Entscheidungsdatum
07.07.2020Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W109 2205816-1/30E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX (alias XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 25.06.2018, Zl. XXXX - XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.04.2019 zu Recht:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 07.06.2016 stellte der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, nach Einreise unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 07.06.2016 gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung im Wesentlichen an, er sei afghanischer Staatsangehöriger und stamme aus Laghman, wo er zehn Jahre die Schule besucht habe. Zum Fluchtgrund befragt führte er aus, sein Vater habe für die Regierung gearbeitet, weswegen sie ständig von den Taliban bedroht worden seien.
Am 09.02.2018 führte der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, sein Vater habe bei der Regierung gearbeitet. Sie seien alle bedroht worden. Auf ihr Haus sei geschossen worden. Es habe auch Drohbriefe und Anrufe gegeben. Die Regierungsgegner hätten den Beschwerdeführer haben wollen. Ansonsten würden sie ihn umbringen.
Am 30.05.2018 langte das vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Auftrag gegebene neurologisch-psychiatrische Gutachten bei der belangten Behörde ein.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25.06.2018, zugestellt am 29.06.2018, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, das Fluchtvorbringen sei nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer sei persönlich unglaubwürdig, er habe sein Lebensalter verschleiert und dadurch seine Mitwirkungspflicht verletzt, zudem habe er differierende Angaben dazu, wer die Reise organisiert habe, gemacht. Ein fluchtartiges Verlassen des Herkunftsstaates sei in der gestaffelten Ausreise der Familie nicht erkennbar. In seine Herkunftsprovinz könne der Beschwerdeführer wegen der dortigen Sicherheitsprobleme nicht zurückkehren. Der Beschwerdeführer leide an einer Anpassungsstörung, diese sei nicht lebensbedrohlich. Ihm stehe in Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.
3. Am 20.07.2018 langte die vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der belangten Behörde ein in der im Wesentlichen ausgeführt wird, das Fluchtvorbringen sei glaubhaft, der Beschwerdeführer seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen. Die Begründung der belangten Behörde für das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative sei nicht nachvollziehbar.
Am 29.04.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter und ein Dolmetscher für die Sprache Paschtu teilnahmen. Die belangte Behörde nahm nicht an der Verhandlung teil.
In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, er werde im Herkunftsstaat verfolgt, weil er der Vater für die afghanische Regierung gearbeitet habe, aufrecht.
Mit Schreiben vom 12.12.2019 gab das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde Gelegenheit, hinsichtlich der beabsichtigten Einholung eines medizinischen Gutachtens der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen XXXX aus dem Fachgebiet Neurologie und Psychiatrie, Einwände zu erheben.
Mit Beschluss vom 19.12.2019 wurde die genannte Sachverständige zur Erstellung eines Gutachtens bestellt.
Am 02.03.2020 langte das klinisch-psychologische Gutachten am Bundesverwaltungsgericht ein, das das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde mit Schreiben vom 26.05.2020 zur Kenntnis brachte und ihnen die Gelegenheit zur Stellungnahme gab.
Am 02.06.2020 langte eine Stellungnahme der belangten Behörde ein, in der diese ausführt, hinsichtlich Frage 4 stelle die Beantwortung durch die Sachverständige nach Auffassung der belangten Behörde eine rechtliche Beurteilung dar, die nicht durch die Sachverständige vorzunehmen sei. Die belangte Behörde stelle daher den Antrag, die Beantwortung der Frage 4 nicht direkt in die Entscheidung einfließen zu lassen, sondern unter Stützung auf geeignete landeskundliche Feststellungen selbst die rechtlichen Schlüsse zu ziehen. Andernfalls sei der belangten Behörde zur Kenntnis zu bringen, über welche aktuellen Kenntnisse und spezifische Expertise in Bezug auf die medizinische Versorgung von psychischen Erkrankungen in Afghanistan die herangezogene Sachverständige verfüge.
Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
– Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse und andere Bildungsangebote
– Medizinische Unterlagen
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu Person und Lebensumständen Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde spätestens am XXXX im Dorf XXXX , Distrikt Mehtarlam, Provinz Laghman geboren. Er ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen. Er bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu. Er spricht auch Dari und etwas Deutsch.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer wuchs im Herkunftsdorf in der Provinz Laghman auf, wo er zehn Jahre die Schule besuchte. Zudem arbeitete er zuhause im Technikbereich. Der Vater war für afghanischen nationalen Sicherheitskräfte tätig und sorgte aus diesem Einkommen für den Lebensunterhalt der Familie. Der Beschwerdeführer hat einen älteren und zwei jüngere Brüder, sowie eine jüngere Schwester.
Die Familie des Beschwerdeführers reiste nach der Ausreise des Beschwerdeführers in den Iran aus. Der Beschwerdeführer steht in Kontakt zu seiner Familie.
