TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/16 W178 2225382-1

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Veröffentlicht am 16.09.2020
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Entscheidungsdatum

16.09.2020

Norm

AVG §68 Abs1
B-KUVG §56
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W178 2225382-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde von Dr. XXXX , SVNR XXXX , gegen den Bescheid der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (nunmehr: Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahn und Bergbau, BVAEB) vom 16.08.2019, Zl. 1152-H-2019-XI, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 25.07.2016 sprach die BVAEB über den Antrag des Beschwerdeführers vom 04.07.2016 aus, dass seine Anspruchsberechtigung nach § 56 B-KUVG als pflegender Angehöriger mit 26.05.2016 geendet habe, da seine Mutter am 26.05.2016 verstorben sei.

2. Aufgrund dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer Klage beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht und begehrte die Aufhebung des Bescheides, die Feststellung seiner Anspruchsberechtigung, die Befreiung von der Rezeptgebühr und die Erlassung einer Einstweiligen Verfügung.

Diese Klage (samt dem Antrag auf Einstweilige Verfügung) wurde vom Landesgericht Innsbruck wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht Innsbruck und der Oberste Gerichtshof bestätigten im weiteren Verfahrensverlauf die Rechtsansicht des erstinstanzlichen Gerichts, wonach es sich bei dieser Angelegenheit um eine Verwaltungssache handle und daher der Rechtsweg an das Bundesverwaltungsgericht vorgesehen ist.

Der Beschwerdeführer erhob jedoch gegen den Bescheid vom 25.07.2016 keine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

3. In seinem an die BVAEB gerichteten Antrag vom 04.07.2019 führte der Beschwerdeführer aus, dass er mit Schreiben vom 30.03.2019 bereits mitgeteilt habe, dass er aufgrund seiner Parkinsonerkrankung Ansprüche gegen die Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: PVA) und auch ein amtsärztliches Gutachten vorgelegt habe, das seine Arbeitsunfähigkeit belege. Laut PVA erfülle er jedoch nicht die Wartezeit und seinem Ersuchen um eine Krankenversicherung sei nicht entsprochen worden, sondern ihm sei lediglich Pflegegeld der Stufe 1 zuerkannt worden. Auch das Landesgericht Innsbruck habe in der Entscheidung vom 17.10.2017 festgestellt, dass das amtsärztliche Gutachten seine dauernde völlige Arbeitsunfähigkeit belege. Die PVA habe das vor Gericht auch nicht bestritten. Seine Mutter sei als Witwe seines Vaters bei der BVAEB krankenversichert gewesen. Er habe mit seinen Eltern bis zu deren Ableben im gemeinsamen Haushalt gelebt. Er sei sowohl als haushaltsführender Angehöriger als auch als pflegender Angehöriger versichert gewesen. Bisher sei die BVAEB davon ausgegangen, dass seine Versicherungsberechtigung durch den Tod seiner Mutter geendet habe. Zwischenzeitlich habe sich aber herausgestellt, dass er seit Ende April 2016 berufsunfähig sei. Die Angehörigeneigenschaft bleibe jedoch auch dann gewahrt, wenn der Angehörige nicht mehr in der Lage sei, den gemeinsamen Haushalt zu führen. Weiters sei zu beachten, dass ihm als nicht selbsterhaltungsfähiger Sohn seiner Mutter bisher kein anderer Krankenversicherungsanspruch zuerkannt worden sei. Er beantrage daher, seine Eigenschaft als Angehöriger und den Weiterbestand der Angehörigeneigenschaft auch nach dem Ableben seiner Mutter und seine daraus resultierenden Ansprüche festzustellen.

4. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid der BVAEB vom 16.08.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 04.07.2019 aufgrund entschiedener Sache zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass bereits mit Bescheid vom 25.07.2016 festgestellt worden sei, dass die Anspruchsberechtigung des Beschwerdeführers als pflegender Angehöriger mit 26.05.2016 geendet habe. Der Beschwerdeführer habe gegen diesen Bescheid entgegen der Rechtsmittelerklärung nicht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, sondern Klage an das unzuständige Arbeits- und Sozialgericht erhoben, weshalb der Bescheid in Rechtskraft erwachsen sei.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte vor, dass keine entschiedene Rechtssache vorliege. In seinem Antrag vom 04.07.2019 habe er mitgeteilt, dass er seit Ende April 2016 berufsunfähig sei und damit das Vorliegen des Versicherungsfalls der Berufsunfähigkeit aufgezeigt. Dieser Umstand sei zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 25.07.2016 noch nicht bekannt gewesen. Diese Frage sei damit im damaligen Verfahren gar nicht behandelt worden. Er mache also den Eintritt des Versicherungsfalles der Berufsunfähigkeit während des Bestehens seiner Anspruchsberechtigung und den Weiterbestand dieses Versicherungsanspruches geltend. Weiters stellte er den Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid aufheben und feststellen, dass er Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung habe, in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und der belangten Behörde die inhaltliche Bearbeitung der Anträge auftragen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Bescheid vom 25.07.2016 sprach die BVAEB über den Antrag des Beschwerdeführers vom 04.07.2016 aus, dass seine Anspruchsberechtigung als pflegender Angehöriger mit 26.05.2016 geendet hat, da seine Mutter am 26.05.2016 verstorben ist.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer keine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Am 04.07.2019 stellte er neuerlich einen Antrag auf Feststellung seiner Anspruchsberechtigung als Angehöriger. Darin brachte er vor, dass sich zwischenzeitlich herausgestellt habe, dass er seit Ende April 2016 berufsunfähig sei.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensakt der BVAEB und wurde vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Rechtsgrundlage

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

3.2. Zur gegenständlichen Beschwerde

Da die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, ist "Sache" der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst.

Bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache ist auch vom Verwaltungsgericht von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit derselben nochmals zu überprüfen (VwGH 03.07.2020, Ra 2020/14/0255). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen (VwGH 05.03.2020, Ra 2019/15/0114).

Der Bescheid der BVAEB vom 25.07.2016, in dem unter Spruchpunkt 1 festgestellt wurde, dass die Anspruchsberechtigung des Beschwerdeführers als pflegender Angehöriger mit dem Tod seiner Mutter geendet hat, ist mit Ablauf der vierwöchigen Beschwerdefrist rechtskräftig geworden. Dass der Beschwerdeführer aufgrund dieses Bescheides trotz einer eindeutigen Rechtsmittelbelehrung Klage an das Arbeits- und Sozialgericht erhoben hat, ändert nichts an der Rechtskraft des Bescheides. Es ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass eine höchstinstanzliche Entscheidung vorliegt, wonach es sich bei der Angelegenheit um eine Verwaltungssache im Sinne des § 355 ASVG handelt und der vom Beschwerdeführer gewählte Rechtsweg an die ordentliche Gerichtsbarkeit unzulässig ist.

Gegenstand der materiellen Rechtskraft ist der konkrete Norminhalt des in Frage stehenden Bescheides, d.h. die im Bescheid getroffene Absprache über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar aufgrund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen Sachverhalt zum Ausdruck kommt (vgl. VwGH 23.4.2003, 2000/08/0040).

Eine Zurückweisung wegen entschiedener Sache kommt daher nur in Frage, wenn Identität der Sache gegeben ist. Identität der Sache liegt laut ständiger Judikatur des VwGH dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (s. beispielsweise zuletzt VwGH 03.07.2020, Ra 2020/14/0255).

Wie aus dem Bescheid vom 25.07.2019 hervorgeht, begehrte der Beschwerdeführer bereits in seinem Antrag aus dem Jahr 2016 die Feststellung, dass er aufgrund seiner Angehörigeneigenschaft Anspruch auf Leistungen aus der Krankenversicherung gegenüber der BVAEB habe. Sein verfahrensgegenständlicher Antrag aus dem Jahr 2019 richtete sich ebenfalls auf die Feststellung des Weiterbestandes seiner Angehörigeneigenschaft und seiner daraus resultierenden Anspruchsberechtigung, sodass die Anträge aus den Jahren 2016 und 2019 im Wesentlichen übereinstimmen.

Auch liegt keine entscheidungserhebliche Änderung der anzuwendenden Bestimmungen des B-KUVG vor, sodass Identität der Rechtslage ebenfalls unbestritten gegeben ist.

Betreffend das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach sich eine Änderung des Sachverhalts ergeben habe, da zwischenzeitlich bekannt geworden sei, dass er seit Ende April 2016 berufsunfähig sei, ist zunächst anzuführen, dass dieser Umstand nicht auf seine Angehörigeneigenschaft in der Krankenversicherung auswirken kann. Vielmehr bezieht sich dieses Vorbringen auf allfällige Ansprüche im Rahmen der Pensionsversicherung und fällt damit auch nicht in die Zuständigkeit der belangten Behörde. Es liegt somit keine Änderung des entscheidungserheblichen Sachverhalts vor. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass erst nach Erlassung der rechtskräftigen Erstentscheidung hervorkommende Umstände, die eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung dartun, keine Änderung des Sachverhalts darstellen, sondern lediglich einen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens nach § 69 AVG darstellen können (VwGH 03.07.2020, Ra 2020/14/0255).

Die Zurückweisung des Antrags vom 04.07.2019 aufgrund entschiedener Sache durch die belangte Behörde war damit rechtmäßig und die gegenständliche Beschwerde abzuweisen.

3.3. Zum Absehen von der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer nicht beantragt. Da sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt zudem bereits aus der Aktenlage ergibt, ist nach Ansicht des Gerichts keine mündliche Erörterung der Angelegenheit erforderlich. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht daher von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt feststand. Dem steht auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegen, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 21.02.2019, Ra 2019/08/0027.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich zudem auf eine klare Rechtslage stützen (vgl. VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Schlagworte

Angehörigeneigenschaft Anspruchsverlust Identität der Sache Prozesshindernis der entschiedenen Sache Rechtskraft der Entscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W178.2225382.1.00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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