TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/10 W102 2182399-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.09.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.09.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W102 2182399-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Dr. Helmut BLUM LL.M., gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West (EASt-West), vom 17.11.2017, Zl. XXXX - XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.08.2020 zu Recht erkannt:

A)       Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 05.11.2015 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 06.11.2015 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, er sei im Alter von zehn Jahren mit seiner Mutter in den Iran ausgereist und etwa zwei Jahre zuvor vom Iran nach Afghanistan abgeschoben worden. Er sei nach einem Monat illegal zurück in den Iran gegangen. Sie hätten Feinde in Afghanistan, der Vater sei von seinen Feinden getötet worden, er habe damals für die Behörden gearbeitet. Er habe Angst vor den Feinden, den Grund für die Feindschaft kenne er nicht, er wisse nichts über die Feinde.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 08.11.2017 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, er sei vom Iran zurückgeschickt worden und nach Faryab gefahren, um eine Tazkira ausstellen zu lassen. Ins Herkunftsdorf habe er nicht gehen können, es sei von den Taliban eingenommen worden. Vom Standesamt sei er zur Polizei geschickt worden, wo man ihm gesagt habe, er solle zwei Zeugen mitbringen. Er habe aber niemanden gekannt. Sie hätten gefragt, wer er sei, wer Vater und Großvater seien. Er habe sich vorgestellt und sie hätten gefragt, ob er der Sohn des Mannes sei, der für die Regierung von Dr. Najib gearbeitet habe. Er sei Kommunist gewesen. Dann hätten sie ihn festnehmen wollen und er sei geflüchtet. Der Vater sei Stellvertreter des Polizeidirektors gewesen. Die Mujaheddin hätten alle getötet, die für den Staat gearbeitet hätten. Der ältere Bruder sei gemeinsam mit dem Vater getötet worden.

2.       Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17.11.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, das Fluchtvorbringen sei nicht glaubhaft. Die Angaben zur Reiseroute seien nicht konsistent, ebenso die Zeitangaben. Der Beschwerdeführer habe nicht angegeben können, ob sein Vater im Dienst getötet worden sei und was sein Bruder gearbeitet habe. 1997 habe es die Mujaheddin Regierung nicht mehr gegeben. Die Tazkira könne auch, wenn eine Ausstellung in der Herkunftsprovinz wegen eines Problems nicht möglich sei, in Kabul bezogen werden. Davon, dass der Beschwerdeführer dies habe wissen müssen, könne ausgegangen werden. Bei der Schilderung des Besuches am Polizeirevier würden Ungereimtheiten auffallen, der Beschwerdeführer könne die Uhrzeit aber nicht den Tag angeben. Es sei nicht zu erwarten, dass die Polizei den Beschwerdeführer vor die Tür schicke, wenn sie beabsichtige, ihn festzunehmen. Es gebe kein Meldewesen in Afghanistan, die Suche nach einer Person sei daher eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer 20 Jahre später wegen der beruflichen Tätigkeit des Vaters gesucht werden solle. Auch habe der Beschwerdeführer auf dem Weg nach Österreich mehrere sichere Staaten durchreist, er hätte, wenn ihm tatsächlich Verfolgung drohen würde, seinen Antrag bereits dort gestellt. Aus diesem Unterlassen könne geschlossen werden, dass er andere Motive als jene der Schutzsuche habe. Der Beschwerdeführer erwecke mit seinen widersprüchlichen Angaben den Eindruck, er wolle seine familiären Verhältnisse verschleiern, er habe seinen Bruder in der Erstbefragung nicht erwähnt. Aus diversen Statistiken ergebe sich, dass Einzelkinder in Afghanistan zwar möglich, jedoch gänzlich unüblich seien, eine afghanische Frau bekomme im Schnitt fünf Kinder. Es sei daher höchst fraglich, dass gerade beim Beschwerdeführer lediglich die Mutter einen Bruder habe. Dass er mit der Mutter nicht darüber gesprochen habe, sei nicht nachvollziehbar. Die Herkunftsprovinz sei volatil, die Ansiedelung in einer vergleichsweise sicheren Stadt wie Kabul dem Beschwerdeführer jedoch zumutbar.

