TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/21 W122 2225653-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.07.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

21.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W122 2225653-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch den Verein ZEIGE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 18.10.2019, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.02.2020 und 27.05.2020, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (nachfolgend: BF), eine iranische Staatsangehörige, stellte am 09.05.2019 nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet, begleitet von ihrem Vater und ihrem Bruder, einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Anlässlich der Erstbefragung 09.05.2019 gab die BF an, dass sie der Volksgruppe der Perser angehöre und christlichen Glaubens sei. Sie habe im Iran zwölf Jahre die Schule besucht und zwei Jahre lang studiert. Ihre Muttersprache sei Farsi. Ihre Mutter und ihr Halbbruder würden in Österreich leben. Als Grund für ihre Ausreise gab sie an, dass sie Christin sei, das Haus der Familie von der Geheipolizei durchsucht worden sei und sie in Sicherheit leben wolle. Im Falle einer Rückkehr, fürchte sie eine Gefängnisstrafe.

3. Am 21.08.2019 erfolgte die Einvernahme der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA). In dieser vermeinte die BF gesund zu sein und legte, neben iranischen Personaldokumenten, ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor. Ihre Geburtsurkunde habe sie zu Hause aufbewahrt. Ihr Reisepass sei von Beamten, die ihre Wohnung gestürmt hätten, mitgenommen worden.

Sie habe nach zwölf Jahren Schule zwei Jahre lang studiert. Aufgrund ihres Studiums habe sie nicht gearbeitet, sondern sei sie von ihrem Vater unterstützt worden. Sie sei iranische Staatsangehörige persischer Volksgruppenzugehörigkeit. Sie sei als schiitische Muslima geboren worden und mittlerweile protestantische Christin. Sie sei weder getauft noch aus dem Islam ausgetreten, trage aber das Christentum im Herzen. Sie würde auch keine Taufvorbereitung besuchen, jedoch gehe sie sonntags in die Kirche, um den Gottesdienst zu besuchen.

Ihre Verwandten, bestehend aus zahlreichen Onkeln und Tanten, würden noch im Iran leben. Zu einer Tante mütterlicherseits habe sie noch Kontakt. Sie sei ledig und habe keine Kinder. In Österreich würde auch ihre Mutter leben. Mit ihr stehe die BF nun wieder in Kontakt. Ein wenig Unterstützung erhalte sie von ihr auch, jedoch sei dies wenig, weil diese selbst Asylwerberin sei. Hier lebe die BF von der Grundversorgung. In ihrem Heimatland habe sie keine strafbaren Handlungen begangen bzw. sei sie dort nicht vorbestraft oder inhaftiert gewesen. Sie sei auch nicht politisch aktiv oder Mitglied in einer politischen Partei gewesen. Auch habe sie keine Probleme mit Behörden ihres Heimatlandes gehabt. Einen offiziellen Haftbefehl gegen sie würde es in ihrem Heimatland nicht geben.

Sie sie mit ihrer Familie über die Türkei, wo sie sich fast zwei Monate lang aufgehalten habe, nach Europa gekommen. Die Türkei sei nicht sicher gewesen und das Zielland sei Österreich gewesen, weil sie zu ihrer Mutter habe kommen wollen.

Zu ihren Fluchtgründen befragt, führte die BF im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass sie Christin sei und Beamte zu ihnen nach Hause gekommen wären. Ihr Leben sei deswegen in Gefahr gewesen. Direkte Bedrohungen oder ein Schreiben iranischer Behörden habe es nicht gegeben. Sie habe schon während ihrer Schulzeit nicht an den Islam geglaubt und nur die notwendigsten Regeln der Religion eingehalten. Der Isam habe ihr generell nicht gefallen. Zum Christentum sei sie über ihren Vater gekommen, wobei sich das Interesse an der Religion mit der Zeit entwickelt habe. Das Christentum handle von Liebe und Vergebung. Ebenfalls würde sie in dieser Religion auch als gleichwertiges Geschöpf behandelt werden. Sie habe die Bibel, die aus vier Büchern bestehen würde, bereits im Iran gelesen. Matthäus und Markus sogar vollständig, wobei sie auf Nachfrage nicht den konkreten Wortlaut der Anfangsverse angeben hat können. Die Vergebung sei ihr jedoch ein besonderes Anliegen.

Im Iran sei sie in eine Hauskirche gegangen, habe die Bibel gelesen und versucht wie Jesus Christus zu leben. Die Hauskirche habe sie drei Mal besucht, erstmals im Sommer 2018. Sie sei mit ihrem Vater an einem Donnerstag dort gewesen und die Veranstaltung habe etwa eine Stunde gedauert. Es sei ein Thema besprochen und danach gebetet worden. Aufgrund ihres Studiums habe sie die Hauskirche nur in den Sommermonaten besuchen können. Sie habe diese nur mit ihrem Vater besucht, jedoch nie gemeinsam mit ihrem Bruder. Sonstige christliche Veranstaltungen habe sie im Iran nicht besucht. Auch in der Türkei hätte sie keine Kirche oder christliche Veranstaltung besucht.

Von der Stürmung ihres Hauses hätten sie eines Morgens erfahren. Den genauen Inhalt des Gesprächs habe sie nicht mitbekommen. Ihr Vater habe danach den Freund der Hauskirche angerufen. Diese hätte gemeint, dass sie niemanden mehr anrufen und sie sich verstecken sollten. Sie seien von ihrer Stiefmutter verraten worden. Ein Freund ihres Vaters habe bei dieser vor ihrer Ausreise aus dem Iran nachgefragt und dabei habe sie mittgeteilt, dass die Beamten einen PC, einen Laptop und andere Gegenständen mitgenommen hätten sowie die Familie hingerichtet werden würde. Als christliches Gebet kenne sie das Vater Unser, von dem sie wisse, dass es in einem Evangelium stehe. Näheres könne sie diesbezüglich aber nicht nennen.

