Entscheidungsdatum
04.09.2020Norm
BBG §40Spruch
W261 2215443-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzerin und Beisitzer über die Beschwerde von Ing. XXXX , geb. XXXX , gegen die Ausstellung eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 60 von Hundert durch das Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, am 22.01.2019, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 28.07.2017 erstmals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (auch Sozialministeriumservice, in der Folge belangte Behörde) und war seit diesem Tag Inhaber eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 70 von Hundert (v.H.).
Er stellte am 04.09.2018 (eingelangt am 06.09.2018) einen Antrag auf Neusetzung des Grades der Behinderung, weil ihm ein 12,5 cm langer Stent in die Bauchaorta habe eingesetzt werden müssen. Es sei ihm wegen des Invalidenparkplatzes mitgeteilt worden, dass er 300 Meter nicht mehr bewältigen könne. Der Beschwerdeführer schloss diesem Antrag ein Konvolut an medizinischen Befunden an.
Mit Schreiben vom 08.11.2018 ersuchte der Beschwerdeführer ihm mitzuteilen, dass er an Diabetes leide, da er eine derartige Bestätigung für das Finanzamt benötigen würde.
Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 26.11.2018 erstatteten Gutachten vom 03.12.2018 stellte der medizinische Sachverständige beim Beschwerdeführer die Funktionseinschränkungen Chronische Polyarthritis, Zustand nach Kniegelenksersatz links, Zustand nach Operation des Diskus triangularis rechts, Zustand nach zweimaliger Meniskusoperation rechts, insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ II, koronare Herzkrankheit, Zustand nach Stenting der LAD 2001, Sick-Sinus-Syndrom, Zustand nach Schrittmacherimplantation, intermittierendes Vorhofflimmern unter oraler Antikoagulation, Bluthochdruck, Zustand nach infrarenalem Aortenaneurysma, degenerative Veränderung der Wirbelsäule, Diskursprolaps L5/S1 links, Neuroforamenstenose L4, Osteoprose, chronisch obstruktive Lungenerkrankung, diabetische Polyneuropathie, operiertes Carpaltunnelsyndrom links, Zustand nach zweimaliger Operation des rechten Schultergelenkes, Weichteilschädigung im Bereich des linken Schultergelenks, Schilddrüsenunterfunktion, Funktionsstörung des rechten Kleinfingers nach stattgehabter Operation, chronische venöse Insuffizienz und Zustand nach konventioneller Gallenblasenentfernung und einen Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 60 von Hundert (in der Folge vH) fest. Es sei zu einer Besserung des führenden Leidens gekommen, weswegen eine Herabsetzung des Gesamtgrades der Behinderung erforderlich sei.
Die belangte Behörde übermittelte dem Beschwerdeführer dieses Sachverständigengutachten mit Schreiben vom 04.12.2018 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte diesem eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein. Der Beschwerdeführer führte in seiner Emailnachricht vom 15.01.2019 aus, dass er den medizinischen Sachverständigen um eine Bestätigung wegen seiner Diabetes gebeten habe, welche er nicht bekommen habe. Er möchte für das Jahr 2017 eine Wiederaufnahme durchführen. Die belangte Behörde habe auf sein Schreiben vom 08.11.2018 bis dato gar nicht reagiert.
Mit Schreiben vom 16.01.2019 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass der ihm bereits im Jahr 2017 ausgestellte Behindertenpass, welcher eine entsprechende Zusatzeintragung enthalte, als Nachweis für das Finanzamt verwendet werden könne. Es werde ersucht mitzuteilen, was er mit der „Wiederaufnahme des Verfahrens aus 2017“ erreichen wolle, und welcher Grund für eine Wiederaufnahme aus seiner Sicht vorliege.
Die belangte Behörde teilte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17.01.2019 mit, dass laut dem Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 60 v.H. festgestellt worden sei. Es werde dem Beschwerdeführer daher ein Behindertenpas ausgestellt werden. Es würden die Voraussetzungen für folgende Zusatzeintragungen vorliegen:
„Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese.“
„Der Inhaber/die Inhaberin des Oasses ist TrägerIn von Osteosynthesematerial.“
„Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996 liegt vor.“
Mit Emailnachricht vom 20.01.2019 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er am 26.12.2018 ins Krankenhaus habe gehen müssen, um sich einer Knietransplantation zu unterziehen. Der Aufenthalt habe bis zum 15.01.2019 gedauert. Er spreche sich energisch gegen eine Herabsetzung des Gesamtgrades der Behinderung von 70 v.H auf 60 v.H. aus. Sein großes Problem sei seine diabetische Polyneuropathie, welche mit einem Grad der Behinderung von 10 v.H. unterrepräsentiert sei. Er habe beim Gehen von längeren Strecken große Probleme und könne mit Lederschuhen nicht mehr gehen. Er habe vor längerer Zeit mit der belangten Behörde wegen einer Behinderten Zone gesprochen. Es sei ihm mitgeteilt worden, dass man nachweisen müsse, dass man 300 m vom Haus nicht gehen könne. Das könne er nicht beweisen. Er ersuche daher seinen Behindertensatz wieder mit 70 % festzulegen, zumal ihm beim Finanzamt für den Jahresausgleich ein Minus entstehen werde. Hätte er diese Reaktion geahnt, so hätte er keine Neufestsetzung des Grades der Behinderung beantragt.
Mit Schreiben vom 22.01.2019, welchem Bescheidcharakter zukommt, übermittelte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer den Behindertenpass mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 von Hundert und den genannten Zusatzeintragungen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 21.02.2019 rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin führte der Beschwerdeführer aus, dass er bei der Begutachtung durch den medizinischen Sachverständigen sehr froh über seinen Allgemeinzustand gewesen sei. Er habe beträchtliche Probleme beim Gehen, welche durch die Polyneuropathie bestehen würden, er habe den medizinischen Sachverständigen drei Mal darauf hingewiesen. Er sei in der Zwischenzeit am rechten Knie operiert worden, er sei eine Knietotalendoprothese eingebaut worden, weswegen er die Erhöhung seiner Invalidität auf 70 % begehre. Der Beschwerdeführer legte der Beschwerde den Entlassungsbericht des XXXX Krankenhauses vom 16.01.2019 bei.
Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 04.03.2019 vor, wo dieser am selben Tag in der Gerichtsabteilung W260 einlangte.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 13.03.2019 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger ist, und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.
Die belangte Behörde reichte mit Schreiben vom 29.03.2019 eine Emailnachricht des Beschwerdeführers vom 13.03.2020 nach, wonach dieser bei der medizinischen Untersuchung verspätet aufgerufen worden sei, obwohl er bereits fünfzehn Minuten vor dem Untersuchungstermin anwesend gewesen sei. Als er den medizinischen Sachverständigen darauf angesprochen habe, habe dieser ihm schnippisch geantwortet, woraus er schließe, dass der Sachverständige ihm gegenüber negativ eingestellt sei. Er verwies darauf, dass er nach wie vor an den Folgen der Knietotalendoprothese leide, er habe Blutergüsse. Dies möge bei der Beurteilung berücksichtigt werden. Außerdem sei er Pensionist, und er verliere bei der Rückerstattung beim Jahresausgleich € 69,-. Er ersuche daher einen neuen Termin zur Begutachtung.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren der Gerichtsabteilung W260 abgenommen und der Gerichtsabteilung W261 neu zugeteilt, wo dieses am 12.02.2020 einlangte.
Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes holte das Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie und Ärztin für Allgemeinmedizin ein. Ursprünglich war ein Untersuchungstermin für 07.05.2020 vorgesehen gewesen, welcher aufgrund der COVID19 Pandemie auf 25.06.2020 verschoben werden musste. Das aufgrund dieser persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 25.06.2020 erstattete Gutachten vom 30.07.2020 kam zum Ergebnis, dass sich keine Änderung des Grades der Behinderung ergebe.
Das Bundesverwaltungsgericht brachte den Parteien des Verfahrens das Ergebnis der Beweisaufnahme mit Schreiben vom 13.08.2020 zur Kenntnis und räumte ihnen eine Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme ein.
Keine der Parteien gab dazu eine Stellungnahme ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer war seit 28.07.2017 Inhaber eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 70 von Hundert (v.H.)
Der Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass vom 04.09.2018 langte am 06.09.2018 bei der belangten Behörde ein.
Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.
Ausmaß der Funktionseinschränkungen:
Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut.
