TE Bvwg Beschluss 2020/6/18 W140 2220357-1

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Veröffentlicht am 18.06.2020
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Entscheidungsdatum

18.06.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §46
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W140 2220357-1/9E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alice HÖLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Edward W. Daigneault, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.06.2019, XXXX beschlossen:

A) Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF), ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 26.09.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.11.2018, XXXX abgewiesen wurde.

Aufgrund seiner Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin stellte der BF am 17.12.2018 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels beim Magistrat der Stadt Wien.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion Wien, vom 13.06.2019 wurde dem BF gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG iVm § 19 AVG aufgetragen, zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes zum angegebenen Termin und Ort als Beteiligter persönlich zu kommen und an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes mitzuwirken. Im Konkreten wurde dem BF aufgetragen, den Interviewtermin durch eine Expertendelegation Nigeria am 21.06.2019 wahrzunehmen. Im Fall, dass der BF diesem Auftrag ohne wichtigen Grund nicht Folge leiste, stellte das BFA die Verhängung einer 14-tägigen Haftstrafe in Aussicht. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.

Mit Schriftsatz vom 18.06.2019 erhob der BF durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter Beschwerde gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid und führte im Wesentlichen aus, dass der BF mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei, die ihr unionsrechtliches Freizügigkeitsrecht bereits in Anspruch genommen habe. Da es sich beim BF um einen begünstigten Drittstaatsangehörigen handle, stehe ihm ein Recht auf Aufenthalt iSd des Unionsrechtes bzw. des NAG zu. Somit liege keine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vor, weshalb der BF nicht iSd § 46 FPG zur Einholung eines Reisedokumentes verpflichtet werden dürfe. Die Ladung sei nicht notwendig und daher rechtswidrig, sodass die Behebung des angefochtenen Ladungsbescheides beantragt werde.

Dem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 17.12.2018 wurde im magistratischen Verfahren am 25.03.2020, XXXX , stattgegeben. Dem BF wurde eine – von 03.03.2020 bis 03.03.2025 befristete – Aufenthaltskarte für Angehörige von Österreichern ausgestellt.

Am 05.05.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Mitteilung des BFA ein, in welcher festgehalten wurde, dass das gegenständliche Verfahren – aufgrund der Erlangung des Aufenthaltstitels durch den BF – eingestellt werde. Ergänzend führte das BFA per E-Mail vom 18.05.2020 Folgendes aus: „Gegen den Genannten wurde eine Rückkehrentscheidung, Rechtskraft 2. Instanz mit 08.11.2018, erlassen. Am 13.06.2019 wurde ein Mitwirkungsbescheid gem. § 46 Abs. 2a und 2b FPG in Verbindung mit § 19 AVG zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes erlassen. Der Genannte hätte am 21.06.2019 zu diesem Zweck vor einer Expertendelegation aus Nigeria vorstellig werden sollen. Gegen diesen Bescheid ist der Genannte in Beschwerde gegangen.

Der Genannte stellte am 17.12.2018 bei der MA 35 unter der XXXX einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel. Am 25.03.2020 wurde dem Antrag stattgegeben und somit war seitens des BFA das Verfahren zur Effektuierung der Außerlandesbringung amtswegig einzustellen.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen

Der dargestellte Verfahrensgang wird als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt.