3.       Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2017 richtet sich die am 27.12.2017 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, die Annahme der belangten Behörde, der zufolge das Vorbringen nicht glaubhaft sei, sei nicht nachvollziehbar und durch die beweiswürdigenden Ausführungen nicht hinreichend begründet, die Annahme sei daher willkürlich getroffen. Die Sicherheitslage sei schlecht, eine Niederlassung nicht zumutbar.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 15.04.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache der bis dahin zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und in der Folge der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

Am 31.07.2020 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den mit Ladung des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.07.2020 in das Verfahren eingebrachten Länderberichten ein. Es wird ausgeführt, der Beschwerdeführer unterliege im Fall der Rückkehr Verfolgung aufgrund der Tätigkeit des Vaters und habe dies bereits im Jahr 2015 erfahren müssen, als er aus dem Iran nach Afghanistan abgeschoben worden sei. Er habe kein soziales Netzwerk und würde in eine ausweglose Lage geraten. Er sei mit den Verhältnissen in Afghanistan nicht mehr vertraut. Im Hinblick auf die Pandemie und die in diesem Zusammenhang getroffenen Maßnahmen bestehe keine Möglichkeit, durch irgendeine Erwerbstätigkeit den Lebensunterhalt sicherzustellen. Der Beschwerdeführer sei Analphabet und habe keine Schulausbildung. Auch aus der gutachterlichen Stellungnahme des länderkundlichen Sachverständigen XXXX im Verfahren W1009 2204745 gehe hervor, dass Rückkehrer auf sich selbst gestellt seien und Kapital zur Verfügung haben müssten, um sich etablieren und das Überleben sichern zu können. Auch der Sachverständige gehe davon aus, dass Afghanistan sehr stark von der Pandemie betroffen sei. Hinzu komme die Problematik einer Verfolgung aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer Atheist sei und sich keiner Religion mehr zugehörig fühle.

Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 10.08.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, er werde wegen der Tätigkeit seines Vaters im Herkunftsstaat verfolgt und sei kein Moslem, im Wesentlichen aufrecht.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

?        Deutschkursbestätigungen

?        Medizinische Unterlagen

?        Beschäftigungsbewilligungen (Branchenkontingent)

?        Lohn-Gehaltsabrechnungen

?        Austrittsbestätigung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich

?        Arbeits- und Entgeltsbestätigung

?        Unterstützerliste

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren im Jahr XXXX und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Er spricht auch Usbekisch.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer wurde in einem Dorf im Distrikt XXXX , Provinz Faryab geboren und reiste im Alter von etwa zehn Jahre mit seiner Mutter und seinem Onkel mütterlicherseits nach dem Tod von Vater und Bruder in den Iran aus.

Der Beschwerdeführer hat keine Schule besucht. Im Iran arbeitete er als Bauarbeiter.

Ende 2015 wurde der Beschwerdeführer nach Afghanistan abgeschoben und reiste nach wenigen Wochen wieder in den Iran aus.

Die Mutter des Beschwerdeführers starb im Iran an einer Erkrankung. Der Onkel ist unbekannten Aufenthaltes.

In Österreich arbeitet der Beschwerdeführer seit Juni 2019 mit Unterbrechungen als Koch in einer Pizzeria. Zuletzt wurde eine Beschäftigungsbewilligung bis 28.11.2020 erteilt.

1.2.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer wurde nicht nach muslimischen Grundsätzen erzogen, sein Vater lehnte den Islam ab. Die Familie fastete im Ramadan nicht und verrichtete auch keine Gebete, versuchte dies jedoch vor den Nachbarn zu verbergen. Im Iran hat der Beschwerdeführer den Moscheebesuch ebenfalls als Zwang erlebt. Er bekennt sich in freier Überzeugung nicht zum Islam und lebt nicht nach dessen Regeln. Der Beschwerdeführer gehört keiner Religion an.

Im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat drohen dem Beschwerdeführer Übergriffe von privater Seite sowie staatliche strafrechtliche Verfolgung bis hin zu Todesstrafe, falls er sich zu seiner Abwendung vom Islam bekennt. Diese Gefahr besteht landesweit.

2. Beweiswürdigung:

2.1.    Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seinen Sprachkenntnissen sowie Lebensumständen und Lebenswandel bis zur Einreise nach Österreich ergeben sich aus seinen gleichbleibenden und plausiblen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Auch die belangte Behörde ging in ihrem Bescheid bereits von der Glaubwürdigkeit der diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers aus. Zur Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers siehe sogleich unter 2.2.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden XXXX Im Hinblick auf die diskreditierende E-Mail vom 07.08.2020 ist anzumerken, dass es für das Zutreffen der darin aufgestellten, diffamierenden Behauptungen keinerlei Belege oder Hinweise gibt. Das Bundesverwaltungsgericht sieht sich in dieser Richtung daher nicht zu weiteren Ermittlungen veranlasst.