In Österreich besuche sie eine Kirche und einen Bibelkurs. Ihre Lieblingspassage der Bibel sei Matthäus, Kapitel 4, Vers 1, wo Jesus durch den Heiligen Geist 40 Tage durch die Wüste geleitet wurde. Da sie auf Nachfrage nicht wusste, was in Matthäus Kapitel 4, Vers 2 stehen würde, gab die BF an, dass sie diese Stelle auswendig gelernt habe. Ostern sei das wichtigste Fest im Christentum, denn Jesus sei am Karfreitag auferstanden. 40 Tage später sei Jesus in den Himmel aufgestiegen. Danach würde das Pfingstfest kommen, wo der Heilige Geist über die Jünger kommen würde. Jesus Christus sei der Sohn Gottes und für die Menschen am Kreuz gestorben. Die Frage, wo die zehn Gebote stehen würden, konnten von der BF beantwortet werden, jedoch gestand diese ein, dass ihr das ihr Rechtsvertreter in der Pause gesagt habe und sie dies zuvor nicht gewusst habe. Sie würde ihren Glauben nicht im Verborgenen halten und habe ihren Verwandten schon davon erzählt. Im Falle einer Rückkehr habe sie Angst vor einer Hinrichtung. Eine Niederlassung an einem anderen Ort ihres Heimatlandes, um ihren Problemen entgehen zu können, habe sie niemals erwogen. Gegen die ihr vorgehaltenen Länderfeststellungen habe sie keine Einwendungen. Sie würde diese zur Kenntnis nehmen.

4. Mit Schreiben vom 17.09.2019 wurde der belangten Behörde ein Konvolut an iranischen Unterlagen betreffend den Vater der BF und eine Stellungnahme zur Situation der Konvertiten im Iran abgegeben. Diese erfolgte durch die rechtfreundliche Vertretung, dem Verein ZEIGE, dem mit Schreiben vom 09.08.2019 die Vollmacht zur Vertretung der BF in gegenständlicher Rechtssache erteilt wurde.

5. Mit Bescheid des BFA vom 18.10.2019 wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpukt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgestellt, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Begründend wurde festgehalten, dass die BF bezüglich ihres Fluchtvorbringens und ihrer Konversion nicht glaubwürdig gewesen sei. Ihre Konversion sei nicht glaubhaft, weil sie die innere Überzeugung zu dieser nicht hat darlegen können. Die BF sei nach der islamischen Religion sozialisiert worden und habe nur vage Angaben zu einer Taufe und einer Taufvorbereitung machen können. Sie habe dahingehend auch kein Interesse an einer baldigen Taufe gezeigt und auch nur oberflächliches Wissen über die Kirchengemeinschaft, die sie in Österreich besuchen würde. Ihr Ziel sei es gewesen, dass sie hier in Sicherheit leben könne. Das Ausleben ihres Glaubens habe sie nicht einmal ansatzweise erwähnt. Zur Taufvorbereitung und zu den Gottesdienstbesuchen habe die BF nur oberflächliche und ausweichende Antworten gegeben. Auch den Unterschied zwischen Gottesdienst und Kirchenbesuch habe sie nicht richtig darlegen können, wobei sie den Begriff Eucharistie in keiner Weise angesprochen habe. Über die Gottesdienstbesuche habe die BF nur vage und knappe Angaben gemacht, was für eine neukonvertierte Person nicht nachvollziehbar sei, zumal diese ihren Glauben wohl ausleben wolle.

Unglaubwürdig seien auch die Angaben zur Abneigung des Islams in ihrem Herkunftsstaat. Wobei hierbei zu erkennen gewesen sei, dass diese Angaben sich nicht mit den Lebensumständen im Iran decken würden. Die Zuwendung zum Christentum sei ohne Schlüsselerlebnis geschehen und die diesbezüglich gegebenen vagen und blassen Antworten haben aufgrund des Bildungsstandes der BF einstudiert gewirkt. Über die Teile der Bibel habe die BF auch keine Kenntnis gehabt, zumal sie deren korrekte Anzahl nicht habe nennen können. Ihre beschriebene Verhaltensänderung sei nicht auf das Christentum zurückzuführen, sondern beschreibe lediglich die in Mitteleuropa üblichen Verhaltensnormen. Bei der Zitierung des Matthäusevangeliums sei es für die belangte Behörde durch Nachfrage schnell herauszufinden gewesen, dass die BF diese Passage auswendig gelernt habe. Auch bezüglich des Auslebens des Christentums und den Besuchen der Hauskirche im Iran habe die BF nur vage, oberflächliche und allgemeingültige Angaben geben können. Dass eine Person, die im Iran einer christlichen Minderheit angehöre, Muslime missionieren würde und Veranstaltungen in einer Hauskirche abhalten würde, sei aufgrund des Verbotes und dem möglichen Gelangen ins Blickfeld der iranischen Sicherheitsbehörden ausgeschlossen. Abgesehen davon seien die Schilderungen zu den Besuchen der Hauskirche ebenfalls emotionslos gewesen, woraus erkennbar gewesen sei, dass es bei der Schilderung der Besuche nur um ein Konstrukt gehandelt hätte. Da die BF nach den angeblichen Hauskirchenbesuchen keine weiteren christlichen Veranstaltungen mehr besucht habe und bis es bis zu ihrer fünf Monate später erfolgten Ausreise keine Vorfälle mit den Behörden gegeben hätte, sei davon auszugehen, dass die behaupteten Besuche der Hauskirche nicht ausschlaggebend für die Ausreise aus dem Iran gewesen wären. Da sie sich im Studienort nicht um eine Aufnahme bemüht habe und sie sonst weder christliche Veranstaltungen besucht noch missioniert habe, sei eine Verfolgung ihrer Person für die iranischen Sicherheitsbehörden nicht von Interesse.

Bezüglich des Auslebens des christlichen Glaubens sei es für die belangte Behörde nicht nachvollziehbar gewesen, dass sich die BF in der Türkei nicht um einen Kirchenbesuch bemüht habe. Die Kirche in Österreich habe sie durch Zufall gefunden, wobei die belangte Behörde davon ausgehen würde, dass die BF lediglich die erstbeste Kirche genommen habe, um Beweismittel für das Asylverfahren beschaffen zu können. Die Zitierung des Bibelverses habe auf Nachfrage als auswendig gelernt dargelegt werden können. Ebenso habe die BF Begriffe zum Karfreitag, Ostern und der Auferstehung nicht in einen richtigen Kontext bringen können. Dass die zehn Gebote im Buch Exodus im Kapitel 20 niedergeschrieben seien, wisse sie nur, weil ihr dies der Rechtsvertreter in der Unterbrechung der Einvernahme gesagt habe. Zusammengefasst habe die BF trotz des seit länger anhaltenden Interesse für das Christentum nur bruchstückhaftes Wissen über dieses. Das gezeigte Verhalten der BF habe darauf schließen lassen, dass diese nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert sei, sondern sie dies nur aus asyltaktischen Gründen gemacht habe. Im Zuge des Aufenthaltes in Österreich hätte die BF schon Zeit gehabt, um sich mit dem Glauben tiefergehender auseinanderzusetzen. Diesen Eindruck habe die BF vor der belangten Behörde gänzlich vermissen lassen.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 18.10.2019 wurde der BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Ebenso wurde mit Verfahrensanordnung vom 18.10.2019 ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG angeordnet.