Insbesondere wird festgestellt, dass der BF nunmehr über einen Aufenthaltstitel (eine Aufenthaltskarte für Angehörige von Österreichern) verfügt und das Verfahren - mit welchem dem BF die Mitwirkung zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes bescheidmäßig auferlegt wurde - seitens des BFA amtswegig eingestellt wurde.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt des BFA sowie den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes. Insbesondere wurden dabei das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.11.2018, der Bescheid des BFA vom 13.06.2019, die Beschwerdeschrift vom 18.06.2019, die Mitteilung des BFA vom 05.05.2020 sowie die Stellungnahme des BFA vom 18.05.2020 herangezogen. Die Feststellungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels sowie zu der Einstellung des behördlichen Verfahrens ergeben sich aus der Mitteilung des BFA vom 05.05.2020 sowie aus der Stellungnahme des BFA vom 18.05.2020. Weiters ist die Erteilung des Aufenthaltstitels im aktuellen IZR-Auszug ersichtlich.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im gegenständlichen Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2018/57, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gema?ß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zuru?ckzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gema?ß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fa?llen ist. § 28 Abs. 1 VwGVG nimmt die Einstellung des Verfahrens, wozu jedenfalls die Einstellung des Beschwerdeverfahrens zu za?hlen ist, von der Erledigung mittels Erkenntnis ausdru?cklich aus. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich aber auch, dass eine bloß formlose Beendigung (etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerkes) eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht gefu?hrten Verfahrens nicht in Betracht kommt. Handelt es sich doch bei der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts, ein bei ihm anha?ngiges Verfahren nicht weiterzufu?hren, um eine Entscheidung iSd § 31 Abs. 1 VwGVG (vgl. zur Bejahung der Notwendigkeit der Fa?llung eines Beschlusses u?ber die Verfahrenseinstellung auch Fuchs in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, § 28 VwGVG Anm 5 und § 31 VwGVG Anm 5, sowie Schmid in Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, § 28 VwGVG Anm K 3 und § 31 VwGVG Anm K 2) [ vgl. VwGH vom 29.04.2015, Zl. Fr 2014/20/0047].

In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht. Neben dem Fall der Zurückziehung der Beschwerde oder "des Untergangs" des Beschwerdeführers kann analog zu § 33 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idF BGBl. I Nr. 33/2013, eine Einstellung des Verfahrens auch bei materieller Klaglosstellung des Beschwerdeführers wegen Wegfall des Rechtsschutzinteresses in Betracht kommen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], § 28 VwGVG, Anm. 5).

Weiters führte der VwGH in seiner Entscheidung vom 27.02.2019 (Ro 2017/10/0032) Folgendes aus: „§ 33 Abs. 1 VwGG lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis als Prozessvoraussetzung für das Verfahren vor dem VwGH versteht. Liegt diese Voraussetzung schon bei Einbringung einer Revision nicht vor, ist diese unzulässig, fällt die Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens (vgl. B 30. Jänner 2013, 2011/03/0228; B 23. Oktober 2013, 2013/03/0111; B 9. September 2015, Ro 2015/03/0028). Diese Überlegungen über das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses als Voraussetzung für eine zulässige Beschwerdeerhebung können auch auf das Verfahren vor dem VwG übertragen werden (vgl. E 28. Jänner 2016, Ra 2015/11/0027).“

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde auch dann eintreten, wenn auf andere Weise als durch Abänderung des angefochtenen Bescheides im Sinne des Beschwerdeführers durch Änderung maßgebender Umstände das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung im Nachhinein wegfällt (vgl. zB VwGH 17.12.2007, 2005/12/0153, mwN).

Das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses ist immer dann zu verneinen, wenn es für die Rechtsstellung des Einzelnen keinen Unterschied macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird, bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles keinen objektiven Nutzen hat (vgl. VwGH Ro 2016/21/0008 v. 30.06.2016).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben:

Der BF erhielt einen Aufenthaltstitel durch den Magistrat der Stadt Wien, woraufhin das BFA das in Beschwerde gezogene Verfahren einstellte, da eine Setzung weiterer Maßnahmen gegen den BF nicht mehr in Betracht kam. Daraus folgt, dass das Rechtsschutzinteresse des BF - durch die Erteilung des Aufenthaltstitels und die amtswegige Einstellung des Verfahrens durch das BFA - weggefallen ist.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt B) Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Aufenthaltstitel Gegenstandslosigkeit Rechtsschutzinteresse Verfahrenseinstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W140.2220357.1.00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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