Im Hinblick auf die Ausführungen der belangten Behörde zur Reiseroute ist anzumerken, dass sich diese im Wesentlichen darauf beschränken, Ungenauigkeiten in den Angaben des Beschwerdeführers zu Scheinwidersprüchen zu konstruieren. So sind Zeitschätzungen im Allgemeinen ungenau, insbesondere, wenn sie sich auf längere Zeiträume beziehen, weswegen die diesbezüglich von der belangten Behörde hervorgestrichenen Abweichungen nicht ins Gewicht fallen. Im Hinblick auf den „Widerspruch“ der Beschwerdeführer habe zunächst angegeben, er sei „gleich in den Iran gefahren“ und später, er sei zunächst nach Mazar-e-Sharif, dann nach Kabul und dann über Nimrus in den Iran (AS 212), ist anzumerken, dass im Protokoll der Einvernahme vom 08.11.2017 protokolliert ist, der Beschwerdeführer sei von Faryab in den Iran (AS 93). Welche Route er dafür gewählt hat, geht dagegen aus diesen Angaben des Beschwerdeführers nicht hervor und wurde er dies auch nicht im Detail gefragt. Darin, dass er später in derselben Einvernahme angibt, er habe in Faryab ein Taxi genommen, sei zur Bushaltestellte gefahren, dort in ein weiteres Taxi gestiegen, sei nach Kabul gefahren, dann nach Nimrus und dann in den Iran (AS 101), ist damit weniger ein Widerspruch zu seinen ursprünglichen Angaben ersichtlich, als eine Konkretisierung der gewählten Route. Im Hinblick auf die Ausführungen der belangten Behörde, „dass selbst ein Analphabet wissen müsste, wie lange er sich tatsächlich in einem Hotel aufgehalten hat“, ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer diese Angaben mit 20 Tage bis ein Monat (AS 93) hinreichend genau und gleichbleibend (in der Erstbefragung „etwa ein Monat“, AS 25) tätigt. Auch der Vorwurf, der Beschwerdeführer müsse wissen, ob er vor der Ausreise nach Europa noch ein paar Tage oder etwa ein Jahr im Iran aufgehalten hätte, scheint – nachdem der Beschwerdeführer seine Ausreise in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 08.11.2017 stringent schildert – als unbegründet. In der Erstbefragung finden sich dagegen lediglich „ca“-Angaben und keine konkrete Protokollierung zur Aufenthaltsdauer im Iran nach der Rückkehr aus der Abschiebung und ist im Protokoll der Erstbefragung auch ersichtlich, dass etwa die Protokollierung der Reiseroute vom Staat des ständigen Aufenthaltes aus erfolgt ist. Die von der belangten Behörde konstruierten „präzisen“ Berechnungen anhand der geschätzten Zeitangaben des Beschwerdeführers erweist sich insgesamt als nicht geeignet, die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Lebenswandel und seinen Reisebewegungen in Zweifel zu ziehen. Im Hinblick auf die Ausführungen der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe wissen müssen, dass er eine Tazkira auch in Kabul habe bekommen können (AS 213), ist am Rande anzumerken, dass die von der Behörde selbst herangezogene Anfragenbeantwortung bestätigt, dass der Beschwerdeführer eine Tazkira normalerweise nur in seiner Herkunftsprovinz erhalten kann (AS 73). Die Ausstellung in Kabul sei lediglich möglich, wenn es aufgrund eines Problems nicht möglich sei, die Tazkira in der Herkunftsprovinz zu beziehen. Damit ergibt sich hieraus nicht, dass der Beschwerdeführer in Kabul eine Tazkira erhalten hätte können und legt die belangte Behörde auch nicht nachvollziehbar dar, warum sie im Fall des Beschwerdeführers davon ausgeht, dass ein „Problem“ vorliegt, das die Ausstellung einer Tazkira in Kabul rechtfertigen würde. Vielmehr scheint nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer sich ein Dokument über seine Identität ausstellen lassen wollte und hierzu in seine Herkunftsprovinz gereist ist.

