Entscheidungsdatum
28.07.2020Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15Spruch
W119 2225259-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch seine Mutter XXXX , vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx11, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11. 10. 2019, Zl 1226112306-190543502, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005, der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der durch seine Mutter vertretene minderjährige Beschwerdeführer stellte am 28. 5. 2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. Seine Eltern (Zlen W119 2200410 und W119 2200409) und seine minderjährige Schwester (Zl W119 2200407) hatten bereits am 21. 1. 2018 jeweils solche Anträge auf internationalen Schutz gestellt.
Anlässlich ihrer am 21. 1. 2018 durchgeführten Erstbefragung nach dem AsylG führte die Mutter des Beschwerdeführers zunächst aus, in der Provinz Maidan Wardak geboren zu sein und weder eine Schul- noch eine Berufsausbildung erhalten zu haben. Zu ihrem Fluchtgrund führte sie aus, dass ihr Ehemann von den Taliban entführt und gefoltert worden sei.
Am 21. 3. 2018 fand beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) eine niederschriftliche Einvernahme der Mutter des Beschwerdeführers statt, in der sie einen Ambulanzbefund vorlegte, wonach ihr Psychopharmaka verschrieben worden seien. Weiters gab sie an, in XXXX gelebt zu haben. Ihre Mutter sei gestorben, als sie noch sehr klein gewesen sei. Sie vermisse ihre Mutter sehr. Ihr Vater habe danach wieder geheiratet, ihre Stiefmutter habe sie jedoch nicht gut behandelt. Sie habe Interesse am Lernen gehabt, ihre Stiefmutter habe es ihr dies jedoch nicht erlaubt. Nach einigen Jahren sei ihr Vater gestorben. Danach habe eine Familie bei ihrer Stiefmutter um ihre Hand angehalten. Diese habe zugestimmt, sodass in XXXX die Hochzeit stattgefunden habe. Ihr Ehemann habe sie gut behandelt. Nach der Eheschließung habe sie im Wohnhaus ihrer Schwiegereltern gelebt, wo sie ständig zu Hause habe bleiben müssen. Ihr Ehemann habe den Beruf eines Mechanikers in einer Werkstätte ausgeübt, die staatliche Aufträge erhalten habe. Die Taliban hätten ihm gesagt, dass er seine Arbeit niederlegen solle. Ihr Ehemann habe diese Drohungen jedoch nicht ernst genommen, worauf er von diesen entführt worden sei. Als er freigelassen worden sei, hätten ihr Ehemann und sie die Flucht angetreten.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 11. 10. 2019, Zl 1226112306-190543502, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.)
Mit Verfahrensanordnung vom 14. 10. 2019 wurde dem Beschwerdeführer die ARGE-Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberaterin zur Seite gestellt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsberater mit Schriftsatz vom 6. 11. 2019 Beschwerde, in der vorrangig auf die Situation der Frauen in Afghanistan hingewiesen wurde. Zudem organisiere die Mutter des Beschwerdeführers in Österreich ihren Alltag eigenständig, kleide sich westlich, gehe eigenständig einkaufen und pflege Freizeitaktivitäten. Dazu wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Beigelegt wurden Befundberichte, wonach die Mutter des Beschwerdeführers an einer Persönlichkeitsstörung leide.
Am 17. 7. 2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, an der sich die Eltern des Beschwerdeführers beteiligten. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung nicht teil.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der minderjährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans und am XXXX in XXXX geboren. Er stellte am 28. 5. 2019 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Beim Beschwerdeführer handelt es sich um den minderjährigen Sohn der XXXX , der mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl W119 2200409, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde und der damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Beschwerdeführer gehört als ihr minderjähriger Sohn der Familie an und liegt im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus den Angaben der Mutter des Beschwerdeführers im Verfahren sowie aus den damit übereinstimmenden Akteninhalten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 1 VwGVG regelt dieses Bundesgesetz das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt (§ 58 Abs. 2 VwGVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013).
§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.
A)
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
Stellt ein Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 leg. cit. von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß § 34 Abs. 1 AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
§ 34 Abs. 2 AsylG 2005 normiert, dass die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen hat, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art 3 Z13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus anhängig ist (§ 7).
Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten unter den Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
Im vorliegenden Fall wurde der Mutter des Beschwerdeführers gemäß § 3 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass dieser damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Dem minderjährigen Beschwerdeführer ist daher nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, d.h. der Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (vgl. dazu auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 [2006], 499).
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag auf internationalen Schutz am 28. 5. 2019 und somit nach dem 15. 11. 2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall Anwendung finden.
B)
Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Die Revision ist sohin gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Schlagworte
Asyl auf Zeit Asylgewährung von Familienangehörigen Asylverfahren befristete Aufenthaltsberechtigung Familienverfahren FlüchtlingseigenschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W119.2225259.1.00Im RIS seit
23.11.2020Zuletzt aktualisiert am
23.11.2020