relevierten Umstand aber, dass das Oberlandesgericht das Heranziehen der Honorarordnung der Österreichischen Ärztekammer für gutachterliche Tätigkeiten der Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Zahnheilkunde – als mit gutachterlichen Tätigkeiten von Ärzten jedenfalls vergleichbar – durch das Erstgericht im Rahmen dessen Ermessensentscheidung zur fallbezogen zulässigen Höhe eines Stundensatzes von 300 Euro abzüglich des 20%igen Abschlags (§ 34 Abs 2 letzter Satz GebAG) – unabhängig von der Frage erforderlicher Bescheinigung (vgl Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4 § 34 Anm 15; Weber, Das Recht der Sachverständigen und Dolmetscher5 § 34 GebAG Rz 2, 9 ff) eines Stundensatzes in dieser Höhe – (obiter) nicht beanstandet hat, kann eine Gesetzesverletzung nicht erblickt werden.

Daher war der Nichtigkeitsbeschwerde der Erfolg zu versagen (vgl Fabrizy, StPO13 § 23 Rz 3; Ratz, WK-StPO § 292 Rz 7 f; Schroll/Oshidari, WK-StPO § 23 Rz 5 f; Ulrich in Schmölzer/Mühlbacher, StPO § 23 Rz 3).

Die Frage, ob die Honorarordnung der Österreichischen Ärztekammer für gutachterliche Tätigkeiten eine gesetzlich vorgesehene Gebührenordnung (§ 34 Abs 4 GebAG – EBRV 303 BlgNR 23. GP 56 f) ist, wurde von der Generalprokuratur mangels Präjudizialität nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen. Ein entsprechendes obiter dictum (vgl auch RIS-Justiz RS0042672 [T1]; RS0100279 [T2]; RS0117746 [T1]) würde zur verbindlichen Klärung der in Literatur und Judikatur kontroversiell beantworteten Frage nichts beitragen können (verneinend etwa Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4 § 34 Anm 15, E 181 – bejahend Weber, Das Recht der Sachverständigen und Dolmetscher5, § 34 GebAG Rz 20 und Zahrl, Die „Honorarordnung der Österreichischen Ärztekammer für gutachterliche Tätigkeiten“ – eine „gesetzliche Gebührenordnung“ im Sinn des § 34 Abs 4 GebAG?, DAG 2013/5 jeweils mit Judikaturnachweisen).

Textnummer

E129838

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0110OS00094.20P.1020.000

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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