Die Feststellungen zur Tätigkeit des Beschwerdeführers als Koch in Österreich beruhen auf den vorgelegten Beschäftigungsbewilligungsbescheiden, Lohn-Gehaltsabrechnungen und dem Bestätigungsschreiben seines Arbeitgebers. Auch der Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem bestätigt, dass der Beschwerdeführer seit Juni 2019 keine Grundversorgung mehr bezieht, eine Beschäftigungsbewilligung erhalten hat und für die Zeit der Beschäftigung beim Dienstgeber wohnt.

2.2.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur religiösen Überzeugung des Beschwerdeführers beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.08.2020, sowie auf dem persönlichen Eindruck, den der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichts bei dieser Gelegenheit vom Beschwerdeführer gewinnen konnte.

Zunächst fügt sich bereits die Schilderung des Beschwerdeführers im Hinblick auf die religiöse Überzeugung seines Vaters in die Angaben des Beschwerdeführers im Lauf des Verfahrens ein. So hat der Beschwerdeführer im Wesentlichen durchgehend angegeben, sein Vater sei Kommunist gewesen bzw. habe für die kommunistische Regierung gearbeitet. Vor dem Hintergrund der Geschichte und des – unter anderem – auf säkulare Modernisierung ausgerichteten politischen Programmes der „Demokratische Volkspartei Afghanistans“ fügt sich die Angabe des Beschwerdeführers, der Vater habe selbst nicht an den Islam geglaubt und ihn auch nicht nach islamischen Grundsätzen erzogen, stimmig in die Angaben des Beschwerdeführers im Lauf des Verfahrens ein. So gab dieser durchgehend an, der Vater habe (zuletzt) für die Regierung Dr. Najibullah gearbeitet (AS 95) bzw. für die Regierung zur Zeit der Kommunisten. Auch in der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer bereits an, sein Vater habe „damals“ für die Behörden gearbeitet. Dass bereits der Vater des Beschwerdeführers als Unterstützer bzw. Mitarbeiter der kommunistischen Regierung ein säkulares Weltbild hatte, kein gläubiger Moslem war und dies auch an seinen Sohn weitergab, erscheint somit plausibel. Zudem schilderte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.08.2020 lebendig und detailliert die von der Familie zur Verschleierung ihrer unterlassenen Glaubensausübung unternommenen Maßnahmen, nämlich, dass sie etwa zur Zeit des Morgengebetes und im Ramadan vor dem Morgengebet das Licht eingeschaltet hätten, damit die Nachbarn glauben würden, die Familie würde beten bzw. essen, um am nächsten Tag fasten zu können (OZ 9, S. 6). Weiter trug der Beschwerdeführer die persönliche Verknüpfung seiner Ablehnung des Islams mit seinen negativen Erlebnissen als illegaler Flüchtling im Iran („ich habe dort als Flüchtling gelebt und habe keinerlei Gutes erlebt“, OZ 9, S. 6) mit Überzeugungskraft vor und unterstrich seine in diesem Zusammenhang geäußerte Überzeugung „Im Islam gibt es nichts, was mich überzeugen konnte, dass er gut wäre“ auch in Mimik und Gestik authentisch. Dass der Beschwerdeführer sein nach seinen Angaben schweres Leben auch mit der Staatsreligion des Aufenthaltsstaates verknüpft, erscheint zumindest nicht unplausibel. Auch legte der Beschwerdeführer, als der erkennende Einzelrichter ihn zu seiner Meinung zum Christentum befragte, überzeugend dar, dass es zwar richtig sei, dass man Gutes tun solle, hierzu müsse man jedoch keiner Religion angehören (OZ 9, S. 6). Zudem lässt auch die soziale Einbettung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seine Ablehnung des Islam glaubhaft erscheinen. So ist der Beschwerdeführer seit über einem Jahr im Bundesgebiet berufstätig, lebt nicht in einem Grundversorgungsquartiert und konnte seiner nachvollziehbaren Schilderung zufolge insbesondere durch seine Arbeit Bekannten und Freunden in Österreich gewinnen (OZ 9, S. 4). Demnach braucht der Beschwerdeführer mit sozialer Ächtung wegen seiner Missachtung des Islam aus seinem Umfeld nicht zu rechnen und erscheint auch unter diesem Gesichtspunkt plausibel, dass er nicht nach den Regeln des Islam lebt. Insgesamt kommt das Bundesverwaltungsgericht zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer sich tatsächlich aus freier Überzeugung nicht zum Islam bekennt und – wie von ihm beschrieben – nicht nach den Regeln des Islam lebt und dies insbesondere auch beibehalten möchte.

Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffe von privater Seite sowie staatliche strafrechtliche Verfolgung bis hin zu Todesstrafe droht, weil er sich vom Islam abgewandt hat, beruht auf der vom Bundesverwaltungsgericht mit Ladung vom 09.07.2020 (OZ 7) in das Verfahren eingebrachten EASO Country Guidance: Afghanistan von Juni 2019 (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 16.Individuals considered to have committed blasphemy and/or apostasy, S. 68 f.). Dieser ist zu entnehmen, dass Apostasie mit Todesstrafe, Haftstrafe oder Konfiskation von Eigentum bestraft wird und als schwere Straftat einzustufen ist. Verfolgungsfälle sind in den vergangenen Jahren dokumentiert. Atheisten könnten ihre Ansichten bzw. ihr Verhältnis zum Islam nicht offen kundtun, ohne dem Risiko von Sanktionen oder Gewalt ausgesetzt zu sein. Auch die Familie sei betroffen. Gleiches berichtet im Wesentlichen auch das ebenso mit Ladung vom 09.07.2020 (OZ 7) vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 29.06.2020, demzufolge in Afghanistan unter dem Einfluss der Scharia unter anderem für Apostasie die Todesstrafe droht (Kapitel 14. Todesstrafe) und wo auch von Strafen für Apostasie (für Männer gilt die Enthauptung als angemessene Strafe) berichtet wird (Kapitel 15. Religionsfreiheit, insbesondere Unterkapitel 15.5. Apostasie, Blasphemie, Konversion). Die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel 5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Buchstabe b) Konversion vom Islam und c) Andere Handlungen, die gegen die Scharia verstoßen, S. 72 f.) – mit Ladung vom 09.07.2020 (OZ 7) in das Verfahren eingebracht – berichten ebenso davon, dass der Glaubensabfall mit Todesstrafe geahndet werde. Neben der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung wird auch von gesellschaftlicher Ächtung, Gewalt durch Familienangehörige und andere Mitglieder der Gemeinschaft, die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte berichtet. Die Berichte nehmen keinen Teil des Staatsgebietes davon aus, weswegen festgestellt wurde, dass die Gefahr landesweit besteht. Von derartigen privaten Repressionen berichtet auch das Länderinformationsblatt (Kapitel 15. Religionsfreiheit, Unterkapitel 15.5. Apostasie, Blasphemie, Konversion).

Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zum Fluchtvorbringen einer asylrechtliche relevanten Verfolgung wegen Apostasie

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person unter anderem, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Religion verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).

Nach dem gemäß § 2 Abs. 1 Z 12 AsylG unmittelbar anwendbaren Art. 10 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes Abl L 337/9 vom 20.12.2011 (Statusrichtlinie) umfasst der Begriff der Religion insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Geschützt ist demnach die Entscheidung aus innerer Überzeugung religiöse zu leben, aber auch die Entscheidung, aufgrund religiösen Desinteresses jegliche religiöse Betätigung zu unterlassen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht. § 3, K40).

Auch der Verwaltungsgerichtshof hat zum Religionsbegriff der GFK unter Verweis auf die oben zitierte Bestimmung der Statusrichtlinie bereits ausgesprochen, dass dieser auch atheistische Glaubensüberzeugungen umfasst (VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0395).

Asylrelevant kann demnach nicht nur die Konversion zu einer anderen Religion sein, sondern auch die bloße Abkehr von einer Glaubensgemeinschaft, ohne sich hernach einer anderen Glaubensgemeinschaft anzuschließen.

Nach dem mit „Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit“ übertitelten Art. 10 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. C 202 vom 7.6.2016, S. 389–405, umfasst dieses Recht die Freiheit, die Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht, Bräuche und Riten zu bekennen.

Im Wesentlichen inhaltsgleich gewährt auch Art. 9 EMRK als in der EMRK gewährleistetes Grundrecht, die gemäß Art. 6 Abs. 3 Vertrag über die Europäische Union (EUV) als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts sind, Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit.

Nach diesen normativen Vorgaben (auch unter Berücksichtigung der bereits zitierten Bestimmungen der Statusrichtlinie) umfasst der Religionsbegriff des Art. 1 Abschnitt A, Z 2 GFK damit nicht nur die individuelle Glaubensfreiheit als Kern der Religionsfreiheit („forum internum“), sondern auch das öffentliche Bekenntnis und die Freiheit zur Ausübung (bzw. Nichtausübung) der Religion („forum externum“). Demnach ist es einem Asylwerber für den Rückkehrfall nicht zumutbar, seine innere Überzeugung verstecken zu müssen.

