TE Vfgh Erkenntnis 1995/10/13 G27/94, G28/94, G100/94

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Veröffentlicht am 13.10.1995
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6650 Landwirtschaftliches Siedlungswesen

Norm

B-VG Art12 Abs1
FlVfGG 1951 §4 Abs7
Tir FlVLG 1978 §15 Abs1

Leitsatz

Keine Grundsatzgesetzwidrigkeit einer ausführungsgesetzlichen Bestimmung über die Neubewertung von Abfindungsgrundstücken im Zuge eines Flurverfassungsverfahrens lediglich bis zur Übernahme der Grundstücke nicht jedoch danach; grundsatzgesetzliches Gebot der Berücksichtigung von Bodenwertänderungen im Laufe eines Verfahrens nicht verletzt; sachliche Abgrenzung der Nutzen- und Gefahrtragung

Spruch

Den Anträgen wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verwaltungsgerichtshof sind zu den Zlen. 91/07/0073, 91/07/0074 und 93/07/0098 Verfahren über Beschwerden anhängig, welchen folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Mit den beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen beiden Bescheiden des Landesagrarsenats beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 18. April 1991 und dem Erkenntnis des Obersten Agrarsenates beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 7. Oktober 1992 wurden Beschwerden gegen den im Zusammenlegungsverfahren S mit Bescheid vom 28. Juli 1988 erlassenen Zusammenlegungsplan abgewiesen. Dies wurde im wesentlichen damit begründet, daß einer Neubewertung der Altgrundstücke wegen Wertänderungen durch Änderung der Flächenwidmung die Bestimmung des §15 Abs1 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1978 entgegenstehe, nach welcher eine Neubewertung aus diesem Grunde nur vor der Übernahme der Abfindungsgrundstücke vorzunehmen sei.

Aus Anlaß dieser Beschwerden stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 16. November 1993, Zlen. A33/93 und A32/93 sowie vom 18. März 1994, Zl. A3/94 gemäß Art140 Abs1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, in §15 Abs1 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1978, LGBl. 54, idF LGBl. 18/1984, die Worte ", jedoch vor der Übernahme der Abfindungsgrundstücke" als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Die dem Antrag zugrunde liegende Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die Wortfolge, hinsichtlich der die Prüfung beantragt wurde, ist hervorgehoben):

2.1. Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 (FGG), BGBl. 103, zuletzt geändert durch BGBl. 903/1993 (Flurverfassungsnovelle 1993)

"Bewertung

§3 (1) Die Grundstücke, die der Zusammenlegung unterzogen oder die für die Zusammenlegung in Anspruch genommen werden, sind unter Mitwirkung der Zusammenlegungsgemeinschaft zu schätzen. Die Schätzung hat auf Grund übereinstimmender, den tatsächlichen Verhältnissen entsprechender Erklärungen der Parteien oder im Wege der amtlichen Ermittlung nach gleichartigen, für jedes Grundstück, unabhängig von seiner Zuordnung zu einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb und unabhängig von der Person des jeweiligen Besitzers, anzuwendenden Wertermittlungsgrundlagen zu erfolgen.

(2) Vorübergehende Mehr- und Minderwerte der Grundstücke sowie bei der Bewertung nicht berücksichtigte Verhältnisse und Gegenstände sind gesondert festzustellen und in Geld auszugleichen, sofern zwischen den Parteien nichts anderes vereinbart ist.

Neuordnung

§4 (1) ...

(2) Jede Partei, deren Grundstücke der Zusammenlegung unterzogen werden, hat Anspruch, unter Anrechnung der Grundaufbringung gemäß Abs6 entsprechend dem Wert ihrer in das Verfahren einbezogenen Grundstücke mit Grundstücken von tunlichst gleicher Beschaffenheit abgefunden zu werden.

(3) - (5) ...

(6) Der Grund für gemeinsame Anlagen ist von den Parteien im Verhältnis der Werte ihrer Grundabfindungen aufzubringen, soweit er durch vorhandene gemeinsame Anlagen nicht gedeckt ist. Parteien, für die sich durch die gemeinsamen Anlagen kein oder nur ein geringfügiger Vorteil ergibt, können von der Grundaufbringung ganz oder teilweise befreit werden. Gemeinsame Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind Anlagen, die zur zweckmäßigen Erschließung und Bewirtschaftung der Grundstücke notwendig sind oder sonst die Ziele der Zusammenlegung fördern und einer Mehrheit von Parteien dienen.

(7) Bodenwertänderungen, die sich im Laufe des Verfahrens ergeben, sind zu berücksichtigen.

(8) ...

Rechtliche Beziehungen zu dritten Personen

§5 (1) Das Eigentum an den Grundabfindungen geht, sofern eine vorläufige Übernahme (§11) nicht angeordnet wurde, mit der Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes auf die Übernehmer über.

(2) - (4) ...

Vorläufige Übernahme und Auszahlung

§11 (1) Die Behörde kann nach Erlassung des Planes der gemeinsamen Anlagen und Maßnahmen und vor Erlassung des Zusammenlegungsplanes, unbeschadet des Berufungsrechtes gegen diese Bescheide, die vorläufige Übernahme von Grundabfindungen anordnen, wenn

1. dies zur zweckmäßigen Bewirtschaftung des Zusammenlegungsgebietes erforderlich ist und

2. Besitzstandsausweis und Bewertungsplan bereits in Rechtskraft erwachsen sind und

3. die Bewirtschaftung der zu übernehmenden Grundabfindungen möglich ist und

4. die Behörde die zu übernehmenden Grundabfindungen in der Natur abgesteckt, jeder Partei erläutert und über deren Verlangen vorgezeigt sowie der Partei Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat und

5. mindestens zwei Drittel der Parteien, die Grundabfindungen übernehmen sollen, der vorläufigen Übernahme zugestimmt haben; wer keine Erklärung abgibt, hat als zustimmend zu gelten.

(2) Mit der Anordnung der vorläufigen Übernahme der Grundabfindungen geht das Eigentum an den Grundabfindungen auf den Übernehmer unter der auflösenden Bedingung über, daß es mit der Rechtskraft des Bescheides erlischt, der die Grundabfindung einer anderen Partei zuweist.

(3) Die Behörde kann auch die Auszahlung vorläufiger Geldabfindungen und Geldausgleiche anordnen.

