TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/14 W277 2219266-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.08.2020
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Entscheidungsdatum

14.08.2020

Norm

AsylG 2005 §7 Abs1
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W277 2219266-4/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. ESCHLBÖCK, MBA über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 2 VwGVG iVm. § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. Erstes Verfahren über die Zuerkennung des Status als Asylberechtigten

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein russischer Staatsangehöriger, reiste im XXXX in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz (Akt I, AS 15f.). Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er an, dass er an Kriegshandlungen in Tschetschenien teilgenommen habe und ebendort festgenommen, geschlagen und gefoltert worden wäre. Er sei in Tschetschenien im Gefängnis gewesen. Seine Verwandten hätten ihn freigekauft. Aus Angst um sein Leben sei er geflüchtet.

1.2. Der BF wurde am XXXX (Akt I, AS 31 ff.), am XXXX (Akt I, AS 69 ff.) und am XXXX (Akt I, AS 125 ff.) beim Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

1.3. Mit Bescheid des Bundesasylamts vom XXXX Zl. XXXX , wurde der Asylantrag abgewiesen, die Abschiebung für zulässig erklärt und der BF aus dem Bundesgebiet ausgewiesen (Akt I, AS 153).

1.4. Der dagegen erhobenen Berufung (Akt I, AS 217) wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom XXXX , Zl. XXXX , stattgegeben, dem BF gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl zuerkannt und gemäß § 12 AsylG 1997 seine Flüchtlingseigenschaft festgestellt (Akt I, AS 371).

2. Verfahren über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten

2.1. Mit Urteil des XXXX , wurde der BF wegen § 127 StGB zu einer Geldstrafe von XXXX , insgesamt sohin XXXX bzw. im Falle der Nichteinbringung zu XXXX Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

2.2. Das XXXX übermittelte am XXXX eine Meldung, XXXX , betreffend den Verdacht der Begehung einer Straftat durch den BF iSd. § 27 Abs. 2 des Suchtmittelgesetzes (Akt I, AS 425).

2.3. Am XXXX übermittelte die XXXX einen Kurzbrief (Akt I, AS 431), XXXX , welcher beinhaltet, dass betreffend des BF der Verdacht auf XXXX .

2.4. Am XXXX übermittelte die XXXX eine Meldung, XXXX , betreffend die XXXX (Akt I, AS 445).

2.5. Mit Urteil des XXXX , GZ XXXX , wurde der BF am XXXX wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung sowohl gegenüber XXXX , sowie des Vergehens des versuchten Hausfriedensbruches, des Vergehens der Körperverletzung und des Vergehens der gefährlichen Drohung gegen XXXX zu einer Freiheitsstrafe von XXXX verurteilt (Akt I, AS 471).

2.5.1. Der dagegen eingebrachten Berufung wurde vom XXXX am XXXX nicht Folge gegeben (Akt I, AS 459).

2.6. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) leitete mit Aktenvermerk am XXXX wegen der zuletzt erfolgten Verurteilung gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ein Verfahren zur Aberkennung des Status eines Asylberechtigten ein (Akt I, AS 579).

2.7. Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme des BF durch das BFA am XXXX (Akt I, AS 531 ff.) brachte der BF betreffend seine aktuellen Probleme in der Russischen Föderation vor, dass sein Bruder wegen Unterstützung von tschetschenischen Rebellen zu einer XXXX Haftstrafe verurteilt worden sei und noch XXXX zu verbüßen habe. Auch ihm selbst werde die vormalige Unterstützung von tschetschenischen Widerstandskämpfern vorgeworfen. Es habe sich für den BF in Tschetschenien nichts geändert, weil einmal pro Monat Agenten des XXXX bei seinem Bruder nach ihm fragen würden. Im Falle seiner Rückkehr drohe ihm eine XXXX Haftstrafe.

2.8. Mit Bescheid vom XXXX (Akt I, AS 577 ff.), Zl. XXXX , erkannte das BFA dem BF den Status des Asylberechtigten ab und stellte fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Es erkannte ihm weiters den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung in die Russische Föderation fest, legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest und verhängte ein XXXX Einreiseverbot gegen den BF.

2.9. Die gegen den Bescheid vom XXXX (Akt I, AS 577 ff.), Zl. XXXX , erhobene Beschwerde (Akt I, AS 669) wies das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG) mit Erkenntnis vom XXXX , als unbegründet ab. Die Dauer des Einreiseverbots wurde mit XXXX befristet.

2.10. Mit Schreiben vom XXXX übermittelte die XXXX , eine Meldung vom XXXX , wonach der Beschwerdeführer aufgrund des Besitzes von Cannabiskraut angezeigt wurde (W226 2219266-1/OZ2).

2.11. Mit Beschluss des XXXX vom XXXX , wurde die bedingte Entlassung des BF aus der XXXX und der Rest der Strafe von zwei Jahren und vier Monaten bedingt nachgesehen (Akt I, BG.5).

2.12. Am XXXX wurde der BF in Schubhaft genommen.

3. Erster Folgeantrag

3.1. Der BF stellte aus dem Stande der Schubhaft am XXXX einen Folgeantrag auf internationalen Schutz (Akt II, AS 1f.), welchen er damit begründete, dass sein Nachbar in Tschetschenien der Polizei gesagt habe, dass er und seine Familie das Militär unterstützt haben. Er werde von der Polizei gesucht. Sein Bruder sei verhaftet worden und müsse nun siebzehn Jahre ins Gefängnis. Er denke, dass er auch eingesperrt oder getötet werde. Konkrete Hinweise habe er nicht. Es seien aber viele Menschen deswegen getötet worden und er denke, dass auch er getötet werde.

3.2. Am XXXX fand eine Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt, in welcher der Beschwerdeführer zu den Gründen für seine erneute Antragstellung befragt wurde (Akt II, AS 69). Hierbei gab er im Wesentlichen an, dass er im Fall einer Abschiebung nach Russland sofort am Flughafen verhaftet und an XXXX übergeben werden würde. Sein jüngerer Bruder sei im Gefängnis in XXXX und werde jeden Monat von Beamten des XXXX aufgesucht, die ihm die Freilassung versprächen, wenn er den Aufenthaltsort des BF bekannt gäbe. Der Sohn seines älteren Bruders sei vor ca. XXXX getötet worden und der BF habe vor ca. XXXX von dessen Tod erfahren. Die Familie des BF habe seinetwegen diese Probleme.

3.3. Mit Bescheid vom XXXX , wies das BFA den Folgeantrag des BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

3.4. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit Erkenntnis vom XXXX , als unbegründet ab.

