Entscheidungsdatum
07.09.2020Norm
ASVG §410Spruch
W151 2205847-1/17E
W151 2205847-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Mag. Dr. Reinhard Lauer, Wirtschaftstreuhänder, 1050 Wien, Brandmayergasse 36/10, gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse (vormals Wiener Gebietskrankenkasse) vom 23.07.2018, Zl: XXXX wegen Nachverrechnung von Beiträgen, Sonderbeiträgen, Umlagen und Beiträgen nach dem Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbstständigen Vorsorgegesetz
I.) beschlossen:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist wird zurückgewiesen.
II.) zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Im Zuge einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) für die Beitragsjahre 2012 bis 2016 wurde festgestellt, dass die Dienstnehmer XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX sogenannte „pauschale Abfindungen für Mehrarbeit“ („PAM“) erhalten hätten, die für Abwesenheiten der Dienstnehmer nicht verrechnet worden seien. Diese wurden im Zuge der GPLA der Beschwerdeführerin vorgeschrieben.
2. Mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse (vormals Wiener Gebietskrankenkasse) vom 23.07.2018 stellte diese fest, dass die Beschwerdeführerin verpflichtet sei, für die in der Anlage des Bescheides angeführten Dienstnehmer für die bezeichneten Zeiten Beiträge, Sonderbeiträge, Umlagen und Beiträge nach dem Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigen Vorsorgegesetz in Gesamthöhe von EUR 9.787,31 zu entrichten.
Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, die den Dienstnehmern gewährten „PAMS“s seien bei der Berechnung des Urlaubsgeldes zu berücksichtigen, da die so vergüteten Außendienste regelmäßig geleistet worden seien, auch wenn die Höhe der Entlohnung hierfür geschwankt habe.
3. In der dagegen erhobenen Beschwerde machte die Beschwerdeführerin geltend, dass im vorliegenden Fall keine Regelmäßigkeit vorliege. Die Mehrarbeitspauschalen seien ausschließlich gewährt worden, wenn die Dienstnehmer den Auftrag erhalten hätten, in den Außendienst zu fahren; meist um Aufnahmen bzw. Reportagen an bestimmten Orten herzustellen. Dies habe sich meist sehr kurzfristig ergeben. Die auswärtigen Fahrten wären nicht regelmäßig angefallen, sondern seien die Dienstnehmer lediglich im Bedarfsfall beauftragt worden. Überdies seien die Mehrarbeitspauschalen in den Sonderzahlungen berücksichtigt worden, wofür Sozialversicherungsbeiträge bereits entrichtet worden seien.
4. Die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 18.09.2018 vorgelegt.
5. Mit Eingabe vom 18.09.2018 stellte die Beschwerdeführerin einen Widereinsetzungsantrag und führte aus, die Mitarbeiterin der Kanzlei des Rechtsvertreters habe die Beschwerde am 21.08.2018 per Post, jedoch versehentlich nicht eingeschrieben, aufgegeben. Dies stelle einen minderen Grad des Versehens dar und liege das Nichteinlangen der Beschwerde nicht im Bereich der Beschwerdeführerin.
6. Mit Schreiben vom 13.06.2019 führte der Rechtsvertreter aus, er habe am 17.09.2018 erfahren, dass die Beschwerde nicht eingelangt sei. Im „Postbuch“ sei vermerkt, dass die betreffende Mitarbeiterin die Beschwerde nicht-eingeschrieben aufgegeben habe.
7. Mit Schreiben vom 12.11.2019 forderte das erkennende Gericht die Beschwerdeführerin auf, das Beschwerdevorbringen zu konkretisierten und insbesondere darzulegen, warum im Beschwerdezeitraum keine regelmäßigen Mehrdienstleistungen vorgelegen sein sollen. Die Beschwerdeführerin kam der Aufforderung mit Schreiben vom 31.12.2019 nach und führte zusammengefasst aus, dass TV-Übertragungen oft bei plötzlich entstandenen Ereignissen und aktuellen Geschehnissen gesendet wurden und die Aufträge daher anlassbezogen und völlig unregelmäßig erteilt wurden. Zudem seien die Mehrarbeitspauschalen in Form höherer Sonderzahlungen von der Beschwerdeführerin berücksichtigt worden und sollten daher nicht nochmals zur Verrechnung kommen, da damit eine Mehrfachbelastung des gleichen Entgeltbestandteiles eintreten würde. Vorgelegt wurden weiters Aufzeichnungen zu Pauschalen Abfindungen für Mehrarbeit zu XXXX .
8. Zu der im Parteiengehör übermittelten Stellungnahme der Beschwerdeführerin äußerte sich die belangte Behörde mit Schreiben vom 03.06.2020 und führte aus, regelmäßiges Entgelt liege nicht nur dann vor, wenn bereits konkret im Voraus vorhersehbar ist, dass Mehrarbeit anfallen werde oder wenn Mehrarbeit „gleichmäßig" (also z.B. immer am selben Wochentag) anfalle, sondern sei gerade dann, wenn die anfallende Mehrarbeit nicht konkret vorhersehbar ist bzw. ungleichmäßig auftrete, zu prüfen, ob im Vergleichszeitraum diese Mehrarbeit auf eine Art aufgetreten sei, dass erwartet werden könne, dass diese auch in der arbeitsfreien Zeit (etwa wegen Urlaub oder Krankheit) angefallen wäre. Aus den vom Dienstgeber vorgelegten Aufzeichnungen sei für sämtliche genannte Dienstnehmer erkennbar, dass die Mehrarbeitspauschalen, wenn auch in unterschiedlicher Höhe und nicht täglich, so doch jeden Monat, bei einigen Dienstnehmern auch jede Woche, ausbezahlt worden sei. Es habe sich somit nicht nur um ausnahmsweise oder gelegentlich angefallene Mehrarbeit gehandelt, sondern seien diese Zahlungen in einer Häufigkeit geleistet worden, dass keinerlei Zweifel am Vorliegen des Kriteriums der „Regelmäßigkeit" iSd UrlG, EFZG und ARG aufkommen könne.
Im Zuge der GPLA sei keine Weihnachtsremuneration nachverrechnet worden.
9. Die Beschwerdeführerin replizierte mit Schreiben vom 19.08.2020 und brachte vor, es liege keine Regelmäßigkeit der Mehrarbeitsentgelte vor, die Behörde gehe von einem falschen Sachverhalt aus. Die Mehrarbeitspauschalen seien in Form höherer Sonderzahlungen von der Beschwerdeführerin berücksichtigt worden und sollten daher nicht nochmals zur Verrechnung kommen
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Dienstnehmer XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX erhielten im Prüfzeitraum 2012 bis 2016 von der Beschwerdeführerin sogenannte „pauschale Abfindungen für Mehrarbeit“ („PAM“) ausbezahlt. Dabei handelte es sich um pauschale Abgeltungen von Außendiensten der Dienstnehmer, wie etwa Reportagen an bestimmten Orten.
1.2. Die Mehrarbeitsleistungen der Dienstnehmer im genannten Zeitraum wurden mit Ausnahme von krankheits- bzw. urlaubsbedingten Abwesenheiten jeden Monat, nahezu wöchentlich an bis zu fünf (vereinzelt auch sechs) Tagen pro Woche in unterschiedlichem Stundenausmaß geleistet und mit Pauschalbeträgen von EUR 69,00, EUR 138,00 und EUR 300,00, abgegolten.
1.3. Die pauschalen Abfindungen für Mehrdienstleistungen der einzelnen Dienstnehmer betrugen im Beschwerdezeitraum (in Eurobeträgen pro Monat) wie folgt:
2012
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
Jänner
1.176
Februar
1.035
März
1.242
April
1.518
Mai
828
Juni
1.242
Juli
2.198 (+10)
August
1.945
September
552
Oktober
2.001
November
2.118
Dezember
909
2013
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
Jänner
1.749
1.749
1.587
625
Februar
1.380
1.311
2.556
456
März
1.214
1.242
1.311
494
April
1.242
1.818
1.335
1.495
Mai
2.349
1.980
2.373
1.310
Juni
2.256
1.014
1.108
2.509
Juli
1.587
1.587
2.025
1.083
August
2.025
1.242
3.639
868
September
783
2.232
1.887
1.735
Oktober
897
1.587
1.104
1.457
November
1242
1.242
1.473
608
Dezember
1.174
483
345
489
2014
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
Jänner
1.104
1.449
1.104
1.668
Februar
414
1.173
1.242
1.270
März
0
1.518
2.118
1.710
April
1.312
1.380
1.887
1.890
Mai
2.718
1.749
1.311
2.430
Juni
1.242
2.418
2.649
2.470
Juli
1.242
897
1.104
1.000
August
1.335
1.104
1.911
650
September
1.380
1.380
1.980
Oktober
759
1.380
1.311
1.300
November
0
1.518
1.380
2.130
Dezember
1.449
1.242
1.000
2015
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
Jänner
945
Februar
690
März
1.642
April
1.166
Mai
1.690
Juni
1.711
Juli
759
August
1.580
September
2.187
Oktober
1.014
November
1.704
Dezember
1.359
2016
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
Jänner
1.173
966
690
1.173
1.960
Februar
1.335
1.242
1.542
1.518
1.840
März
1.104
2.625
1.035
1.680
1.600
April
1.686
2.172
1.971
1.464
2.370
Mai
1.242
2.028
1.173
2.910
2.590
Juni
897
2.318
1.518
1.818
2.480
Juli
897
1.632
966
1.173
1.920
August
621
1.773
714
1.911
1.070
September
1.242
2.394
1.656
483
2.150
Oktober
1.104
1.335
1.887
1.887
2.100
November
966
1.542
1.380
1.380
1.870
Dezember
759
1.104
1.104
1.242
2.855
2017
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
Jänner
1.104
Februar
0
März