Größe 175 cm, Gewicht 90 kg, Alter: 80 Jahre.
Caput/ColIum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen.
Thorax: symmetrisch, elastisch, Schrittmacher links pektoral.
Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA HAT rein, rhythmisch, Vorhofflimmern kann nicht ausgeschlossen werden.
Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz. Narbe rechter Rippenbogen bei CHE.
Integument: unauffällig.
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:
Beidhänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Benutzungszeichen sind seitengleich vorhanden.
Schultergelenke beidseits: Narbe rechte Schulter etwa 6 cm.
Beweglichkeit beidseits frei, endlagig Beschwerden, keine Impingementsymtomatik.
Ellbogen rechts Narbe nach Bursektomie, sonst unauffällig.
Handgelenke: keine Achsenabweichung, geringgradige Konturvergröberung, Bewegungsschmerzen radial im Bereich des rechten Handgelenks, endlagige Bewegungsschmerzen in allen Ebenen beidseits. Daumensattelgelenk beidseits: links deutliche Subluxationsstellung und Druckschmerzen, rechts geringgradige Subluxationsstellung. Opponensfunktion beidseits kraftvoll möglich. Gaenslen beidseits negativ.
Fingergelenke: äußerlich unauffällig, keine Achsenabweichung. Faustschluss komplett. Feinmotorik unauffällig, endlagiges Beugedefizit rechter Kleinfinger.
Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung frei, Handgelenke S rechts 70/0/70, links 80/0/70F F frei, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten:
Freies Stehen sicher möglich, Fersenstand und Fersengang unauffällig, Zehenballenstand unauffällig: Zehenballengang geringgradiges, aber nicht komplettes Einsinken, Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist zu 1/3 möglich. Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse. Beinlänge ident. Die Durchblutung ist ungestört keine Ödeme, geringgradig Varizen, die Sensibilität wird in den Füßen als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.
Knietotalendoprothese beidseits, geringgradige Umfangsvermehrung keine Überwärmung, Krepitation beim Bewegungsablauf, Patella verbacken, stabil, keine Überwärmung.
Füße beidseits Senkspreizfuß, bei Belastung abgeflachtes Längsgewölbe. Längs über dem Fußrücken eine Narbe von etwa 6 cm. Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig,
Aktive Beweglichkeit: Hüften frei, Knie beidseits 0/0/1 20, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60 0 bei KG 5 möglich.
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, geringgradig Hartspann, kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule.
Aktive Beweglichkeit:
Halswirbelsäule (HWS): in allen Ebenen frei beweglich.
Brustwirbelsäule (BWS)/Lendenwirbelsäule (LWS): Finger-Boden-Abstand (FBA): 10cm, Rotation und Seitneigen geringgradig eingeschränkt.
Lasegue beidseits. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Gesamtmobilität — Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen, das Gangbild ist geringgradig breitspurig, nicht ataktisch, diskret gehemmtes Abdrücken, nicht unsicher, Richtungswechsel sicher möglich, keine Gehhilfe.
Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status psychicus:
Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig, die Stimmungslage ist ausgeglichen.
Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1) Insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ Il
2) Koronare Herzkrankheit, Zustand nach Stenting, Sick-Sinus-Syndrom, Schrittmacherimplantation, intermittierendes Vorhofflimmern, Bluthochdruck
3) Zustand nach infrarenalem Aortenaneurysma, Stenting
4) Knietotalendoprothese beidseits
5) Chronische Polyarthritis
6) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Osteoporose
7) Chronische obstruktive Lungenerkrankung
8) Diabetische Polyneuropathie
9) Abnützungserscheinungen beide Schultergelenke
10) Schilddrüsenunterfunktion
11) Chronisch venöse Insuffizienz
12) Zustand nach konventioneller Gallenblasenentfernung
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 60 v. H.
Leiden 1 wird durch Leiden 2 und 3 gemeinsam um eine Stufe erhöht, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.
Die Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates Leiden 4, 5 und 6 stellen im Zusammenwirken ein maßgebliches Zusatzleiden dar und erhöhen um eine Stufe. Die weiteren Leiden erhöhen nicht, da kein maßgebliches Zusammenwirken mit dem führenden Leiden 1 besteht.
