TE Bvwg Beschluss 2020/7/30 W260 2170287-1

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Veröffentlicht am 30.07.2020
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Entscheidungsdatum

30.07.2020

Norm

VwGG §25a Abs2 Z1
VwGG §30 Abs2

Spruch

W260 2170287-1/29E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN über den Antrag von XXXX , der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.04.2020, W260 2170287-1/22E, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, beschlossen:

Der Revision wird gemäß § 30 Abs. 2 VwGG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Mit Schriftsatz vom 29.07.2020 brachte die revisionswerbende Partei eine Revision gegen das im Spruch angeführte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes ein.

Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung führte die revisionswerbende Partei Folgendes an:

„Mit der angefochtenen Entscheidung wird der Revisionswerber verpflichtet, aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan auszureisen. Die angefochtene Entscheidung ist mit der im elektronischen Rechtsverkehr am 10.04.2020 erfolgten Zustellung an seinen ausgewiesenen Vertreter in Rechtskraft erwachsen. Wegen der ihm von der belangten Behörde gemäß § 53 Abs. 1 bis 3 FPG eingeräumten, vom Bundesverwaltungsgericht bestätigten Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwilligte Ausreise muss der Revisionswerber damit rechnen, ab dem 25.04.2020 zwangsweise außer Landes gebracht zu werden.

Wie dem Revisionswerber zu entnehmen ist, besteht kein zwingendes öffentliches Interesse an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet, zumal er sich seit seiner Einreise in Österreich kein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten zu Schulden hat kommen lassen, demnach also unbescholten ist.

Sollte überhaupt ein öffentliches Interesse daran bestehen, so wäre der durch seine Außerlandesbringung unmittelbar eintretende Nachteil für den Revisionswerber unverhältnismäßig größer als die Abstandnahme von dessen Durchführung.

Im Falle seiner Abschiebung nach Afghanistan wäre es dem Revisionswerber nicht mehr möglich, sein in Österreich etabliertes Privatleben fortzusetzen, sondern er würde aus seiner mittlerweile gewohnten Lebensumgebung gerissen und von seinen in Österreich aufhältigen Freunden und Bekannten getrennt werden. Vor allem aber wäre es dem Revisionswerber dann nicht mehr möglich, seine schulische Ausbildung am BG/BRG Villach St. Martin abzuschließen und zur Matura in den Modulen „Physik“ (terminisiert für den Herbst 2020), „Deutsch“, „Englisch“, „Mathematik“ und ein von ihm auszuwählendes Fach anzutreten (terminisiert für den Sommer 2021) anzutreten.

Davon abgesehen wäre es dem Revisionswerber in Afghanistan, und zwar auch in dem vom Bundesverwaltungsgericht als Neuansiedlungsgebiet vorgesehenen Mazar e Sharif mangels eines dort für ihn bestehenden familiären bzw. sozialen Netzwerks nicht möglich, ein Leben ohne unbillige Härten zu führen. Schließlich ist die wirtschaftliche Lage in sämtlichen Landesteilen Afghanistans schlecht und ist es gerade für junge Menschen angesichts einer Arbeitslosenrate von bis zu 40 % äußerst schwierig, sich eine berufliche Existenz aufzubauen. Eine finanzielle oder sonstige Unterstützung durch den afghanischen Staat gibt es nicht. Ohne Beschäftigung kann sich der Revisionswerber, welcher über keinerlei Vermögen verfügt, jedoch keine Wohnung mieten, sondern er wäre gezwungen, bei seiner Ankunft in Mazar e Sharif in einem für Rückkehrer und Binnenvertriebene eingerichtetes Lager, wo es an den grundlegendsten Erfordernissen, wie der Versorgung mit Wasser oder sanitären Anlagen, mangelt, oder in Unterkünften aus Lehm, die nicht vor der Winterkälte oder der Sommerhitze schützen, zu leben.

Überdies besteht für den Revisionswerber bei der Außerlandesbringung nach Afghanistan infolge der dortigen sozioökonomischen Gegebenheiten und des unzureichenden Gesundheitssystems in Afghanistan im Allgemeinen, in Mazar e Sharif im Besonderen das reale Risiko, Opfer der COVID-19-Pandemie zu werden.

Vor dem Hintergrund der durch die zur Eindämmung der Pandemie angeordneten Maßnahme sind seine Möglichkeiten, sich dort eine berufliche Existenz aufzubauen und so seinen Lebensunterhalt sicherzustellen, noch weiter eingeschränkt.

Schließlich ist noch zu betonen, dass der Revisionswerber ohne Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gezwungen wäre, die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs über die gegenständliche Revision im Ausland abzuwarten. Er würde damit einseitig mit den Folgen einer potentiell rechtswidrigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts belastet werden. Dies würde jedoch einen grundlegenden Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip und dem daraus abgeleiteten Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes darstellen (VfGH vom 15.10.2004, G 237/03 u.a. = VfSlg 17340).“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

§ 30 Abs. 2 VwGG lautet: „Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden.“

Gegenständlich ist kein zwingendes öffentliches Interesse erkennbar, dass der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision entgegenstünde. Nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses wäre für die revisionswerbende Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden.

Aus diesen Erwägungen war dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG stattzugeben.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Revision

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W260.2170287.1.01

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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