6. Am 18.10.2019 erging seitens der Landespolizeidirektion Niederösterreich der Bericht, dass gegen die BF eine Anzeige wegen Raufhandels erstattet wurde.

7. Gegen den o.a. Bescheid der belangten Behörde erhob die BF mit Schriftsatz ihrer Rechtsvertretung vom 11.11.2019 innerhalb offener Frist vollinhaltlich Beschwerde. Hierbei wurde angeführt, dass die BF zahlreiche Personaldokumente vorgelegt habe, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass diese ihre Identität habe verschweigen wollen. Ebenso sei es nicht auszuschließen, dass die Stiefmutter nicht bereits nach dem ersten Gespräch über das Christentum mit dem Vater der BF gestritten habe, sondern erst danach. Ein Fall, wie eine Denunzierung durch die islamtreue Stiefmutter, sei im Iran nicht außergewöhnlich. Nur weil die BF keine leitende Funktion in der Hauskirche gehabt hätte, sei es nicht auszuschließen, dass sie deswegen nicht von einer behördlichen Verfolgung aufgrund ihres Glaubensabfalls betroffen sein könnte. Auch sei es möglich, dass der Freund des Vaters abseits der armenischen Kirche noch privat Hauskirchen hätte führen können. Dass die BF nicht konvertieren würde, weil sie in einem muslimischen Umfeld aufgewachsen sei, entbehre jedweder nachvollziehbaren Begründung. Aus dem Fehlen eines förmlichen Austritts aus einer Religionsgemeinschaft könne ebenfalls nicht abgeleitet werden, dass die BF nur zum Schein konvertiert sei. Im Fall einer Rückkehr in den Iran sei die BF jedenfalls privater und staatlicher Verfolgung ausgesetzt, zumal ihr Verhalten im Iran jedenfalls als eine echte Konversion angesehen werde und sie somit einer staatsfeindlichen regimekritischen Haltung verdächtigt werden würde. Somit sei der BF aufgrund der Beschwerdegründe die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, jedoch zumindest der Status einer subsidiär Schutzberechtigten.

8. Am 19.11.2019 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

9. Am 03.02.2020 übermittelte die rechtsfreundliche Vertretung eine am 27.01.2020 verfasste Stellungnahme zur Situation der Konvertiten im Iran und beantrage die Einvernahme des Diakons der Kirchengemeinde der BF. Ebenso wurde ein Konvolut an Integrationsunterlagen vorgelegt.

10. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 12.02.2020 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die BF und ihre rechtfreundliche Vertretung, ebenso wie zwei Zeugen, persönlich teilnahmen. Ein Vertreter der Behörde nahm nicht teil.

Zu Beginn der Verhandlung gab die BF an, dass es ihr gut gehe und sie gesund sei.

Ihr Vater habe sie missioniert. Er habe sie gebeten, das Heilige Buch zu lesen, obwohl die Sicherheitslage im Iran schwer und kompliziert gewesen sei. Ihr sei die Bibel und die Zuneigung Gottes zu seinen Geschöpfen sehr wichtig gewesen. Das habe sehr zu ihr gepasst und sie habe das Wort von Jesus akzeptiert. Wenn man das tue, würden die Sünden vergeben werden. Ihre Sünden seien alle vergeben worden. Durch die Liebe Gottes habe sie ein ewiges Leben erhalten und eine innere Ruhe erlangt.

Die Frage, was das Wort von Jesus Christus für sie bedeute, beantwortete die BF dahingehend, dass die Zuneigung und die Liebe zueinander und zu Gott, damit gemeint sei. Man lerne zu vergeben und solle Gott mit ganzem Leib und Herz lieben, ebenso wie die Nachbarn.

Sie habe keine Kinder, sei iranische Staatsangehörige und gehöre der Volksgruppe der Perser an. Sie sei ledig und ihre Muttersprache sei Persisch. Ob es im Iran in den letzten Monaten relevante Änderungen gegeben habe, wisse sie nicht. Ihrer Familie gehe es im Iran gut. Sie habe im Iran maturiert und sei zwei Jahre lang an der Universität gewesen. Diese habe sie aber nicht abgeschlossen.

Sie sei am 09.05.2019 illegal in das Bundegebiet eingereist. Den Iran habe sie verlassen, als die Familie erfahren habe, dass die Sicherheitsdienste bei ihnen zu Hause gewesen seien. Ihr Vater und ihr Bruder hätten sie abgeholt und von diesem hätten sie auf dem Weg nach Hause erfahren. Ein Freund ihres Bruders habe diesen angerufen. Dabei habe sie gehört, wie er etwas von Sicherheitsdienst und Computer gesagt hätte.

Danach hätten sie sich versteckt gehalten und ihr Vater habe seinen Freund gebeten nach Hause zu fahren, um herauszufinden, was geschehen sei. Ihre Stiefmutter habe diesem erzählte dem Freund ihres Vaters erzählt, dass sie es weitererzählt habe und sie wolle, dass sie hingerichtet werden.

Zum Beten suche sie sich einen ruhigen Platz oder versuche, alles aus dem Kopf zu kriegen, und sich auf Gott konzentrieren zu können. Sie bedanke sich bei Gott, dass er sich ihr gezeigt habe. Wenn sie die Bibel lese und dadurch ihre innere Ruhe finde und wenn sie die Einflüsse vom Heiligen Geist merke, dann merke sie, dass Gott sich ihr gezeigt hätte.

Gott sei ihr Vater. Er sei für die Menschen gekommen, damit ihre Sünden vergeben werden. Somit habe sie den Abstand zwischen ihr und Gott bei Seite legen und eine Beziehung herstellen können, wodurch sie ein ewiges Leben erlange. Gott habe ihr Liebe und Zuneigung in ihr Herzen eingepflanzt, damit sie den anderen ihre Liebe und Zuneigung zeige. Sie verehre durch ihr Tun Gott, in dem sie ihren Mitmenschen helfe, soweit sie könne.