Ausgleich für nachträgliche Wertminderungen

§14. (1) Wurde der Wert eines der Zusammenlegung unterzogenen Grundstückes oder eines der abgesonderten Bewertung vorbehaltenen Gegenstandes vor der Übergabe an den neuen Eigentümer durch ein wenn auch zufälliges Ereignis dauernd vermindert, so kann der neue Eigentümer binnen zwei Monaten nach der Übernahme von dem früheren Eigentümer eine nachträgliche Wertausgleichung begehren. Eine solche Ausgleichung ist, wenn die Wertminderung ein Grundstück betrifft und wenn dies ohne erhebliche Beeinträchtigung der neuen Gestaltung des Grundbesitzes möglich erscheint, in Grund, sonst aber in Geld zu leisten.

(2) ...

Ausgleichungen und Aufwandersatz

§14a. (1) Die Zusammenlegungsgemeinschaft hat dem Übernehmer einer Grundabfindung die Nachteile auszugleichen, die dieser dadurch erleidet, daß die ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Grundabfindung oder einzelner Teile derselben noch nicht oder nur erheblich erschwert möglich ist.

(2) Wird die von einer Partei übernommene Grundabfindung nachträglich zur Gänze oder zum Teil einer anderen Partei zugewiesen (§11 Abs2), hat die Zusammenlegungsgemeinschaft dem früheren Übernehmer die Aufwendungen zu ersetzen, die dieser für die Grundabfindung gemacht hat, soweit diese Aufwendungen unter Bedachtnahme auf den Betrieb des früheren Übernehmers und in Erwartung der Beibehaltung der zugewiesenen Grundabfindung betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entsprochen haben und soweit ihr Erfolg nur durch die Änderung der Zuweisung vereitelt wurde. Eine durch diese Aufwendungen eingetretene Werterhöhung des Grundes, die dem neuen Übernehmer zugute kommt, hat dieser der Zusammenlegungsgemeinschaft zu vergüten."

2.2. Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1978 (TFLG 1978), LGBl. 54, idF LGBl. 18/1984

"§13

Bewertung der Grundstücke

(1) Die Bewertung der Grundstücke hat auf Grund übereinstimmender, den tatsächlichen Verhältnissen entsprechender Erklärungen der Parteien oder unter Mitwirkung der Zusammenlegungsgemeinschaft im Wege der Ermittlung durch die Agrarbehörde (amtliche Bewertung) nach gleichartigen, für jedes Grundstück, unabhängig von seiner Zuordnung zu einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb und unabhängig von der Person des jeweiligen Besitzers, anzuwendenden Wertermittlungsgrundlagen zu erfolgen. Die Bewertung der Grundstücke kann unterbleiben, wenn sämtliche Parteien erklären, daß die Grundstücke gleichwertig seien.

(2) Bei der Bewertung landwirtschaftlicher Grundstücke ist jedes Grundstück, bei verschiedener Beschaffenheit seiner Teile jeder Grundstücksteil, nach dem Nutzen zu schätzen, den es bei üblicher ordnungsgemäßer Bewirtschaftung nachhaltig gewähren kann.

(3) Die amtliche Bewertung hat zu erfolgen:

a) durch Festlegung der der Bewertung zugrunde liegenden Bonitätsklassen an Hand von Mustergründen;

b) durch Einreihung der einzelnen Grundstücke oder Grundstücksteile in die einzelnen Bonitätsklassen;

c) durch die Ermittlung des Vergleichswertes jeder einzelnen Bonitätsklasse nach dem Nutzen. Die Vergleichswerte sind in Zahlen (Punkten) auszudrücken.

(4) - (5) ...

(6) Der Zusammenlegung unterzogene Grundstücke mit besonderem Wert, wie Grundstücke im Bauland, Schottergruben und dergleichen, und in Anspruch genommene Grundstücke (§2 Abs2 litb) sind entweder mit einem Punktezuschlag zu bewerten, der dem Unterschied zwischen dem kapitalisierten Nutzen (Abs2) und dem Verkehrswert gleichkommt, oder, wenn ein landwirtschaftlicher Nutzen nicht anfällt, nach dem Verkehrswert zu schätzen. Der Verkehrswert ist der Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit der Grundstücke ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sowie ohne Rücksicht auf die Zusammenlegung bei einer Veräußerung ortsüblich zu erzielen wäre. Der äußerlich nicht erkennbare besondere Wert von Grundstücken ist durch die Parteien geltend zu machen. Die Agrarbehörde hat die Parteien ausdrücklich darauf hinzuweisen.

(7) - (8) ...

§15

Neubewertung der Grundstücke

(1) Treten Wertänderungen durch Elementarereignisse oder durch Änderungen der Flächenwidmung nach der Bewertung, jedoch vor der Übernahme der Abfindungsgrundstücke ein, so sind die betroffenen Grundstücke neu zu bewerten.

(2) ...

§20

Abfindungsanspruch, Gesetzmäßigkeit der Abfindung

(1) Jede Partei hat Anspruch, unter Anrechnung der Grundaufbringung gemäß §17 Abs2 entsprechend dem Wert ihrer in das Verfahren einbezogenen Grundstücke mit Grundstücken von tunlichst gleicher Beschaffenheit abgefunden zu werden. Miteigentümern steht ein gemeinsamer Abfindungsanspruch zu.

(2) - (10) ...

§21

Errechnung der Abfindungen; Nachbewertung

(1) Wertänderungen infolge gemeinsamer Maßnahmen oder Anlagen sind durch eine Nachbewertung, die in sinngemäßer Anwendung des §13 zu erfolgen hat, festzustellen.

(2) - (4) ...

§24

Vorläufige Übernahme

(1) Die Agrarbehörde kann nach der Erlassung des Planes der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen und vor der Erlassung des Zusammenlegungsplanes, unbeschadet des Rechtes zur Berufung gegen diese Bescheide, die vorläufige Übernahme von Grundabfindungen anordnen, wenn

1. dies zur zweckmäßigen Bewirtschaftung des Zusammenlegungsgebietes erforderlich ist,

2. der Besitzstandsausweis und der Bewertungsplan bereits in Rechtskraft erwachsen sind,

3. die Bewirtschaftung der zu übernehmenden Grundabfindungen möglich ist,

4. die Agrarbehörde die zu übernehmenden Grundabfindungen in der Natur absteckt, jeder Partei erläutert und auf deren Verlangen anhand eines Lageplanes (Luftbildes) und in der Natur vorzeigt sowie der Partei und dem Ausschuß der Zusammenlegungsgemeinschaft Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat und

5. mindestens zwei Drittel der Parteien, die Grundabfindungen übernehmen sollen, der vorläufigen Übernahme zugestimmt haben; wer keine Erklärung abgibt, hat als zustimmend zu gelten.

(2) Die vorläufige Übernahme kann auch auf Teile des Zusammenlegungsgebietes beschränkt werden.

(3) Mit der Anordnung der vorläufigen Übernahme geht das Eigentum an den Abfindungsgrundstücken auf die Übernehmer unter der auflösenden Bedingung über, daß es mit dem Eintritt der Rechtskraft eines Bescheides erlischt, der solche Grundstücke einer anderen Partei zuweist.

(4) - (5) ...

§25

Rechtliche Beziehungen zu dritten Personen,

Teilabfindungen, Geldabfindungen

(1) Das Eigentum an den Abfindungsgrundstücken geht, sofern eine vorläufige Übernahme nicht angeordnet wurde, mit Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes auf die Übernehmer über.

(2) - (5) ..."

3. Der Verwaltungsgerichtshof hält §15 Abs1 TFLG für präjudiziell, zumal durch die Genehmigung des am 28. Dezember 1980 vom Gemeinderat der Gemeinde Stumm beschlossenen Flächenwidmungsplanes am 23. April 1981 durch die Tiroler Landesregierung Wertänderungen an in das Zusammenlegungsverfahren eingebrachten Grundstücken eingetreten seien und diese Bestimmung in den Beschwerdefällen den Prüfungsmaßstab darstelle. Weiters legt er seine verfassungsrechtlichen Bedenken zu G27/94 und G28/94 und - im wesentlichen inhaltlich gleich - zu G100/94 wie folgt dar:

"Gemäß §4 Abs7 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951, in der Fassung BGBl. Nr. 390/1977 (FGG), sind Bodenwertänderungen, die sich im Laufe des Verfahrens ergeben, zu berücksichtigen. Der gemäß §14 FGG über Verlangen des neuen Eigentümers für Wertminderungen von der Zusammenlegung unterzogenen Grundstücken vom bisherigen Eigentümer zu leistende Wertausgleich trifft für solche Wertminderungen, die vor der Übernahme eingetreten sind, eine gesonderte Regelung, durch die der in §4 Abs7 FGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Berücksichtigung von Bodenwertänderungen während der gesamten Dauer des Zusammenlegungsverfahrens keine Einschränkung erfährt. Gemäß §34 Abs1 leg. cit. haben die Einleitung und der Abschluß eines Zusammenlegungsverfahrens durch Verordnung zu erfolgen.

Gemäß §15 Abs1 FLG sind, wenn Wertänderungen durch Elementarereignisse oder durch Änderungen der Flächenwidmung nach der Bewertung, jedoch vor der Übernahme der Abfindungsgrundstücke eintreten, die betroffenen Grundstücke neu zu bewerten.

Aus der Regelung des §15 Abs1 FLG folgt, daß Bodenwertänderungen, die nach der Übernahme der Abfindungsgrundstücke eintreten, nicht mehr berücksichtigt werden können. Der in dieser Gesetzesstelle verwendete Begriff der Übernahme ist - soferne eine solche angeordnet wurde - dem Begriff der vorläufigen Übernahme gleichzusetzen, weil gemäß §24 Abs3 FLG mit der Anordnung der vorläufigen Übernahme das Eigentum an den Abfindungsgrundstücken auf die Übernehmer übergeht; dies allerdings unter der auflösenden Bedingung, daß das Eigentum mit dem Eintritt der Rechtskraft eines Bescheides erlischt, der ein solches Grundstück einer anderen Partei zuweist. Demnach erfolgt die unter dem Begriff Übernahme zu verstehende tatsächliche Inbesitznahme eines Abfindungsgrundstückes im Fall der angeordneten vorläufigen Übernahme bereits mit dieser. Dies hat im Beschwerdefall zur Folge, daß auf Grund der mit Bescheid der AB vom 18. Dezember 1974 angeordneten vorläufigen Übernahme der Abfindungsgrundstücke nach dieser Übernahme eingetretene Wertänderungen - insbesondere durch Änderung der Flächenwidmung - keine Berücksichtigung in Form einer Neubewertung mehr finden konnten.

Die Regelung, daß nur solche Bodenwertänderungen, die vor Übernahme der Abfindungsgrundstücke eingetreten sind, zu einer Neubewertung führen können, steht im Widerspruch zum FGG, welches eine Berücksichtigung aller sich im Laufe des Verfahrens - und somit zeitlich unbegrenzt bis zum Abschluß desselben - ergebenden Bodenwertänderungen vorsieht. Ob ein derartiger in einem Ausführungsgesetz enthaltener Widerspruch als Verstoß gegen die durch Art12 B-VG normierte Bindung des Landesgesetzgebers an die in einem Grundsatzgesetz enthaltenen Regelungen und damit gegen Art12 B-VG zu werten ist, hängt davon ab, ob ein Widerspruch zu einem der im jeweiligen Grundsatzgesetz aufgestellten Grundsätze selbst vorliegt (vgl. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes Slg. 2087, 3744 und 7720). Zu einem der maßgeblichen Ziele des Zusammenlegungsverfahrens zählt der Grundsatz, daß der Wert der Abfindung dem Wert der in das Zusammenlegungsverfahren eingebrachten Grundstücke möglichst weitgehend zu entsprechen hat. Dieser Grundsatz kommt im FGG insbesondere auch dadurch zum Ausdruck, daß Bodenwertänderungen, die sich während des Zusammenlegungsverfahrens ergeben, zu berücksichtigen sind. Dieser Regelung des FGG trägt das FLG zwar insoweit Rechnung, daß in Fällen, in denen eine Bodenwertänderung ohne Zutun der in das Verfahren einbezogenen Grundbesitzer eintritt (Elementarereignisse, Flächenwidmungsplan), eine Nachbewertung der durch solche Ereignisse in ihrem Wert geänderten Grundstücke vorzunehmen ist; durch die Bestimmung, daß nur solche Bodenwertänderungen, die sich vor der Übernahme der Grundstücke ergeben, einer Nachbewertung zu unterziehen sind, werden jedoch alle jene Änderungen des Bodenwertes, die erst nach der Übernahme der Abfindungsgrundstücke aber vor Abschluß des Zusammenlegungsverfahrens eintreten, von einer Neubewertung und somit von einer Berücksichtigung bei der Festsetzung der Abfindung ausgeschlossen. Dies stellt aber einen Widerspruch zu dem im FGG normierten - mangels einer zeitlichen Einschränkung -, für die gesamte Dauer des Zusammenlegungsverfahrens geltenden Grundsatz der Berücksichtigung von Bodenwertänderungen dar."