In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz von Konversionen setzt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur voraus, dass der Betroffene einen inneren Entschluss zum Glaubenswechsel gefasst hat (zuletzt VwGH 07.05.2018, Ra 2018/20/0186). Die bloße Behauptung eines „Interesses am Christentum“ reicht zur Geltendmachung einer asylrechtlich relevanten Konversion zum Christentum nicht aus (VwGH 20.06.2017, Ra 2017/01/0076).

Das Bundesverwaltungsgericht geht angesichts der bereits näher erläuterten Gleichstellung von theistischen, atheistischen und nichttheistischen Glaubensüberzeugungen durch die Statusrichtlinie und die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs von der Übertragbarkeit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Konversion auch auf Fälle der bloßen Abkehr vom Glauben aus. Voraussetzung für die Asylrelevanz einer solchen Abkehr vom Glauben ist daher, dass diese aufgrund eines inneren Entschlusses erfolgt.

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt konnte der Beschwerdeführer glaubhaft machen, dass er sich aus freier Überzeugung nicht zum Islam bekennt und nicht nach dessen Regeln lebt. Wie ebenso festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt drohen dem Beschwerdeführer deshalb – wenn er seiner inneren Überzeugung im Herkunftssaat in seiner täglichen Lebensführung folgt und etwa seine Ablehnung des Islam kundtut oder nicht nach den Regeln des Islam lebt – im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffe von privater Seite sowie strafrechtliche Verfolgung bis hin zu Todesstrafe wegen seiner Abkehr vom Islam. Damit konnte der Beschwerdeführer glaubhaft machen, dass ihm im Sinne der oben zitierten Bestimmungen und Rechtsprechung im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung droht.

Es sind im Verfahren auch keine Asylausschlussgründe gemäß § 6 AsylG hervorgekommen.

3.2.    Zum Nichtvorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative

Nach § 3 Abs. 3 Z 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht.

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt bezieht sich die Gefährdung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Abkehr vom Islam auf das gesamte Staatsgebiet des Herkunftsstaates. Damit steht dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG nicht zur Verfügung.

3.3.    Zum übrigen Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers 

Nachdem dem Beschwerdeführer bereits aufgrund seiner Abkehr vom Islam Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit dem übrigen Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers (Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie des Vaters).

3.4.    Zur Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird das Einreise- und Aufenthaltsrecht des Asylberechtigten unmittelbar kraft Gesetzes bestimmt. Die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter hat somit nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht zu erfolgen. Auch gemäß § 3 Abs. 4 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 kommt dem Asylberechtigten eine entsprechende Aufenthaltsberechtigung zu, ohne dass eine darüberhinausgehende Erteilung dieser Berechtigung vorzunehmen wäre (VwGH 03.05.2018, Ra 2017/19/0373).

Dem Beschwerdeführer war daher spruchgemäß nach § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Ihm kommt damit unmittelbar kraft Gesetzes (VwGH 03.05.2018, Ra 2017/19/0373) eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu, die (vorerst) für drei Jahre gilt.

4.       Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht folgt in seiner rechtlichen Beurteilung der möglichen Asylrelevanz der Abkehr des Beschwerdeführers vom Islam der unter A) zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der zufolge der Religionsbegriff der GFK auch atheistische Glaubensüberzeugungen umfasst (VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0395), wobei sich das Bundesverwaltungsgericht zusätzlich an der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Notwendigkeit des Vorliegens eines inneren Entschlusses bei Konversionen (etwa VwGH 07.05.2018, Ra 2018/20/0186, VwGH 20.06.2017, Ra 2017/01/0076 und VwGH 29.05.2019, Ra 2019/20/0230) orientieren konnte. Ansonsten waren – insbesondere für die Frage, ob der Beschwerdeführer das Vorliegen einer inneren Glaubensüberzeugung glaubhaft machen konnte – beweiswürdigende Erwägungen maßgeblich.

Schlagworte

Apostasie asylrechtlich relevante Verfolgung gesamtes Staatsgebiet Religion staatliche Verfolgung strafrechtliche Verfolgung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W102.2182399.1.00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten