Entscheidungsdatum
11.09.2020Norm
BFA-VG §9Spruch
I415 1304388-4/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 28.06.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.08.2020, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der seit mindestens 13.01.2005 in Österreich aufhältige Beschwerdeführer stellte im Bundesgebiet zu diesem Datum einen Asylantrag, welcher jedoch rechtskräftig negativ entschieden wurde. Aufgrund der Eheschließung mit einer ungarischen Staatsangehörigen verfügte der BF jedoch ab dem 22.01.2010 über einen Aufenthaltstitel für Familienangehörige. Ab dem 03.12.2012 war er im Besitz einer Rot-Weiß-Rot-Karte (plus), seit mittlerweile 06.10.2015 verfügt der BF über einen Daueraufenthalt-EU (gültig bis zum 06.10.2020).
2. Mit Schreiben vom 14.03.2018 wurde dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde, BFA) mitgeteilt, dass hinsichtlich der Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot, in eventu Erlassung eines ordentlichen Schubhaftbescheides, eine Beweisaufnahme aufgrund der gegen den BF verhängten Untersuchungshaft hinsichtlich des Verdachts des Suchtgifthandels stattgefunden hat und wurde dem BF diesbezüglich eine 10-tägige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ab Zustellung dieses Schreibens eingeräumt. Eine solche langte bei der belangten Behörde per Fax am 11.04.2018, eingebracht durch den damaligen Rechtsvertreter des BF, ein.
3. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX als Schöffengericht zu XXXX vom 09.08.2018 wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt. Seitens des Oberlandesgerichts XXXX als Berufungsgericht wurde den Berufungen des Beschwerdeführers sowie der Staatsanwaltschaft XXXX gegen das Urteil des Landesgerichts XXXX keine Folge gegeben.
4. Am 08.01.2019 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor der belangten Behörde statt. Im Wesentlichen führte der BF dabei aus, er sei sorgepflichtig für seine sechs Kinder, wovon drei aus erster Ehe und drei aus der zweiten, aktuell bestehenden Ehe stammen würden. Er sei seit Januar 2005 in Österreich und wolle wegen seiner Kinder und seiner Arbeit in Österreich bleiben. Er werde in Nigeria weder politisch noch strafrechtlich verfolgt.
5. Mit dem Bescheid vom 28.06.2019, Zl XXXX , erließ die belangte Behörde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt II.). Zudem wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Ihm wurde eine 14-tägige Frist ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.).
6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die durch die Rechtsvertretung des BF mit Schriftsatz vom 26.07.2019, eingelangt bei der belangten Behörde per Fax am selben Tag, eingebrachte Beschwerde. Dabei wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Begründung der Entscheidung Fehler aufweise, sie sich in einer Aneinanderreihung floskelhafter, aus Textbausteinen zusammengesetzter Passagen erschöpfe und auch die Begründung dem Inhalt des herangezogenen Urteils widerspreche. In Anbetracht der sechs Kinder sowie der Ehefrau stelle das Einreiseverbot einen Eingriff in das Recht auf Familien- und Privatleben dar, zudem sei der BF seit 2015 (gemeint wohl: 2005) in Österreich, regelmäßig einer Arbeit nachgegangen und arbeite auch in der JA Wels. Eine „Schwere des Fehlverhaltens“ des BF sei von der belangten Behörde nicht begründet worden, auch die Umstände zur Beurteilung des Gesamtverhaltens seien nicht hinreichend dargelegt worden, zumal es sich um die erste Verurteilung des BF handle. Weiters sei auch das Kindeswohl durch die Außerlandesbringung des BF nicht erörtert worden. Beantragt werde daher, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben. In eventu werde beantragt, die ausgesprochene Rückkehrentscheidung aufzuheben, die Abschiebung nach Nigeria für unzulässig zu erklären, das Einreiseverbot zur Gänze zu beheben bzw. in eventu die Dauer des Einreiseverbotes auf ein verhältnismäßiges Ausmaß zu reduzieren.