4. Zweiter (gegenständlicher) Folgeantrag

4.1. Am XXXX stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft einen weiteren Folgeantrag auf internationalen Schutz, welchen er damit begründete, dass er am Vortag telefonisch von seiner „jetzigen Frau“ erfahren habe, dass sein älterer Bruder XXXX von maskierten Menschen festgenommen worden sei. Der Frau seines älteren Bruders sei gedroht worden, dass dem BF, der ja bald zurückkehre, dasselbe Schicksal wie seinem Bruder bevorstehe. Seine XXXX habe zwei Brüder, die bei der örtlichen Polizei seien, und diese würden Probleme machen wollen und den BF festnehmen wollen. Der BF habe nicht einmal zum Begräbnis seines Vaters gehen können. Sein jüngerer Bruder sei bereits seit längerem im Gefängnis und die „ XXXX “ würden den BF suchen und immer seinen Bruder befragen. Dieser könne ihnen nichts sagen, aber sie würden sagen, dass der BF wie ein Freund von ihm, der seit XXXX verschwunden sei, lebendig begraben werden würde. Im Falle einer Rückkehr fürchte der BF, dass „sie“ ihn gleich am Flughafen abholen und ihn verschwinden lassen oder 30 bis 40 Jahre oder lebenslänglich einsperren würden.

4.2. Am XXXX am und XXXX wurde der BF durch das BFA in Anwesenheit eines Rechtsberaters niederschriftlich einvernommen.

4.2.1. Mit mündlich verkündetem Bescheid des BFA vom XXXX wurde dem BF der faktische Abschiebeschutz aufgehoben.

4.2.2. Mit einem weiteren Bescheid des BFA vom XXXX verhängte das BFA gem. § 35 AVG eine Mutwillensstrafe in Höhe von XXXX gegen den BF.

4.2.3. Mit Beschluss des BVwG vom XXXX wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes für rechtmäßig erklärt. Festgestellt wurde dabei wie folgt:

„Es kann nicht festgestellt werden, dass seit Abschluss des rechtskräftigen Aberkennungsverfahrens ein neuer entscheidungsrelevanter, asylrelevanter Sachverhalt eingetreten ist. Auch hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers und der Situation des Beschwerdeführers sind keine geänderten entscheidungsrelevanten Umstände ersichtlich.

Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeutet oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt. Es liegen keine (geänderten) neuen Umstände vor, welche einer Außerlandesbringung aus dem österreichischen Bundesgebiet entgegenstünden. Das Vorliegen einer maßgeblichen Bedrohung des Beschwerdeführers in der Russischen Föderation kann nicht festgestellt werden.

Der zweite Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom XXXX wird voraussichtlich zurückzuweisen sein, da kein neuer, entscheidungs- und asylrelevanter Sachverhalt vorliegt.“

4.4. Der BF wurde am XXXX in die Russische Föderation nach XXXX abgeschoben.

4.5. Mit dem gegenständlichen Bescheid vom XXXX wies das BFA den Folgeantrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der BF im gegenständlichen Verfahren keinen entscheidungsrelevanten Sachverhalt vorgebracht habe, der nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens vom XXXX (W226 2219266-1/7E) entstanden sei. Da weder in der maßgeblichen Sachlage, und zwar weder im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des BF gelegen sei, noch in jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen sei, noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, wäre der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen.

Dem BF wurde mit Verfahrensanordnung ein Rechtsberater zu Seite gestellt.

4.6. Gegen diesen Bescheid erhob der BF, vertreten durch XXXX , fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass ihm in seinem Herkunftsstaat durch XXXX weiterhin bzw. noch größere Gefahr drohe, die belangte Behörde kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe und die XXXX eine „zu hinterfragende Rolle“ spiele. Aus diesen Gründen liege auch eine unrichtige rechtliche Beurteilung vor. Beantragt wurde die Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

4.7. Am XXXX langte der gegenständliche Verfahrensakt beim BVwG ein.

4.8 Eine aktuelle Strafregisterabfrage zum BF ergab folgende Verurteilungen:

4.8.1. Am XXXX wurde der BF vom Bezirksgericht XXXX , Zl. XXXX gem. § 127 StGB zu einer Geldstrafe von XXXX Tagsätzen zu je EUR XXXX - verurteilt.

4.8.2. XXXX wurde der BF vom Landesgericht XXXX , Zl. XXXX , gem. § 83 Abs. 1 StGB, § 15 StGB § 109 As. 1 und Abs. 3 Z 1 StGB, § 107 Abs. 1 StGB, § 107b Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 vierter Fall, § 107b Abs. 4 StGB, §§ 107b Abs. 1 und Abs. 3 Z 2, 107b Abs. 4 zweiter und vierter Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von XXXX verurteilt.

II. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich daraus wie folgt:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person des BF

Der BF ist ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der Volksgruppe der XXXX an und ist XXXX Glaubens. Der BF lebte bis zu seiner Ausreise im XXXX . Er ist gesund, volljährig und im erwerbsfähigen Alter. Die Ehe zu seiner Ex-Frau wurde geschieden und er hat zu dieser und den gemeinsamen Kindern seit dem XXXX keinen Kontakt. Der BF ist während seiner Haft eine traditionell-islamische Ehe mit XXXX eingegangen. Deren Antrag auf internationalen Schutz mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX , abgewiesen wurde. Ihr Folgeantrag wurde mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX , zurückgewiesen. XXXX ist seit XXXX nicht im Bundesgebiet gemeldet.

Der BF wurde am XXXX vom XXXX , gem. § 127 StGB zu einer Geldstrafe von XXXX ,- verurteilt.

Das XXXX verurteilte den BF am XXXX wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung sowohl gegenüber XXXX , sowie des Vergehens des versuchten Hausfriedensbruches, des Vergehens der Körperverletzung und des Vergehens der gefährlichen Drohung gegen seine XXXX gem. § 83 Abs. 1 StGB, § 15 StGB § 109 As. 1 und Abs. 3 Z 1 StGB, § 107 Abs. 1 StGB, § 107b Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 vierter Fall, § 107b Abs. 4 StGB, §§ 107b Abs. 1 und Abs. 3 Z 2, 107b Abs. 4 zweiter und vierter Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von XXXX Jahren.

Mit Beschluss des XXXX vom XXXX , wurde die bedingte Entlassung des BF aus der XXXX und der Rest der Strafe von zwei Jahren und vier Monaten bedingt nachgesehen.

1.2. Zu den rechtskräftigen Entscheidungen vor dem 2. Folgeantrag

Der BF stellte am XXXX den ersten Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom XXXX erkannte der Unabhängige Bundesasylsenat dem Beschwerdeführer gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl zu und stellte gemäß § 12 AsylG 1997 seine Flüchtlingseigenschaft fest.

Mit Bescheid vom XXXX erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten ab und stellte fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Es erkannte ihm weiters den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung in die Russische Föderation fest, legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest und verhängte ein unbefristetes Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 30.07.2019 mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass die Dauer des Einreiseverbots mit zehn Jahren befristet wurde.

Der Beschwerdeführer stellte aus dem Stand der Schubhaft am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wies das BFA den Folgeantrag des BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück Mit mündlich verkündetem Bescheid des BFA vom XXXX wurde dem BF der faktische Abschiebeschutz aufgehoben und mit einem weiteren Bescheid des BFA vom XXXX eine Mutwillensstrafe nach § 35 AVG in Höhe von XXXX gegen den BF verhängt.

Die gegen den Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX erhobene Beschwerde wies das BVwG mit Erkenntnis vom XXXX , als unbegründet ab.

Mit Beschluss des BVwG vom XXXX , wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes für rechtmäßig erklärt.

3. (Gegenständlicher) 2. Folgeantrag

Am XXXX stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft einen weiteren Folgeantrag auf internationalen Schutz und wurde hierzu am XXXX und XXXX durch das BFA niederschriftlich einvernommen.

Der BF wurde am XXXX in die Russische Föderation XXXX abgeschoben.

Mit dem gegenständlichen Bescheid vom XXXX wies das BFA den zweiten Folgeantrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

Die allgemeine Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, speziell in Tschetschenien, hat sich in Bezug auf die bereits im Verfahren über die Aberkennung des Asylstatus behandelten Aspekte nicht geändert.

In diesem Zusammenhang wird betreffend die maßgebliche Situation in der Russischen Föderation, insbesondere in Tschetschenien, festgestellt:

Sicherheitslage in Tschetschenien

In Tschetschenien konnte der Kriegszustand überwunden und ein Wiederaufbau eingeleitet werden. In einem Prozess der „Tschetschenisierung“ wurde die Aufstandsbekämpfung im zweiten Tschetschenienkrieg an lokale Sicherheitskräfte delegiert, die sogenannten Kadyrowzy. Diese auf den ersten Blick erfolgreiche Strategie steht aber kaum für nachhaltige Befriedung (SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus).

2019 wurden in Tschetschenien im Rahmen des bewaffneten Konflikts sechs Personen getötet und fünf verletzt (Caucasian Knot (9.9.2019): 21 people fell victim to armed conflict in Northern Caucasus in Q1; Caucasian Knot (14.9.2019): In Quarter 2 of 2019, 10 people fell victim to armed conflict in Northern Caucasus; Caucasian Knot (18.12.2019): In 3rd quarter of 2019, seven persons fell victim to armed conflict in Northern Causasus, Caucasian Knot (11.3.2020): Infographics. Statistics of victims in Northern Caucasus in Quarter 4 of 2019 under the data of Caucasian Knot).

Rechtsschutz / Justizwesen

Es gibt in der Russischen Föderation Gerichte bezüglich Verfassungs-, Zivil-, Verwaltungs- und Strafrecht. Es gibt den Verfassungsgerichtshof, den Obersten Gerichtshof, föderale Gerichtshöfe und die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft ist verantwortlich für Strafverfolgung und hat die Aufsicht über die Rechtmäßigkeit der Handlungen von Regierungsbeamten. Strafrechtliche Ermittlungen werden vom Ermittlungskomitee geleitet (EASO – European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation – State Actors of Protection). Die russischen Gerichte sind laut Verfassung unabhängig, allerdings kritisieren sowohl internationale Gremien (EGMR – Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, EuR – Europäischer Rat) als auch nationale Organisationen (Ombudsmann, Menschenrechtsrat) regelmäßig Missstände im russischen Justizwesen. Einerseits kommt es immer wieder zu politischen Einflussnahmen auf Prozesse, andererseits beklagen viele Bürger die schleppende Umsetzung von Urteilen bei zivilrechtlichen Prozessen (ÖB Moskau (12.2019): Asylländerbericht Russische Föderation). Der Judikative mangelt es auch an Unabhängigkeit von der Exekutive, und berufliches Weiterkommen in diesem Bereich ist an die Einhaltung der Präferenzen des Kremls gebunden (FH – Freedom House (4.3.2020): Jahresbericht zu politischen Rechten und bürgerlichen Freiheiten im Jahr 2019 - Russland).

In Strafprozessen kommt es nur sehr selten zu Freisprüchen der Angeklagten (ÖB Moskau 12.2019).

Die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis unterscheidet nicht nach Merkmalen wie ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Nationalität. Es gibt jedoch Hinweise auf selektive Strafverfolgung, die auch sachfremd, etwa aus politischen Gründen oder wirtschaftlichen Interessen, motiviert sein kann (AA – Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation).

Repressionen Dritter, die sich gezielt gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe richten, äußern sich hauptsächlich in homophoben, fremdenfeindlichen oder antisemitischen Straftaten, die von Seiten des Staates nur in einer Minderheit der Fälle zufriedenstellend verfolgt und aufgeklärt werden (AA 13.2.2019).

Rechtsschutz / Justizwesen in Tschetschenien

Das russische föderale Recht gilt für die gesamte Russische Föderation, einschließlich Tschetscheniens und Dagestans. Neben dem russischen föderalen Recht spielen sowohl Adat als auch Scharia eine wichtige Rolle in Tschetschenien. Republiksoberhaupt Ramzan Kadyrow unterstreicht die Bedeutung, die der Einhaltung des russischen Rechts zukommt, verweist zugleich aber auch auf den Stellenwert des Islams und der tschetschenischen Tradition (EASO – European Asylum Support Office (9.2014): Bericht zu Frauen, Ehe, Scheidung und Sorgerecht in Tschetschenien).

Das Adat ist eine Art Gewohnheitsrecht, das soziale Normen und Regeln festschreibt. Das Adat deckt nahezu alle gesellschaftlichen Verhältnisse in Tschetschenien ab und regelt die Beziehungen zwischen den Menschen. Daher dient das Adat als Rahmen für die gesellschaftlichen Beziehungen. In der tschetschenischen Gesellschaft ist jedoch auch die Scharia von Bedeutung (EASO 9.2014). Scharia-Gerichtsbarkeit bildet am Südrand der Russischen Föderation eine Art „alternativer Justiz“. Sie steht zwar in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands, wird aber, mit Einverständnis der involvierten Parteien, für Rechtsprechung auf lokaler Ebene eingesetzt (SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan: Russlands schwierigste Teilrepublik). Somit herrscht in Tschetschenien ein Rechtspluralismus aus russischem Recht, traditionellem Gewohnheitsrecht (Adat), einschließlich der Tradition der Blutrache, und Scharia-Recht. Hinzu kommt ein Geflecht an Loyalitäten, das den Einzelnen bindet. Nach Ansicht von Kadyrow stehen Scharia und traditionelle Werte über den russischen Gesetzen (AA 13.2.2019). Somit bewegt sich die Republik Tschetschenien in Wirklichkeit außerhalb der Gerichtsbarkeit des russischen Rechtssystems, auch wenn sie theoretisch darunterfällt. Formal gesehen hat das russische föderale Recht Vorrang vor Adat und Scharia (EASO 9.2014). Die Einwohner Tschetscheniens sagen jedoch, dass das fundamentale Gesetz in Tschetschenien "Ramzan sagt" lautet, was bedeutet, dass Kadyrows gesprochene Aussagen einflussreicher sind als die Rechtssysteme und ihnen möglicherweise sogar widersprechen (CSIS – Center for Strategic and International Studies (1.2020): Civil Society in the North Caucasus).

Die Tradition der Blutrache hat sich im Nordkaukasus in den Clans zur Verteidigung von Ehre, Würde und Eigentum entwickelt. Dieser Brauch impliziert, dass Personen am Täter oder dessen Verwandten Rache für die Tötung eines ihrer eigenen Verwandten üben, und kommt heutzutage noch vereinzelt vor. Die Blutrache ist durch gewisse traditionelle Regeln festgelegt und hat keine zeitliche Begrenzung (ÖB Moskau 12.2019). Die Sitte, Blutrache durch einen Blutpreis zu ersetzen, hat sich im letzten Jahrhundert in Tschetschenien weniger stark durchgesetzt als in den anderen Teilrepubliken. Republiksoberhaupt Kadyrow fährt eine widersprüchliche Politik: Einerseits spricht er sich öffentlich gegen die Tradition der Blutrache aus und leitete 2010 den Einsatz von Versöhnungskommissionen ein, die zum Teil mit Druck auf die Konfliktparteien einwirken, von Blutrache abzusehen. Andererseits ist er selbst in mehrere Blutrachefehden verwickelt. Nach wie vor gibt es Clans, welche eine Aussöhnung verweigern (AA 13.2.2019).

Die formale Qualität der Arbeit der Judikative ist vergleichbar mit anderen Teilen der Russischen Föderation, jedoch wird ihre Unabhängigkeit stärker angegriffen als anderswo, da Kadyrow und andere lokale Beamte Druck auf Richter ausüben (EASO 3.2017).

Die Bekämpfung von Extremisten geht laut glaubwürdigen Aussagen von lokalen NGOs mit rechtswidrigen Festnahmen, Sippenhaft, Kollektivstrafen, spurlosem Verschwinden, Folter zur Erlangung von Geständnissen, fingierten Straftaten, außergerichtlichen Tötungen und Geheimgefängnissen, in denen gefoltert wird, einher. Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist unzureichend (AA 13.2.2019, vgl. ÖB Moskau 12.2019, AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 – The State of the World’s Human Rights – Russian Federation). Es gibt ein Gesetz, das die Verwandten von Terroristen zur Zahlung für erfolgte Schäden bei Angriffen verpflichtet. Menschenrechtsanwälte kritisieren dieses Gesetz als kollektive Bestrafung. Angehörige von Terroristen können auch aus Tschetschenien vertrieben werden (USDOS – United States Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019 - Russland, vgl. AA 13.2.2019). Ausgewiesene Familien können sich grundsätzlich in einer anderen Region der Russischen Föderation niederlassen und dort leben, solange sie nicht neuerlich ins Blickfeld der tschetschenischen Sicherheitskräfte rücken (ÖB Moskau 12.2019). Recherchen oder Befragungen von Opfern vor Ort durch NGOs sind nicht möglich; bestimmte Gruppen genießen keinen effektiven Rechtsschutz (AA 13.2.2019), hierzu gehören neben Journalisten und Menschenrechtsaktivisten (ÖB Moskau 12.2019) auch Oppositionelle, Regimekritiker und Frauen, welche mit den Wertvorstellungen ihrer Familie in Konflikt geraten, Angehörige der LGBTI-Gemeinde und diejenigen, die sich mit Republiksoberhaupt Kadyrow bzw. seinem Clan angelegt haben. Auch Künstler können Beeinträchtigungen ausgesetzt sein, wenn ihre Arbeit nicht im Einklang mit Linie oder Geschmack des Republiksoberhaupts steht. Regimekritikern und Menschenrechtsaktivisten droht unter Umständen Strafverfolgung aufgrund fingierter Straftaten und physischen Übergriffen bis hin zum Mord. Auch in diesen Fällen kann es zu Sippenhaft von Familienangehörigen kommen (AA 13.2.2019).

Sicherheitsbehörden

Das Innenministerium (MVD), der Föderale Sicherheitsdienst (FSB), das Untersuchungskomitee und die Generalstaatsanwaltschaft sind auf allen Regierungsebenen für den Gesetzesvollzug zuständig. Zivile Behörden halten eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte aufrecht. Obwohl das Gesetz Mechanismen für Einzelpersonen vorsieht, um Klagen gegen Behörden wegen Menschenrechtsverletzungen einzureichen, funktionieren diese Mechanismen oft nicht gut. Gegen Beamte, die Missbräuche begangen haben, werden nur selten strafrechtliche Schritte unternommen, um sie zu verfolgen oder zu bestrafen, was zu einem Klima der Straflosigkeit führte (US DOS 11.3.2020). Ebenso wendet die Polizei häufig übermäßige Gewalt an (FH 4.3.2020).

Nach dem Gesetz können Personen bis zu 48 Stunden ohne gerichtliche Zustimmung inhaftiert werden, vorausgesetzt es gibt Beweise oder Zeugen. Im Allgemeinen werden die rechtlichen Einschränkungen betreffend Inhaftierungen eingehalten, mit Ausnahme des Nordkaukasus (US DOS 11.3.2020).

Nach überzeugenden Angaben von Menschenrechtsorganisationen werden insbesondere sozial Schwache und Obdachlose, Betrunkene, Ausländer und Personen „fremdländischen“ Aussehens Opfer von Misshandlungen durch die Polizei und Untersuchungsbehörden. Nur ein geringer Teil der Täter wird disziplinarisch oder strafrechtlich verfolgt (AA 13.2.2019).

Die zivilen Behörden auf nationaler Ebene haben bestenfalls eine begrenzte Kontrolle über die Sicherheitskräfte in der Republik Tschetschenien, die nur dem Republiksoberhaupt, Kadyrow, unterstellt sind (US DOS 11.3.2020). Kadyrows Macht wiederum gründet sich hauptsächlich auf die ihm loyalen „Kadyrowzy“. Diese wurden von Kadyrows Familie in der Kriegszeit gegründet; ihre Mitglieder bestehen hauptsächlich aus früheren Kämpfern der Rebellen (EASO 3.2017). Vor allem tschetschenische Sicherheitsbehörden können Menschenrechtsverletzungen straffrei begehen (HRW – Human Rights Watch (7.2018): Human Rights Watch Submission to the United Nations Committee Against Torture on Russia, vgl. AI 22.2.2018). Nach Angaben des Carnegie Moscow Center wurden die Reihen von Polizei und anderen Sicherheitskräften mit ehemaligen tschetschenischen Separatisten aufgefüllt, die nach der Machtübernahme von Ramzan Kadyrow und dem Ende des Krieges in die Sicherheitskräfte integriert wurden. Bei der tschetschenischen Polizei grassieren Korruption und Missbrauch, weshalb die Menschen bei ihr nicht um Schutz ansuchen. Die Mitarbeiter des Untersuchungskomitees (SK) sind auch überwiegend Tschetschenen und stammen aus einem Pool von Bewerbern, die höher gebildet sind als die der Polizei. Einige Angehörige des Untersuchungskomitees versuchen, Beschwerden über tschetschenische Strafverfolgungsbeamte zu untersuchen, sind jedoch „ohnmächtig, wenn sie es mit der tschetschenischen OMON [Spezialeinheit der Polizei] oder anderen, Kadyrow nahestehenden ‚unantastbaren Polizeieinheiten‘ zu tun haben“ (EASO 3.2017).

Die regionalen Strafverfolgungsbehörden können Menschen auf der Grundlage von in ihrer Heimatregion erlassenen Rechtsakten auch in anderen Gebieten der Russischen Föderation in Gewahrsam nehmen und in ihre Heimatregion verbringen. Kritiker, die Tschetschenien aus Sorge um ihre Sicherheit verlassen mussten, fühlen sich häufig auch in russischen Großstädten vor Ramzan Kadyrow nicht sicher. Sicherheitskräfte, die Kadyrow zuzurechnen sind, sind auch in Moskau präsent (AA 13.2.2019).

Allgemeine Menschenrechtslage

Russland garantiert in der Verfassung von 1993 alle Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten. Präsident und Regierung bekennen sich zwar immer wieder zur Einhaltung von Menschenrechten, es mangelt aber an der praktischen Umsetzung. Trotz vermehrter Reformbemühungen, insbesondere im Strafvollzugsbereich, hat sich die Menschenrechtssituation im Land noch nicht wirklich verbessert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg kann die im fünfstelligen Bereich liegenden ausständigen Verfahren gegen Russland kaum bewältigen; Russland sperrt sich gegen eine Verstärkung des Gerichtshofs (GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2020a): Russland).

Der letzte Universal Periodic Review (UPR) des UN-Menschenrechtsrates zu Russland fand im Rahmen des dritten Überprüfungszirkels 2018 statt. Dabei wurden insgesamt 317 Empfehlungen in allen Bereichen der Menschenrechtsarbeit ausgesprochen. Russland hat dabei fast alle Empfehlungen akzeptiert und nur wenige nicht berücksichtigt. Russland ist zudem Mitglied des Europarates und der EMRK. Russland setzt einige, aber nicht alle Urteile des EGMR um; insbesondere werden EGMR-Entscheidungen zu Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte im Nordkaukasus nur selektiv implementiert (AA 13.2.2019).

Menschenrechtsorganisationen sehen übereinstimmend bestimmte Teile des Nordkaukasus als den regionalen Schwerpunkt der Menschenrechtsverletzungen in Russland. Hintergrund sind die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und islamistischen Extremisten in der Republik Dagestan, daneben auch in Tschetschenien und Inguschetien. Der westliche Nordkaukasus ist hiervon praktisch nicht mehr betroffen. Die Opfer der Gewalt sind ganz überwiegend „Aufständische“ und Sicherheitskräfte (AA 13.2.2019). Die Menschenrechtslage im Nordkaukasus wird von internationalen Experten weiterhin genau beobachtet (ÖB Moskau 12.2019), und es werden von dort schwere Menschenrechtsverletzungen gemeldet, wie Verschwindenlassen, rechtswidrige Inhaftierung, Folter und andere Misshandlungen von Häftlingen sowie außergerichtliche Hinrichtungen (AI 22.2.2018).

Allgemeine Menschenrechtslage in Tschetschenien

NGOs beklagen weiterhin schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch tschetschenische Sicherheitsorgane, wie Folter, das Verschwindenlassen von Personen, Geiselnahmen, das rechtswidrige Festhalten von Gefangenen und die Fälschung von Straftatbeständen. Entsprechende Vorwürfe werden kaum untersucht, die Verantwortlichen genießen zumeist Straflosigkeit. Besonders gefährdet sind Menschenrechtsaktivisten bzw. Journalisten (ÖB Moskau 12.2019). Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist unzureichend. Recherchen oder Befragungen von Opfern vor Ort durch NGOs sind nicht möglich; Regimeopfer müssen mitsamt ihren Familien aus Tschetschenien evakuiert werden. Tendenzen zur Einführung von Scharia-Recht haben in den letzten Jahren zugenommen (AA 13.2.2019). Anfang November 2018 wurde im Rahmen der OSZE der sog. Moskauer Mechanismus zur Überprüfung behaupteter Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien aktiviert, der zu dem Schluss kam, dass in Tschetschenien das Recht de facto von den Machthabenden diktiert wird, und die Rechtsstaatlichkeit nicht wirksam ist. Es scheint generell Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitsorgane zu herrschen (ÖB Moskau 12.2019, vgl. BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (11.2019): Länderreport 21 Russische Föderation, LGBTI in Tschetschenien).

In den vergangenen Jahren häufen sich Berichte von Personen, die nicht aufgrund irgendwelcher politischer Aktivitäten, sondern aufgrund einfacher Kritik an der sozio-ökonomischen Lage in der Republik unter Druck geraten (ÖB Moskau 12.2019).

Die Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt in ihrem Bericht über den Nordkaukasus vom Sommer 2016 eindrücklich, dass die Sicherheitslage für gewöhnliche Bürger zwar stabil ist, Aufständische einerseits und Kritiker der bestehenden Systeme sowie Meinungs- und Menschenrechtsaktivisten andererseits weiterhin repressiven Maßnahmen und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt sind. Auch in diesen Fällen kann es zu Sippenhaft von Familienangehörigen kommen (AA 13.2.2019).

Verfolgung von Kämpfern des Ersten und Zweiten Tschetschenienkrieges

Von einer Verfolgung von Kämpfern des ersten und zweiten Tschetschenienkrieges allein aufgrund ihrer Teilnahme an Kriegshandlungen ist heute im Allgemeinen nicht mehr auszugehen (ÖB Moskau 12.2019). Aktuelle Beispiele zeigen jedoch, dass Kadyrow gegen bekannte Kritiker, die manchmal auch der Republik Itschkeria zuzurechnen sind, auch im Ausland vorgeht (CACI – Central Asia-Caucasus Analyst (25.2.2020): Kadyrov Continues to Target Enemies Abroad). Beispielsweise wurde im August 2019 der ethnische Tschetschene aus dem georgischen Pankisi-Tal in Berlin auf offener Straße ermordet. Er hat im zweiten Tschetschenienkrieg gegen Russland gekämpft und dürfte nicht, wie teilweise in den Medien kolportiert, Islamist gewesen sein, sondern ein Kämpfer in der Tradition der Republik Itschkeria. Auch soll er damals enge Verbindungen zu dem damaligen moderaten Präsidenten Aslan Maschadow gehabt haben (Tagesschau.de (28.8.2019): Islamistischer Gefährder oder Patriot?). Ein anderes Beispiel ist der wohl populärste Kritiker von Kadyrow. Der Blogger lebt in Polen im Exil und wird häufig von hochrangigen Leuten aus Kadyrows Umfeld bedroht und angegriffen (Deutschlandfunk.de (11.3.2019): Youtube-Blogger Abdurachmanov droht Abschiebung). Ein anderer Blogger wurde Anfang des Jahres 2020 tot in einem Hotel gefunden (SZ – Süddeutsche Zeitung (4.2.2020): Angst säen). Trotzdem dürften sich die russischen und tschetschenischen Behörden bei der Strafverfolgung vor allem auch auf IS-Kämpfer/Unterstützer bzw. auf Personen konzentrieren, die im Nordkaukasus gegen die Sicherheitskräfte kämpfen. Zahlreichen Personen, nach denen seitens russischer Behörden gefahndet wird (z.B. Fahndungen via Interpol), werden Delikte gemäß § 208 Z 2 1. (Teilnahme an einer illegalen bewaffneten Formation) oder gemäß § 208 Z 2 2 (Teilnahme an einer bewaffneten Formation auf dem Gebiet eines anderen Staates, der diese Formation nicht anerkennt, zu Zwecken, die den Interessen der RF widersprechen) des russischen Strafgesetzbuches zur Last gelegt. In der Praxis zielen diese Gesetzesbestimmungen auf Personen ab, die im Nordkaukasus gegen die Sicherheitskräfte kämpfen bzw. auf Personen, die ins Ausland gehen, um aktiv für den sog. Islamischen Staat zu kämpfen (ÖB Moskau (12.7.2017): Information an die Staatendokumentation, Moskau-KA/ENTW/0014/2017).

Bewegungsfreiheit

In der Russischen Föderation herrscht Bewegungsfreiheit sowohl innerhalb des Landes als auch bei Auslandsreisen, ebenso bei Emigration und Repatriierung (US DOS 11.3.2020).

Grundversorgung

2018 betrug die Zahl der Erwerbstätigen in Russland ca. 73,6 Millionen, somit ungefähr 62% der Gesamtbevölkerung. Der Frauenanteil an der erwerbstätigen Bevölkerung beträgt knapp 55%. Die Arbeitslosenrate liegt bei 4,7% (WKO – Wirtschaftskammer Österreich (7.2019): Länderprofil Russland), diese ist jedoch abhängig von der jeweiligen Region. Russische StaatsbürgerInnen haben überall im Land Zugang zum Arbeitsmarkt (IOM – International Organisation of Migration (2018): Länderinformationsblatt Russische Föderation). Das BIP lag 2018 bei ca. USD 1.630 Milliarden (WKO 7.2019, vgl. GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2020b): Russland, Wirtschaft und Entwicklung).

Die primäre Versorgungsquelle der Russen bleibt ihr Einkommen. Staatliche Hilfe können Menschen mit Behinderungen, Senioren und Kinder unter drei Jahren erwarten. Fast 14% der russischen Bevölkerung leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze (AA 13.2.2019).

Grundversorgung im Nordkaukasus

Die nordkaukasischen Republiken stechen unter den Föderationssubjekten Russlands durch einen überdurchschnittlichen Grad der Verarmung und der Abhängigkeit vom föderalen Haushalt hervor. Die Haushalte Dagestans, Inguschetiens und Tschetscheniens werden zu über 80% von Moskau finanziert (GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2020a): Russland, Geschichte und Staat, vgl. ÖB Moskau 12.2018), obwohl die föderalen Zielprogramme für die Region mittlerweile ausgelaufen sind. Dennoch hat sich die wirtschaftliche Lage im Nordkaukasus in den letzten Jahren einigermaßen stabilisiert. Wenngleich die föderalen Transferzahlungen wichtig bleiben, konnten in den vergangenen Jahren dank des massiven Engagements der Föderalen Behörden, insbesondere des Nordkaukasus-Ministeriums, signifikante Fortschritte bei der sozio-ökonomischen Entwicklung der Region erzielt werden (ÖB Moskau 12.2019). Die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich seit dem Ende des Tschetschenienkrieges dank großer Zuschüsse aus dem russischen föderalen Budget deutlich verbessert (AA 13.2.2019).

Sozialbeihilfen

Die Russische Föderation hat ein reguläres Sozialversicherungs-, Wohlfahrts- und Rentensystem. Leistungen hängen von der spezifischen Situation der Personen ab; eine finanzielle Beteiligung der Profitierenden ist nicht notwendig. Alle Leistungen stehen auch Rückkehrern offen (IOM 2018).

Rückkehr

Die Rückübernahme russischer Staatsangehöriger aus Österreich nach Russland erfolgt in der Regel im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Rückübernahme. Der Rückübernahme geht, wenn die betroffene Person in Österreich über kein gültiges Reisedokument verfügt, ein Identifizierungsverfahren durch die russischen Behörden voraus. Wird dem Rücknahmeersuchen stattgegeben, wird für diese Person von der Russischen Botschaft in Wien ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Wenn die zu übernehmende Person im Besitz eines gültigen Reisedokuments ist, muss kein Rücknahmeersuchen gestellt werden. Bei Ankunft in der Russischen Föderation mussten sich bislang alle Rückkehrer beim Föderalen Migrationsdienst (FMS) ihres beabsichtigten Wohnortes registrieren. Dies gilt generell für alle russische Staatsangehörige, wenn sie innerhalb von Russland ihren Wohnort wechseln. 2016 wurde der FMS allerdings aufgelöst und die entsprechenden Kompetenzen in das Innenministerium verlagert. Die Zusammenarbeit zwischen föderalen und regionalen Behörden bei der innerstaatlichen Migration scheint verbesserungsfähig. Bei der Rückübernahme eines russischen Staatsangehörigen, nach dem in der Russischen Föderation eine Fahndung läuft, wird die ausschreibende Stelle über die Überstellung informiert und diese Person kann, falls ein Haftbefehl aufrecht ist, in Untersuchungshaft genommen werden (ÖB Moskau 12.2019).

Zur allgemeinen Situation von Rückkehrern, insbesondere im Nordkaukasus, kann festgestellt werden, dass sie vor allem vor wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen stehen. Dies betrifft etwa bürokratische Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Dokumenten, die oft nur mit Hilfe von Schmiergeldzahlungen überwunden werden können. Die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen betreffen weite Teile der russischen Bevölkerung und können somit nicht als spezifisches Problem von Rückkehrern bezeichnet werden. Besondere Herausforderungen ergeben sich für Frauen aus dem Nordkaukasus, zu deren Bewältigung von Problemen zivilgesellschaftliche Initiativen unterstützend tätig sind. Eine allgemeine Aussage über die Gefährdungslage von Rückkehrern in Bezug auf mögliche politische Verfolgung durch die russischen bzw. die nordkaukasischen Behörden kann nicht getroffen werden, da dies stark vom Einzelfall abhängt. Im Normalfall sind Rückkehrer aber nicht immer mit Diskriminierung seitens der Behörden konfrontiert (ÖB Moskau 12.2019).

Es besteht keine allgemeine Gefährdung für die körperliche Unversehrtheit von Rückkehrern in den Nordkaukasus. Vereinzelt gibt es Fälle von Tschetschenen, die im Ausland einen negativen Asylbescheid erhalten haben, in ihre Heimat zurückgekehrt sind und nach ihrer Ankunft unrechtmäßig verfolgt worden sind. Das unabhängige Informationsportal Caucasian Knot schreibt in einem Bericht vom April 2016 von einigen wenigen Fällen, in denen Tschetschenen, denen im Ausland kein Asyl gewährt worden ist, nach ihrer Abschiebung drangsaliert worden wären (ÖB Moskau 12.2019). Nach einer aktuellen Auskunft eines Experten für den Kaukasus ist allein die Tatsache, dass im Ausland ein Asylantrag gestellt wurde noch nicht mit Schwierigkeiten bei der Rückkehr verbunden (ÖB Moskau 12.2019, vgl. AA 13.2.2019). Eine erhöhte Gefährdung kann sich nach einem Asylantrag im Ausland bei Rückkehr nach Tschetschenien aber für jene ergeben, die schon vor der Ausreise Probleme mit den Sicherheitskräften hatten (ÖB Moskau 12.2019).

Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen ist aus Angst vor Terroranschlägen und anderen extremistischen Straftaten erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen berichten von häufig willkürlichem Vorgehen der Polizei gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Kaukasisch aussehende Personen stünden unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden weiterhin statt (AA 13.2.2019).

Neben der allgemeinen Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr haben Rückkehrer die Möglichkeit, eines der vom österreichischen Innenministerium unterstützten Reintegrationsprogramme in ihrem Heimatland in Anspruch zu nehmen. Diese freiwilligen Rückkehrer erhalten eine umfassende Beratung und eine Reintegrationsleistung vor Ort (besteht im Wesentlichen aus einer Sachleistung), welche eine erneute Existenzgrundlage im Herkunftsland ermöglichen und somit eine Nachhaltigkeit der Rückkehr fördern soll (ÖB Moskau 12.2019)

Die maßgeblichen Länderberichte zur Lage in der Russischen Föderation im aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom XXXX , letzte Information eingefügt am XXXX (in der Folge: LIB XXXX ) decken sich inhaltlich mit den vom BFA in den angefochtenen Bescheiden zitierten Länderberichten.

1.4. Es liegt keine maßgebliche Änderung der vom BF bereits im Aberkennungsverfahren vorgebrachten Fluchtgründe oder Rückkehrbefürchtungen vor. Eine maßgebliche Verschlechterung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat des BF seit rechtskräftigem Abschluss des Aberkennungsverfahrens ist nicht gegeben. Dem BF ist die Rückkehr in die Russische Föderation weiterhin zumutbar.

2. Beweiswürdigung

Das Vorbringen des Beschwerdeführers im nunmehrigen sowie seinem vorangegangenen Asylverfahren sind aus den Verfahrensakten klar ersichtlich. In diesen liegen auch die jeweils verfahrensabschließenden Entscheidungen auf.

Das Vorbringen in seiner Beschwerde umfasst das Fortbestehen und Weiterwirken jener Fluchtgründe und Rückkehrbefürchtungen (s. AS 121: die Gefahr besteht „seit 2004“), die der BF bereits im Zu- und Aberkennungsverfahren zur Geltung brachte, nämlich, dass der russische Staat sowie XXXX weiterhin nach ihm suche und ihn bedrohen würden.

Die Feststellungen zur Staats-, Volkgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF gründen sich auf sich auf seine diesbezüglichen Angaben bei Befragungen durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, das Bundesasylamt, den Unabhängigen Bundesasylsenat und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, welche auch in den vorangegangenen Verfahren nicht angezweifelt wurden. Ebenso verhält es sich zu seinen Angaben vor seiner Ausreise in XXXX gelebt zu haben (Akt I, AS 31, 33, 127 und 535) und seines gegenwärtigen Gesundheitszustands (s. OZ 6) sowie die traditionell-islamische Ehe mit einer russischen Staatsbürgerin (Akt I, AS 539), welche nach aktuellen Melderegisterauszug nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet ist.

Die Feststellung über die Verurteilungen des BF folgt aus einem Strafregisterauszug und den im Akt aufliegenden Strafurteil, weswegen das Aberkennungsverfahren eingeleitet wurde (Akt I, AS 471).

Dass der BF am XXXX in die Russische Föderation nach XXXX abgeschoben wurde, ergibt sich aus Bericht über erfolgte Charterabschiebung vom XXXX .

Dass der BF von seiner Ex-Frau geschieden ist und seit seiner letzten strafgerichtlichen Verurteilung keinen Kontakt mehr zu dieser und den gemeinsamen Kindern hat sowie deren aktueller Aufenthaltsort ihm nicht bekannt ist und ihm von der Kinder- und Jugendhilfe kein Zugang zu den Kindern gewährt wird, folgt aus seinen unbestrittenen Angaben im Aberkennungsverfahren (Akt I, AS 535, 539 und 541) und dem Strafurteil (Akt I, AS 481). Auch in den Folgeanträgen hat der BF nicht Gegenteiliges behauptet.

Seine unsubstantiierten Angaben im Beschwerdevorbringen, dass seine XXXX eine zu „hinterfragende Rolle“ gespielt und ihn zum Schläger herabgesetzt habe, sind vor dem Hintergrund seiner Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von XXXX wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung sowohl gegenüber XXXX , sowie des Vergehens des versuchten Hausfriedensbruches, des Vergehens der Körperverletzung und des Vergehens der gefährlichen Drohung gegen XXXX (Akt I, AS 471), nicht nachvollziehbar. Der Vollständigkeit halber ist hierbei festzuhalten, dass seine Angaben bei der niederschriftlichen Einvernahme, dass diese früher XXXX gewesen sei (Akt III, AS 111), im eindeutigen Widerspruch zu den Ausführungen in der Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat im Zuerkennungsverfahren steht, dass diese vor Ihrer Ausreise (sinngemäß) nicht berufstätig war und bei den Eltern lebte (Akt I, AS 257). Es ist daher in Bezug seine diesbezügliche Angabe unzweifelhaft von einer Schutzbehauptung auszugehen. Ebenso verhält es sich zu seinem Beschwerdevorbringen, dass diese ihm nun ihre Brüder „auf die Pelle“ gehetzt habe. Vollständigkeitshalber ist zur Angabe im gegenständlichen Folgeantrag, dass die Brüder XXXX , welche bei der örtlichen Polizei arbeiten würden, seinem älteren Bruder im Herkunftsstaat mitgeteilt hätten, dass sie den BF festnehmen bzw. „umbringen“ wollen würden, da er ihre Schwester geschlagen habe (Akt III, AS 4 und 113) und er dieses Problem seit dem XXXX habe, als er noch in Haft gewesen sei (Akt III, AS 113) festzuhalten, dass diese nicht nachvollzogen werden kann. Der BF hat eine solche berufliche Tätigkeit der Brüder seiner Ex-Frau weder in der Einvernahme zum Aberkennungsverfahren am XXXX (vgl. Akt I, AS 531 ff), noch in seinem ersten Folgeantrag (vgl. Akt II, AS 4 und 69 ff) angegeben. Es kann nicht nachvollzogen werden, dass der BF nach mehreren Befragungen im behördlichen Verfahren keine diesbezüglichen Angaben zu der Berufstätigkeit dieser Brüder bei der örtlichen Polizei machte bzw. auch keine diesbezüglichen Rückehrbefürchtungen angab. Es ist folglich davon auszugehen, dass dieses Vorbringen keinen glaubhaften Kern enthält und daher mangels Glaubhaftigkeit nicht geeignet ist, die Pflicht zur neuerlichen, inhaltlichen Überprüfung des Antrags zu begründen.

Die Feststellung, wonach sich an der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers und im Speziellen in Tschetschenien, in Bezug auf die bereits im Statusaberkennungsverfahren behandelten maßgeblichen Aspekte nichts geändert hat, beruht auf einem Vergleich mit den vom BFA im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderberichten und dem im angefochtenen Bescheid zitierten sowie dem Beschwerdeführer zu Stellungnahme vorgehaltenen (Akt III, AS 125) und unter II.3. auszugsweise wiedergegebenen Länderinformationsblatt der BFA-Staatendokumentation zur Russischen Föderation XXXX . Dieses fußt auf aktuellen, themenspezifisch umfassenden und ausgewogenen Länderberichten zur Lage in der Russischen Föderation (welche ebenso unter Pkt. II.1.13. zitiert werden). Auch dem Bundesverwaltungsgericht liegen keine Berichte bzw. Länderdokumente vor, die ein anderes Bild der Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zeichnen würden.

Aus den Länderberichten ist nicht objektivierbar, dass er bei einer Abschiebung in den Herkunftsstaat in seinem Recht auf Leben gefährdet, oder der Folter oder unmenschlicher sowie erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen wäre. Wenn vom BF im Beschwerdevorbringen angegebenen wird, dass die Verfasser des LIB Russische Föderation zu Kenntnis nehmen mögen, das der XXXX von XXXX eine größere Gefahr für den BF darstelle, als der XXXX von XXXX , ist dem entgegenzuhalten, dass dies nicht eine substantiierte Entgegentretung zu den zitierten Länderberichten zu begründen vermag. Sonstige außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr ausschließen würden, hat der BF weder angegeben noch konnten solche festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung

Der angefochtene Bescheid wurde der hierzu bevollmächtigten (AS 225), gewillkürten Vertretung des Beschwerdeführers, XXXX , am XXXX ausgefolgt und somit zugestellt. Die am XXXX an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl per Telefax übermittelte Beschwerde ist damit gemäß § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG rechtzeitig.

Zum Spruchteil A)

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde betreffend die Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wegen entschiedener Sache:

3.1.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913).

„Entschiedene Sache“ iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266).

Infolge des in § 17 VwGVG normierten Ausschlusses der Anwendbarkeit des 4. Hauptstücks des AVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welcher auch die in § 68 Abs. 1 AVG normierte Zurückweisung wegen entschiedener Sache umfasst, kommt eine unmittelbare Zurückweisung einer Angelegenheit aufgrund der genannten Bestimmung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Betracht. Davon unberührt bleibt, dass das Verwaltungsgericht im Verfahren über Bescheidbeschwerden zur Überprüfung der rechtmäßigen Anwendung von § 68 AVG in Bescheiden durch die Verwaltungsbehörde berufen ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K10.; vgl. auch VfSlg. 19.882/2014).

In Beschwerdeverfahren über zurückweisende Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG ist „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags auf internationalen Schutz durch die erstinstanzliche Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgt ist, ob die Behörde also auf Grundlage des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist.

Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage stützen durfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhalts nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können im Rechtsmittelverfahren nicht neu geltend gemacht werden (s. zB VwSlg. 5642A; VwGH 23.05.1995, 94/04/0081; zur Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des VwGH Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 23.11.1993, 91/04/0205). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwGH 03.12.1990, 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung hat zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufzuweisen, dem Asylrelevanz zukommt (VwGH 21.3.2006, 2006/01/0028, sowie VwGH 18.6.2014, Ra 2014/01/0029, mwN). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH vom 24.6.2014, Ra 2014/19/0018, mwN).

Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf mehrere Folgeanträge VwGH 26.07.2005, 2005/20/0226, mwN). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.11.2004 mwN). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; vgl. auch VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684).

Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein „Fortbestehen und Weiterwirken“ behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

3.1.2. Soweit der BF zunächst zur Begründung seines Folgeantrags erneut die Inhaftierung seines jüngeren Bruders und regelmäßige Besuche durch den russischen Geheimdienst bei diesem behauptet, machte er diesen Sachverhalt bereits in seinem Statusaberkennungsverfahren geltend, das mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX rechtskräftig entschieden wurde. Dieser Sachverhalt ist daher von der Rechtskraft des genannten Erkenntnisses umfasst und stellt keine neue Sache im Sinne der angeführten Judikatur dar.

Dies gilt in der Folge auch für die Behauptung, dass sein älterer Bruder nun entführt worden sei, weil der BF diesen Vorfall mit seinen eigenen Fluchtgründen – über die bereits rechtskräftig abgesprochen wurde – in Beziehung setzte. Der BF gab in der Einvernahme durch das BFA explizit an, dass die Entführung wegen des BF erfolgt sei. Mit seinem Vorbringen behauptete der BF somit bloß das „Fortbestehen und Weiterwirken“ jenes Fluchtgrundes, den er bereits in seinem Asylverfahren und zuletzt in seinem Asylaberkennungsverfahren geltend gemacht hatte, welches als nicht glaubhaft befunden wurde und rechtskräftig abgeschlossen ist.

Die weitere Begründung des gegenständlichen Folgeantrags, dass die Brüder seiner XXXX im Jahr XXXX , als er selbst noch in Haft gewesen sei, seinem älteren Bruder im Herkunftsstaat mitgeteilt hätten, dass sie ihn umbringen wollen würden, stützt sich auf einen Umstand, der sich deutlich vor der Aberkennung seines Asylstatus zugetragen habe. Diesem Vorbringen steht somit die Rechtskraft des Erkenntnisses des BVwG im Aberkennungsverfahren entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266), wobei der BF auch keinen nachvollziehbaren Grund darstellte, weshalb er dies erstmals im 2. Folgeantrag angab und es vor diesem Hintergrund weder glaubhaft noch nachvollziehbar ist.

Soweit der Beschwerdeführer eine Verfolgung durch russische Sicherheitsbehörden sowie XXXX behauptete, machte er diesen Sachverhalt bereits in seinem Statusaberkennungsverfahren sowie in seinem ersten Folgeantrag geltend, das mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX abgeschlossen wurde. Dieser Sachverhalt ist daher von der Rechtskraft der genannten Erkenntnisse umfasst und stellt keine neue Sache im Sinne der angeführten Judikatur dar. Mit seinem Vorbringen behauptete der Beschwerdeführer somit bloß das „Fortbestehen und Weiterwirken“ jenes Fluchtgrundes, den er bereits in seinem Asylverfahren und zuletzt in seinem Asylaberkennungsverfahren geltend gemacht hatte. Auch der nochmaligen, pauschalen Behauptung des Fortbestehens der Fluchtgründe des BF aus dem Zuerkennungsverfahren im gegenständlichen Beschwerdeschriftsatz steht somit die Rechtskraft des Erkenntnisses des BVwG im Aberkennungsverfahren entgegen.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist somit spruchgemäß abzuweisen.

3.2. Zur Abweisung der Beschwerde betre

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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