TE Vwgh Beschluss 1997/9/25 97/16/0294

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Veröffentlicht am 25.09.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/16/0385

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über den Antrag des EM in G, vertreten durch Dr. S und Dr. W, Rechtsanwälte in Linz, Fadingerstraße 15, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 3. März 1997, Zl. RM M1/1-3/96, betreffend Eingangsabgaben sowie über die mit diesem Antrag verbundene nachgeholte Beschwerde, den Beschluß gefaßt:

Spruch

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Berufungsbescheid vom 3. März 1997 betreffend Festsetzung der Eingangsabgabenschuld wurde dem Beschwerdeführer am 12. März 1997 zugestellt. Die sechswöchige Beschwerdefrist an den Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof endete am 23. April 1997.

Die Beschwerdeführervertreter gaben die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde gegen den Bescheid vom 3. März 1997 verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand am 9. Mai 1997 zur Post.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 16. Juni 1997, B 1124/97-4, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab, ohne daß - wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Beschlußbegründung meinte - über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entscheiden war.

Im Falle der Abtretung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof nach Art. 144 Abs. 3 B-VG obliegt dem Verwaltungsgerichtshof die selbständige Prüfung der Frage, ob die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof rechtzeitig eingebracht wurde (vgl. hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1985, Zl. 82/16/0155).

Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof beträgt sechs Wochen und beginnt mit dem Tag der Zustellung des Bescheides. Die sechswöchige Beschwerdefrist endete daher am 23. April 1997. Die erst am 9. Mai 1997 zur Post gegebene Beschwerde erweist sich daher als verspätet.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist ein Ereignis unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Das im Begriff der "Unvorgesehenheit" gelegene Zumutbarkeitsmoment ist dahin zu verstehen, daß die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit dann noch gewahrt ist, wenn der Partei (ihrem Vertreter) in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein "minderer Grad des Versehens" unterläuft (vgl. hg. Beschluß vom 26. November 1992, Zl. 92/06/0222). Ein solcher "minderer Grad des Versehens" (§ 1332 ABGB) liegt nur dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht. Der Wiedereinsetzungswerber darf nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten sowie Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben, wobei an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist, als an rechtsunkundige Personen (Fasching, Zivilprozeßrecht2, RZ 580).

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung weiters die Auffassung, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl. die Nachweise bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 656 f).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller schon im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand den Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen, das heißt zumindest die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens des behaupteten Ereignisses und das Nichtvorliegen eines Verschuldens des Wiedereinsetzungswerbers an der Fristversäumung darzutun (vgl. die hg. Beschluß vom 26. Mai 1995, Zl. 95/17/0147, samt weiteren Zitaten).

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird im wesentlichen darauf gestützt, der Beschwerdevertreter habe, von einem anstrengenden Tag schon etwas ermüdet, nach Beendigung seiner Arbeit um 23.00 Uhr des letzten Tages der Beschwerdefrist noch Kaffee zubereitet und sich wartend auf die Bank in der Kanzlei gesetzt. Dabei sei er eingeschlafen und erst nach 1.00 Uhr wieder wach geworden, sodaß die Post nicht mehr rechtzeitig zu dem 5 Fahrminuten von der Kanzlei entfernten, bis 24.00 Uhr geöffneten Postamt gebracht werden konnte.

Von diesem Sachverhalt ausgehend kann von einem minderen Grad des Versehens bei der Versäumung der Beschwerdefrist keine Rede sein.

Wenn der Beschwerdevertreter am letzten Tag der Frist nach Kanzleischluß noch Korrekturen des Beschwerdeschriftsatzes vornimmt, anschließend aber statt der Postaufgabe bei dem nur 5 Fahrminuten entfernten Postamt die Tagespost in der Kanzlei durchsieht und Briefe diktiert, sodaß er erst gegen 23.00 Uhr nach Beendigung dieser Arbeiten, noch dazu "etwas ermüdet", sich "wartend auf eine Bank in der Kanzlei" setzt, um die Zubereitung des Kaffees in der Filtermaschine abzuwarten, dann ließ er die für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht. Es entspricht nämlich einer allgemein bekannten Tatsache, daß man nach Abschluß einer anstrengenden Tagesarbeit kurz vor Mitternacht Gefahr läuft einzuschlafen, wenn man sich "etwas ermüdet" wartend auf eine Bank in einer sonst um diese Zeit ruhigen Umgebung einer Kanzlei niederläßt und allenfalls nur das monotone Geräusch einer Kaffeemaschine wahrnimmt. Wer sich einer solchen Situation aussetzt, ohne Vorkehrungen zu treffen, die verhindern können, daß die ohnehin nur mehr knapp zur Verfügung gestandene Zeit, innerhalb der die Postaufgabe noch fristgerecht möglich gewesen wäre, verschlafen wird, handelt auffallend sorglos.

Da somit der Wiedereinsetzungswerber nicht durch ein bloß leicht fahrlässig herbeigeführtes Ereignis an der rechtzeitigen Erhebung der Beschwerde gehindert war, war dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattzugeben.

Bei diesem Ergebnis erweist sich die Beschwerde als verspätet, sie war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997160294.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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