7. Mit Schriftsatz vom 02.08.2019, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 06.08.2019, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
8. Für den 09.04.2020 wurde eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, anberaumt, welche jedoch aufgrund der CoViD-19 Pandemie wieder abberaumt werden musste.
9. Am 07.08.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Beschwerdeverhandlung per Videokonferenz in Anwesenheit des BF, dessen Rechtsvertretung, der Zeugin M.M., eines Dolmetschers für englische Sprache sowie eines Vertreters der belangten Behörde abgehalten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige BF ist in zweiter Ehe verheiratet, Vater von sieben Kindern und nigerianischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht fest.
Seit der Stellung seines Asylantrages im Januar 2005 ist der BF durchgehend in Österreich aufhältig und weist er auch seit Mai 2005 durchgehend seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet auf. Zwar wurde der Asylantrag des BF rechtskräftig negativ entschieden, aufgrund der Eheschließung mit einer ungarischen Staatsangehörigen verfügte der BF jedoch ab dem 22.01.2010 über einen Aufenthaltstitel für Familienangehörige. Ab dem 03.12.2012 war er im Besitz einer Rot-Weiß-Rot-Karte (plus), seit mittlerweile 06.10.2015 verfügt der BF über einen Daueraufenthalt-EU (gültig bis zum 06.10.2020).
Er leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen und ist arbeitsfähig. Seit August 2010 geht der BF regelmäßig einer beruflichen Tätigkeit im Bundesgebiet nach. Insgesamt war der BF bis dato etwa 7 Jahre und 10 Monate in einem Beschäftigungsverhältnis. Derzeit ist der BF als Leiharbeiter über die XXXX angestellt und verrichtet bei der „ XXXX “ Staplerfahrertätigkeiten. Der BF spricht sehr gut Deutsch.
Im Bundesgebiet leben die drei Kinder (L.M., geb. XXXX 2012, M.M., geb. XXXX 2010 und D.S., geb. XXXX 2009) des BF aus seiner vorangegangen Ehe mit einer ungarischen Staatsbürgerin. Seit seinem Aufenthalt im Gefängnis steht der BF weder zu seinen drei Kindern aus erster Ehe, noch zu seiner Ex-Ehefrau in Kontakt, was zu einem großen Teil dem schlechten Verhältnis zur Ex-Ehefrau geschuldet ist. Er bezahlt lediglich einen Teil der Alimente.
In zweiter Ehe ist der BF mit M.M., einer kongolesischen Staatsangehörigen, verheiratet und auch seit 28.07.2014 mit Ausnahme einer dreimonatigen Unterbrechung mit dieser melderechtlich an derselben Hauptwohnsitzadresse erfasst. Aus dieser Ehe entstammen vier Kinder, S.M, geb. XXXX , A.M., geb. XXXX und M.M., geb. XXXX . Der errechnete Geburtstermin des vierten gemeinsame Kind wurde mit XXXX 2020 festgesetzt, weswegen davon auszugehen ist, dass das Kind mittlerweile geboren wurde.