Beim Zustand nach Bursektomie rechts und beim operierten Carpaltunnelsyndrom links sind keine behinderungsrelevanten Leiden mehr objektivierbar.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen hinsichtlich der Antragsstellung basieren auf dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland basieren auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.07.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 25.06.2020.
Darin wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die medizinische Gutachterin setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden sowie mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen; die Gesundheitsschädigungen sind nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.
Aus dem bisher von der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Ermittlungsverfahren ergibt sich, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2017 unter anderem an einer chronischen Polyarthritis samt weiterer orthopädischer Leiden litt, welche der medizinischen Amtssachverständigen für Allgemeinmedizin in dessen Gutachten vom 20.11.2017, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 03.09.2017 mit einem Einzelgrad der Behinderung nach Position 02.02.03 der Einschätzungsverordnung von 50 v.H einstufte. Im Zusammenwirken mit den anderen Leiden des Beschwerdeführers kam der medizinische Sachverständige zum Ergebnis, dass ein Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H. vorliegt.
Nachdem beim Beschwerdeführer im Jahr 2018 ein 12,5 cm langer Stent in die Bauchaorta habe eingesetzt werden müssen, stellte er am 04.09.2018 (eingelangt am 06.09.2018) einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung.
Die belangte Behörde veranlasste eine neuerliche Untersuchung des Beschwerdeführers durch einen medizinischen Sachverständigen aus dem Fachbereich der Allgemeinmedizin. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 03.12.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 26.11.2018, fest, dass es zu einer Besserung des Leidens 1, der chronischen Polyarthritis samt weiterer orthopädischer Leiden gekommen ist, weswegen dieses Leiden nach Position 02.02.02 der Einschätzungsverordnung mit einem Einzelgrad der Behinderung von 40 v.H. einstufte.
Das vom Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung angeführte neue Leiden nahm der medizinische Sachverständige als Leiden Nr. 4 „Zustand nach infrarnalem Aortenaneurysma“ mit einer Einschätzung nach Position 05.03.02 der Einschätzungsverordnung mit einem Einzelgrad der Behinderung von 30 v.H. auf.
Dennoch kam es im medizinischen Sachverständigengutachten vom 03.12.2018 zu einer Herabsetzung des Gesamtgrades der Behinderung um 10 v.H. auf 60 v.H., womit der Beschwerdeführer nicht einverstanden ist.
Dem Begehren des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde entsprechend holte das Bundesverwaltungsgericht ein medizinisches Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie und Ärztin für Allgemeinmedizin ein.
In deren medizinischen Gutachten vom 30.07.2020 kommt diese zwar im Ergebnis auch zu einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H., jedoch änderte diese die Leidenseinschätzungen nach der Einschätzungsverordnung bei einzelnen Leiden. Das führende Leiden des Beschwerdeführers ist nunmehr nicht mehr die chronische Polyarthritis samt den weiteren orthopädischen Leiden, sondern der insulinpflichtige Diabetes mellitus Typ II, welchen diese nach Position 09.02.02 der Einschätzungsverordnung mit einem Einzelgrad der Behinderung von 40 %, übrigens wie schon der medizinische Sachverständige der belangten Behörde in dessen Gutachten vom 03.12.2018 auch, einstufte.
Begründend führte die medizinische Sachverständige in deren Gutachten vom 30.07.2020 dazu aus, dass erstmals eine fachärztliche Einstufung durch eine Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie stattfand, und es zu einer gesonderten Einstufung der in den bisher vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachten der Ärzte für Allgemeinmedizin im ursprünglichen Leiden 1 des Beschwerdeführers zusammengefassten orthopädischen Leiden des Beschwerdeführers kam. Diese von der medizinischen Sachverständigen vorgenommene Einzelbewertung der einzelnen orthopädischen Leiden des Beschwerdeführers erfolgte entsprechend der Einschätzungsverordnung und ist schlüssig und nachvollziehbar.
Als wesentliches Argument bringt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde im Wesentlichen vor, dass vor allem seine Polyneuropathie, welche ihm erhebliche Probleme im Alltag bereite, nicht ausreichend hoch bemessen worden sei. Dem ist entgegen zu halten, dass bereits der medizinische Sachverständige im Jahr 2017 die „diabetische Polyneuropathie“ nach Position 04.06.01 der Einschätzungsverordnung mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 v.H. einstufte, wie dies auch der von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige in dessen medizinischen Sachverständigengutachten vom 03.12.2018 tat. Auch die vom Bundesverwaltungsgericht beigezogene medizinische Sachverständige führt in deren medizinischen Sachverständigengutachten dazu aus, dass eine maßgebliche Gangbildbeeinträchtigung durch Polyneuropathie nicht objektivierbar und auch nicht durch entsprechende Befunde belegt ist. Auch in dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 30.07.2020 stufte die medizinische Sachverständige dieses Leiden 8 nach Position 04.06.01 mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 v.H. ein.
Als weiteres Argument dafür, dass sein Gesamtgrad der Behinderung zumindest 70 v.H. betrage, bringt der Beschwerdeführer vor, dass er sich Ende Dezember 2018 einer Knietotalendoprothese des rechten Knies unterzogen habe, weswegen ihm ein höherer Gesamtgrad der Behinderung einzuräumen sei. Dabei übersieht der Beschwerdeführer, dass es durch die gut verheilte Knieprothese zu keiner Verschlechterung seines Knieleidens, sondern zu einer Verbesserung gekommen ist, weswegen im Leiden 4 „Knietotalendoprothese beidseits“ richtigerweise eine Neueinstufung nach Position 02.05.19 mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 v.H. vorzunehmen war.
Wenn der Beschwerdeführer moniert, dass er durch die Herabstufung seines Gesamtgrades der Behinderung von 70 v.H. auf 60 v.H Einbußen bei seinem Jahresausgleich beim Finanzamt hinnehmen müsse, womit er nicht einverstanden sei, dann übersieht er bei dieser Argumentation, dass die Neueinstufung seiner Leiden aufgrund seines eigenen Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung erfolgte. Zudem ist diese Neueinstufung der einzelnen Leiden des Beschwerdeführers ausschließlich auf Grundlage der Einstufungsverordnung auf Basis eines medizinischen Sachverständigengutachtens vorzunehmen, ob er hierfür Begünstigungen bei seinem Jahresausgleich beim Finanzamt erhält, oder nicht, hat dabei keinerlei Rolle zu spielen.
Die Sachverständige geht in ihrem Gutachten vom 30.04.2020 ausführlich auf sämtliche Einwendungen und Befunde des Beschwerdeführers ein. Der Beschwerdeführer ist den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgericht bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 30.07.2020. Es wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
…
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
…
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
…
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
§ 46 Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung beträgt 12 Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“
Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:
"Behinderung
§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Grad der Behinderung
§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gesamtgrad der Behinderung
§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Grundlage der Einschätzung
§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
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Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.
Das führende Leiden 1 des Beschwerdeführers ist ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ Il, welchen die medizinische Sachverständige richtig im oberen Rahmensatz der Position 09.02.02 mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. einstufte. Dabei berücksichtigt die medizinische Sachverständige die durch medizinische Befunde objektivierte befriedigende Stoffwechsellage und beginnende Sekundärschäden.
Das Leiden 2 des Beschwerdeführers ist eine koronare Herzkrankheit, Zustand nach Stenting, Sick-Sinus-Syndrom, Schrittmacherimplantation, intermittierendes Vorhofflimmern, Bluthochdruck, welche die medizinische Sachverständige richtig im unteren Rahmensatz der Position 05.05.02 der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. einstufte. Dabei berücksichtigte die medizinische Sachverständige, dass derzeit beim Beschwerdeführer keine Dekompensationszeichen durch medizinische Befunde objektiviert sind.
Das Leiden 3 des Beschwerdeführers ist der Zustand nach infrarenalem Aortenaneurysma, Stenting, welchen die medizinische Sachverständige richtig mit einer Stufe unter dem oberen Rahmensatz der Position 05.03.02 der Einschätzungsverordnung mit einen Grad der Behinderung von 30 v.H. einstufte, da ein erfolgreiches Stenting medizinisch objektiviert ist.
Das Leiden 4 des Beschwerdeführers sind die Knietotalendoprothesen beidseits, welche die medizinische Sachverständige richtig im unteren Rahmensatz der Position 02.05.19 der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. einstufte, weil jeweils ein gutes Operationsergebnis medizinisch objektiviert ist.
Beim Leiden 5 des Beschwerdeführers handelt es sich um eine chronische Polyarthritis, welche die medizinische Sachverständige richtig im oberen Rahmensatz der Position 02.01.01 der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. einstufte. Dabei berücksichtigte die medizinische Sachverständige, dass eine chronische Anamnese und eine etablierte Basistherapie mit geringen funktionalen Einschränkungen im Bereich der Hände vorliegen. Inkludiert ist das beim Beschwerdeführer vorliegende endlagige Beugedefizit des rechten Kleinfingergelenks.
Das Leiden 6 des Beschwerdeführers sind die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule verbunden mit Osteoporose, welche die medizinische Sachverständige richtig im oberen Rahmensatz der Position 02.01.01 der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. einstufte, wobei die medizinische Sachverständige berücksichtigte, dass der Beschwerdeführer unter rezidivierenden Beschwerden, jedoch unter geringgradigen funktionalen Einschränkungen leidet.
Das Leiden 7 des Beschwerdeführers ist eine chronische obstruktive Lungenerkrankung welche die medizinische Sachverständige richtig im unteren Rahmensatz der Position 06.06.01 der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. einstufte, da ein mildes Therapieerfordernis vorliegt.
Das Leiden 8 des Beschwerdeführers ist eine diabetische Polyneuropathie, welche die medizinische Sachverständige richtig im unteren Rahmensatz der Position 04.06.01 der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 10 v.H. einstufte, da geringgradige funktionale Einschränkungen medizinisch objektiviert sind.
Das Leiden 9 des Beschwerdeführers sind Abnützungserscheinungen beide Schultergelenke, welche die medizinische Sachverständige richtig im unteren Rahmensatz der Position 02.02.01 der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 10 v.H. einstufte. Dabei berücksichtigte die medizinische Sachverständige die medizinisch objektivierten beginnenden Abnützungserscheinungen ohne relevante funktionelle Einschränkungen.
Das Leiden 10 des Beschwerdeführers ist eine Schilddrüsenunterfunktion, welche die medizinische Sachverständige richtig im unteren Rahmensatz der Position 09.01.01 der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 10 v.H. einstufte, da diese medikamentös gut substituierbar ist.
Das Leiden 11 des Beschwerdeführers ist eine chronisch venöse Insuffizienz, welche die medizinische Sachverständige richtig im unteren Rahmensatz der Position 05.08.01 der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 10 v.H. einstufte. Dabei berücksichtigte die medizinische Sachverständige, dass keine trophischen Hautschäden nachweisbar sind.
Das Leiden 12 des Beschwerdeführers ist ein Zustand nach konventioneller Gallenblasenentfernung, welchen die medizinische Sachverständige richtig im unteren Rahmensatz der Position 07.06.01 der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 10 v.H. einstufte, da ein klinisch unauffälliger Befund und ein guter Ernährungszustand beim Beschwerdeführer vorliegt.
Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung hat bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 der Einschätzungsverordnung, sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN).
Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.07.2020 beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 25.06.2020 zu Grunde gelegt.
Der medizinische Sachverständige stellt in diesem Sachverständigengutachten fest, dass Leiden 1 durch die Leiden 2 und 3 gemeinsam um eine Stufe erhöht wird, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt. Zusätzlich stellen die Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates nach Leiden 4, 5 und 6 im Zusammenwirken ein maßgebliches Zusatzleiden dar und erhöhen ebenfalls um eine Stufe.
Die weiteren Leiden erhöhen nicht, da kein maßgebliches Zusammenwirken mit dem führenden Leiden 1 besteht. Daraus ergibt sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H.
Die vom Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde vorgebrachten Beschwerdegründe waren nicht geeignet, die durch die medizinischen Sachverständige getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes zu belegen.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nach wie vor erfüllt. Die vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde angestrebte Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung von 70 v.H. deckt sich nicht mit dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens und den Einschätzungen der Grade der Behinderungen des Beschwerdeführers nach der Einschätzungsverordnung.
Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere auf das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, das auf einer persönlichen Untersuchung beruht, auf alle Einwände und die im Verfahren vorgelegten Atteste des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingeht, und welchem der Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Beide Parteien haben keinen Verhandlungsantrag gestellt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung Neufestsetzung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W261.2215443.1.00Im RIS seit
23.11.2020Zuletzt aktualisiert am
23.11.2020