Der Beschwerdeführer leidet an einer komplexen, chronifizierten posttraumatischen Belastungsstörung mit dissoziativer Amnesie und unwillkürlicher Entlastungsmotorik (F 43.1). Symptome sind unter anderem eine Gedächtnisstörung, vermehrte Stressreaktionen mit unwillkürlichen Bewegungen und Zuckungen der Arme in Reaktion auf die Befragung nach traumatisierenden Erfahrungen. Diese steht in Zusammenhang mit den fluchtauslösenden Vorfällen. Hinsichtlich möglicherweise belastender Erinnerungen in der Vergangenheit bestehen beim Beschwerdeführer weitreichende Erinnerungslücken.
Zur Behandlung seiner Erkrankung bedarf der Beschwerdeführer einer weiteren differenzialdiagnostischen Abklärung der Gedächtnisstörung und der unwillkürlichen Bewegungsmuster, sowie einer medikamentös-psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung.
Ohne adäquate Behandlung der psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers ist von einer ernsten und unwiederbringlichen Verschlechterung und Chronifizierung der komplexen posttraumatischen Belastungsstörung in Form einer andauernden Persönlichkeitsänderung und einem schwerwiegenden Leidenszustand mit dauerhafter Funktionsbeeinträchtigung in den beruflichen und sozialen Funktionen auszugehen.
Die Erkrankung beeinträchtigt zudem die Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich örtlich und situativ orientiert und in der Lage, an einer Beschwerdeverhandlung teilzunehmen. Seine Belastbarkeit ist stark herabgesetzt. Abhängig vom thematisierten Inhalt und den damit verbundenen Stressreaktionen zeigt sich eine episodische Unfähigkeit, widerspruchsfreie Angaben zu tätigen, sich zeitlich und örtlich zu orientieren sowie wichtige Informationen zu berichten und zu erinnern.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Wegen seiner Tätigkeit für die nationalen afghanischen Sicherheitskräfte wurde der Vater des Beschwerdeführers von den Taliban wiederholt telefonisch und mit „Drohbrief“ bedroht. Das Haus der Familie im Herkunftsdorf wurde beschossen.
Daraufhin verließ die Familie das Herkunftsdorf und zog nach XXXX um. Dort wurde ein Anschlag auf das Haus der Familie verübt, in dessen Folge die Mutter des Beschwerdeführers im Krankenhaus behandelt werden musste.
Der Vater des Beschwerdeführers organisierte daraufhin zunächst die Ausreise des Beschwerdeführers und reiste dann selbst mit seiner Frau und seinen übrigen Kindern in den Iran aus.
Im Fall der Rückkehr ins Herkunftsdorf droht dem Beschwerdeführer die Gefahr, von den Taliban angegriffen, misshandelt, verletzt oder sogar getötet zu werden, weil er Sohn eines ehemaligen Mitarbeiters der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte ist.
Dass der afghanische Staat den Beschwerdeführer vor dieser Bedrohung durch die Taliban schützen kann, ist nicht zu erwarten.
Im Fall einer Niederlassung des Beschwerdeführers in Mazar-e Sharif ist nicht zu erwarten, dass er wegen der Tätigkeit des Vaters Übergriffen der Taliban ausgesetzt wäre.
Der Zugang psychisch Kranker zu angemessener medizinischer Versorgung ist in Afghanistan eingeschränkt. Trotz weiter Verbreitung psychischer Erkrankungen gibt es dafür kaum Behandlungsangebote. Es mangelt an Fachpersonal (Psychiater, Psychologen), ausreichender Infrastruktur und einem Bewusstsein für psychische Erkrankungen. Psychisch Kranke sind oftmals einer gesellschaftlichen Stigmatisierung ausgesetzt. Die Behandlungskosten in Afghanistan sind hoch. Medikamente sind nicht immer erhältlich.
Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat die erforderliche medizinische Versorgung zur Behandlung seiner posttraumatischen Belastungsstörung erhält, ist nicht gewährleistet.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, sowie seiner Muttersprache und seinen Sprachkenntnissen ergeben sich aus den gleichbleibenden plausiblen Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht. Auch die belangte Behörde legte diese Angaben des Beschwerdeführers ihrer Entscheidung zugrunde.
Die Feststellung zum spätestmöglichen fiktiven Geburtsdatum des Beschwerdeführers beruht auf dem schlüssigen, widerspruchsfreien medizinischen Sachverständigengutachten, das die belangte Behörde in Auftrag gegeben hat (AS 71 ff). Der Beschwerdeführer ist diesem Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. So gibt er im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 09.02.2018 mit dem Ergebnis des Gutachtens konfrontiert lediglich an, er könne dazu nichts sagen. Seine Mutter habe ihm gesagt, er sei 17 Jahre alt, er habe damals die Wahrheit gesagt (AS 241).
Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers beruht auf dem im Akt einliegenden aktuellen Auszug aus dem Strafregister.