Der BF pflegt mit seiner in Nigeria lebenden Mutter etwa einmal monatlich telefonischen Kontakt, unregelmäßig auch mit seinen beiden Schwestern.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 09.08.2018, wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt. Nach erhobener Berufung erwuchs das Urteil mit Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX zu 23 Bs 83/19b mit 09.05.2019 in Rechtskraft. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF vorschriftswidrig Suchtgift in einer insgesamt des 25-fachen der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen hat, indem er 1./ am 04.03.2018 A.T.E. 109 Bodypacks Kokain mit 1076,6 Gramm Kokain netto mit zumindest 546,2 Gramm Reinsubstanz Cocain (mithin die 36,41-fache Grenzmenge) sowie 10 Bodypacks mit 97,8 Gramm Heroin netto mit zumindest 11,91 Gramm Reinsubstanz Heroin, 0,9 Gramm Reinsubstanz Monoacetylmorphin und 0,7 Gramm Reinsubstanz Acetylcodein (mithin die insgesamt 4,29-fache Grenzmenge) zur Verteilung übergab; 2./ zwischen Anfang 2017 und März 2018 in wiederholten Angriffen A.H. (teilweise zur Weiterverteilung an Ch.A. und M.A.) und R.W. zumindest 76,8 Gramm Kokain mit dem Wirkstoff Cocain in einem Reinheitsgehalt von zumindest 20% überlies und III./ vorschriftswidrig Suchtgift in einer insgesamt das 15-fachen der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz, dass dieses in Verkehr gesetzt werde, erworben und besessen hat, indem er vor dem 05.03.2018 von einem unbekannten Lieferanten 968 Gramm Kokain mit zumindest 697,3 Gramm Reinsubstanz Cocain und 61,7 Gramm Kokain mit zumindest 31,12 Gramm Reinsubstanz Cocain übernommen und bis zum geplanten Weiterverkauf verwahrt hat.
In Zusammenschau des Urteils des LG XXXX vom 09.08.2018 und des Urteils des Oberlandesgerichtes XXXX vom 09.05.2019 wurde erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und das Gewinnstreben – die Tatbegehung erfolgte trotz eines monatlichen Einkommens von € 1.400,- - sowie der lange Tatzeitraum gewertet, mildernd hingegen die Sicherstellung des Suchtgiftes (nur marginal mildernd), der Beitrag zur Wahrheitsfindung (jedoch für die Beweisführung beinahe ohne Bedeutung) sowie der bisher ordentliche Lebenswandel.
Infolge dieser Verurteilung befand sich der BF ab 06.03.2018 in Strafhaft, wobei ihm mit 30.09.2019 der elektronisch überwachte Hausarrest bewilligt wurde.
2. Beweiswürdigung:
Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF vor dieser, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister sowie ein Sozialversicherungsdatenauszug wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt. Zudem wurde der BF am 07.08.2020 in der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz vor dem Bundesverwaltungsgericht einvernommen, ebenso die Zeugin M.M.
2.3. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen ergeben sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Angaben des BF im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde (Protokoll vom 08.01.2019, AS 87) und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (Protokoll vom 07.08.2020, S 4 ff). Da der BF den österreichischen Behörden seinen Reisepass (Dokumentennummer A04495571) vorlegen konnte, steht die Identität des BF fest.
Der Verlauf hinsichtlich des Asylverfahrens des BF sowie hinsichtlich der Aufenthaltstitel ergibt sich aus dem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister sowie dem unstrittigen Akteninhalt.
Hinsichtlich seines Gesundheitszustandes führte der BF im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde aus, er leide an einer Hauterkrankung (Protokoll vom 08.01.2019, AS 86), im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem erkennenden Gericht gab er an, an Juckreiz und einer Allergie zu leiden (Protokoll vom 07.08.2020, S 3). Entsprechende medizinische Unterlagen legte der BF keine vor, ungeachtet dessen handelt es sich bei dem von ihm Vorgebrachten um keine lebensbedrohlichen Erkrankungen. Daraus ergibt sich die Arbeitsfähigkeit des BF, zudem ist dieser bereits seit August 2010 fast durchwegs berufstätig. Aus dem Sozialversicherungsdatenauszug des BF lässt sich dabei sowohl die ungefähre Beschäftigungsdauer des BF seit August 2010 ableiten, weiters ist auch ersichtlich, dass der BF derzeit bei der XXXX angestellt ist. Betreffend seine Staplerfahrertätigkeit bei „ XXXX “ gilt es auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem erkennenden Gericht zu verweisen (Protokoll vom 07.08.2020, S 4). Hinsichtlich seiner Fähigkeiten in Zusammenhang mit der deutschen Sprache legte der BF das Zertifikat seiner abgelegten ÖSD-Sprachprüfung auf Niveau B1 in Deutsch vom 27.04.2015 vor. Dass der BF sehr gut Deutsch spricht, ergibt sich überdies daraus, dass die gesamte mündliche Beschwerdeverhandlung in Deutsch geführt werden konnte. Lediglich bei einer einzigen Frage war die Miteinbeziehung des Dolmetschers erforderlich (Protokoll vom 07.08.2020, AS 2 & AS 5).