4. Die Tiroler Landesregierung hält in ihrer Äußerung entgegen:

"Da der Verwaltungsgerichtshof in der Begründung seiner Anträge einmal von 'Nachbewertung' und dann wieder von 'Neubewertung' spricht, soll vorerst klargestellt werden, daß er im vorliegenden Zusammenhang offensichtlich die Neubewertung von Grundstücken nach §15 TFLG 1978 und nicht die Nachbewertung nach §21 leg.cit. meint.

1. §4 Abs7 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 enthält den Grundsatz, daß Bodenwertänderungen, die sich im Laufe des Verfahrens ergeben, zu berücksichtigen sind. Aus dem Zusammenhang mit den vorhergehenden Bestimmungen dieses Gesetzes ergibt sich nach Ansicht der Tiroler Landesregierung, daß es sich hiebei um Bodenwertänderungen handelt, die durch Maßnahmen im Rahmen des Zusammenlegungsverfahrens bewirkt werden. Dies aus folgenden Überlegungen: Nach §1 Abs1 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 können im Interesse der Schaffung und Erhaltung einer leistungsfähigen Landwirtschaft die Besitz-, Benützungs- und Bewirtschaftungsverhältnisse im ländlichen Lebens- und Wirtschaftsraum durch Neueinteilung und Erschließung des land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes sowie Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe nach zeitgemäßen volks- und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten im Wege eines Zusammenlegungsverfahrens verbessert oder neu gestaltet werden. Nach §3 leg.cit. sind die Grundstücke, die der Zusammenlegung unterzogen oder die für die Zusammenlegung in Anspruch genommen werden, unter Mitwirkung der Zusammenlegungsgemeinschaft zu schätzen. Die Schätzung hat auf Grund übereinstimmender, den tatsächlichen Verhältnissen entsprechender Erklärungen der Parteien oder im Wege der amtlichen Ermittlung nach gleichartigen, für jedes Grundstück, unabhängig von seiner Zuordnung zu einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb und unabhängig von der Person des jeweiligen Besitzers, anzuwendenden Wertermittlungsgrundlagen zu erfolgen. Vorübergehende Mehr- und Minderwerte der Grundstücke sowie bei der Bewertung nicht berücksichtigte Verhältnisse und Gegenstände sind gesondert festzustellen und in Geld auszugleichen, sofern zwischen den Parteien nichts anderes vereinbart ist.

Die Ausführung dieser Grundsatzbestimmungen über die Bewertung erfolgt durch §13 TFLG 1978. Nach dieser Bestimmung hat die amtliche Bewertung durch Festlegung der der Bewertung zugrunde liegenden Bonitätsklassen anhand von Mustergründen, durch die Einreihung der einzelnen Grundstücke in die einzelnen Bonitätsklassen und durch die Ermittlung des Vergleichswertes jeder einzelnen Bonitätsklasse nach dem Nutzen zu erfolgen, wobei die Vergleichswerte in Zahlen (Punkten) auszudrücken sind.

Nach §4 Abs2 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 hat jede Partei, deren Grundstücke der Zusammenlegung unterzogen werden, darauf Anspruch, entsprechend dem Wert ihrer in das Verfahren einbezogenen Grundstücke mit Grundstücken von tunlichst gleicher Beschaffenheit abgefunden zu werden. Dieser Grundsatz über den Abfindungsanspruch ist im §20 TFLG 1978 ausgeführt.

§4 Abs7 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 bestimmt weiter, daß Bodenwertänderungen, die sich im Laufe des Verfahrens ergeben, zu berücksichtigen sind. Dem trägt §21 Abs1 TFLG 1978 Rechnung, wonach Wertänderungen, die durch gemeinsame Maßnahmen oder Anlagen im Zuge des Zusammenlegungsverfahrens bewirkt werden, durch eine Nachbewertung, die in sinngemäßer Anwendung des §13 zu erfolgen hat, festzustellen sind.

Aus der Zusammenschau der dargelegten Bestimmungen des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 ergibt sich, daß es bei allen diesen Bestimmungen, soweit in ihnen vom Wert von Grundstücken die Rede ist, um die land- oder forstwirtschaftliche Nutzbarkeit der Grundstücke geht. Dies gilt sowohl für die Bewertung der eingebrachten Grundstücke als auch für die Bewertung der Abfindungsgrundstücke und kommt auch darin zum Ausdruck, daß der Wert in Bonitätspunkten und nicht etwa in Schillingbeträgen festgelegt wird. Da ein wesentliches Ziel eines Zusammenlegungsverfahrens darin liegt, Mängel der Agrarstruktur zu beseitigen, was in einem entscheidenden Maß durch gemeinsame Maßnahmen und Anlagen erreicht wird, ergeben sich durch ein Zusammenlegungsverfahren eben Bodenwertänderungen im Sinne einer in der Regel verbesserten land- oder forstwirtschaftlichen Nutzbarkeit. Nach Ansicht der Tiroler Landesregierung hat daher der Grundsatzgesetzgeber bei den Bestimmungen über die Bewertung der in ein Zusammenlegungsverfahren einbezogenen Grundstücke und im besonderen beim §4 Abs7 nur deren Wert bezüglich ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Nutzbarkeit im Auge gehabt. Da sich zum Zeitpunkt der Entstehung des §4 Abs7 die Problematik der Änderung der Flächenwidmung von in die Zusammenlegung einbezogenen land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken in der Praxis noch nicht gestellt hat und daher auch vom Grundsatzgesetzgeber noch nicht bedacht worden sein konnte, handelt es sich bei der Frage von Wertänderungen durch Flächenwidmungsänderungen nach Ansicht der Tiroler Landesregierung um einen vom Grundsatzgesetzgeber nicht geregelten Bereich.

Nach Auffassung der Tiroler Landesregierung stellt daher die Bestimmung des §15 Abs1 TFLG 1978 keine Ausführung des §4 Abs7 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951, sondern eine im grundsatzfreien Raum erlassene Regelung dar. Die vom Verwaltungsgerichtshof behauptete Grundsatzgesetzwidrigkeit kann daher gar nicht vorliegen.

2. Die Regelung über die Neubewertung von Grundstücken im §15 TFLG 1978 ist im Zusammenhang mit der Systematik und dem Charakter des Zusammenlegungsverfahrens zu sehen. Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt ausgeführt (vgl. etwa VfSlg. 9500/1982), daß das Verfahren in Angelegenheiten agrarischer Operationen durch seinen stufenweisen Aufbau gekennzeichnet ist, daß das Verfahren in mehrere Etappen gegliedert ist, deren jede einzelne durch einen behördlichen Akt abgeschlossen wird und deren rechtskräftiger Abschluß wieder nicht nur die Voraussetzung für die Durchführung des nächstfolgenden Stadiums des Verfahrens bildet, sondern - soweit nicht das Gesetz etwa in einzelnen Fällen hievon Ausnahmen vorsieht - die Durchführung dieses weiteren Verfahrens auch zwingend zur Folge hat und der Durchführung dieses Verfahrens zugrunde zu legen ist. Die Gliederung des Zusammenlegungsverfahrens bringt es mit sich, daß keine Phase des Verfahrens, die mit Bescheid abzuschließen ist, Übersprungen werden darf. Ist aber rechtskräftig entschieden worden, so kann die gleiche Frage in einer späteren Phase des Verfahrens nicht mehr aufgerollt werden.

Die Einleitung und der Abschluß des Zusammenlegungsverfahrens erfolgen zwar durch Verordnung (§§3 und 29 TFLG 1978). Die anderen Verfahrensabschnitte wie Feststellung des Besitzstandes und Bewertungsplan (§§12 und 14 TFLG 1978), vorläufige Übernahme (§24 TFLG 1978) und Zusammenlegungsplan (§23 TFLG 1978) erfolgen aber mit Bescheid. Wie bereits erwähnt, kann die nächste Verfahrensstufe nur erfolgen, wenn die vorhergehende abgeschlossen ist. So darf die vorläufige Übernahme erst dann angeordnet werden, wenn der Besitzstandsausweis und der Bewertungsplan in Rechtskraft erwachsen sind (§24 Abs1 Z. 2 TFLG 1978). Die vorläufige Übernahme ist eine Vorwegnahme des Zusammenlegungsplanes. Sie ist sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich in der Praxis der wesentliche Einschnitt in der Transformationsphase des Zusammenlegungsverfahrens (vgl. Lang, Tiroler Agrarrecht I, 1989, S. 73 und 78). Mit der vorläufigen Übernahme geht das Eigentum über, wenngleich nur auflösend bedingt (§24 Abs3 TFLG 1978). Der Zusammenlegungsplan ist die letzte Stufe des etappenmäßigen Aufbaus des Zusammenlegungsverfahrens. Fragen des Besitzstandes und der Bewertung können hier nicht mehr erörtert werden (Lang, a.a.O., S. 81).

Die Erlassung des Zusammenlegungsplanes, der den rechtlichen Höhepunkt des Zusammenlegungsverfahrens bildet, ist jedenfalls nur ein weiterer Schritt und bedeutet nicht eine nochmalige Öffnung des gesamten Verfahrens. Der stufenförmige Aufbau des Zusammenlegungsverfahrens gibt nur dann einen Sinn, wenn jede Stufe auch einen abschließenden Charakter aufweist. Andernfalls wäre es zweckmäßiger, nur ein einheitliches Verfahren durchzuführen und bis zur Erlassung des Bescheides über den Zusammenlegungsplan wie bei einem anderen Verfahren auch jede Änderung zu berücksichtigen. Es wäre aber die Abwicklung eines Zusammenlegungsverfahrens praktisch nicht bewältigbar, wenn in jeder Phase eines Verfahrens, vor allem aber nach der bedeutenden Transformationsstufe der vorläufigen Übernahme, technisch aufwendige Neubewertungen durchgeführt werden müßten. Aus diesem Grund sieht daher §15 Abs1 TFLG 1978 eine Neubewertung der Grundstücke infolge von Wertänderungen durch Elementarereignisse oder durch Änderungen der Flächenwidmung nur bis zur vorläufigen Übernahme vor."

5. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst nahm wie folgt Stellung:

"Gemäß §15 Abs1 des Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetzes 1969 idF LGBl. Nr. 18/1984 (TFLG) sind die betroffenen Grundstücke (nur dann) neu zu bewerten, wenn Wertänderungen durch Elementarereignisse oder durch Änderungen der Flächenwidmung nach der Bewertung, jedoch vor der Übernahme der Abfindungsgrundstücke eintreten.

Im Zusammenhang mit der Frage des Verhältnisses zwischen Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur zu Art12 B-VG bisher mehrfach festgehalten, daß die Ausführungsgesetzgebung der Länder an die durch das Grundsatzgesetz des Bundes aufgestellten Grundsätze gebunden ist. Ein Widerspruch zum Grundsatzgesetz ist dabei im besonderen auch dann anzunehmen, wenn eine Bestimmung eines Landes-Ausführungsgesetzes eine grundsatzgesetzliche Anordnung des Bundes-Grundsatzgesetzes nur zum Teil ausführt und damit in ihrer rechtlichen Wirkung einschränkt, denn die durch das Bundesgesetz aufgestellten Grundsätze sind für die Landesgesetzgebung unbedingt und in vollem Ausmaß verbindlich, es sei denn, daß das Bundes-Grundsatzgesetz die Ausführungsgesetze der Länder ausdrücklich ermächtigt, von bestimmten grundsätzlichen Anordnungen Ausnahmen zu verfügen. Auch eine nur teilweise Ausführung des Grundsatzgesetzes bedeutet eine Grundsatzgesetzwidrigkeit, wenn damit der Grundsatz eingeschränkt wird (vgl. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 2087 und 3744 und insbesondere VfGH 1.3.1990, B877/88).

Wie nun aus dem Vergleich der oa Gesetzesstellen erkennbar ist, scheint im Zusammenhang mit dem Zeitraum der Berücksichtigung von Bodenwertänderungen tatsächlich ein Widerspruch zwischen FGG und TFLG vorzuliegen. Das FGG spricht von der Berücksichtigung 'im Laufe des Verfahrens'. Damit ist sprachlich zum Ausdruck gebracht, daß bis zum Abschluß des Verfahrens (gemäß §34 Abs1 FGG durch Verordnung) Änderungen des Bodenwerts zu berücksichtigen sind. Wenn das TFLG nun in §15 Abs1 von der Berücksichtigung nur 'bis zur Übernahme' (die vorläufige Übernahme gemäß §24 FLG) spricht, so ist damit eine zeitliche Verkürzung des Zeitraumes gegeben, in dem Bodenwertänderungen nach den Vorgaben des FGG berücksichtigt werden sollen. Es ist (insbesondere aus den Materialien) nicht ersichtlich, was Zweifel an dem aus dem Wortlaut abgeleiteten Ergebnis der Auslegung des FGG wecken könnte.

Auch eine Befassung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft hat nichts ergeben, was dieser aus dem Wortlaut abzuleitenden Auslegung widersprechen würde.

Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst geht daher davon aus, daß insofern tatsächlich eine unzulässige Einschränkung gegenüber der grundsatzgesetzlichen Anordnung vorliegt.

Darüber hinaus ergibt sich ein weiterer Widerspruch zwischen FGG und TFLG auch daraus, daß gemäß §4 Abs7 FGG alle Bodenwertänderungen, die sich im Laufe des Verfahrens ergeben, zu berücksichtigen sind, wohingegen gemäß §15 Abs1 TFLG lediglich Wertänderungen durch Elementarereignisse oder durch Änderungen der Flächenwidmung von der Regelung umfaßt sind. Auch wenn Wertsteigerungen denkbar sind, die bei teleologischer Auslegung vom Grundsatzgesetz nicht erfaßt sein sollten, wie zB jene aufgrund eigener Aufwendungen des Betroffenen, sind nach dem TFLG doch Wertsteigerungen, die durchaus nach dem Grundsatzgesetz als Voraussetzung für die Neubewertung in Frage kommen, von einer Berücksichtigung ausgeschlossen. Auch insofern liegt eine Grundsatzgesetzwidrigkeit vor.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß sowohl hinsichtlich der Möglichkeit der Geltendmachung anderer Bodenwertänderungen durch das TFLG als auch hinsichtlich der zeitlichen Einschränkung ein Widerspruch zum FGG vorliegt."

6. Die Beschwerdeführer gaben folgende Stellungnahme ab:

"1. Die Beschwerdeführer haben die Auffassung vertreten, daß §15 Abs1 TFG. verfassungskonform auszulegen wäre. Die Worte 'jedoch vor der Übernahme der Abfindungsgrundstücke' wären dahingehend auszulegen, daß der Landesgesetzgeber die endgültige Übernahme der Abfindungsgrundstücke gemeint hat.

Die Beschwerdefüher nehmen zu Kenntnis, daß sowohl der Landeshauptmann für Tirol als auch der Bundeskanzler die Auffassung vertreten, daß mit dem Ausdruck 'vor der Übernahme der Abfindungsgrundstücke' nur gemeint sein kann, daß hiemit die vorläufige Übernahme angesprochen wird.

2. Die Tiroler Landesregierung führt in ihrer Stellungnahme vom 17.5.1994 aus, daß es beim sogenannten Wert der Grundstücke um die land- und forstwirtschaftliche Nutzbarkeit der Grundstücke geht. Demgemäß wäre es für den Wert der Grundstücke irrelevant, ob sich ein Grundstück, welches land- und forstwirtschaftlich genutzt wird, im Bauland bzw. Baulanderwartungsgebiet befände.

Die Beschwerdeführer teilen diese Auffassung nicht. Es ist zwar richtig, daß im Agrarverfahren der Geldwert der Grundstücke nicht bestimmt wird. Es kann aber daraus nicht abgeleitet werden, daß der Geldwert der landwirtschaftlichen Liegenschaften völlig belanglos ist. In die Schätzung der Bonität fließt regelmäßig ein, ob ein landwirtschaftliches Grundstück in Baulandnähe ist bzw. im Bauland demnächst umgewidmet wird (Baulanderwartungsgebiet).

Im Agrarverfahren soll in die Eigentumsverhältnisse (= Vermögensverhältnisse) nur dergestalt eingegriffen werden, daß der Betriebserfolg nach Durchführung der Kommassierung besser ist als vor der Kommassierung. Die Abfindungsgrundstücke sollen den gleichen Betriebserfolg ermöglichen; ist dies nicht möglich, so ist ein Geldausgleich zu bezahlen. In diese Beurteilung fließt aber regelmäßig auch der Wert der Grundstücke ein.

Würde man beim Wert der Grundstücke lediglich auf die Möglichkeit der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung abstellen und den Verkehrswert völlig außer Acht lassen, hieße dies, daß es fallweise zu einer Enteignung ohne Wertausgleich kommen würde. Derjenige, der ein land- und forstwirtschaftliches Grundstück, das im Baulanderwartungsgebiet liegt, zugewiesen bekommt, ohne vorher ein solches Grundstück besessen zu haben, ist dann demjenigen gegenüber stark bevorzugt, der sein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück im Baulanderwartungsgebiet verliert.

3. Die Tiroler Landesregierung bestreitet weiters, daß §15 TFG. dem §4 Abs7 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 widerspricht. Es habe zum Zeitpunkt der Erlassung des Grundsatzgesetzes eine derartige Problematik nicht bestanden. Die Angelegenheit (Umwidmung) wurde daher vom Grundsatzgesetzgeber nicht geregelt. Es handelt sich dabei um einen vom Grundsatzgesetzgeber offen gelassenen Bereich (grundsatzfreien Bereich).

Hier wird die historische Auslegung eines Gesetzes mißverstanden. Wenn ein Problem zum Zeitpunkt der Erlassung eines Gesetzes tatsächlich noch nicht existent war, so geht es bei der historischen Auslegung dann darum, wie der historische Gesetzgeber das Problem geregelt hätte (historische Interpretation mit teleologischen Ansätzen). Es ist daher die Frage zu stellen, ob der historische Gesetzgeber bei Kenntnis dieser Problematik tatsächlich diesen Bereich als grundsatzfreien Bereich bestehen hätte lassen wollen.

Der Bundesgrundsatzgesetzgeber hat geregelt, daß a l l e Bodenwertänderungen, die sich im Laufe des Verfahrens ergeben, zu berücksichtigen sind. Aus dem Ausdruck 'alle' ergibt sich, daß der Bundesgrundsatzgesetzgeber diese Regelung umfassend verstanden wissen wollte. Jede nur denkbare Bodenwertänderung, die sich im Laufe des Verfahrens ergibt, sei zu berücksichtigen. Aber nicht nur im sachlichen, auch im zeitlichen Anwendungsbereich ist der Bundesgrundsatzgesetzgeber großzügig. Nachdem es gewissermaßen notorisch ist, daß Agrarverfahren sehr lang dauern, nennt der Bundesgrundsatzgesetzgeber auch keine zeitliche Einschränkung, wann diese Bodenwertänderungen nicht mehr zu berücksichtigen wären.

4. Alle diese Überlegungen erübrigen sich aber. Es ist anerkannt, daß der Wortlaut eines Gesetzes bei der Interpretation den Vorrang zu genießen hat, wenn nicht ein anderer Sinn des Gesetzes evident ist. Dies ist im gegenständlichen Fall nicht gegeben.

Der Bundesgrundsatzgesetzgeber hat durch seine Formulierung gezeigt, daß er einerseits alle möglichen Bodenwertänderungen berücksichtigt haben will, andererseits aber auch von einer zeitlichen Beschränkung Abstand nehmen will. ...."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die, in sinngemäßer Anwendung des §187 ZPO iVm. §35 Abs1 VerfGG, zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (zB VfSlg. 7999/1977, 9811/1983, 10296/1984, 11565/1987).

Da die Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung denkmöglich behauptet wurde und auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen (in dem G100/94 zugrunde liegenden Beschwerdeverfahren war gemäß der Ausnahmebestimmung des §7 Abs2 Z3 Agrarbehördengesetz der Instanzenzug bis zum Obersten Agrarsenat eröffnet), sind die Gesetzesprüfungsanträge zulässig.

2. Dem Verwaltungsgerichtshof - und diesem folgend dem Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst und den Beschwerdeführern - ist nicht entgegenzutreten, wenn sie unter dem Begriff der Übernahme auch die vorläufige Übernahme subsumieren, zumal auch bei dieser, wenn auch zunächst auflösend bedingt, Eigentum übergeht.

3.1. Das für das vorliegende Gesetzesprüfungsverfahren maßgebende Verhältnis von bundesgesetzlicher Grundsatzgesetzgebung zu landesgesetzlicher Ausführungsgesetzgebung ist von zwei Verfassungsgeboten gekennzeichnet: Einerseits hat sich das Grundsatzgesetz auf die Aufstellung von Grundsätzen zu beschränken und darf über diese im Art12 B-VG gezogene Grenze hinaus nicht Einzelregelungen treffen, die der Landesgesetzgebung vorbehalten sind (vgl. zB VfSlg. 2087/1951, 3340/1958, 3598/1959). Andererseits darf das Ausführungsgesetz dem Grundsatzgesetz nicht widersprechen (vgl. zB VfSlg. 2087/1951, 2820/1955, 4919/1965), es also auch nicht in seiner rechtlichen Wirkung verändern (VfSlg. 3744/1960, 12280/1990) oder einschränken (vgl. VfSlg. 4919/1965). Die durch die Grundsatznorm für den Ausführungsgesetzgeber vorgegebenen Grenzen können verschieden weit gezogen sein, wobei im Zweifelsfall die Vermutung für den weiteren Rahmen spricht: dies ergibt sich aus der verfassungsrechtlichen Überlegung, daß die Ausführungsgesetzgebung frei ist, soweit sie nicht durch den Grundsatzgesetzgeber gebunden ist (VfSlg. 3649/1959).

3.2. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund vermag der Verfassungsgerichtshof der dem Anfechtungsantrag des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde liegenden Prämisse nicht zu folgen, die das Schwergewicht der Regelung des §4 Abs7 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz darin erblickt, daß alle bis zum letzten Verfahrensschritt des Zusammenlegungsverfahrens eintretenden Bodenwertänderungen jedenfalls berücksichtigt werden müssen (dh., daß insoweit auch der Bewertungsplan jeweils abzuändern ist), und zwar unabhängig davon, in welchem Stadium des Verfahrens Änderungen in den Eigentumsverhältnissen an den von einer Bodenwertänderung betroffenen Grundstücken eintreten. Als Grundsatz verstanden will jedoch §4 Abs7 leg.cit. nichts anderes besagen, als daß es nicht auf jenen Wert der Grundstücke ankommen soll, den diese im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens haben, sondern daß auch die durch den (mitunter beträchtlichen) Zeitablauf sich ergebenden Wertänderungen (die Erläuternden Bemerkungen zur RV der Flurverfassungsnovelle 1967, mit der die fragliche Grundsatzbestimmung des §4 Abs7 geschaffen wurde, nennen Wertänderungen durch Bodenverbesserungen und Elementarereignisse; vgl. 237 Blg. NR XI. GP, 11) zu berücksichtigen sind. Hinsichtlich des letztlich für die Bewertung endgültig maßgebenden Zeitpunktes innerhalb des Zusammenlegungsverfahrens enthält §4 Abs7 keine detaillierte Regelung, sodaß insoweit dem Ausführungsgesetzgeber - unter Wahrung des Grundsatzes dieser Bestimmung und des Sachlichkeitsgebots - ein gewisser Entscheidungsspielraum zukommt.

3.2.1. Wie der Verfassungsgerichtshof mehrfach dargelegt hat (vgl. zB VfSlg. 1360/1930, 5734/1968, 8509/1979, 9500/1982), ist das Verfahren in Angelegenheiten agrarischer Operationen durch einen stufenweisen Aufbau gekennzeichnet und das Verfahren in mehrere Etappen gegliedert, deren jede einzelne durch einen behördlichen Akt abgeschlossen wird und deren rechtskräftiger Abschluß wieder nicht nur die Voraussetzung für die Durchführung des nächstfolgenden Stadiums des Verfahrens bildet, sondern, soweit nicht das Gesetz etwa in einzelnen Fällen hievon Ausnahmen vorsieht, die Durchführung dieses weiteren Verfahrens auch zwingend zur Folge hat und der Durchführung dieses Verfahrens zugrunde zu legen ist. Die Gliederung des Zusammenlegungsverfahrens bringt es mit sich, daß keine Phase des Verfahrens, welche mit Bescheid abzuschließen ist, übersprungen werden darf; ist aber rechtskräftig entschieden worden, so kann die gleiche Frage in einer späteren Phase des Verfahrens nicht mehr aufgerollt werden.

Mit der Flurverfassungsnovelle 1967, BGBl. 78/1967, wurde durch die Neufassung der §§10 und 34 des FGG bestimmt, daß Einleitung und Abschluß des Zusammenlegungsverfahrens durch Verordnung erfolgen. Die anderen Verfahrensabschnitte werden weiterhin mit Bescheid abgeschlossen.

3.2.2. Aus dem Blickwinkel der vorliegenden Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes hat der Verfassungsgerichtshof nur die Frage zu prüfen, ob die Regelung des §15 Abs1 des TFLG 1978 dem Grundsatz des §4 Abs7 FGG auch unter dem Gesichtspunkt entspricht, daß sie eine Neubewertung ab dem Verfahrensstadium einer vorläufigen Übernahme ausschließt. Die vorläufige Übernahme von Grundabfindungen kann nämlich laut §24 TFLG 1978, entsprechend den in §11 FGG normierten Grundsätzen, von der Agrarbehörde noch vor der Erlassung des Zusammenlegungsplanes unter näher bezeichneten Voraussetzungen angeordnet werden. Zu diesen Voraussetzungen gehören u.a. die Rechtskraft des Bewertungsplanes (§24 Abs1 Z2 TFLG 1978), die Möglichkeit der Bewirtschaftung der zu übernehmenden Grundabfindungen (§24 Abs1 Z3 leg.cit) und deren genaue Festlegung in der Natur (vgl. §24 Abs1 Z4 leg.cit.). Gemäß §24 Abs3 leg.cit. geht mit der Anordnung der vorläufigen Übernahme das Eigentum an den Abfindungsgrundstücken auf die Übernehmer unter der auflösenden Bedingung über, daß es mit dem Eintritt der Rechtskraft eines Bescheides erlischt, der solche Grundstücke einer anderen Partei zuweist. Die Übernahme des Abfindungsgrundstückes ist gemäß §24 Abs5 leg.cit. (vorbehaltlich einer Vereinbarung zwischen dem Übernehmer und dem bisherigen Eigentümer) mit Rücksicht auf die klimatischen und ortsüblichen Arbeitsbedingungen so festzulegen, daß nach bautechnischen und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten eine bestmögliche Bewirtschaftung der Grundabfindungen gewährleistet wird.

3.2.3. Versteht man die Frage, ab welchem Zeitpunkt nachträglich eintretende Wertänderungen nicht mehr berücksichtigt werden sollen, zutreffend auch als Problem der Gefahrtragung (dh., wen Nutzen und Risiko einer solchen Wertänderung letztlich treffen sollen), dann kann dem Ausführungsgesetzgeber auch unter Beachtung des Grundsatzes des §4 Abs7 FGG nicht entgegengetreten werden, wenn er unter den in §24 TFLG 1978 genannten Voraussetzungen nicht nur das (auflösend bedingte) Eigentum übergehen lassen, sondern auch Wertänderungen nach Übernahme des Abfindungsgrundstückes durch den neuen Eigentümer nicht mehr berücksichtigt wissen wollte. Dies bedeutet nämlich nur, daß der neue Eigentümer (der über das Grundstück nicht nur verfügen, sondern es auch bewirtschaften kann) ab Übernahme des Grundstücks auch die Gefahr (nachträglicher) Wertänderungen zu tragen hat, mag auch das Umlegungsverfahren formell noch nicht abgeschlossen sein. Sollte hingegen in einem solchen Fall das Eigentum gemäß §24 Abs3 TFLG 1978 durch Zuweisung des Grundstücks an eine andere Partei wieder erlöschen, so ist die Berücksichtigung zwischenzeitiger Wertänderungen bis zur Übergabe an den neuen Eigentümer (ohnehin) wieder möglich. Die nach einer angeordneten vorläufigen Übernahme eintretenden Wertänderungen bleiben somit nur dann unberücksichtigt, wenn das zunächst auflösend bedingte Eigentum des Übernehmers auch den endgültigen Eigentumsverhältnissen entspricht. Durch eine solche Regelung wird auch vermieden, daß die Gefahr von nachträglichen Wertänderungen jemand anderer als derjenige, dem dieses Grundstück sachenrechtlich zuzurechnen ist, zu tragen hat.

3.3. Stellt somit die Ausführungsgesetzgebung insgesamt sicher, daß Bodenwertänderungen, die während des Zusammenlegungsverfahrens eintreten, jedenfalls bis zum endgültigen Wechsel (ein solcher liegt eben bereits auch im Zeitpunkt der vorläufigen Übernahme vor, wenn sich diese als endgültig erweist) des sachenrechtlichen Zurechnungssubjektes der Grundfläche, nicht aber danach berücksichtigt werden, so liegt darin eine sachgerechte Abgrenzung der Nutzen- und Gefahrtragung, die dem Grundsatz des §4 Abs7 FGG nicht zuwiderläuft.

4. Aus all diesen Erwägungen gelangte der Verfassungsgerichtshof zur Ansicht, daß die in Prüfung gezogene Wortfolge des §15 Abs1 TFLG 1978 nicht grundsatzgesetzwidrig ist. Sie verstößt sohin nicht gegen §4 Abs7 FGG.

Den Anträgen auf Aufhebung der Wortfolge ", jedoch vor der Übernahme der Abfindungsgrundstücke" in §15 Abs1 TFLG 1978 war daher nicht Folge zu geben.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung, Bodenreform, Flurverfassung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:G27.1994

Dokumentnummer

JFT_10048987_94G00027_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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