Die Feststellungen zum Lebenswandel des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat beruhen auf seinen gleichbleibenden, plausiblen Angaben. Auch die belangte Behörde traf den Angaben des Beschwerdeführers entsprechende Feststellungen zum Schulbesuch, führt jedoch aus, der Beschwerdeführer müsse angesichts des festgestellten spätestmöglichen Geburtsdatums auch über Berufserfahrung verfügen (AS 420). Befragt zu seiner Berufserfahrung gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung an, er habe zuhause auch gearbeitet (OZ 14, S. 5). Entsprechendes hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt.
Im Hinblick auf die berufliche Tätigkeit des Vaters wird auf die Beweiswürdigung zum Fluchtvorbringen (unten 2.2.) verwiesen.
Dass die Familie nach der Ausreise des Beschwerdeführers in den Iran ebenfalls ausgereist ist, beruht auf den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 14, S 6). Zudem gab er bereits in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 09.02.2017 an, sein Vater habe ihm beim letzten Kontakt gesagt, dass er die Ausreise der Familie in den Iran plane (AS 243). Dass (wieder) Kontakt zur Familie besteht, hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben und insbesondere lebendig und überzeugend geschildert, wie die Wiederherstellung des Kontaktes gelungen ist (OZ 14, S. 6 bis 7).
Die Feststellungen zur psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers, deren Symptomen und Auswirkungen insbesondere auf die Erinnerungsfähigkeit des Beschwerdeführers, zur erforderliche Behandlung, zu den Folgen, falls der Beschwerdeführer seine Behandlung nicht erhält, zur Beeinträchtigung der Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers sowie zum Einfluss der Erkrankung auf die Einvernahme- und Aussagefähigkeit des Beschwerdeführers beruhen auf dem schlüssigen und widerspruchsfreien vom Bundesverwaltungsgericht beauftragten klinisch-psychologischen Gutachten vom 28.02.2020 von XXXX (OZ 26, insbesondere S. 30-33). Die belangte Behörde ist dem – mit Ausnahme von Einwänden hinsichtlich Frage 4. (hierauf wird noch eingegangen werden) – nicht entgegengetreten.
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zu den die Ausreise des Beschwerdeführers auslösenden Vorfällen beruhen auf den im Kern gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung der Auswirkungen seiner Erkrankung auf seine Erinnerungsfähigkeit und seine Einvernahmefähigkeit vor dem Hintergrund der Länderberichte. So gibt der Beschwerdeführer durchgehend und gleichbleibend (auch in beiden Untersuchungen durch die Sachverständigen) im Wesentlichen an, die Familie habe wegen der Arbeit des Vaters Probleme gehabt und das Land verlassen, sowie, dass das Haus der Familie bombardiert bzw. beschossen wurde.
Richtig ist zwar, wie die belangte Behörde beweiswürdigend ausführt (AS 424), dass die Angaben des Beschwerdeführers wenig konkret und detailliert sind. Aus dem vom Bundesverwaltungsgericht in Auftrag gegebenen klinisch-psychologischen Gutachten von XXXX vom 28.02.2020 (OZ 26) ergeben sich jedoch deutliche Hinweise auf eine Traumatisierung und damit im Zusammenhang stehende weitreichende Erinnerungslücken. Insbesondere attestiert die Sachverständige dem Beschwerdeführer zwar, dass er grundsätzlich örtlich und situativ ausreichend orientiert ist, jedoch abhängig vom traumatisierenden Inhalt und den damit verbundenen Stressreaktionen eine episodische Unfähigkeit zeige, widerspruchsfreie Angaben zu tätigen, sich zeitlich und örtlich zu orientieren, sowie, wichtige Informationen zu erinnern. Seine Belastbarkeit sei stark herabgesetzt und er zeige Stressreaktionen und unwillkürliche Bewegungsmuster, die als Ausdruck hoher emotionaler Spannung gedeutet werden könnten (OZ 26, S. 32 bis 33). Auch im Einvernahmeprotokoll der belangten Behörde vom 09.02.2017 ist vermerkt, dass der Beschwerdeführer während der gesamten Amtshandlung verschiedenstarke Entlastungsmotorik und unwillkürliche Bewegungen der Arme zeigte (AS 351). Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichts hat zudem in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.04.2019 den Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Befragung zum Fluchtvorbringen seinem persönlichen Eindruck nach als ebenso gestresst und unruhig erlebt. Insbesondere im Zusammenhang mit Fragen zu den Ausreisegründe ergibt sich auch aus dem klinisch-psychologischen Gutachten von XXXX vom 28.02.2020 (OZ 26), dass der Beschwerdeführer auch im Zuge der Untersuchung mit deutlichen Anzeichen innerer Unruhe und Anspannung (Nesteln, Stöhnen, unwillkürlich Motorik) reagiert (S. 20 und 30). Damit scheint wahrscheinlich, dass die psychische Erkrankung des Beschwerdeführers in Zusammenhang mit den ausreiseauslösenden Vorfällen steht.
Dazu, dass die vom Bundesverwaltungsgericht bestellte Sachverständige zu einem anderen Ergebnis kommt, als es sich aus dem von der belangten Behörde in Auftrag gegebenen neurologisch-psychiatrische Gutachten von XXXX vom11.05.2018 (AS 277 ff.) ergibt, ist anzumerken, dass die Sachverständige dies nachvollziehbar begründet. So führt sie aus, die divergierenden Ergebnisse könnten auf eine Verschlechterung der Symptomatik oder auch auf die damals mangelnde Ausdrucksfähigkeit oder –willigkeit des Beschwerdeführers zurückgeführt werden. Zudem würden dissoziative Symptome dazu führen, dass Betroffene oft nur einen Teil der Beschwerden schildern, da einzelne Aspekte nicht bewusst seien (OZ 26, S. 31). Aus dem Gutachten von XXXX vom 11.05.2018 ergibt sich auch, dass der Beschwerdeführer insbesondere zu den Ausreisegründen keine näheren Angaben gemacht habe und in diesem Zusammenhang auch äußerst unkooperativ gewesen sei und auf die gestellten Fragen nicht habe eingehen wollen (AS 291). Aus dem klinisch-psychologischen Gutachten von XXXX vom 28.02.2020 (OZ 26) geht dagegen ein längeres Gespräch des Beschwerdeführers mit der Sachverständigen auch hinsichtlich der Ausreisegründe hervor und beschreibt diese das Verhalten des Beschwerdeführers während der Untersuchung als kooperativ und sozial angemessen (OZ 26, S. 29).
Im Hinblick auf die Dichte und den Detailgrad des Vorbringens muss zusammengefasst die psychische Erkrankung und insbesondere die damit im Zusammenhang stehende Gedächtnisstörung des Beschwerdeführers besondere Berücksichtigung finden, weswegen sein Fluchtvorbringen nicht mit „normalen“ Maßstäben gemessen werden kann. Der Beschwerdeführer erstattet jedoch – wie bereits ausgeführt – durchgehend im Kern gleichbleibende Angaben.
Zudem steht das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers im Einklang mit den Länderberichten. Insbesondere ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der Beweiswürdigung der reale Hintergrund der vom Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in die Überlegungen einzubeziehen und die Glaubwürdigkeit seiner Behauptungen auch im Vergleich zur einschlägigen Berichtslage zu messen (VwGH 11.04.2018, Ra 2018/20/0040).
Zunächst ergibt sich aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien), dass es zu gezielten Angriffen auf afghanische Sicherheitskräfte kommt. Diese würden im und außer Dienst angegriffen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe b) Zivile Polizeikräfte (einschließlich Angehörigen der ANP und ALP) sowie ehemalige Angehörige der ANDSF, S. 47 f.). Zudem wird in den UNHCR-Richtlinien berichtet, dass regierungsfeindliche Kräfte auch Familienangehörige als Vergeltungsmaßnahmen gemäß dem Prinzip der Sippenhaft angreifen, insbesondere Verwandte von Regierungsmitarbeitern und Angehörigen der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte. Diese würden Opfer von Schikanen, Gewalt, Entführung und Tötung (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe k) Familienangehörige von Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft verbunden sind, oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, S. 54). Damit übereinstimmend berichtet auch die EASO Country Guidance von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance), dass Mitarbeiter afghanischer Sicherheitskräfte (ANSF; ANA, ANP, NDS und ALP) sowohl im Dienst als auch außer Dienst wahrscheinliches Ziel von Angriffen Aufständischer sind. Auch gezielte Tötungen und Entführungen in ländlichen Gebieten seien möglich. Auch EASO berichtet, dass auch Familienmitglieder von Aufständischen angegriffen und insbesondere unter Druck gesetzt werden, damit der Mitarbeiter der ANSF seine Position bei den Sicherheitskräften aufgibt. Auch frühere Mitarbeiter seien Ziel von Angriffen geworden (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 1. Members of the security forces and pro-government militias, S. 49). Die Schilderungen des Beschwerdeführers entsprechen daher dem Grunde nach der Lage im Herkunftsstaat, wobei sich den eben zitierten UNHCR-Richtlinien sowie der EASO Country Guidance im Hinblick auf das konkrete Vorgehen der Taliban noch keine Informationen entnehmen lassen.
Aus dem EASO COI Report: Afghanistan Gezielte Gewalt bewaffneter Akteure gegen Individuen von Dezember 2017 ergibt sich, dass die Taliban ANSF-Angehörigen zunächst die Möglichkeit geben, „zu bereuen“ und „Buße zu tun“. Sie würden zunächst Drohungen und Forderungen aussprechen, wobei es üblicherweise ausreiche, diesen Aufforderungen nachzukommen, um weiteren Angriffen zu entgehen (Kapitel 1.4.1 Reue und Buße, S. 67). Damit erweist sich auch die Schilderung des Beschwerdeführers, der zufolge die Taliban den Vater zunächst telefonisch und brieflich bedroht hätten, bevor der erste Angriff erfolgte, vor dem Hintergrund der Länderberichte als plausibel. Der eben zitierte EASO COI Report: Afghanistan Gezielte Gewalt bewaffneter Akteure gegen Individuen von Dezember 2017 berichtet zudem hinsichtlich der Möglichkeit einer (internen) Umsiedelung, dass Personen, die von den Taliban gezielt angegriffen oder bedroht würden, häufig mit ihren Familien aus Sicherheitsgründen in die Städte umsiedeln würden, dies auch im Vorgriff auf bestimmte Ereignisse, wie etwa der möglichen Einnahme einer Stadt durch die Taliban (Kapitel 1.4.2 (interne) Umsiedelung, S. 68). Die vom Beschwerdeführer beschriebene Vorgehensweise des Vaters, der zufolge zunächst eine Umsiedelung nach XXXX und damit in die nächstgrößere Stadt erfolgte, entspricht damit genau dem Bericht. Zudem ist dem Bericht zu entnehmen, dass die Taliban auch die Fähigkeit hätten, Einzelpersonen nach ihrer Umsiedelung über ihre Netzwerke von lokalen Kommandeuren und Schattengouverneure sowie Mullahs aufzuspüren (1.4.2 (interne) Umsiedlung, S. 68). Dass die Familie durch Umzug im gleichen Distrikt sich den Taliban nicht entziehen konnte, erscheint damit nicht weiter verwunderlich. Hinsichtlich der Herkunftsprovinz berichtet der EASO COI Report: Afghanistan Security situation von Jänner 2016 zudem, es sei vermehrt zu Angriffen Aufständischer gegen die Privathäuser von ANA und ANP Mitarbeitern gekommen (Kapitel 2.5.1 Laghman, Abschnitt Actors in the conflict, S. 106). Insgesamt erweisen sich die Angaben des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund der Länderberichte damit als plausibel und wurden entsprechende Feststellungen getroffen.
Im Hinblick auf die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr ins Herkunftsdorf die Gefahr droht, von den Taliban angegriffen, misshandelt, verletzt oder sogar getötet zu werden, weil er Sohn eines ehemaligen Mitarbeiters der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte ist, ist zunächst auf die bereits oben zitierten Berichte zu verweisen, denen zufolge die Taliban ihre Gewalthandlungen auch auf Angehörige von ANSF-Mitarbeitern ausdehnen. Zudem ist der EASO Country Guidance zu entnehmen, dass im Hinblick auf die individuelle Situation etwa die Herkunftsregion, Sichtbarkeit, Arbeitsort und die Präsenz Aufständischer, persönliche Feindschaften und die Dauer, seit der der Betroffene die Streitkräfte verlassen hat, zu berücksichtigen sind (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 1. Members of the security forces and pro-government militias, S. 49). Das Herkunftsdorf des Beschwerdeführers liegt dem aktuellen EASO COI Report: Afghanistan, Security situation von Juni 2019 zufolge in einem umkämpften Gebiet. Dieses wird von UNOCHA in die höchste Konflikt-Kategorie eingeordnet. Es wird von gezielten Tötungen in der Provinz berichtet (Kapitel 2.21 Laghman, S. 201). Angesichts der Präsenz der Taliban im Herkunftsdistrikt wäre der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr damit leichtes Opfer für die Taliban und geht das Bundesverwaltungsgericht auch aufgrund der bereits in der Vergangenheit erfolgten Angriffe gegen die Familie davon aus, dass im Fall der Rückkehr das Risiko, dass der Beschwerdeführer erneut Opfer eines Taliban-Angriffes wird, groß ist.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer vor dieser Bedrohung durch die Taliban Schutz des afghanischen Staates nicht zu erwarten hat, beruht etwa auf den UNHCR-Richtlinien, wo berichtet wird, dass die Umsetzung der Menschenrechte mangelhaft bleibt und die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit als besonders schwach wahrgenommen wird. Die Fähigkeit der Regierung, Menschenrechte zu schützen, werde untergraben, das förmliche Justizsystem sei schwach und unfähig, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden. Die Korruption sei groß und es herrsche ein Klima der Straflosigkeit. Täter von Menschenrechtsverletzungen würden selten zur Rechenschaft gezogen (Abschnitt II. Überblick über die Situation in Afghanistan, Kapitel C. Die Menschenrechtssituation, Unterkapitel 2. Die Fähigkeit und Bereitschaft des Staates, Zivilisten vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen, S. 34 f.). Im Wesentlichen inhaltsgleich berichtet auch das Länderinformationsblatt von der Lage hinsichtlich Menschenrechte, Justiz etc. (siehe insbesondere Kapitel 3. Rechtsschutz/Justizwesen und Kapitel 10. Allgemeine Menschenrechtslage). Zudem ist die Herkunftsprovinz und insbesondere der Herkunftsdistrikt von ausgeprägten Aktivitäten der Taliban betroffen (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Abschnitt Laghman, S. 107-108; EASO COI Report: Afghanistan, Security situation von Juni 2019, Kapitel 2.21 Laghman, S. 201 ff.). Dass der Beschwerdeführer von den afghanischen Behörden vor weiteren Übergriffen der Taliban geschützt werden könnte, erscheint damit unter Berücksichtigung der allgemeinen Lage des afghanischen Rechtsstaates und der Menschenrechte sowie der konkreten Lage im Herkunftsdorf als höchst unwahrscheinlich.
So ist dem EASO COI Report: Afghanistan Gezielte Gewalt bewaffneter Akteure gegen Individuen von Dezember 2017 zu entnehmen, dass eine Gefährdung Familienangehöriger insbesondere Gebiete betrifft, wo die Taliban präsent sind (Kapitel 1.3 Lage der Familienangehörigen, S. 65.). Demselben Bericht ist zu entnehmen, dass ANSF-Angehörige und ihre Familien schrittweise in sichere Gebiete umsiedeln, die der Kontrolle der Regierung unterstehen würden, obwohl es auch hier gelegentlich zu gezielten Angriffen durch die Taliban komme. Gesuchte Einzelpersonen könnten je nach politischem Tagesklima und Profil der Einzelperson auch nach einer Umsiedelung getötet werden, wenn sie von den Taliban aufgespürt würden (1.4.2 (interne) Umsiedlung, S. 68). Es sei für die Taliban allerdings schwieriger, Menschen in städtischen Gebieten aufzuspüren und bedeute dies einen großen Ressourcen- und Planungsaufwand. Diesen würden die Taliban jedoch nur für wenige Personen aufwenden oder im Fall von persönlichen Feindschaften, Rivalitäten oder Streitigkeiten (1.4.3 Die Fähigkeit, Personen in den Großstädten aufzuspüren und anzugreifen, S. 69-70). Derartiges ist im Verfahren jedoch nicht hervorgekommen. Im Hinblick auf Mazar-e Sharif berichtet die EASO Country Guidance, die Stadt stehe unter Kontrolle der afghanischen Regierung (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Abschnitt Balkh, insbesondere Focus on the provincial capital: Mazar-e Sharif, S. 92-93). Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 29.06.2020 (in der Folge: Länderinformationsblatt) ist zu entnehmen, dass Balkh zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen zählt, wo die Taliban in der Vergnangenheit keinen Fuß fassen konnte. Die Taliban hätten zuletzt zwar versucht, die Provinz von benachbarten Regionen aus zu infiltrieren, sie hätten jedoch keines der Gebiete überrannt (Kapitel 4. Sicherheitslage, Unterkapitel 4.6. Balkh). Damit ist insgesamt nicht davon auszugehen, dass die Taliban den Beschwerdeführer auch in Mazar-e Sharif angreifen würden.
Zur medizinischen Versorgung psychisch Kranker lässt sich den bereits zitierten UNHCR-Richtlinien entnehmen, ihr Zugang zu angemessener medizinischer Betreuung sei eingeschränkt (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 9. Personen mit Behinderung, insbesondere geistiger Behinderung, und Personen, die an einer psychischen Erkrankung leiden, S. 91). Der EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von April 2019 berichtet vom mangelnden Behandlungsangebot für psychisch Erkrankte in Afghanistan, sowie, dass Fachpersonal, Infrastruktur und ein Bewusstsein für psychische Erkrankungen fehlen würden (Kapitel 8.4 Mental health care, S. 49). Gleiches geht im Übrigen auch aus der vom Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung am 26.07.2019 in das Verfahren eingebrachten Auskunft der SFH-Länderanalyse, Afghanistan: Psychiatrische und psychotherapeutische Behandlungen von 05.04.2017 (Beilage zu OZ 14) hervor. Hier werden psychische Erkrankungen als „verborgene Epidemie“ in Afghanistan bezeichnet. Psychisch Kranke würden stigmatisiert und würden Beraterinnen und Berater selbst in der Hauptstadt Kabul gegen lange Traditionen und eine Kultur der Stigmatisierung von psychisch Kranken ankämpfen. Es gebe kaum Behandlungskapazitäten, es herrsche ein Mangel an ausgebildetem Personal, namentlich an Psychiaterinnen und Psychiatern, Sozialarbeitenden, Psychologinnen und Psychologen sowie an angemessener Infrastruktur. Das Bewusstsein, dass psychische Erkrankungen dringend behandelt werden müssten, fehle. Auch im EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von April 2019 wird berichtet, dass insbesondere hohe Behandlungskosten dazu führen, dass notwendige Behandlung nicht in Anspruch genommen würden. Die Kosten würden häufig zu Verschuldung führen. Auch wenn die Verfassung kostenlose Gesundheitsversorgung garantiere, müsse für medizinische Leistungen (Medikamente, Ärzte, Labortests, etc.) auch in öffentlichen Einrichtungen bezahlt werden (Kapitel 8.2.2 Cost of treatment, 46-47). Das Länderinformationsblatt berichtet ebenso von Problemen beim Zugang zu Behandlungen bei psychischen Erkrankungen, einem Mangel an spezialisierter Gesundheitsversorgung und falschen Vorstellungen der Bevölkerung über psychische Erkrankungen. Psychisch Erkrankte seien oftmals einer gesellschaftlichen Stigmatisierung ausgesetzt (Kapitel 23. Medizinische Versorgung, Unterkapitel 23.1. Psychische Erkrankungen). Zur Verfügbarkeit von Medikamenten lässt sich dem EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von April 2019 zwar entnehmen, dass grundsätzlich alle Medikamente am Afghanischen Markt verfügbar sind. Allerdings würden die Kosten und Qualität variieren. Insbesondere sei die Verfügbarkeit nicht immer gewährleistet, es komme zu Engpässen. Die Qualität der Medikamente sei häufig schlecht (8.2.3 Availability of medicines, S. 47-48). Auch das Länderinformationsblatt berichtet von einer mangelnden Verfügbarkeit von Medikamenten (Kapitel 23. Medizinische Versorgung).
Damit erscheint vor dem Hintergrund der Länderberichte – deren Berücksichtigung die belangte Behörde mit Stellungnahme vom 02.06.2020 (OZ 28) berechtigt einfordert – unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers nicht gesichert, dass er im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat die erforderliche Behandlung erhält. So ist die Familie des Beschwerdeführers nicht mehr in Afghanistan aufhältig und verfügt der Beschwerdeführer über keinerlei soziale Anknüpfungspunkte in einer der afghanischen Großstädte. Aus dem Länderinformationsblatt geht allerdings hervor, dass zur Behandlung psychischer Erkrankungen gesellschaftliche oder familiärer Rückhalt erforderlich ist. Die Aufnahme in einem Krankenhaus könne etwa nur in Begleitung eines Familienangehörigen oder Bekannten erfolgen, der den Patienten versorge. Ohne Verwandten erfolge eine stationäre Aufnahme selbst in akuten Fällen nicht (Kapitel 23. Medizinische Versorgung, Unterkapitel 23.1. Psychische Erkrankungen). Insgesamt erscheint es angesichts der schlechten Versorgungssituation für psychisch Kranke nicht als realistisch, dass gerade der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr jene notwendige Behandlung erhält, die den zitierten Berichten zufolge im Herkunftsstaat geradezu (EASO COI Report: Afghanistan Key socio-economic indicators Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von April 2019, Kapitel 8.4 Mental health care, S. 49) nicht verfügbar ist.
Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Parteiengehör bezüglich der in dieser Entscheidung hinsichtlich Punkt 2.3. der Beweiswürdigung neben den in das Verfahren eingebrachten verwendeten aktuellen Länderberichte konnte entfallen. Die belangte Behörde hat aufgrund ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Abfassung von Länderberichten sowie als spezialisierte Fachbehörde Kenntnisse über ebendiese Länderberichte; weiter wurden diese ausschließlich zugunsten des Beschwerdeführers verwendet, weshalb auch diesbezüglich eine Notwendigkeit zur Gewährung von Parteiengehör nicht gegeben war. Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zum Fluchtvorbringen einer asylrechtlich relevanten Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie des Vaters
Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.
Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person unter anderem, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 30.08.2018, Ra 2017/18/0119 mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung den Familienverband als „soziale Gruppe“ gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anerkannt. Verfolgung kann daher schon dann Asylrelevanz zukommen, wenn ihr Grund in der bloßen Angehörigeneigenschaft des Asylwerbers, somit in seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe iSd Art. 1 Z 2 GFK, etwa jener der Familie liegt (Vgl. VwGH vom 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 mwN).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt droht dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr ins Herkunftsdorf die Gefahr, von den Taliban angegriffen, misshandelt, verletzt oder sogar getötet zu werden, weil er Sohn eines ehemaligen Mitarbeiters der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte ist, wobei er nicht damit rechnen kann, dass ihn der afghanische Staat vor dieser Bedrohung schützen kann.
Der Beschwerdeführer konnte damit für den Fall der Rückkehr ins Herkunftsdorf eine von Privatpersonen ausgehende Verfolgungsgefahr wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe seines Vaters im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung glaubhaft machen, wobei staatlicher Schutz nicht besteht.
3.2. Zur Nichtverfügbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative
Nach § 3 Abs. 3 Z 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht.
Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.
Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt ist in einem Fall der Niederlassung des Beschwerdeführers in Mazar-e Sharif nicht zu erwarten, dass er wegen der Tätigkeit des Vaters Übergriffen der Taliban ausgesetzt wäre. Im Hinblick auf Mazar-e Sharif liegt damit keine wohlbegründete Furch nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vor.
Zudem muss nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geprüft werden, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefasste Gebiet Schutz vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001 mwN).
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Mit Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 hat der Verwaltungsgerichtshof sich mit der Rechtsprechung des EuGH zu den Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auseinandergesetzt. Danach sei subsidiärer Schutz nur in jenen Fällen zu gewähren, in denen die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK auf einen ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zurückzuführen ist, der vom Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie verursacht wird (Art. 15 lit a. und b.), bzw. auf eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c) zurückzuführen ist. Nicht umfasst sei dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführende Verletzungen von Art. 3 EMRK. Insofern habe der nationale Gesetzgeber die Bestimmungen der Statusrichtlinie fehlerhaft umgesetzt, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 2. Art. EMRK, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führe (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).
An diese Judikatur anschließend spricht der der Verwaltungsgerichthof in seinem Erkenntnis vom 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 aus, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausschließlich anhand Art. 15 Statusrichtlinie geprüft werden könne. Die Bestimmung sei – obgleich fehlerhaft in das nationale Recht umgesetzt – nicht unmittelbar anwendbar, weil dies zulasten eines bzw. zur Vorenthaltung von Rechten des Einzelnen nicht in Frage komme. Die nationale Regelung des § 8 Abs. 1 AsylG sei günstiger. Deren unionsrechtskonforme bzw. richtlinienkonforme Auslegung finde ihre Schranke jedoch in einer Auslegung contra legem des nationalen Rechtes. Eine einschränkende Auslegung des Wortlautes des § 8 Abs. 1 AsylG im Sinne einer teleologischen Reduktion sei vor dem Hintergrund des klaren gesetzgeberischen Willens – den der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung herausarbeitet – nicht zu rechtfertigen. Daher halte der Verwaltungsgerichtshof an seiner Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat – auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird – die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG begründen kann (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 m.w.N.).
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, der auf die Entscheidungen des EGMR Bezug nimmt, hat ein Fremder im Allgemeinen kein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (VfGH 06.03.2008, B2400/07 mwN).
Auch der Verwaltungsgerichtshof hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EGMR bereits ausgesprochen, dass die nach der oben zitierten geforderten außergewöhnlichen Umstände, die zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen können, vorliegen, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (zuletzt VwGH 30.06.2017, Ra 2017/18/0086).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt ist im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat die erforderliche medizinische Versorgung zur Behandlung der psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers nicht gewährleistet und ist ohne adäquate Behandlung von einer ernsten und unwiederbringlichen Verschlechterung und Chronifizierung der komplexen posttraumatischen Belastungsstörung in Form einer andauernden Persönlichkeitsänderung und einem schwerwiegenden Leidenszustand mit dauerhafter Funktionsbeeinträchtigung in den beruflichen und sozialen Funktionen auszugehen.
Folglich droht dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte im Sinne der oben zitierten Judikatur.
3.3. Zum Nichtvorliegen eines Ausschlussgrundes
Nach § 3 Abs. 2 Z 2 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn der Fremde einen Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG gesetzt hat. Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer einen Asylausschlussgrund gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 bis 4 AsylG gesetzt hat, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
3.4. Zur Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers
Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.
Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird das Einreise- und Aufenthaltsrecht des Asylberechtigten unmittelbar kraft Gesetzes bestimmt. Die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter hat somit nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht zu erfolgen. Auch gemäß § 3 Abs. 4 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 kommt dem Asylberechtigten eine entsprechende Aufenthaltsberechtigung zu, ohne dass eine darüberhinausgehende Erteilung dieser Berechtigung vorzunehmen wäre (VwGH 03.05.2018, Ra 2017/19/0373).
Dem Beschwerdeführer war daher spruchgemäß nach § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Ihm kommt damit unmittelbar kraft Gesetzes (VwGH 03.05.2018, Ra 2017/19/0373) eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu, die (vorerst) für drei Jahre gilt.
4. Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht folgt der klaren Rechtlage und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wobei gegenständlich insbesondere beweiswürdigende Erwägungen maßgeblich waren. Auch in seinen Ausführungen zur Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers (3.4.) folgt das Bundesverwaltungsgericht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wobei anzumerken ist, dass diese lediglich der Information des Beschwerdeführers dienen und damit nicht zu den die Entscheidung tragenden Erwägungen zu zählen sind.
Schlagworte
Asyl auf Zeit Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren befristete Aufenthaltsberechtigung begründete Furcht vor Verfolgung Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Gesundheitsschädigung Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit inländische Schutzalternative innerstaatliche Fluchtalternative medizinische Versorgung mündliche Verhandlung psychische Erkrankung real risk reale Gefahr Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W109.2205816.1.00Im RIS seit
23.11.2020Zuletzt aktualisiert am
23.11.2020