Der Umstand, dass der BF drei im Bundesgebiet lebende Kinder aus vorangegangener Ehe mit einer ungarischen Staatsbürgerin aufweist, ergibt sich aus den glaubhaften Ausführungen des BF im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde (Protokoll vom 08.01.2019, AS 87) und der mündlichen Beschwerdeverhandlung (Protokoll vom 07.08.2020, S 4 f) in Übereinstimmung mit den Angaben seiner Ehefrau M.M. (Protokoll vom 07.08.2020, S 8). Hinsichtlich der Feststellung zum nicht bestehenden Kontakt zu den Kindern, zur Ehefrau sowie zur Tatsache, dass dies zu einem großen Teil dem schlechten Verhältnis zur Ex-Ehefrau geschuldet ist, wird auf die glaubhaften Ausführungen des BF im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung verwiesen, ebenso hinsichtlich der teilweisen Alimentezahlungen (Protokoll vom 07.08.2020, S 4). Darüber hinaus legte der BF auch eine Benachrichtigung seitens der Staatsanwaltschaft XXXX vor, der zufolge ein Verfahren hinsichtlich des Verdachts des sexuellen Übergriffs zNd D.S und L.M. eingestellt wurde, da kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung bestand.
Entsprechend einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister zur Person des BF und der M.M. wird ersichtlich, dass der BF und M.M. melderechtlich seit 28.07.2014 mit Ausnahme einer dreimonatigen Unterbrechung an jeweils selbiger Hauptwohnsitzadresse erfasst sind. Dass der BF mit M.M. verheiratet ist und dieser Ehe vier Kinder entstammen, ergibt sich aus den glaubhaften und übereinstimmenden Angaben des BF und der M.M. (Protokoll vom 09.01.2019, AS 87; Protokoll vom 07.08.2020, S 4 & S 7). Da der BF den Mutter Kind Pass hinsichtlich des vierten Kindes der M.M. vorlegt hat und darin der errechnete Geburtstermin mit XXXX 2020 ersichtlich ist, ist – auch ohne Vorlage einer entsprechenden Geburtsurkunde – davon auszugehen, dass dieses Kind mittlerweile geboren wurde und der BF nunmehr mit M.M vier gemeinsame Kinder hat.
Die Feststellung zum Kontakt mit der Mutter und den beiden Schwestern lässt sich den glaubhaften Ausführungen des BF im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde entnehmen (Protokoll vom 08.01.2019, AS 87).
Die strafrechtliche Verurteilung des BF ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich. Hinsichtlich der Gründe der Verurteilung wird auf das ausgefertigte Urteil des LG XXXX vom 09.08.2018 verwiesen, ebenso hinsichtlich der Milderungs- und Erschwerungsgründe, wobei diesbezüglich noch auf die Entscheidungsgründe im Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX vom 09.05.2019 Bedacht genommen wurde.
Dass sich der BF ab dem 06.03.2018 in Strafhaft befand und ihm mit 30.09.2019 der elektronisch überwachte Hausarrest bewilligt wurde, ergibt sich aus der Vollzugsinformation des BF vom 01.07.2020 und führte der BF übereinstimmend auch im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung aus, seit dem 30.09.2019 eine Fußfessel zu haben (Protokoll vom 07.08.2020, S 4).
