TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/22 W218 2231739-1

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Veröffentlicht am 22.09.2020
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Entscheidungsdatum

22.09.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W218 2231739-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Marion STEINER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , gegen den am 26.05.2020 ausgestellten Behindertenpass, betreffend den festgestellten Grad der Behinderung, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Mit Datum vom 26.05.2020 wurde der Beschwerdeführerin ein unbefristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 vH ausgestellt. Dem Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

2.       Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sie mit dem Gleichbleiben des Gesamtgrades der Behinderung von 50 vH nicht einverstanden sei. Sie sei – entgegen den Ausführungen im Sachverständigengutachten – nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln angereist, die Benützung sei ihr nicht möglich, da sie keine Berührungen oder körperliche Nähe ertrage.

Der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin habe sich in den letzten zwei Jahren verschlechtert. Sie leide seither immer wieder an Schwierigkeiten beim Gehen und habe starke Gehblockaden. Sie ertrage nunmehr keine menschlichen Berührungen mehr und könne keine nahen Beziehungen oder Partnerschaften führen. Sie habe ihren Arbeitsplatz wechseln müssen und sei auf einen sehr einfachen Posten zurückgestuft worden, dabei müsse sie finanzielle Einbußen hinnehmen.

Die Beschwerdeführerin hoffe, dass ihre Leiden anerkannt werden, da es in den letzten zwei Jahren zu erheblichen Verschlechterungen gekommen wäre.

3.       Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 08.06.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 vH.

Die Beschwerdeführerin leidet an folgenden Funktionseinschränkungen:

1. Chronisches Schmerzsyndrom, Schmerzen insbesondere des Nacken- Schulter-Kopfbereiches, Spannungskopfschmerz, Somatisierungsstörung, Pos.Nr.: 04.11.03, Grad der Behinderung 50 %

2. Endometriose mit Hypermenorrhoe und Dysmenorrhoe, Pos.Nr.: 08.03.03, Grad der Behinderung 20 %

3. Skoliose der Wirbelsäule, Pos.Nr.: 02.01.01, Grad der Behinderung 10 %

4. Funktionsstörung der Schilddrüse (Hashimoto-Thyreoiditis), Pos.Nr.: 09.01.01, Grad der Behinderung 10 %

5. elektroneurographisch diagnostizierte Polyneuropathie der Beine, Pos.Nr.: 04.06.01, Grad der Behinderung 10 %

2.       Beweiswürdigung:

Das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin erhobenen klinischen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Im medizinischen Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, am 20.05.2020, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die medizinische Sachverständige stufte das führende Leiden 1 „Chronisches Schmerzsyndrom, Schmerzen insbesondere des Nacken- Schulter- Kopfbereiches, Spannungskopfschmerz, Somatisierungsstörung“ schlüssig und nachvollziehbar, nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 04.11.03 mit dem fixen Rahmensatz von 50 vH ein. Die objektivierbaren psychischen Erkrankungen, wie der Verdacht auf Persönlichkeitsstörung und Anorexia nervosa, sind dabei bereits mitberücksichtigt. Unter dieser Positionsnummer ist der schwere Verlauf eines chronischen Schmerzsyndroms zusammengefasst, wobei tägliche Schmerzattacken und Depressionen bei Ausschöpfung aller therapeutischen Reserven darunter fallen. Die angegebene Depression wurde auch im Vorgutachten bereits mitberücksichtigt und unter laufender Nummer 1 mitumfasst. Eine Änderung der Funktionseinschränkung ist nicht objektivierbar. Der Status psychicus der Beschwerdeführerin zeigte sich im Rahmen der persönlichen Untersuchung „Kooperativ und freundlich, gut auskunftsfähig, bewußtseinsklar, voll orientiert, kein kognitivmnestisches Defizit, Gedankenductus: geordnet, kohärent; ficiert auf Beschwerden, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage subdepressiv, angespannt, nervös, in beiden Bereichen affizierbar; vermehrt im Negativen, Affekte: angepasst, keine produktive Symptomatik“. Psychologische Befundberichte, welche einen schlechteren psychischen Gesundheitszustand befunden, als gutachterlich festgestellt, liegen nicht vor. Eine höhere Einstufung des Grades der Behinderung ist nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung nicht möglich.

Die medizinische Sachverständige stufte das Leiden 2 „Endometriose mit Hypermenorrhoe und Dysmenorrhoe“ unter der Positionsnummer 08.03.03 mit einem Grad der Behinderung von 20 vH ein, da trotz erfolgter Operation noch erhebliche Beschwerden vorliegend sind.

Die medizinische Sachverständige stufte das Leiden 3 „Skoliose der Wirbelsäule“ unter der Positionsnummer 02.01.01 mit einem Grad der Behinderung von 10 vH ein, da zwar eine Fehlstellung vorliegt, die Beweglichkeit aber gut erhalten ist.

Das Leiden 4 „Funktionsstörung der Schilddrüse (Hashimoto-Thyreoiditis)“ wurde von der neurologischen Sachverständigen unter der Positionsnummer 09.01.01 mit einem Grad der Behinderung von 10 vH eingestuft, da diese gut behandelbar ist und die Substitutionstherapie komplikationslos verläuft. Aus der Einschätzungsverordnung geht hervor, dass die Funktionseinschränkungen der endokrinen Erkrankungen, zu denen auch die Schilddrüsenerkrankung zählt, nach den Funktionseinschränkungen und Therapiemöglichkeiten einzuschätzen sind. Bei gut einstellbaren medikamentösen Substitutionen ohne oder mit geringster Entgleisungswahrscheinlichkeiten und stabiler Erkrankung ist die Einstufung mit 10 vH bis 20 vH den Kriterien der Einschätzungsverordnung entsprechend. Daher ist die vorgenommene Einstufung der Gesundheitsschädigung mit
10 vH aufgrund der komplikationslosen Therapie jedenfalls schlüssig und nachvollziehbar.

Die neurologische Sachverständige stufte das Leiden 5 „elektroneurographisch diagnostizierte Polyneuropathie der Beine“ schlüssig und nachvollziehbar nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 04.06.01 mit einem Grad der Behinderung von 10 vH ein, da Gefühlsstörungen ohne motorische Einbußen objektivierbar sind. Die nunmehr objektivierbare Polyneuropathie wurde neu in die Liste der Funktionseinschränkungen aufgenommen und erstmalig nach der Einschätzungsverordnung eingestuft. Die Beschwerdeführerin zeigte im Rahmen der persönlichen Untersuchung einen unauffälligen Gang und Stand, der Zehen- und Fersenstand waren unauffällig. Die Beschwerdeführerin gab Parästhesien der Füße beidseits an. Daher waren nur sensible und motorische Ausfälle leichten Grades der objektivierbaren Polyneuropathie feststellbar und erfolgte die Einstufung des Grades der Behinderung dieser Funktionseinschränkung sohin schlüssig und nachvollziehbar mit 10 vH. Die von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde angeführten Gehblockaden sind nicht befundmäßig dokumentiert. Im Zuge der persönlichen Untersuchung zeigte sich eine uneingeschränkte Mobilität und kam die Beschwerdeführerin frei gehend zur Untersuchung. Der Beinvorhalteversuch gelang ohne Absinken und war die Kraft der unteren Extremitäten seitengleich unauffällig.

Die medizinische Sachverständige führte aus, dass sich der Grad der Behinderung des führenden Leidens durch die anderen Leiden nicht weiter erhöht, da keine relevanten nachteiligen wechselseitigen Beeinflussungen vorliegen und die bereits überschneidenden Einschränkungen in Leiden 1 miterfasst wurden. Eine höhere Einstufung des Gesamtgrades der Behinderung ist sohin nicht vorzunehmen.

Wenn die Beschwerdeführerin vermeint, ihr Gesundheitszustand habe sich verschlechtert, so ist darauf zu verweisen, dass die neurologische Sachverständige die nunmehr objektivierbare Polyneuropathie neu in die Liste der Funktionseinschränkungen aufgenommen hat und erstmals eingestuft hat. Diese Funktionseinschränkung hat jedoch mangels nachteiliger wechselseitiger Beeinflussung zum führenden Leiden 1 keine Auswirkungen auf den Gesamtgrad der Behinderung. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Verschlechterung ihres psychischen Krankheitsbildes ist nicht befundmäßig objektiviert, sie befindet sich zwar in einer Psychotherapie, jedoch sind die objektivierbaren Leiden Verdacht auf Persönlichkeitsstörung und Anorexia nervosa in Leiden 1 bereits ausreichend mitberücksichtigt. Eine Erhöhung des Grades der Behinderung des Leidens 1 ist dadurch nicht vorzunehmen.

Die Behörde (bzw. das Gericht) hat ein Gutachten auf seine Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten hat die Behörde nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen; will eine Partei außer dem vorliegenden schlüssigen und vollständigen Gutachten noch ein weiteres in das Verfahren einbezogen wissen, steht es ihr frei, selbst ein Gutachten eines privaten Sachverständigen zu beschaffen und vorzulegen. Die belangte Behörde und der Beschwerdeführer sind den getroffenen Feststellungen nicht entgegengetreten, weshalb das Gericht die im Gutachten getroffenen Feststellungen ohne weitere Ermittlungen dem Sachverhalt zugrunde gelegt hat.

Es kann den Einwendungen der Beschwerdeführerin angesichts des Inhalts des Gutachtens nicht gefolgt werden. Die Beschwerdeführerin konnte weder eine Unschlüssigkeit oder Unvollständigkeit des Gutachtens aufzeigen noch ist er ihm auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Auch sind an der Person der Sachverständigen keine Bedenken aufgetreten.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das eingeholte Sachverständigengutachten daher als schlüssig, vollständig und nachvollziehbar. In einer Zusammenschau des Gutachtens und dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin dem Gutachten nicht entgegentreten ist, geht der erkennende Senat davon aus, dass das Sachverständigengutachten bzw. der darin festgelegte Grad der Behinderung von 50 vH der Entscheidung zugrunde zu legen ist.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

Auszug aus der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) idgF:

„Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
-         sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
-         zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.“

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

Da ein Grad der Behinderung von 50 (fünfzig) vH festgestellt wurde, war spruchgemäß zu entscheiden.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

Der Rechtsprechung des EGMR kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.4.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.6.1993).

Im Erkenntnis vom 18.01.2005, GZ. 2002/05/1519, nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR (Hinweis Hofbauer v. Österreich, EGMR 2.9.2004) Bezug, wonach ein mündliches Verfahren verzichtbar erscheint, wenn ein Sachverhalt in erster Linie durch seine technische Natur gekennzeichnet ist. Darüber hinaus erkennt er bei Vorliegen eines ausreichend geklärten Sachverhalts das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise an, welches das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestatte (vgl. VwGH vom 4.3.2008, 2005/05/0304).

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde auf gutachterlicher Basis ermittelt. Zudem wurde vom Beschwerdeführer in der Beschwerde kein Vorbringen erstattet, welches eine weitere Erörterung notwendig erschienen ließ.

Im Hinblick auf obige Überlegungen sah der erkennende Senat daher unter Beachtung der Wahrung der Verfahrensökonomie und -effizienz von einer mündlichen Verhandlung ab, zumal auch eine weitere Klärung der Rechtssache hierdurch nicht erwartbar war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W218.2231739.1.00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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