Entscheidungsdatum
22.09.2020Norm
ASVG §18bSpruch
W229 2233281-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Elisabeth WUTZL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 11.02.2010, HVBA XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
1. Die Beschwerdeführerin stellte am 18.12.2019 bei der Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: PVA) einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG für Zeiten der Pflege einer im Antrag näher bezeichneten nahen Angehörigen ab 08/2017.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid der PVA wurde der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege einer (im Bescheid näher bezeichneten) nahen Angehörigen der Beschwerdeführerin ab 01.12.2018 anerkannt und ausgesprochen, dass diese mit 30.04.2019 ende. Weiters wurde festgestellt, dass für die Zeit vom 01.08.2017 bis 30.11.2018 die Berechtigung zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nicht gegeben ist.
Begründend wurde hinsichtlich des Ablehnungsgrundes für die Zeit vom 01.08.2017 bis 30.11.2018 ausgeführt, dass Beiträge zur Selbstversicherung nur für Beitragszeiträume entrichtet werden können, welche nicht mehr als zwölf Monate vor der Antragstellung liegen.
3. Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht mit Schriftsatz vom 06.03.2020 Beschwerde erhoben, da sie mit der Ablehnung im Zeitrahmen vom 01.08.2017 bis 30.11.2018 nicht einverstanden sei. Sie habe ihn diesem Zeitraum ihre Mutter betreut und somit die Anspruchsvoraussetzungen für die Selbstversicherung für die Zeit der Pflege erfüllt. Im Bescheid vom 06.09.2017, mit dem ihrer Mutter die Pflegestufe 3 ab 01.082017 anerkannt worden sei, sei kein Hinweis auf die Möglichkeit der Selbstversicherung für die Pflege naher Angehöriger ersichtlich.
4. Mit Schreiben vom 21.07.2020 legte die PVA die Beschwerde samt Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss einer Stellungnahme zur Entscheidung vor.
5. Diese Stellungnahme wurde der Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 29.07.2020 mit der Gelegenheit zur Stellungnahme ins Parteiengehör übermittelt. Eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin langte bis dato nicht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin stellte am 18.12.2019 einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG für Zeiten der Pflege ihrer Mutter, für welche seit dem 01.08.2017 ein Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 3 besteht und welche in häuslicher Umgebung gepflegt wurde.
Unter Punkt 1 auf Seite 2 des Formulars trug die Beschwerdeführerin als beantragten Anfangszeitpunkt der Selbstversicherung "08/2017 – 04/2019" ein. In der darüber liegenden Zeile des Formulars befindet sich in einem Klammerausdruck der Hinweis, "frühestens ein Jahr vor der Antragstellung".
2. Beweiswürdigung:
Der Zeitpunkt der Antragstellung ergibt sich aus dem Antragsformular und wird von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 414 Abs. 1 ASVG kann gegen Bescheide der Versicherungsträger oder des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz oder des Bundesministers für Gesundheit in Verwaltungssachen und wegen Verletzung ihrer (seiner) Entscheidungspflicht in Verwaltungssachen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden. Folglich ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. In Ermangelung einer entsprechenden Anordnung der Senatszuständigkeit im ASVG liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.
3.3. Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.3.1. Die im vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) lauten:
"Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger
§ 18b. (1) Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Je Pflegefall kann nur eine Person selbstversichert sein. Die Pflege in häuslicher Umgebung wird durch einen zeitweiligen stationären Pflegeaufenthalt der pflegebedürftigen Person nicht unterbrochen.
(1a) Die Selbstversicherung ist für die Zeit einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 2 lit. j auf Grund des Bezuges eines aliquoten Pflegekarenzgeldes ausgeschlossen.
(2) Die Selbstversicherung beginnt mit dem Zeitpunkt, den die pflegende Person wählt, frühestens mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Pflege aufgenommen wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der dem Tag der Antragstellung folgt.
(3) Die Selbstversicherung endet mit dem Ende des Kalendermonats,
1. in dem die Pflegetätigkeit oder eine sonstige Voraussetzung nach Abs. 1 weggefallen ist oder
2. in dem die pflegende Person den Austritt aus dieser Versicherung erklärt hat.
(4) Der Versicherungsträger hat ab dem dem Beginn der Selbstversicherung folgenden Kalenderjahr regelmäßig festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Selbstversicherung noch gegeben sind. Die selbstversicherte Person ist verpflichtet, das Ende der Pflegetätigkeit innerhalb von zwei Wochen dem Versicherungsträger zu melden.
(5) Das Ende der Selbstversicherung steht hinsichtlich der Berechtigung zur Weiterversicherung in der Pensionsversicherung dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 lit. a gleich.
(6) Die selbstversicherte Person ist dem Zweig der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz zugehörig, in dem sie zuletzt Versicherungszeiten erworben hat. Liegen keine Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz vor, so ist die selbstversicherte Person der Pensionsversicherung der Angestellten zugehörig."
"Beitragszeiten nach dem 31. Dezember 1955
§ 225. (1) Als Beitragszeiten aus der Zeit nach dem 31. Dezember 1955 sind anzusehen:
1. (...)
2. (...)
3. Zeiten einer freiwilligen Versicherung, wenn die Beiträge innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf des Beitragszeitraumes, für den sie gelten sollen, oder auf Grund einer nachträglichen Selbstversicherung nach § 18 oder § 18a in Verbindung mit § 669 Abs. 3 wirksam (§ 230) entrichtet worden sind; (...)."
3.3.2. Das Begehren der Beschwerdeführerin ist darauf gerichtet, den Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Anspruch auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege einer nahen Angehörigen (Mutter) auch für die Zeit vom 01.08.2017 bis 30.11.2018 beitragswirksam anerkannt wird. Dies mit der Begründung, dass im Bescheid, mit welchem das Pflegegeld der Stufe 3 zuerkannt worden ist kein Hinweis auf eine mögliche Antragstellung enthalten sei. Dies vermag aus folgenden Gründen eine Rechtswidrigkeit des Bescheides nicht darzutun:
Gem. § 18b Abs. 2 ASVG beginnt die Selbstversicherung mit dem Zeitpunkt, den die pflegende Person wählt, frühestens mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Pflege aufgenommen wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der dem Tag der Antragstellung folgt
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der im vorliegenden Fall zu beurteilenden Rechtsfrage bereits auseinandergesetzt und festgehalten, dass auch wenn die Versicherte als Zeitpunkt des Beginns der freiwilligen Versicherung einen bereits verstrichenen Zeitpunkt wählen kann, ergibt sich aus § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG, dass als frühester Beginnzeitpunkt der dem Antragszeitpunkt vorangehende Monatserste des Vorjahres gewählt werden kann (vgl. VwGH 04.11.2015 Ro 2015/08/0022 sowie dem folgend vom 07.04.2016, Ro 2014/08/0058 und vom selben Tag Ro2015/08/0001).
Die Beschwerdeführerin hat den Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen gemäß § 18b ASVG am 18.12.2019 gestellt, weshalb gemäß § 225 Abs. 1 Z 3 1. Halbsatz ASVG - 12 Monate zurückgerechnet - der Dezember 2018 der erste mögliche Beitragsmonat ist. Eine rückwirkende Anerkennung von Beitragszeiten ist lediglich im Umfang von zwölf Monaten zulässig und besteht für eine darüber hinausgehende Rückwirkung keine Rechtsgrundlage (VwGH 07.06.2016, Ro 2015/08/0001). Zeiträume, die vor dem 01.12.2018 also mehr als 12 Monate vor der Antragstellung liegen, können somit nicht als Beitragszeiten für die freiwillige Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18b herangezogen werden.
Insoweit in der Beschwerde angeführt wird, dass sich im Bescheid betreffend den Anspruch auf Pflegegeld kein Hinweis auf eine mögliche Antragstellung auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung enthalten sei, ist darauf hinzuweisen, dass ein öffentlich-rechtlicher Anspruch, so behandelt zu werden, als wäre eine Auskunft erteilt worden ("Herstellungsanspruch"), nicht besteht (vgl. nochmals VwGH 04.11.2015, Ro 2015/08/0022, mit Verweis auf VwGH 22.12.2010, 2010/08/0244).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.3.3. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 3 leg.cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Nach § 24 Abs. 4 leg.cit. kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S 389, entgegenstehen.
Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von der Beschwerdeführerin nicht beantragt. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da der Sachverhalt sich aus der Aktenlage als hinreichend geklärt darstellte und im vorliegenden Fall unstrittig war. Die im gegenständlichen Fall zu beurteilende Rechtsfrage wurde bereits vom Verwaltungsgerichtshof geklärt. Es wurden keine sonstigen Rechts- oder Sachverhaltsfragen aufgeworfen, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. ua VfGH 18.06.2012, B 155/12, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist). Dem Entfall der Verhandlung stehen weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.
3.4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Zudem ergeht die gegenständliche Entscheidung ergeht in Anlehnung an die unter 3.3.2. angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (siehe insbesondere VwGH 04.11.2015, Ro 2015/08/0022, und VwGH 07.04.2016, Ro 2014/08/0085).
Schlagworte
Antragstellung Pensionsversicherung Selbstversicherung ZeitpunktEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W229.2233281.1.00Im RIS seit
23.11.2020Zuletzt aktualisiert am
23.11.2020