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 2 Abs 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt. Gemäß § 2 Abs 4 Z 10 FPG gilt als Drittstaatsangehöriger ein Fremder, der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.
Der BF als nigerianischer Staatsangehöriger ist folglich Drittstaatsangehöriger iSd. soeben angeführten Bestimmungen.
Zu A) Stattgabe der Beschwerde:
3.1. Rechtslage
Gemäß § 52 Abs 5 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
Der mit „Einreiseverbot“ titulierte § 53 FPG lautet in den gegenständlich entscheidungsrelevanten Auszügen:
§ 53 (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(2) […]
(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
[…]
5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
Bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist unter dem Gesichtspunkt des Art 8 MRK ihre Verhältnismäßigkeit am Maßstab des § 9 BFA-VG 2014 zu prüfen. Nach dessen Abs 1 ist nämlich (ua) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FrPolG 2005, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. E 12. November 2015, Ra 2015/21/0101; E 20. Oktober 2016, Ra 2016/21/0198) (VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0114).
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Wie bereits unter Punkt II.1.1. festgestellt, verfügt der BF seit 06.10.2015 über einen Daueraufenthalt-EU, weswegen die Bestimmung des § 52 Abs 5 FPG anzuwenden ist. Die belangte Behörde hat die Rückkehrentscheidung daher dem Grunde nach zu Recht auf § 52 Abs 5 FPG gestützt. Hinsichtlich dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs 3 FPG gilt folglich der Maßstab einer gegenwärtigen, hinreichend schweren Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit in Zusammenhang mit dessen weiteren Aufenthalt.
Bei der Prüfung, ob die Annahme einer solchen Gefährdung gerechtfertigt ist, muss eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung vorgenommen werden (vgl. VwGH 22.3.2018, Ra 2017/22/0194). Dabei ist auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289). Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109; 31.8.2017, Ra 2017/21/0120) (VwGH 21.06.2018, Ra 2016/22/0101). Im Falle der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen, wenn diese (auch) wegen strafrechtlichen Fehlverhaltens verhängt werden, bedarf es vor allem im Rahmen der zu treffenden Gefährlichkeitsprognose einer näheren Auseinandersetzung mit diesem strafrechtlichen Fehlverhalten im Einzelnen (Hinweis E 19. Mai 2015, Ra 2014/21/0057) (VwGH 28.05.2020, Ra 2020/21/0073).
Der BF wurde rechtskräftig mit Urteil des LG XXXX vom 09.08.2018 zu XXXX wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, wobei der BF vorschriftswidrig Suchtgift in einer insgesamt des 25-fachen der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen hat, indem er 1./ am 04.03.2018 A.T.E. 109 Bodypacks Kokain mit 1076,6 Gramm Kokain netto mit zumindest 546,2 Gramm Reinsubstanz Cocain (mithin die 36,41-fache Grenzmenge) sowie 10 Bodypacks mit 97,8 Gramm Heroin netto mit zumindest 11,91 Gramm Reinsubstanz Heroin, 0,9 Gramm Reinsubstanz Monoacetylmorphin und 0,7 Gramm Reinsubstanz Acetylcodein (mithin die insgesamt 4,29-fache Grenzmenge) zur Verteilung übergab; 2./ zwischen Anfang 2017 und März 2018 in wiederholten Angriffen A.H. (teilweise zur Weiterverteilung an Ch.A. und M.A.) und R.W. zumindest 76,8 Gramm Kokain mit dem Wirkstoff Cocain in einem Reinheitsgehalt von zumindest 20% überlies und III./ vorschriftswidrig Suchtgift in einer insgesamt das 15-fachen der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz, dass dieses in Verkehr gesetzt werde, erworben und besessen hat, indem er vor dem 05.03.2018 von einem unbekannten Lieferanten 968 Gramm Kokain mit zumindest 697,3 Gramm Reinsubstanz Cocain und 61,7 Gramm Kokain mit zumindest 31,12 Gramm Reinsubstanz Cocain übernommen und bis zum geplanten Weiterverkauf verwahrt hat. Erschwerend wurde das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und das Gewinnstreben sowie der lange Tatzeitraum, mildernd hingegen die Sicherstellung des Suchtgiftes (nur marginal mildernd), der Beitrag zur Wahrheitsfindung (jedoch für die Beweisführung beinahe ohne Bedeutung) sowie der bisher ordentliche Lebenswandel gewertet.
Folglich hat der BF ein Verhalten gesetzt, welches den Tatbestand des § 53 Abs 3 Z 1 FPG erfüllt und ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens 10 Jahren zu rechtfertigen vermag. Dabei gilt es ergänzend anzumerken, dass die auf drei Jahre unbedingt verhängte Freiheitsstrafe des BF nur knapp unterhalb der Schwelle des § 53 Abs 3 Z 5 FPG liegt, welcher sogar die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbots rechtfertigen würde.
Entsprechend der Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofs stellt Suchtgiftdelinquenz ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben sei und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse bestehe (vgl. etwa VwGH 29.3.2012, 2011/23/0662; 20.8.2013, 2013/22/0082), weiters eine Gefahr für die Gesundheit oder das Leben von Menschen darstellt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass in jeglichen Fällen einer Suchtmitteldelinquenz eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gerechtfertigt wäre, vielmehr ist auch diesfalls die Beurteilung anhand der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (vgl. VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014).
Hinsichtlich des Gesamtverhaltens des BF in Zusammenhang mit einer Prognosebeurteilung gilt es daher neben der Verurteilung aufgrund von Suchtmitteldelinquenz zu berücksichtigen, dass sich dieser während seines Aufenthalts im Bundesgebiet seit Januar 2005 bis zum im Strafurteil festgestellten Tatzeitpunkt im Jahr 2017, somit etwa zwölf Jahre lang, rechtskonform verhalten hat und es sich bei der gegenständlichen Verurteilung des BF um seine erste Verurteilung handelt.
Berücksichtigt wird weiters, dass dem BF mit 30.09.2019 der elektronisch überwachte Hausarrest bewilligt wurde, folglich der BF während seines Haftaufenthaltes erfolgreich Bemühungen unternommen hat, eine Anstellung zu finden und sich auch ansonsten in Haft wohlverhalten hat. Im Zuge einer solchen Bewilligung ist – unter anderem – auch eine Prognose darüber zu treffen, dass nach Prüfung der Wohnverhältnisse, des sozialen Umfelds und allfälliger Risikofaktoren sowie bei Einhaltung der aufzuerlegenden Bedingungen diese Vollzugsform nicht missbraucht wird (vgl. § 156c Abs 1 Z 4 StVG). Zwar kann ein Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich erst - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - daran gemessen werden, ob und wie lange er sich in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. B 22. Mai 2014, Ra 2014/21/0014) (VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0276), jedoch lässt gegenständlich die Entscheidung der Leitung der Justizanstalt als Vollzugsbehörde (vgl. § 156d Abs 1 StVG) hinsichtlich der Stattgebung des Antrags auf Bewilligung des elektronisch überwachten Hausarrests sowie der Tatsache, dass der BF seitdem kein Verhalten gesetzt hat, welches den Widerruf der Bewilligung zur Folge gehabt hätte, auf eine positive Entwicklung des BF schließen. Insoweit kommt der BF seinem Beschwerdevorbringen, fest entschlossen zu sein, sich in Zukunft nichts mehr zu Schulden kommen zu lassen und ein geordnetes, rechtskonformes Leben zu führen, nach.
Wenn der BF vor dem erkennenden Gericht ausführt, er bereue, was er getan habe, ihm sei ein sehr großer Fehler passiert und er wolle seinen Charakter ändern, so vermochte er dies insbesondere in Anbetracht dessen, dass er sich während seines Haftaufenthalts positiv verhalten und entwickelt hat, ab Juli 2019 in den Genuss des gelockerten Vollzugs gekommen ist, ab September 2019 unbewachte Arbeit, auch Außenarbeit, verrichten durfte und ihm schließlich ab 30.09.2019 der elektronisch überwachte Hausarrest genehmigt wurde (Vollzugsinformation des BF vom 01.07.2020), dem erkennenden Gericht glaubhaft zu vermitteln. Dem BF ist daher zuzubilligen, dass er positive erste Schritte im Sinne einer Wesens- bzw. Charakteränderung aufgrund seiner erstmaligen Erfahrung der Unbill der Haft erfahren hat und sich in eine richtige Richtung bewegt. Auch konnte die Ehegattin des BF vor dem erkennenden Gericht in Zusammenhang mit einer etwaigen Tatwiederholung auf Nachfrage mit Nachdruck darlegen, dass sie den BF künftig unter Kontrolle habe.
Ferner darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der BF im Bundesgebiet ein tatsächliches Familien- und Privatleben im Sinne des Art 8 EMRK aufweist. Der Außerlandesbringung des BF als nunmehr siebenfachem Vater steht zudem das Kindeswohl entgegen.
Diesbezüglich gilt es zu berücksichtigen, dass der BF das Familienleben erst nach seiner Eheschließung mit einer ungarischen Staatsangehörigen, somit zu einem Zeitpunkt, zu dem sich der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet aufgrund dieser Eheschließung als Familienangehöriger als rechtmäßig gestaltete, begründet hat. Mit seiner nunmehrigen Ehefrau und den vier gemeinsamen Kindern führt der BF seit mehreren Jahren ein Familienleben, wobei er Zeit mit den Kindern verbringt und sich auch im Haushalt einbringt. Bis vor seinem Strafantritt lebten alle gemeinsam in einem Haushalt und ist der BF auch jetzt nach Bewilligung seines elektronisch überwachten Hausarrests wieder in den gemeinsamen Haushalt zurückgekehrt. Nicht verkannt wird jedoch, dass sein Familienleben den BF nicht abzuhalten vermochte, ein strafrechtlich relevantes Verhalten in Zusammenhang mit Suchtmitteldelinquenz zu setzen und auch seine beiden jüngsten Kinder erst zu einem Zeitpunkt nach Verurteilung des BF geboren wurden. In Anbetracht dessen, dass die Ehegattin des BF nunmehr das vierte gemeinsame Kind geboren hat, besteht auch eine gewisse finanzielle Abhängigkeit der sechsköpfigen Familie vom Einkommen und der Erwerbstätigkeit des BF. Ohne dieses gestaltet sich die Sicherung des Lebensunterhalts der M.M. und ihrer vier Kinder insofern als schwierig, als dass die M.M. noch die Schule besucht und zudem mittlerweile vier Kinder zu versorgen hat, wovon eines gerade erst geboren wurde. Dementsprechend kann eine Berufstätigkeit der M.M. wohl nur in sehr eingeschränktem Ausmaß stattfinden. Der BF vermochte es im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung glaubhaft zu vermitteln, dass er künftig etwaigen finanziellen Schwierigkeiten nicht mehr mit dem Verkauf von Suchtmitteln, sondern durch vermehrte Erwerbstätigkeit bzw. Nachtschichttätigkeiten begegnen wird. Erste positive Schritte hat der BF entsprechend den obigen Ausführungen bereits gesetzt. Zur Erhöhung des Familieneinkommens vermag dann auch die M.M. durch die Aufnahme einer Beschäftigung in einem ihr zumutbaren Maße beizutragen, was sie vor dem erkennenden Gericht auch glaubhaft angab, tun zu wollen.
Zu den drei Kindern aus erster Ehe sowie zur Ex-Ehefrau besteht zwar seit dem Gefängnisaufenthalt des BF kein Kontakt mehr, jedoch ist dies entsprechend einer Benachrichtigung seitens der Staatsanwaltschaft Linz, der zufolge ein Verfahren hinsichtlich des Verdachts des sexuellen Übergriffs zNd D.S und L.M. eingestellt wurde, da kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung bestand, zu einem großen Teil dem schlechten Verhältnis zur Ex-Ehefrau geschuldet. Dies ergibt sich auch aus den diesbezüglich übereinstimmenden Angaben des BF und seiner nunmehrigen Ehegattin im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung.
Generell gilt es hinsichtlich der Integration des BF noch anzumerken, dass der BF seit dem Jahr 2010 fast durchgehend einer (legalen) Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, sich somit beruflich verfestigt hat, und sich auch trotz seines Gefängnisaufenthalts darum bemüht hat, wieder eine Anstellung zu finden und diesen Bemühungen auch die Bewilligung des elektronisch überwachten Haushalts geschuldet ist. Überdies spricht der BF sehr gut Deutsch und konnte die gesamte mündliche Beschwerdeverhandlung – abgesehen von einer einzigen Frage – auf Deutsch geführt werden, weshalb auch eine sprachlichen Integration gelungen ist.
Das erkennende Gericht verkennt nicht, dass Straftaten wie die in Art 83 Abs 1 AEUV angeführten (Terrorismus, Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern, illegaler Drogen- und Waffenhandel, Geldwäsche, Korruption, Fälschung von Zahlungsmitteln, Computerkriminalität, organisierte Kriminalität) als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses angesehen werden können, und diese geeignet ist, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen.
Trotz des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Suchtmittelkriminalität sowie am Schutz der öffentlichen Ordnung ist insbesondere unter Berücksichtigung der glaubhaften Einsicht und Reue des BF in Verbindung mit seinen bereits gesetzten positiven Entwicklungsschritten, der Selbsterhaltungsfähigkeit des BF aufgrund seiner Beschäftigung und des bestehenden Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK in Österreich von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen ihn Abstand zu nehmen. Sein privates Interesse an einem Verbleib überwiegt, auch unter Bedachtnahme auf die beträchtliche strafgerichtliche Verurteilung, gerade noch das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung. Dies bedingt auch den Entfall der übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids, der somit in Stattgebung der Beschwerde ersatzlos zu beheben ist.
Im Verfahren nach § 52 Abs. 5 FPG haben jedoch die entbehrlichen Aussprüche über die Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu unterbleiben; die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG kommt nicht in Betracht. Erweist sich demnach eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 5 FPG - aus welchem Grund auch immer - als unzulässig, besteht das Aufenthaltsrecht aufgrund des Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" weiter. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG kommt aber jedenfalls nicht in Betracht und es hat somit auch eine Feststellung nach § 9 Abs. 3 BFA-VG über die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung, die hierfür die Grundlage bilden sollte, zu unterbleiben (siehe VwGH 29.05.2018, Ra 2018/21/0067).
In der Folge wird allenfalls die Niederlassungsbehörde zur Prüfung einer allfälligen "Rückstufung" gemäß § 28 Abs. 1 NAG zu befassen sein, zumal der BF nach Ausstellung des Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" straffällig wurde.
Sollte der BF neuerlich straffällig werden, wird das BFA die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots gegen ihn neuerlich zu prüfen haben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen, zumal die Entscheidungsfindung des erkennenden Gerichts auf einer durchgeführten Interessenabwägung beruht.
Schlagworte
Abschiebung Behebung der Entscheidung Einreiseverbot Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung freiwillige Ausreise Frist Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Haft Haftstrafe Interessenabwägung Kassation mündliche Verhandlung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Verbrechen WiederholungsgefahrEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I415.1304388.4.00Im RIS seit
23.11.2020Zuletzt aktualisiert am
23.11.2020