Sie lese derzeit in der Bibel den Römerbrief. In diesem würde es um das Heiraten gehen. Solange man verheiratet sei, dürfe man keinen weiteren heiraten. Das würde als Ehebrechen gelten. Nach dem Tod eines Teils von den beiden, sei man frei, wieder zu heiraten. Als Jesus noch nicht da gewesen sei, habe es die Scharia gegeben. Jesus sei gekommen, um die Scharia abzuschaffen und die Sünden der Menschen seien durch Vergießen seines Blutes vergeben worden.

Auf Nachfrage vermeinte die BF, dass sie mit Scharia das islamische Gebot, richtig zu handeln, meine. Sie spreche von der Scharia die Mohammed verkündet habe. Dies habe sie von der Bibel gelernt. Auf die Frage, wie Jesus die Scharia abschaffen habe können, wenn er vor Mohammed gelebt habe, antwortete die BF, dass sie immer gesündigt hätten und die Scharia dies ihnen zeige.

Die Frage, was sie im Falle einer Rückkehr in den Iran vermissen würden, habe die BF inhaltlich nicht verstanden. An Österreich gefalle ihr, dass ihren Gott frei verehren und über ihn sprechen könne. Sie könne auch die Bibel, das heilige Buch, frei lesen und genieße die Freiheit betreffend die Frauen.

Auf Frage der Rechtsvertretung, was ihr passiere, wenn sie in den Iran fahren würde, antwortete die BF, dass sie mit Sicherheit hingerichtet werden würde. Sie habe ihr Herz an Jesus Christus gegeben und dies wisse auch die iranische Regierung.

Auf weitere Frage der Rechtsvertretung, etwas über Moses zu erzählen, führte die BF aus, dass dieser die Juden in Ägypten gerettet habe. Die Bücher seien Genesis, Levitikus, Exodus und Taznia sowie Adad (Zahl). Inhaltlich gehe es um die Entstehung der Erde in sechs Tagen und am siebten Tag habe Gott eine Pause eingelegt sowie, dass Adam und Eva das verbotene Obst gegessen hätten, sie zum Tod verurteilt wären und auf die Erde gekommen seien.

Warum ihr Bruder dabei gewesen sei, als sie ihr Vater damals abgeholt habe, wisse sie nicht. Es sei sehr früh gewesen. Da sie keine Sicherheit gehabt hätte, habe sie darum gebeten, dass sie abgeholt werde.

In Österreich wolle sie, wenn sie die deutsche Sprache gelernt habe, eine Ausbildung als Krankenschwester machen. Die Ausbildung dauere drei Jahre. Sie werde sowohl praktisch und auch theoretisch ausgebildet und könne nebenbei ihre Deutschkenntnisse verbessern.

Den Gottesdienst habe sie zuletzt am letzten Sonntag besucht. Ihre Mutter sehe sie alle zwei Wochen ein Mal.

Aufgefordert ein Foto von ihrem Vater, ihrem Bruder und sich selbst auf Instagram zu zeigen, habe die BF nur ein Profilbild gezeigt, wo alle drei Personen schemenhaft und verschwommen im Hintergrund, überlappt durch ein anderes Bild, erscheinen und sie als Einzelpersonen nicht erkennbar seien.

Nach Vorlage zahlreicher Integrationsunterlagen und Fotos wurde eine Zeugin einvernommen, die mit der Familie seit dem Sommer befreundet sei. Sie engagiere sich in der Kirche und sei sich absolut sicher, dass bei dieser Familie um echte Christen handeln würde. Dies würde man sofort erkennen. Mit der BF habe sie Gespräche über die Rolle der Frau im Islam und dem Christentum gehabt, weil in der Bibel die Frau einen sehr hohen Stellenwert habe. Die BF habe ihr gesagt, dass jemand über den Instagram Account versucht habe, herauszufinden, wo sie wohne. Die BF lese gerne in der Bibel und ihre Augen würden leuchten, wenn sie ihre Bibelbücher sehe. Durch das Vorlesen von Bibelstellen und Singen von Liedern über Gott habe sie sich beruhigt. Bei der Taufe sei sie glücklich gewesen und habe bezeugt, dass sie Christin sei. Die BF habe sie auch über das Fasten oder über Ostern gefragt.

11. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 27.05.2020 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die BF und ihre rechtsfreundliche Vertretung, ebenso wie eine Vertrauensperson, persönlich teilnahmen. Ein Vertreter der Behörde nahm nicht teil.

Befragt hinsichtlich der Scheidung ihrer Eltern, gab die BF an, dass sie damals 9 Jahre alt gewesen sei. Zur christlichen Religion sei sie im Laufe der Zeit gekommen. Sie habe die Bibel gelesen und an der Seite des Gottes habe sie eine innere Ruhe erhalten. Sie sei damals 18 gewesen. Mit Ihrem Vater gehe sie manchmal spazieren, wobei sie bei so einer Gelegenheit auch über Gott gesprochen habe. Ihren Bruder sehe sie bei gegenseitigen Besuchen. Wie oft diese stattfinden würden, könne sie nicht genau sagen.

Das Alte Testament sei ein Weg und die Vorbereitung für das Ankommen des Jesus auf die Erde. Die Taufe sei in spiritueller Hinsicht ein sehr guter Moment gewesen. Sie habe ein sehr gutes, erleichterndes Gefühl gehabt, weil sie dadurch bekunden habe können, dass sie ein Mitglied der Gemeinde sei.

Auf Nachfrage gab die BF an, die Familienmitglieder in der Kirche noch nicht registriert hätten werden können, weil sie Asylwerber seien, aber sie würden die Kirche besuchen und die Taufe sei durchgeführt worden.

Wenn Sie ein Formular ausfüllen müsste und dort nach dem Religionsbekenntnis gefragt werden würde, antwortete die BF auf Nachfrage, dass sie Christin hinschreiben würde, auch wenn ihr Name in der Kirche noch nicht registriert sei.

Ihr Glaube unterscheide sich zum Glauben ihrer Mutter dahingehend, dass ihre Kirche das Abendmahl veranstalte und das Brot nur als ein Zeichen gesehen werde. Die anderen würden das Brot und den Wein als Teil des Körpers sehen. Ebenso würde ihre Kirche die Präsidentschaft des Papstes für alle Kirchen nicht akzeptieren, der Glaube ihrer Mutter jedoch schon. Die Priester würden bei ihnen heiraten dürfen, bei den Katholiken nicht. Ihre Kirche dürfte die Bibel frei interpretieren. Ebenso würde es in ihrem Glauben keine Hölle geben, weil die Rettung ausschließlich in der Gnade von Jesus Christus gesehen werde.

Abgesehen von der Kirche haben die BF in Österreich noch einen vier Personen umfassenden Freundeskreis. Sie sei illegal ins Bundesgebiet eingereist und würde in Österreich die Freiheit genießen. Sie könne auch freie Beziehungen zu den anderen Kirchenmitgliedern aufbauen, die Bibel frei lesen und sich ohne Angst zum Christentum bekennen.

Ihren Unterhalt bestreite sie aus den Mitteln der Grundversorgung.

Sechs Tage vor ihrer Ausreise aus dem Iran habe sie gewusst, dass sie den Iran verlassen werde. Zwei weitere Tage davor seien die unbekannten Männer bei ihnen zu Hause gewesen. Wer jetzt in ihrem Haus wohnen würde, wisse sie nicht. Von diesen Drohungen wisse sie nur vom Hörensagen. Ihr Bruder sei über seinen Freund informiert worden, dass fremde Leute mit zwei Autos zu ihnen nach Hause gekommen wären und dass diese den PC mitgenommen hätten. Ihr Vater habe einen Freund zu ihnen nach Hause geschickt hatte, um herauszufinden, was geschehen wäre.

Über die Missionierung auf Instagram befragt, führte die BF aus, dass dies offen für alle sei. Sie würden Verse von der Bibel reinstellen. Alle könnten es lesen und falls sie Fragen hätten, könne sie diese beantworten. Der Accountname sei XXXX . Zuletzt habe sie heute in der Früh dort einen Film, im Sinne des Gebets, hochgeladen. In diesem gehe es darum, den Gott um die Vergebung zu bitten und die Verehrung des Gottes. Auf dem Profilfoto sei sie mit ihrem Vater und ihrem Bruder zu erkennen. Auf Nachfrage gab sie an, dass der Account XXXX heißen würde.

Sie mache das, weil sie wolle, dass die Leute die Bibelstellen, die sie hineinstellen würde zur Verfügung bekommen. Das mache sie aus ihrer Liebe zu Jesus und Gott. Es sei auch die Aufgabe von den Christen, dass man missioniere.

Ihr richtiger Name stehe da nicht geschrieben. Ob sie durch diesen Instagram-Account irgendwelche Probleme im Iran hätte, antwortete die BF, dass die Probleme schon gekommen wären. Auf mehrmalige Nachfrage führte die BF an, dass sie dort missioniere und dies in der Ansicht der Iraner abtrünniges Verhalten und verboten sei. Ihr Bruder wisse den richtigen Accountnamen nicht, weil er sehr beschäftigt sei und sie diese Seite verwalten würde.

Danach verwies die rechtsfreundliche Vertretung auf ihre Stellungnahme von 25.01.2020 und Artikel 9 EMRK, der die Religionsfreiheit und den damit verbundenen Ausübungsritualen beinhalten würde. Noch dazu wurde auf die Gesamtaktualisierung des LIB vom 14.06.2019, bezüglich das Recht eine Religion aufzugeben oder zu wechseln, verwiesen. Die Religionsfreiheit werde im Iran weiterhin verletzt und man werde dafür bestraft.

Danach wurden noch Dokumente betreffend die BF vorgelegt und es folgte der Schluss der mündlichen Verhandlung. Die Verkündung der Entscheidung entfiel gemäß § 29 Abs. 3 VwGVG.

12. Die BF legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

?        Iranischer Personalausweis

?        Iranischer Studentenausweis

?        Kursanmeldebestätigung, Zeitbestätigung und Mitteilung der Kurseinstufung des ÖIF

?        Bestätigungsschreiben von Oasis

?        Terminkarte des ÖIF betreffend Integrationsmaßnahmen

?        Zeugnis zur Integrationsprüfung A1 des ÖIF, samt Kursbesuchsbestätigung

?        Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs des ÖIF

?        Bestätigung über die Durchführung gemeinnütziger Tätigkeiten

?        Zahlreiche Referenz- und Unterstützungsschreiben

?        Bilder der Taufe der BF

?        Teilnahebestätigung an einem Bildungskurs samt Referenzschreiben

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1.    Zuständigkeit des entscheidenden Einzelrichters

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt dem erkennenden Einzelrichter zugewiesen, woraus sich dessen Zuständigkeit ergibt.

2.       Feststellungen (Sachverhalt):

2.1.    Zur Person des BF wird festgestellt:

2.1.1. Die BF, deren Identität mangels einer Vorlagen eines unbedenklichen Personaldokumentes nicht abschließend geklärt werden konnte, ist Staatsangehöriger des Iran. Die BF ist ledig und hat keine Kinder. Sie ist zusammen mit ihrem Vater und ihrem Bruder nach Österreich gekommen. Die BF ist gesund und leidet im Entscheidungszeitpunkt an keinen schwerwiegenden lebensbedrohlichen Erkrankungen. Sie verfügt mit ihrer Mutter und ihrem Halbbruder noch über Kontakte in Österreich und verfügt auch im Iran mit zahlreichen Onkel und Tanten über soziale Anknüpfungspunkte im Iran. Mit einer Tante steht die BF regelmäßig in Kontakt.

Die BF hat zwölf Jahre die Schule besucht und ist zwei Jahre auf der Universität gewesen. Ihr Studium hatte die BF zum Zeitpunkt ihrer Ausreise noch nicht abgeschlossen gehabt. Für ihren Unterhalt kam im Iran ihr Vater auf.

2.1.2. Die BF reiste illegal aus dem Iran in die Türkei aus. In das österreichische Bundesgebiet reiste die BF ebenfalls illegal ein und stellte am 09.05.2019 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Es kann festgestellt werden, dass die BF im Iran keinen Kontakt zum Christentum gehabt hat, sie dort nicht in eine Hauskirche gegangen und nicht zum christlichen Glauben konvertiert ist. Die BF wird infolgedessen auch nicht von den iranischen Behörden verfolgt.

Die BF wurde in Österreich getauft und ist in einer kirchlichen Gemeinde aktiv. Es kann festgestellt werden, dass sich die BF mit christlichen Glaubensinhalten auseinandergesetzt hat. Jedoch hat sich die BF nicht nachhaltig dem christlichen Glauben zugewandt und ist dieser Glaube für die BF nicht identitätsstiftend. Bei der behaupteten Konversion der BF handelt es sich um eine Scheinkonversion.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass die BF Gefahr liefe, im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es wird festgestellt, dass die BF im Falle der Rückkehr in den Iran weder in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde noch als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung der BF in ihrem Herkunftsstaat festgestellt werden.

2.1.3. In Österreich hat die BF mit ihrem Vater und ihrem Bruder Familienangehörige. Diese sind ebenfalls Asylwerber und erhalten mit der BF zeitgleich eine gleichlautende Entscheidung im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht. Eine weitere Bezugsperson in Österreich ist die Mutter der BF, die sich mit ihrem Sohn (Halbbruder der BF) ebenfalls in einem Asylverfahren befindet. Die BF führt mit ihrer Mutter einen gemeinsamen Haushalt, ist von dieser nicht abhängig und trifft sie nur sporadisch.

Die BF ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht seit ihrer Ankunft in Österreich Leistungen von der staatlichen Grundversorgung.

Die BF verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich.

Die BF spricht kaum Deutsch. Sie hat neben Sprachkursen auch an integrativen Maßnahmen teilgenommen.

Die BF ist in einer christlichen Gemeinde aktiv. Über diese hat im Bundesgebiet im Zuge ihres Aufenthaltes einige Freundschaften geschlossen. Ansonsten konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration der BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden. Insgesamt ist – insbesondere unter der Betrachtung der Aufenthaltsdauer der BF – davon auszugehen, dass die privaten Interessen des BF, die öffentlichen Interessen nicht überwiegen.

Des Weiteren liegen weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“, noch für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten.

2.2.Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

Politische Lage

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution" [auch Oberster Rechtsgelehrter, Oberster Führer oder Revolutionsführer], Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt (AA 15.2.2019a, vgl. BTI 2018, ÖB Teheran 12.2018) und kann diesen theoretisch auch absetzen (ÖB Teheran 12.2018). Das Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“ (GIZ 3.2019a).

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani, wiedergewählt: Mai 2017). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 3.2019a).

Der Revolutionsführer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC) inklusive der mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 12.2018). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel (AA

.

Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Islamische Beratende Versammlung oder Majles, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 12.2018).

Der Wächterrat (12 Mitglieder, sechs davon vom Obersten Führer ernannte Geistliche, sechs von der Judikative bestimmte Juristen) hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch insgesamt wesentlich mächtiger als ein westliches Verfassungsgericht. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei Wahlen (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 15.2.2019a, FH 4.2.2019, BTI 2018). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 3.2019a).

Der Expertenrat wählt und überwacht den Revolutionsführer auf Basis der Verfassung. Die 86 Mitglieder des Expertenrats werden alle acht Jahre vom Volk direkt gewählt. Für die Zulassung der Kandidaten ist der Wächterrat zuständig (WZ 11.1.2017).

Der Schlichtungsrat besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Er hat zum einen die Aufgabe, im Streitfall zwischen verschiedenen Institutionen der Regierung zu vermitteln, zum anderen hat er festzustellen, was die langfristigen "Interessen des Systems“ sind. Diese sind unter allen Umständen zu wahren. Der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 3.2019a).

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 12.1.2019). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a). Am 26. Februar 2016 fanden die letzten Wahlen zum Expertenrat und die erste Runde der Parlamentswahlen statt. In den Stichwahlen vom 29. April 2016 wurde über 68 verbliebene Mandate der 290 Sitze des Parlaments abgestimmt. Aus den Wahlen gingen jene Kandidaten gestärkt hervor, die das Wiener Atomabkommen und die Lockerung der Wirtschaftssanktionen nach dem “Implementation Day” am 16. Januar 2016 unterstützen. Zahlreiche Kandidaten waren im Vorfeld durch den Wächterrat von einer Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen worden. Nur 73 Kandidaten schafften die Wiederwahl. Im neuen Parlament sind 17 weibliche Abgeordnete vertreten (AA15.2.2019a).

Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und aussortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH. Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Die Wahlen an sich liefen im Prinzip frei und fair ab, unabhängige Wahlbeobachter waren aber nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 12.1.2019).

Die Erwartung, dass durch den 2015 erfolgten Abschluss des Atomabkommens (JCPOA) Reformkräfte im Iran gestärkt würden, hat sich in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt. Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz Teheran an das Lager der Reformer. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen „unislamisches“ oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende

war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was im ersten Halbjahr

zu einer signifikanten Reduktion der vollstreckten Todesurteile (-60%) führte. Jedoch gab es 2018 mit der Einschränkung des Zugangs zu unabhängigen Anwälten in „politischen“ Fällen und der zunehmenden Verfolgung von Umweltaktivisten auch zwei eindeutig negative Entwicklungen (ÖB Teheran 12.2019).

Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt und unterstützen im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems angesiedelten Präsidenten Rohani.

Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Latente Spannungen im Land haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten bisweilen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 11.6.2019).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Am 22. September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Am 7. Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 11.6.2019, vgl. AA 11.6.2019b). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 11.6.2019b). Im ganzen Land, besonders außerhalb von Teheran, kann es immer wieder zu politisch motivierten Kundgebungen mit einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften kommen (BMEIA 11.6.2019).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen.

Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkonten. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen.

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK im September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 11.6.2019b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. (EDA 11.6.2019). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 12.2018).

Verbotene Organisation

Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen führen. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität. die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände. Personen. deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten. können der Spionage beschuldigt werden (AA 12.1.2019).

Zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran zählen insbesondere die kurdisch-marxistische Komalah-Partei. die Democratic Party of Iranian Kurdistan (DPIK). die aus Belutschistan stammende Jundallah. und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK). die eng mit ihrer Schwesterorganisation. der PKK. zusammenarbeitet (AA 12.1.2019). Die politischen Gruppierungen KDPI. Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018). Die PJAK gilt in Iran als Terrororganisation (ÖB Teheran 12.2018) und hat einen bewaffneten Flügel.
Auch die Volksmudschahedin (MEK. MKO. PMOI) zählen zu den verbotenen Organisationen (AI 11.2.2019).

Im FFM-Bericht des Danish Immigration Service erklärt eine Quelle. dass sie noch nie davon gehört hätte. dass eine Person nur aufgrund einer einzigen politischen Aktivität auf niedrigem Niveau. wie z.B. dem Verteilen von Flyern. angeklagt wurde. Andererseits ist es aber laut einer anderen Quellen schon möglich. dass man inhaftiert wird. wenn man mit politischem Material. oder beim Anbringen von politischen Slogans an Wänden erwischt wird. Es kommt darauf an. welche Art von Aktivität die Personen setzen. Andauernde politische Aktivitäten können in einer Anklage enden (DIS/DRC 23.2.2018).

Volksmudschaheddin (Mujahedin-e-Khalq - MEK, MKO; People’s Mojahedin Orga¬nisation of Iran - PMOI; National Council of Resistance of Iran - NCRI)

Die militante iranische Exil-Oppositionsbewegung Mujahedin-e Khalq (MEK, oder auch MKO, „iranische Volksmudschahedin") gilt in Iran als Terror-Organisation, die für die Ermordung von17.000 IranerInnen verantwortlich gemacht wird (ÖB Teheran 9.2017, vgl. Global Security o.D.). Es handelt sich um eine linksgerichtete Gruppierung, die in den 1960er Jahren gegründet wurde, um sich gegen den Schah zu stellen. Nach der Islamischen Revolution 1979 wendete sie sich gegen die klerikalen Führer. Während des Iran-Irak-Krieges in den 1980er Jahren verlegten die Volksmudschaheddin ihr Camp in den Irak (Global Security o.D., vgl. ACCORD 7.2015, Guardian. Saddam Hussein stellte ihnen eine große Militärbasis namens Camp Ashraf unweit der iranischen Grenze zur Verfügung (Guardian 9.11.2018). Zwischen 2009 und 2013 wurde Camp Ashraf von irakischen Sicherheitskräften zumindest zweimal überfallen und etwa 100 Menschengetötet. Daraufhin nahmen die USA die MEK von der Terrorliste, um weitere Todesopfer zu vermeiden. Nachdem die MEK offiziell nicht mehr als Terrororganisation galt, konnten die USA Albanien davon überzeugen, die übrigen 2.700 Mitglieder aufzunehmen. Diese wurden zwischen2014 und 2016 nach Tirana geflogen. Mittlerweile sind viele von Ihnen in die EU und USA weitergereist (Guardian 9.11.2018). Im Exil hat die MEK-Führung den Nationalen Widerstandsrat [National Council of Resistance of Iran (NCRI)] gegründet (Guardian 21.9.2012, vgl. ACCORD9.2013).

Experten sind sich einig, dass die Volksmudschaheddin die USA beim Eingreifen in den Irak, bei diversen Aktionen im Nahen Osten und beim Kampf gegen den Terrorismus unterstützt haben. Auch bei der Veröffentlichung des iranischen Atomprogramms sollen sie eine wichtige Rolle gespielt haben (DW 28.3.2016, vgl. Guardian 9.11.2018). In Bezug auf die Demonstrationen, die Ende 2017/Anfang 2018 in den großen Städten Irans stattfanden, gab der Oberste Führer Khamenei den Großteil der Schuld an den Demonstrationen der MEK und erkannte somit das Ausmaß des Einflusses dieser Gruppierung an (Iran Focus 18.1.2018, vgl. Arab News 22.1.2018).

Die Entwaffnung der Kämpfer der Volksmudschaheddin in Camp Ashraf und an anderen Orten nahe Bagdad erfolgte während der US-Invasion im Irak durch die Amerikaner. Die MEK-Führung habe sich von Saddam Hussein distanziert und ihre Opposition gegenüber der islamischen Regierung in Teheran betont. Ab diesem Zeitpunkt habe sich die MEK aus Sicht der Amerikaner neu erfunden. Die MEK-Führung stellt sich selbst als demokratische und populäre Alternative zum islamischen Regime dar und behauptet, über Unterstützung der iranischen Bevölkerungsmehrheit zu verfügen (ÖB Teheran 9.2017). Inwieweit die MEK von der iranischen Bevölkerung unterstützt wird ist umstritten. Einerseits gibt es Informationen, die besagen, dass die MEK die größte militante iranische Oppositionsgruppe sei, mit dem Ziel die Islamische Republik, die iranische Regierung und deren Sicherheitsapparat zu stürzen. Andererseits gibt es Berichte, die der MEK wenig bis gar keine Unterstützung der Bevölkerung zusprechen (ACCORD 7.2015). Die österreichische Botschaft berichtet hierzu, dass die MEK zwar die stärkste oppositionelle Bewegung ist und international präsent ist, aber sie genießt in Iran selbst aufgrund ihrer terroristischen Vergangenheit und der Unterstützung Saddam Husseins im Iran-Irak-Krieg kaum Unterstützung (ÖB Teheran 12.2018).

Die Streichung der MEK von der Liste terroristischer Organisation durch die EU und die Vereinigten Staaten 2012 wurde von iranischer Seite scharf verurteilt. Verbindungen zur MEK gelten in Iran als mohareb (Waffenaufnahme gegen Gott), worauf die Todesstrafe steht (ÖB Teheran 9.2017).

Die MEK konzentriert sich mittlerweile auf das Beeinflussen der öffentlichen Meinung und auf das Sammeln von Informationen zur Situation im Land. Iran führt eine Liste mit ca. 100 MEK- Unterstützern (hauptsächlich Anführern), die nicht nach Iran zurückkehren können, da sich das Interesse der Behörden auf sie richten würde (ACCORD 7.2015). In Bezug auf die Unterstützung der iranischen Bevölkerung für die MEK gibt es widersprüchliche Informationen.

Immer wieder wird Kommandanten der MEK von ehemaligen Mitgliedern vorgeworfen, dass sie Mitglieder der MEK systematisch missbrauchen würden, um sie zum Schweigen zu bringen. Hierzu würden Folter, Einzelhaft, Beschlagnahmung von Vermögen und Trennung von Familien, um die Kontrolle über die Mitglieder zu behalten, angewendet. Solche Vorwürfe werden von der MEK kategorisch zurückgewiesen (Guardian 9.11.2018).

PJAK - Partiya Jiyana Azad a Kurdistane (Partei für Freiheit und Leben in Kurdi¬stan bzw. Partei für ein freies Leben Kurdistans)

Die PJAK begann in den späten 1990er Jahren als friedliche studentische Menschenrechtsorganisation. Es ging den Mitgliedern der Gruppierung anfangs um den Aufbaueiner kurdischen Nationalidentität, und man wollte die Assimilierung der Kurden durch die Zentralregierung verhindern. 2004 begannen die bewaffneten Angriffe auf die iranische Regierung von den Kandil-Bergen aus, von wo aus die PJAK bis heute operiert. Ebendort hat auch die PKK ihre Basen und die PJAK gilt als iranischer Ableger der PKK. Als Unterschied zur PKK gibt die PJAK selbst an, dass sie sich niemals gegen Zivilisten, sondern immer nur gegen ausschließlich iranische Regierungstruppen wendet bzw. gewandt hat. Die iranische Regierung hat die PJAK auch niemals diesbezüglich beschuldigt. Die PJAK ist die einzige kurdische Partei, die noch immer aktiv für ihre Ziele - z.B. Selbstbestimmung - in Iran kämpft. Angaben über die Stärke der PJAK-Kämpfer sind schwierig. Schätzungen liegen bei ca. 3.000 Kämpfern. Es gibt auch Einheiten mit Kämpferinnen (BMI 2015, ACCORD 7.2015). Die Hälfte der Kämpfer in Ostkurdistan sollen Frauensein (TRAC o.D.)Die PJAK liefert sich seit Jahren einen Guerilla-Kampf mit den iranischen Sicherheitsbehörden. In den Jahren 2017 und 2018 kam es immer wieder zu Zusammenstößen mit kurdischen Oppositionsgruppen (PJAK, KDP-Iran, Komala), mit mehreren Dutzend Festnahmen und zahlreichen Toten. Es ist weiterhin mit verschärften Repressalien gegen kurdische Organisationen zu rechnen. Unter den politisch Verfolgten in Iran sind verhältnismäßig viele Kurden. Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen - insbesondere die Unterstützung der als Terrororganisation geltenden PJAK und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß (ÖB Teheran 12.2018). Die PJAK ist im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei der PJAK gibt es zwei Arten von Mitgliedschaft: Zum einen professionelle Mitglieder, die unter anderem auch militärisches Training erhalten und Waffen tragen. Diese sind unverheiratet und haben ihr Leben der PJAK gewidmet. Sie werden von der PJAK z.B. in kurdische Dörfer oder Städte entsandt, wo sie versuchen, die Leute zu organisieren und verschiedene Komitees und legale Organisationen zu gründen, um ihre Ideologie zu verbreiten. Professionelle Mitglieder nehmen an militärischen und politischen Aktivitäten der PJAK teil. Die zweite Gruppe bilden die semi-professionellen oder lokalen Mitglieder, die ein normales Leben mit ihren Familien führen. Sie nehmen nicht an militärischen Aktivitäten teil, führen aber politische Aktivitäten aus, wie z.B. Flyer verteilen. Um ein semi-professionelles Mitglied zu werden, muss man das Ausbildungsprogramm der Partei durchlaufen. Neben diesen beiden Gruppen gibt es auch noch die Sympathisanten, die selten auch Flyer verteilen oder an Demonstrationen teilnehmen. Diese sind nicht direkt an der Organisation von Demonstrationen beteiligt und haben auch keine Verbindung zur Organisation der Partei. Die Sympathisanten arbeiten unter der Führung der semi-professionellen Mitglieder. Da die PJAK in Iran eine verbotene Organisation ist, müssen sowohl Mitglieder als auch Sympathisanten mit ernstzunehmenden Strafen rechnen, wenn ihre Aktivitäten enthüllt werden (DIS/DRC 30.9.2013).

Kurdish Democratic Party of Iran (KDPI/PDKI) und Komala(h) (Kurdistan Organization of the Communist Party of Iran, Komala, SKHKI)

Neben der PJAK zählen insbesondere die marxistische Komalah-Partei und die Democratic Partyof Iranian Kurdistan (KDPI) zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran (AA 12.1.2019). Letztere wird von der Regierung als konterrevolutionäre und terroristische Gruppe betrachtet, die vom Irak aus das Regime bekämpft (AA 9.12.2015, vgl. BMI 2015).

Die kurdischen Oppositionspartien, insbesondere die KDPI, sind in Iran nicht sehr stark durch Mitglieder repräsentiert, sondern am ehesten durch Sympathisanten (ACCORD 7.2015). Die KDPI wurde 1945 gegründet und vom Schah im Jahr 1953 verboten und dadurch in den Untergrund verbannt. Die KDPI fordert kurdische Autonomie (TRAC o.D.) innerhalb eines demokratischen Iran (MERIP o.D.). Das Hauptquartier der KDPI, die sich in ihrer Geschichte mehrmals gespalten hat, befindet sich im Irak (MERIP o.D., vgl. ACCORD 7.2015).

Komalah (SKHKI) hat ihre Zentrale in der Autonomen Kurdischen Region Irak. Es gibt Parteimitglieder und -sympathisanten. Organisiert ist sie in einzelnen Zellen, die von Mitgliedern geführt werden. Die Mitglieder einer Zelle teilen sich die Arbeit auf, aber nur eine Person nimmt Kontakt zur Zentrale auf. Sympathisanten hören das Parteiradio, schauen Komala TV und beteiligen sich an Aktivitäten, die von Komala empfohlen werden. Die Zellen fungieren als eine Art Schirmorganisation, die eine große Anzahl an Sympathisanten abdecken. Geheime Aktivitäten der Partei in Iran werden von der Einheit „Takesh" durchgeführt. Komala erlaubt ihren Mitgliedern in Iran nicht, sich in größeren Gruppen als zwei oder drei Personen zu treffen (DIS/DRC 30.9.2013). Komala ist in Iran verboten (BMI 2015) und erscheint momentan weniger aktiv. Zuletzt wurden im September 2018 drei angebliche Komala-Mitglieder wegen Terrorismus nach unfairen Verfahren und trotz internationaler Proteste hingerichtet, zeitgleich fanden Raketenangriffe auf einen Stützpunkt der KDPI in Nord-Irak statt (ÖB Teheran 12.2018).

Rechtsschutz / Justizwesen

Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik. in welcher versucht wird. demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt. dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 12.2018). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch star

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten