TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/20 I417 2164868-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.08.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

20.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I417 2164868-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Friedrich Johannes ZANIER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, alias XXXX, geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion XXXX vom 04.07.2017, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer stellte am 16.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Befragt zu seinem Fluchtgrund gab er vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes an: „Ich habe keine Zukunft in meinem Land.“

2.       In der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 16.05.2017 gab er an, dass sein Vater Priester gewesen sei und die christlichen Lehren verbreitete. In der Region hätten viele Moslems gelebt und sei der Vater im Jahr 2003 von einer Predigt nicht wieder nach Hause gekommen. Er sei mit Schnittverletzungen tot im Busch aufgefunden worden. Seither habe auch der Beschwerdeführer immer wieder Probleme gehabt. Seine Mutter sei aus Kummer verstorben und er habe sich von anderen Menschen isoliert. Ein Pastor habe dann seine Ausreise organisiert, Mitte September 2015 habe er Nigeria per Flugzeug via Marokko und Italien verlassen und wäre dann nach Österreich gekommen.

3.       Mit dem Bescheid vom 04.07.2017, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

4.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 13.07.2017 (bei der belangten Behörde eingelangt am 14.07.2017). Darin wurde zusammengefasst vorgebracht, dass es die belangte Behörde verabsäumt habe, auf das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen. Das Verhältnis zwischen Christen und Moslems sei äußerst angespannt und seien die nigerianischen Sicherheitsbehörden nicht in der Lage, religiöse Unruhen zu beherrschen. Bei einer Rückkehr würde der Beschwerdeführer mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine prekäre Lage versetzt werden und sei ihm diese derzeit nicht zumutbar.

5.       Am 10.09.2019 wurde der Beschwerdeführer festgenommen, am 12.09.2019 über ihn Untersuchungshaft verhängt und am 11.12.2019 wurde er wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 (fünfter Fall) SMB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt.

6.       Mit Parteiengehör vom 15.06.2020 wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit geboten, zum aktuellen Länderinformationsblatt für Nigeria Stellung zu nehmen. Überdies möge er bekannt geben, ob hinsichtlich seiner persönlichen und privaten Verhältnissen in Österreich oder seines Gesundheitszustandes seit der letzten Einvernahme vor der belangten Behörde Änderungen eingetreten sind. Binnen der gesetzten 14-tägigen Frist aber auch bis zum Tag der Abfassung dieses Erkenntnisses langte keine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Um Wiederholungen zu vermeiden wird zunächst der oben dargestellte Verfahrensgang als Sachverhalt festgestellt.

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, Staatsangehöriger von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben.

Er führt den Namen XXXX und stellte gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz am 16.09.2015. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er spricht Igbo und Englisch.

Der Beschwerdeführer hält sich seit (mindestens) 16.09.2015 in Österreich auf.

Die Eltern des Beschwerdeführers sind bereits verstorben. Mit weiteren Familienangehörigen hat der Beschwerdeführer keinen Kontakt. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.

Der Beschwerdeführer lebte in Nigeria in einer Mietwohnung in XXXX, Osun State, hat eine mehrjährige Schulbildung und eine Berufsausbildung zum Elektriker absolviert und verdiente sich damit seinen Lebensunterhalt. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung in Nigeria hat er eine Chance, auch hinkünftig am nigerianischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich vorbestraft. Er wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 11.12.2019 zu GZ XXXX, rechtskräftig seit 17.12.2019, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 28a Abs. 1 5. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt. Derzeit verbüßt er die Strafhaft in der Justizanstalt XXXX, Bis zur seiner Festnahme im September 2019 bezog er Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Entgegen seinem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass er als Christ bzw. Sohn eines Pastors einer Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt war und ist. Eine individuell gegen ihn als Person gerichtete Verfolgungshandlung konnte nicht festgestellt werden.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Zur Beurteilung der Lage im Herkunftsstaat wird das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Nigeria mit Stand 20.05.2020 zu den Feststellungen erhoben. Beschwerdegegenständlich werden nachstehende Ausführungen samt Quellen an dieser Stelle hervorgehoben:

Politische Lage:

Nigeria ist in 36 Bundesstaaten (ÖB 10.2019; vgl. AA 16.1.2020; GIZ 3.2020a) mit insgesamt 774 LGAs/Bezirken unterteilt (GIZ 3.2020a; vgl. AA 16.1.2020). Jeder der 36 Bundesstaaten wird von einer Regierung unter der Leitung eines direkt gewählten Gouverneurs (State Governor) und eines Landesparlamentes (State House of Assembly) geführt (GIZ 3.2020a; vgl. AA 16.1.2020). Polizei und Justiz werden vom Bund kontrolliert (AA 16.1.2020).

Nigeria ist eine Bundesrepublik mit einem starken exekutiven Präsidenten (Präsidialsystem nach US-Vorbild) (AA 24.5.2019a). Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die am System der USA orientierte Verfassung enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtsstaates (inkl. Grundrechtskatalog, Gewaltenteilung). Dem starken Präsidenten – zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte – und dem Vizepräsidenten stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber. Die Verfassungswirklichkeit wird von der Exekutive in Gestalt des direkt gewählten Präsidenten und von den direkt gewählten Gouverneuren dominiert. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität, häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln geführt. Die Justiz ist der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt (AA 16.1.2020).

Die Parteienzugehörigkeit orientiert sich meist an Führungspersonen, ethnischer Zugehörigkeit und vor allem strategischen Gesichtspunkten. Parteien werden primär als Zweckbündnisse zur Erlangung von Macht angesehen. Politische Führungskräfte wechseln die Partei, wenn sie andernorts bessere Erfolgschancen sehen. Entsprechend repräsentiert keine der Parteien eine eindeutige politische Richtung (AA 16.1.2020). Gewählte Amtsträger setzen im Allgemeinen die von ihnen gemachte Politik um. Ihre Fähigkeit, dies zu tun, wird jedoch durch Faktoren wie Korruption, parteipolitische Konflikte, schlechte Kontrolle über Gebiete des Landes, in denen militante Gruppen aktiv sind, und die nicht offengelegten Gesundheitsprobleme des Präsidenten beeinträchtigt (FH 1.2019).

Bei den Präsidentschaftswahlen am 23.2.2019 wurde Amtsinhaber Muhammadu Buhari im Amt bestätigt (GIZ 3.2020a). Er erhielt 15,1 Millionen Stimmen und siegte in 19 Bundesstaaten, vor allem im Norden und Südwesten des Landes. Sein Herausforderer, Atiku Abubakar, erhielt 11,3 Millionen Stimmen und gewann in 17 Bundesstaaten im Südosten, im Middle-Belt sowie in der Hauptstadt Abuja (GIZ 3.2020a; vgl. BBC 26.2.2019). Die Wahlbeteiligung lag mit 36 Prozent deutlich niedriger als 2015. Überschattet wurden die Wahlen von gewaltsamen Zwischenfällen mit mindestens 53 Toten. Wahlbeobachter und Vertreter der Zivilgesellschaft kritisierten außerdem Organisationsmängel bei der Durchführung der Wahlen, die Einschüchterung von Wählern sowie die Zerstörung von Wahlunterlagen an einigen Orten des Landes (GIZ 3.2020a). Die Opposition sprach von Wahlmanipulation. Abubakar fechtet das Ergebnis vor dem Obersten Gerichtshof aufgrund von Unregelmäßigkeiten an. Die Aussichten, dass die Beschwerde Erfolg hat, sind gering (GIZ 3.2020a).

Die Nationalversammlung besteht aus zwei Kammern: Senat mit 109 Mitgliedern und Repräsentantenhaus mit 360 Mitgliedern (AA 24.5.2019b). Aus den letzten Wahlen zur Nationalversammlung im Februar 2019 ging die Regierungspartei „All Progressives‘ Congress“ (APC) siegreich hervor. Sie konnte ihre Mehrheit in beiden Kammern der Nationalversammlung vergrößern. Die größte Oppositionspartei, die „People’s Democratic Party“ (PDP) hatte von 1999-2015 durchgehend den Präsidenten gestellt. 2015 musste sie zum ersten Mal in die Opposition und ist durch Streitigkeiten um die Parteiführung seitdem geschwächt (AA 16.1.2020).

Auf subnationaler Ebene regiert die APC in 20 der 36 Bundesstaaten (AA 16.1.2020). Am 9.3.2019 wurden Wahlen für Regionalparlamente und Gouverneure in 29 Bundesstaaten durchgeführt. In den restlichen sieben Bundesstaaten hatten die Gouverneurswahlen bereits in den Monaten zuvor stattgefunden. Auch hier kam es zu Unregelmäßigkeiten und gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 3.2020a). Kandidaten der APC von Präsident Buhari konnten 17 Gouverneursposten gewinnen, jene der oppositionellen PDP 14 (Stears 9.4.2020). Regionalwahlen haben großen Einfluss auf die nigerianische Politik, da die Gouverneure die Finanzen der Teilstaaten kontrollieren und für Schlüsselsektoren wie Gesundheit und Bildung verantwortlich sind (DW 11.3.2019).

Neben der modernen Staatsgewalt haben auch die traditionellen Führer immer noch einen nicht zu unterschätzenden, wenn auch weitgehend informellen Einfluss. Sie gelten als Kommunikationszentrum und moralische Instanz und können wichtige Vermittler in kommunalen und in religiös gefärbten Konflikten sein. Dieser Einfluss wird von der jüngeren Generation aber zunehmend in Frage gestellt (AA 24.5.2019a).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)

-        AA - Auswärtiges Amt (24.5.2019a): Nigeria - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205844, Zugriff 31.1.2020

-        AA - Auswärtiges Amt (24.5.2019b): Nigeria - Überblick, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeria/205786, Zugriff 9.4.2020

-        BBC News (26.2.2019): Nigeria Presidential Elections Results 2019, https://www.bbc.co.uk/news/resources/idt-f0b25208-4a1d-4068-a204-940cbe88d1d3, Zugriff 12.4.2019

-        DW - Deutsche Welle (11.3.2019): EU: Nigerian state elections marred by 'systemic failings', https://www.dw.com/en/eu-nigerian-state-elections-marred-by-systemic-failings/a-47858131, Zugriff 9.4.2020

-        FH - Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2018 - Nigeria, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/nigeria, Zugriff 20.3.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 9.4.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria

-        Stears News (9.4.2020): Governorship Election Results, https://nigeriaelections.stearsng.com/governor/2019, Zugriff 9.4.2020

Sicherheitslage:

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien (AA 16.1.2020). Im Wesentlichen lassen sich mehrere Konfliktherde unterscheiden: Jener von Boko Haram im Nordosten; jener zwischen Hirten und Bauern im Middle-Belt; sowie Spannungen im Nigerdelta (AA 16.1.2020; vgl. EASO 11.2018a) und eskalierende Gewalt im Bundesstaat Zamfara (EASO 11.2018a). Außerdem gibt es im Südosten zwischen der Regierung und Igbo-Gruppen, die für ein unabhängiges Biafra eintreten (EASO 11.2018a; vgl. AA 16.1.2020), sowie zwischen Armee und dem Islamic Movement in Nigeria (IMN) Spannungen (EASO 11.2018a). Beim Konflikt im Nordosten handelt es sich um eine grenzüberschreitende jihadistische Insurgenz. Im „Middlebelt“ kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen um knapper werdende Ressourcen zwischen Hirten und Bauern. Bei den Auseinandersetzungen im Nigerdelta geht es sowohl um Konflikte zwischen regionalen militanten Gruppen einerseits und der Staatsgewalt andererseits, als auch um Rivalitäten zwischen unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im Südosten handelt es sich (noch) um vergleichsweise beschränkte Konflikte zwischen einzelnen sezessionistischen Bewegungen und der Staatsgewalt. Die Lage im Südosten des Landes („Biafra“) bleibt jedoch latent konfliktanfällig. IPOB ist allerdings derzeit in Nigeria nicht sehr aktiv (AA 16.1.2020).

In Nigeria können in allen Regionen unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, westl. Taraba und der östl. Teil von Nassarawa, das nördliche Sokoto und die Bundesstaaten Plateau, Kaduna, Benue, Niger, Kebbi sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen bzw. innerethnischen Konflikten betroffen. Weiterhin bestimmen immer wieder gewalttätige Konflikte zwischen nomadisierenden Viehzüchtern und sesshaften Farmern sowie gut organisierten Banden die Sicherheitslage. Demonstrationen und Proteste sind insbesondere in Abuja und Lagos, aber auch anderen großen Städten möglich und können zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Im Juli/August 2019 forderten diese in Abuja auch wiederholt Todesopfer (AA 16.4.2020).

Das deutsche Auswärtige Amt warnt vor Reisen auf dem Landweg in die nordöstlichen Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa. Von nicht erforderlichen Reisen in die übrigen Landesteile Nordnigerias, in die Bundesstaaten Sokoto, Katsina und Jigawa wird abgeraten. Von Reisen in die folgenden Bundesstaaten wird abgeraten, sofern diese nicht direkt auf dem Luftweg in die jeweiligen Hauptstädte führen: in Zentral-und Nord-Nigeria Kaduna, Zamfara, Kano und Taraba, in Südnigeria: Ogun, Ondo, Ekiti, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Anambra, Enugu, Abia, Ebonyi und Akwa Ibom. Auch von Reisen in die vorgelagerten Küstengewässer, Golf von Guinea, Nigerdelta, Bucht von Benin und Bucht von Bonny, wird abgeraten (AA 16.4.2020).

In den nordöstlichen Landesteilen werden fortlaufend terroristische Gewaltakte, wie Angriffe und Sprengstoffanschläge von militanten Gruppen auf Sicherheitskräfte, Märkte, Schulen, Kirchen und Moscheen verübt (AA 16.4.2020). Das britische Außenministerium warnt vor Reisen nach Borno, Yobe, Adamawa und Gombe, sowie vor Reisen in die am Fluss gelegenen Regionen der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom and Cross River im Nigerdelta, sowie Reisen nach Zamfara näher als 20km zur Grenze mit Niger. Abgeraten wird außerdem von allen nicht notwendigen Reisen in die Bundesstaaten Bauchi, Zamfara, Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Kogi, Abia, im 20km Grenzstreifen zu Niger in den Bundesstaaten Sokoto und Kebbi, nicht am Fluss gelegene Gebiete von Delta, Bayelsa und Rivers, und Reisen im Bundesstaat Niger im Umkreis von 20km zur Grenze zu den Staaten Kaduna und Zamfara, westlich des Flusses Kaduna (UKFCO 15.4.2020). Gewaltverbrechen sind in bestimmten Gebieten Nigerias ein ernstes Problem, ebenso wie der Handel mit Drogen und Waffen (FH 1.2019).

In der Zeitspanne April 2019 bis April 2020 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (2.712), Zamfara (685), Kaduna (589) und Katsina (392). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer niedrigen Zahl hervor: Gombe (3), Kebbi (3), Kano (7), Jigawa (7), Kwara (8), Enugu (8) und Ekiti (9) (CFR 2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)

-        AA - Auswärtiges Amt (16.4.2020): Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise

(Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788#content_5, 16.4.2020

-        CFR - Council on Foreign Relations (2019): Nigeria Security Tracker, https://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 12.4.2019

-        EASO - European Asylum Support Office (11.2018a): Country of Origin Information Report - Nigeria - Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001366/2018_EASO_COI_Nigeria_SecuritySituation.pdf, Zugriff 16.4.2020

-        FH - Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2019, Nigeria, https://freedomhouse.org/country/nigeria/freedom-world/2019, Zugriff 17.4.2020

-        UKFCO - United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (15.4.2020): Foreign Travel Advice – Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 16.4.2020

Religionsfreiheit:

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (GIZ 3.2020b; vgl. ÖB 10.2019; AA 16.1.2020) und Freiheit der Religionsausübung (ÖB 10.2019). Laut Verfassung darf die Regierung keine Staatsreligion beschließen, ist religiöse Diskriminierung verboten und hat jeder die Freiheit, seine Religion zu wählen, auszuüben, zu propagieren und zu ändern (USDOS 21.6.2019; vgl. USDOS 4.2020). Im Vielvölkerstaat Nigeria ist die Religionsfreiheit ein Grundpfeiler des Staatswesens. Die Bundesregierung achtet auf die Gleichbehandlung von Christen und Muslimen, z.B. bei der Finanzierung von Gotteshäusern und Wallfahrten. Sie unterstützt den Nigerian Inter-Religious-Council, der paritätisch besetzt ist und die Regierung in Religionsangelegenheiten berät. Ähnliche Einrichtungen wurden auch in mehreren Bundesstaaten erfolgreich eingeführt (AA 16.1.2020).

Die Regierung achtet Religionsfreiheit in der Praxis, obwohl von lokalen politischen Akteuren geschürte Gewalt in der Regel straflos bleibt. Die Verfassung verbietet es, ethnischen oder religiösen Gruppen Vorrechte einzuräumen. In der Praxis bevorzugen Bundesstaaten jedoch die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion (ÖB 10.2019). Manche Gesetze von Landes- und Lokalregierungen diskriminieren Mitglieder religiöser Minderheiten (USDOS 21.6.2019). Außerdem gestaltet sich die Umsetzung der verfassungsmäßig gesicherten Religionsfreiheit in der Praxis aufgrund religiöser Spannungen schwierig (GIZ 3.2020b).

Die Toleranz gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften und religiösen Gruppen ist auf lokaler Ebene und in der Bevölkerung teilweise nur unzureichend ausgeprägt. Eine Ausnahme sind die Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen seit Generationen auch Mischehen zwischen Moslems und Christen verbreitet sind. In einigen Bundesstaaten ist die Lage der jeweiligen christlichen bzw. muslimischen Minderheit dagegen problematisch, insbesondere im Middle-Belt, wo der Kampf um Land und Lebensraum zunehmend religiös aufgeladen wird (AA 16.1.2020). Es gibt Berichte über Gewalt bis hin zu Tötungen bei Konflikten zwischen religiösen Gruppen, namentlich zwischen christlichen Bauern und muslimischen Nomaden und vorwiegend im Middle-Belt (USDOS 21.6.2019).

Auch die Lage zwischen den Moslems der sunnitischen Mehrheit und der schiitischen Minderheit ist teilweise stark angespannt. Versammlungen und Märsche der schiitischen Minderheit gelten als Provokation. Diesbezüglich kam es immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen. Nach gewaltsamen Protesten des IMN (Islamic Movement of Nigeria) in Abuja im Juli 2019 wurde die Gruppierung durch die Regierung im ganzen Land zu einer illegalen Organisation erklärt (AA 16.1.2020; vgl. USDOS 21.6.2019). Die islamistisch-terroristischen Organisationen Boko Haram und Islamischer Staat in Westafrika sind weiterhin aktiv und führen zahlreiche Angriffe auf Bevölkerungszentren oder religiöse Ziele durch [Anm. Siehe Abschnitt 3. Sicherheitslage] (USDOS 21.6.2019).

Generell können jene Personen, die sich vor Problemen hinsichtlich der Religionsfreiheit oder vor Boko Haram fürchten, entweder staatlichen Schutz oder aber eine innere Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen (UKHO 8.2016b).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 15.4.2020

-        UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance, Nigeria: Background information, including actors of protection and internal relocation, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471849541_cig-nigeria-background-v2-0-august-2016.pdf, Zugriff 15.4.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria

- USCIRF –-U.S. Commission on International Religous Freedom (4.2020): USCIRF–Recommended for Countries of particular concern (CPC), https://www.ecoi.net/en/file/local/2028970/Nigeria.pdf, Zugriff 4.2020

-        USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011098.html, Zugriff 15.4.2020

Spannungen zwischen Muslimen und Christen:

Das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen ist äußerst gespannt. Oft genügt ein geringer Anlass, um blutige Unruhen auszulösen. Ein auch nur annähernd in Verbindung gebrachter Vorfall im christlichen Süden gegen Muslime wird sofort Reaktionen im Norden hervorrufen, die immer wieder zum Tod von sogenannten Nichtgläubigen führen. Pogrome gehören mittlerweile zum politischen Alltagsgeschehen in Nigeria. Seit 2000 sprechen die offiziellen Zahlen von über 11.500 Toten aufgrund religiöser Unruhen. Die tatsächlichen Zahlen dürften um ein Vielfaches höher liegen. Mit der Einführung der Scharia in den zwölf nördlichen Bundesstaaten und dem Terrorismus durch Boko Haram in den drei nordöstlichen Bundesstaaten haben sich die Spannungen weiter verschärft (GIZ 3.2020b). Im Nordosten des Landes nimmt die Gewalt, die im Namen von Boko Haram und Islamic State West Africa (ISIS-WA) an Zivilisten und besonders an Christen verübt wird, immer noch stark zu. Dasselbe gilt für Gewalttaten, die von Fulani-Hirten in den zentralen und einigen südlichen Bundesstaaten (wie Edo, Delta, Enugu, Anambra, Ekiti und Osun) verübt wird. Dazu kommen noch Übergriffe nicht identifizierter Bewaffneter (OD 2020).

In den zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Religionsfreiheit von Nicht-Muslimen in der Praxis teilweise beschränkt, da viele Verwaltungsvorschriften ohne Rücksicht auf die jeweilige Religionszugehörigkeit erlassen und durchgesetzt werden (z.B. Verbot des gemischten Schulunterrichts, Verbot des Alkoholgenusses, Geschlechtertrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln, Neubau von Kirchen etc.). Die in den Jahren 2000/2001 eingeführten strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia in 12 nördlichen Bundesstaaten haben in den ersten Jahren nach Einführung des Scharia-Rechts zu hunderten Amputations- und einigen Steinigungsurteilen geführt, die jedoch von einer höheren Instanz aufgehoben wurden (AA 16.1.2020).

Im März 2018 trat NIREC (Nigerian Interreligious Council), das höchste interreligiöse Gremium des Landes, zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder zusammen. Im September 2018 organisierte die Nigerian Interfaith Action Association einen nationalen Friedensgipfel, auf dem christliche und muslimische Religionsführer einen Friedenspakt unterzeichneten. Sie verpflichteten sich, die Religion nicht zur Förderung von Konflikten und Gewalt einzusetzen, Hassreden und Gewalt anzuprangern und Frieden und Verständigung in ihren Gemeinden zu fördern (USDOS 21.6.2019). Jene Personen, die sich vor einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure fürchten, können in der Regel Schutz bei Behörden suchen oder eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen (UKHO 8.2016b).

Quellen:

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Nigeria – Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 15.4.2020

-        OD - Open Doors (2020): Länderprofil Nigeria, Berichtszeitraum: 1. November 2018 – 31. Oktober 2019, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/nigeria, Zugriff 15.4.2020

-        UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance, Nigeria: Background information, including actors of protection and internal relocation, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471849541_cig-nigeria-background-v2-0-august-2016.pdf, Zugriff 15.4.2020

-        USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011098.html, Zugriff 15.4.2020

Bewegungsfreiheit:

Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land sowie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Allerdings schränken Sicherheitsbeamte die Bewegungsfreiheit durch Ausgangssperren ein, vor allem in Gebieten, in denen es Terroranschläge oder ethnisch motivierte Gewalt gibt. Dies betrifft aufgrund der Operationen gegen Boko Haram und ISIS-WA v.a. die Bundesstaaten Adamawa, Borno und Yobe. Auch in anderen Bundesstaaten kommt es in Reaktion auf gewaltsame Auseinandersetzungen in ländlichen Regionen mitunter zu Ausgangssperren. Bei Operationen von Sicherheitskräften in Städten und an Hauptverkehrsstraßen werden gelegentlich Checkpoints eingerichtet. Zahlreiche von Militär und Polizei betriebene Checkpoints bleiben aufrecht (USDOS 11.3.2020).

Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen (USDOS 11.3.2020). Grundsätzlich besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen (AA 16.1.2020). Prinzipiell sollte es einer Person, die von nicht-staatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen. Natürlich müssen die jeweiligen persönlichen Umstände beachtet werden (UKHO 3.2019).

In den vergangenen Jahrzehnten hat durch Wanderungsbewegungen und interethnische Ehen eine fortgesetzte Durchmischung der Wohnbevölkerung auch der „Kern“-Staaten der drei Hauptethnien (Hausa-Fulani, Yoruba, Igbo) stattgefunden. So ist insbesondere eine starke Nord-Süd-Wanderung feststellbar, wodurch Metropolen wie Lagos heute weitgehend durchmischt sind. Es bestehen daher innerstaatliche Fluchtalternativen (ÖB 10.2019). Ein innerstaatlicher Umzug kann allerdings mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, an dem keine Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder der Dorfgemeinschaft leben. Angesichts der Wirtschaftslage, ethnischem Ressentiment und der Bedeutung großfamiliärer Bindungen in der Gesellschaft ist es für viele Menschen schwer, an Orten ohne ein bestehendes soziales Netz erfolgreich Fuß zu fassen. Für alleinstehende Frauen besteht zudem die Gefahr, bei einem Umzug in die Großstadt von der eigenen Großfamilie keine wirtschaftliche Unterstützung mehr zu erhalten (AA 16.1.2020).

Bundesstaats- und Lokalregierungen diskriminieren regelmäßig ethnische Gruppen, die in ihrem Gebiet nicht einheimisch sind. Dies nötigt gelegentlich Personen dazu, in jene Regionen zurückzukehren, aus denen ihre ethnische Gruppe abstammt, obwohl sie dort über keine familiäre Bindung mehr verfügen (USDOS 11.3.2020).

Für Überlandfahrten stehen mehrere Busunternehmen zur Verfügung, so z.B. ABC Transport, Cross Country Limited, Chisco und GUO Transport. Die Busse bieten Komfort, sind sicher, fahren planmäßig und kommen i.d.R. pünktlich am Zielort an. Die nigerianische Eisenbahn gilt als preisgünstiges, aber unzuverlässiges Transportmittel. Günstige Inlandflüge zwischen den Städten werden von mehreren nigerianischen Fluggesellschaften angeboten. Um innerhalb einer der Städte Nigerias von einem Ort zum anderen zu gelangen, stehen Taxis, Minibusse, Dreirad, die Keke und Motorradtaxis, die Okada genannt werden, zur Verfügung (GIZ 3.2020d).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020d): Alltag, https://www.liportal.de/nigeria/alltag/, Zugriff 18.5.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria

-        UKHO - United Kingdom Home Office (3.2019): Country Policy and Information Note Nigeria: Internal relocation, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/794323/CPIN_-_Nigeria_-_Internal_relocation.PDF, Zugriff 29.4.2020

-        USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026341.html, Zugriff 9.4.2020

Grundversorgung:

Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor (GIZ 3.2020c). 2018 wurde ein Wachstum von 1,9 Prozent erreicht (AA 24.5.2019c).

Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 16.1.2019). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei- und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat – gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 3.2020c). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 16.1.2020). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 3.2020c). Vor allem im Bereich Stromversorgung und Transport ist die Infrastruktur weiterhin mangelhaft und gilt als ein Haupthindernis für die wirtschaftliche Entwicklung (AA 24.5.2019c).

Über 60 Prozent (AA 24.5.2019c) bzw. nach anderen Angaben über 70 Prozent (GIZ 3.2020c) der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt. Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 3.2020c; vgl. AA 24.5.2019c). Die unterentwickelte Landwirtschaft ist jedoch nicht in der Lage, den inländischen Nahrungsmittelbedarf zu decken (AA 24.5.2019c). Das Land ist nicht autark, sondern auf Importe – v.a. von Reis – angewiesen (ÖB 10.2019). Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt von kleinen Anbauflächen – in der Regel in Subsistenzwirtschaft (AA 24.5.2019c). Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt. Aufgrund fehlender Transportmöglichkeiten verrotten bis zu 40 Prozent der Ernten (ÖB 10.2019).

Die Prozentsätze der Unterernährung haben sich in den nördlichen Staaten im Vergleich zu 2015 verbessert und liegen nun unter der Alarmschwelle von 10 Prozent. Gemäß Schätzungen von UNICEF unterliegen zwei Millionen Kinder unter fünf Jahren in Nordnigeria einem hohen Risiko von schwerer akuter Unterernährung (ÖB 10.2019).

Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2020; vgl. GIZ 3.2020b). Über 80 Prozent der ca. 190 Millionen Nigerianer leben unterhalb der Armutsgrenze - Tendenz steigend (GIZ 3.2020c). 48 Prozent der Bevölkerung Nigerias bzw. 94 Millionen Menschen leben in extremer Armut mit einem Durchschnittseinkommen von unter 1,90 US-Dollar pro Tag (ÖB 10.2019). Die Armut ist in den ländlichen Gebieten größer als in den städtischen Ballungsgebieten (GIZ 3.2020b). Mietkosten, Zugang zu medizinischer Versorgung, Lebensmittelpreise variieren ebenfalls nicht nur von Bundesstaat zu Bundesstaat, sondern auch regional/ethnisch innerhalb jedes Teilstaates (ÖB 10.2019).

Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei den Jugendlichen im Alter von 15 bis 35 wird sie auf über 50 Prozent geschätzt (GIZ 3.2020b). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent – in erster Linie unter 30-jährige – mit großen regionalen Unterschieden. Die Chancen, einen sicheren Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst, staatsnahen Betrieben oder Banken zu finden, sind gering, außer man verfügt über eine europäische Ausbildung und vor allem über Beziehungen (ÖB 10.2019). Verschiedene Programme auf Ebene der Bundesstaaten aber auch der Zentralregierung zielen auf die Steigerung der Jugendbeschäftigung ab (ÖB 10.2019; vgl. BS 2020).

Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 3.2020b).

Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2019). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2020). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019).

Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Eine immer noch geringe Anzahl von Nigerianern (acht Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2020).

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 3.2020c).

Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für „peppersoup“, „garri“ oder „pounded yam“, für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch „mini-farming“ eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als „bushmeat“ gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun „grasscutter“ (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als „bushmeat“ gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und „grasscutter“ finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2019).

Im Jahr 2019 benötigten von der Gesamtbevölkerung von 13,4 Millionen Menschen, die in den Staaten Borno, Adamawa und Yobe leben, schätzungsweise 7,1 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Von den auf Hilfe Angewiesenen (7,1 Millionen) sind schätzungsweise 80 Prozent Frauen und Kinder (IOM 17.3.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)

-        AA - Auswärtiges Amt (24.5.2019c): Nigeria - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/wirtschaft/205790, Zugriff 16.4.2020

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029575/country_report_2020_NGA.pdf, Zugriff 18.5.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020c): Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 16.4.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Nigeria, Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 15.4.2020

-        IOM Nigeria - International Organization for Migration (17.3.2020): Emergency Response, 2019 Annual Reports, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/2019_annual_report_-_iom_nigeria_emergency_responsefinal.pdf, Zugriff 15.4.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria

Rückkehr:

Generell kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die allgemein herrschende Situation in Nigeria stellt keine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 16.1.2020). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations (JROs) gemeinsam mit FRONTEX (ÖB 10.2019). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 16.1.2020).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 16.1.2020). Die Erfahrungen mit den JROs seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2019). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 16.1.2020) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2019) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 16.1.2020; vgl. ÖB 10.2019). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2019).

Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im „Decree 33“ nicht zu befürchten (AA 16.1.2020). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets „overstay“ angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2019).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. die Angebote nicht bekannt sind oder eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen haben im Herbst 2018 in Lagos, Abuja und Benin City Migrationsberatungszentren der GIZ ihren Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 16.1.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria

Zur Covid-19 Pandemie:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Am 25.02.2020 wird das Coronavirus in Österreich registriert. In Nigeria gibt es mit Stand 22.07.2020 37.801 bestätigte Infektionen und 805 Todesfälle sowie 15.677 genesene Patienten. Im Vergleich liegen die Zahlen in Österreich mit Stand 22.07.2020 bei 19.827 bestätigten Infektionen, 710 Todesfällen und 17.716 genesenen Patienten.

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

Quellen:

https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html[02.04.2020]; https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/[23.03.2020]; https://orf.at/corona/stories/3157170/[23.03.2020];

https://orf.at/corona/stories/3157533/ [23.03.2020];

https://news.google.com/covid19/map?hl=de&gl=AT&ceid=AT%3Ade&mid=%2Fm%2F05cgv, [22.07.2020]

https://news.google.com/covid19/map?hl=de&gl=AT&ceid=AT%3Ade&mid=%2Fm%2F0h7x, [22.07.2020]

https://www.deutschlandfunk.de/covid-19-wie-sich-das-coronavirus-in-europa-ausbreitet.1939.de.html?drn:news_id=1126478 [06.05.2020]

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nigeria mit Stand 20.05.2020.

Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt. Auch von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zu seinen aktuellen Verhältnissen nahm der Beschwerdeführer nicht Gebrauch und geht der erkennende Richter daher von einer unveränderten Lage seit Bescheiderlassung durch die belangte Behörde aus.

Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Herkunft, seiner Glaubenszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in seiner Erstbefragung und vor der belangten Behörde (AS 1 bis 11 und 31 bis 41). Die belangte Behörde hat diese Feststellungen korrekt und nachvollziehbar gewürdigt. Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufgekommen. Dass der Beschwerdeführer in Österreich über keine maßgeblichen persönlichen und familiären Beziehungen verfügt, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers anlässlich seiner Einvernahme durch die belangte Behörde, wobei er angab, keine Familie in Österreich zu haben, nur einen Freund, der Pastor ist und auch aus Nigeria stammt.

Aus einer Visadaten-Abfrage ergibt sich, dass der Beschwerdeführer, ausgewiesen durch einen nigerianischen Reisepass unter Verwendung einer Aliasidentität (XXXX, geb. XXXX), ein italienisches Touristenvisum erhalten hat (OZ 7). Da der Beschwerdeführer aber den österreichischen Behörden und auch dem Gericht keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegte, steht seine Identität nicht fest.

Die rechtskräftige, strafgerichtliche Verurteilung wegen Drogenhandels ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 24.07.2020 (OZ 15). Die Verständigung über die Festnahme (OZ 8), die Verhängung der Untersuchungshaft (OZ 9) und die Anklageerhebung (OZ 12) sowie die gekürzte Urteilsausfertigung des Strafurteiles vom 11.12.2019 (OZ 13) sind Bestandteile des Gerichtsaktes.

Die Feststellungen zu seiner gegenwärtigen Wohnsitzmeldung in der Justizanstalt XXXX und seinem bisherigen Bezug der Grundversorgung ergeben sich aus dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden, am 24.07.2020 abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem und dem Zentralen Melderegister.

Außer einer Bestätigung über den Besuch des Gottesdienstes, einem Schreiben eines Pastors und eines Freundes konnte der Beschwerdeführer keine integrativen Schritte ins Treffen führen (AS 43, 57 und 59). Er besuchte weder einen Deutschkurs, noch legte er eine Sprachprüfung ab, er ist auch sonst nicht Mitglied in einem Verein oder einer Organisation oder hat sich beruflich engagiert. Einzig durch das Verübte Verbrechen des Suchtgifthandels trat er in Erscheinung und musste daher eine positive Integration in irgendeiner Form verneint werden.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

2.3.1. Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der Glaubhaftmachung im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinn der Zivilprozessordnung zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der hierzu geeigneten Beweismittel, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers, voraus (vgl. VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0058 mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt ebenso wie die Beweisführung den Regeln der freien Beweiswürdigung (VwGH 27.05.1998, Zl. 97/13/0051). Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, Zl. 92/03/0011; 1.10.1997, Zl. 96/09/0007).

Im Falle der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers sind positive Feststellungen von der Behörde nicht zu treffen (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).

Im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit von Angaben eines Asylwerbers hat der Verwaltungsgerichtshof als Leitlinien entwickelt, dass es erforderlich ist, dass der Asylwerber die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, Zl. 93/18/0289). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, genügt zur Dartuung von selbst Erlebtem grundsätzlich nicht. Der Asylwerber hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage und allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert wahrheitsgemäß darzulegen (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069; 30.11.2000, Zl. 2000/01/0356). Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

2.3.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass sein Vater ein christlicher Priester gewesen und im Jahr 2003 ermordet worden sei. Seither habe auch er Probleme. Auf die Frage, inwiefern sich seine „Probleme“ äußerten, gab er an, dass seine Mutter aus Kummer verstorben sei und er sich nicht mehr sicher gefühlt habe in Nigeria, weil die Behörden nach dem Mord an seinem Vater untätig geblieben seien. Er habe dann von den Menschen isoliert gelebt, weil er kein Vertrauen mehr zu den Leuten gehabt habe (AS 37).

Eine gegen ihn als Person individuell gerichtete Verfolgung oder Bedrohung konnte er nicht ins Treffen führen und blieb es auch bei der bloßen Vermutung, dass der Vater von Moslems ermordet worden sei.

Dass der Beschwerdeführer persönlich wegen seines christlichen Glaubens von Moslems verfolgt worden wäre oder er einer Bedrohung wegen der Tätigkeit des Vaters als Priester ausgesetzt gewesen sei, ging über die bloße Behauptungsebene nicht hinaus.

Auch fehlt es an einem zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Fluchtgrund und der tatsächlichen Ausreise. Die Voraussetzung wohlbegründeter Furcht wird in der Regel nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459; dazu auch VwGH 19.10.2000, 98/20/0430). Der Mord am Vater und auch der Tod der Mutter haben sich nach Angaben des Beschwerdeführers angeblich bereits 2003 ereignet. Bis zu seiner Ausreise im September 2015 sind somit zwölf Jahre vergangen, in denen es zu keinem weiteren und insbesondere zu keinem gegen ihn persönlich gerichteten Vorfall gekommen ist.

Auch konnte der Beschwerdeführer keinen konkreten fluchtauslösenden Moment beschreiben: „Es gab keinen Vorfall. Der Pastor fragte mich, ob September für mich o.k. ist und ich sagte ja. Er fragte mich nach einem bestimmten Tag und ich sagte ihm, dass mir das egal sei. Der Pastor hat dann alles organisiert und ich konnte ausreisen, was ich auch tat.“ (AS 37).

2.3.3. Es ist für das Bundesverwaltungsgericht schlüssig nachvollziehbar, dass die belangte Behörde dieses Fluchtvorbringen als nicht asylrelevant einstufte. Dieser Beurteilung tritt auch die Beschwerde in keiner Weise entgegen, sodass für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund besteht, an der Würdigung der belangten Behörde zu zweifeln. Daher schließt sich das Bundesverwaltungsgericht dieser Beweiswürdigung vollinhaltlich an. In der Beschwerde wird pauschal auf die Spannungen zwischen Christen und Moslems hingewiesen und bringt der Beschwerdeführer in Gesamtschau eine bloß entfernte Möglichkeit einer Verfolgung vor, ohne eine entsprechende Konkretisierung aufzuzeigen. Damit behauptet er eine allgemeine Verfolgungssituation, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar ist und genügt dies vor dem Hintergrund der oben zitierten höchstgerichtlichen Judikatur zur Dartuung einer asylrelevanten Bedrohung grundsätzlich nicht. An dieser Stelle ist anzumerken, dass sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation an mehreren Stellen ergibt: „Generell können jene Personen, die sich vor Problemen hinsichtlich der Religionsfreiheit oder vor Boko Haram fürchten, entweder staatlichen Schutz oder aber eine innere Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen (UKHO 8.2016b).“ und „Jene Personen, die sich vor einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure fürchten, können in der Regel Schutz bei Behörden suchen oder eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen (UKHO 8.2016b).“

Somit wäre es am Beschwerdeführer gelegen gewesen, bei entsprechenden Befürchtungen sich innerhalb Nigerias örtlich zu verändern, um der vermuteten Gefahr auszuweichen. Dazu gab er auch selbst an, dass er eigentlich in Lagos hätte leben wollen (AS 37). Mit dem Vorbringen, dass er es dort aus psychologischen Gründen nicht ausgehalten hätte und er spirituell dort nicht leben könnte, wird vom Beschwerdeführer kein asylrelevantes Vorbringen erstattet. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb er nicht in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates leben könnte, dessen Sprache, Kultur und Gegebenheiten ihm vertraut sind, sehr wohl aber in Österreich, in einem Land, das ihm bis zu seiner Einreise fremd war.

Da der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde dem bekämpften Bescheid nicht substantiiert entgegentrat und sich seine Beschwerdebegründung darin erschöpfte, seine Fluchtgründe nach wie vor aufrecht zu halten und sie in seiner Beschwerde geltend zu machen, ergeben sich auch keine Zweifel am Zutreffen der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen und ihrer Beweiswürdigung.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen z

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten