TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/22 W218 2222311-1

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Veröffentlicht am 22.09.2020
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Entscheidungsdatum

22.09.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W218 2222311-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Marion STEINER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , gegen den am 01.08.2019 ausgestellten Behindertenpass des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, betreffend die Höhe des Grades der Behinderung, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Mit Datum vom 01.08.2019 wurde dem Beschwerdeführer ein unbefristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60 vH ausgestellt. Dem Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

2.       Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass seine Beschwerden sich jedes Jahr verstärken würden. Der Beschwerdeführer könne aufgrund seiner offenen Stelle am linken Knöchel keine Schuhe tragen und könne er daher auch keine längeren Strecken zu Fuß zurücklegen. Das Stiegen steigen bereite ihm zudem starke Schmerzen.

3.       Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 12.08.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

4.       Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt, das einen Gesamtgrad der Behinderung von 60 vH ergab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 60 vH.

Der Beschwerdeführer leidet an folgenden Funktionseinschränkungen:

1. Homonyme Hemianopsie links, Pos.Nr.: 11.02.14, Grad der Behinderung 50 %

2. Knöchern geheilter Unterschenkel/Knöchelbruch links, Pos.Nr.: 02.05.32, Grad der Behinderung 30 %

3. inkomplette Peroneuslähmung links, Pos.Nr.: 04.05.13, Grad der Behinderung 20 %

4. Knöchern geheilter Oberschenkelbruch links mit Beinverkürzung 3 cm, Pos.Nr.: 02.05.02, Grad der Behinderung 20 %

5. Zustand nach Gehirnblutung mit diskreter Ataxie beider unterer Extremitäten, Pos.Nr.: 04.01.01, Grad der Behinderung 10 %

2.       Beweiswürdigung:

Das eingeholte Sachverständigengutachten ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Im medizinischen Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie, Msc. Orthopädie, wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, am 22.05.2020, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die medizinische Sachverständige stufte das führende Leiden 1 „Homonyme Hemianopsie links“ unter der Positionsnummer 11.02.04 mit dem fixen Rahmensatz von 50 vH ein, da eine laterale Gesichtsfeldeinschränkung besteht. Im Vergleich zum Vorgutachten, basierend auf der Begutachtung am 14.09.1999, wird der Grad der Behinderung aufgrund der erstmaligen Einstufung durch die Einschätzungsverordnung um eine Stufe erhöht.

Die unfallchirurgische Sachverständige stufte das Leiden 2 „Knöchern geheilter Unterschenkel/Knöchelbruch links“ schlüssig und nachvollziehbar nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 02.05.32 mit einer Stufe unter dem oberen Rahmensatz mit einem Grad der Behinderung von 30 vH ein. Die Sachverständige begründete die Einstufung mit dem Vorliegen einer Verdickung und „Zustand nach Sequesterentfernung mit instabiler Narbe ohne Hinweis für Osteomyelitis“ sowie der objektivierten mäßigen Einschränkung des Bewegungsumfanges. Im Zuge der persönlichen Untersuchung begutachtete die Sachverständige das linke Sprunggelenk ausgiebig und konnte sie eine Narbe, die lateral verbreitert, aber geschlossen ist, objektivieren. Diese Narbe ist glasig über dem Außenknöchel und konnte im Innenknöchel eine punktförmige Erosion mit einem minimal serösem Sekretsaum festgestellt werden. Am Außenknöchel ist die Haut geschlossen. Die Sachverständige konnte keine Hinweise auf eine darunterliegende Erkrankung feststellen. Das Sprunggelenk zeigte sich dabei geringgradig umfangsvermehrt, die Umgebung war nicht gerötet und zeigte keine Schwellung sowie keine Überwärmung. Die aktive Beweglichkeit des linken Sprunggelenkes war endlagig eingeschränkt. Dem Beschwerdeführer ist das Tragen von Schuhen sowie das Zurücklegen kurzer Wegstrecken bei entsprechender Versorgung der Wunde jedenfalls möglich. Der Beschwerdeführer legte im Zuge des verwaltungsbehördlichen Verfahrens und in der Beschwerde keine Befunde vor, die seine Angaben untermauern würden und stellen das vorliegende Gutachten sowie das verwaltungsbehördliche Sachverständigengutachten die einzigen aktuellen Untersuchungen des Beschwerdeführers dar. Aus der Einschätzungsverordnung geht zudem hervor, dass unter der angeführten Positionsnummer eine „Funktionseinschränkung bis Versteifung einseitig“ des Sprunggelenkes mit einem Grad der Behinderung von 10 vH bis 40 vH einzustufen ist. Eine Versteifung konnte gutachterlich nicht festgestellt werden und wird vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet, die Einstufung mit 30 vH ist daher den objektivierbaren Funktionseinschränkungen entsprechend vorgenommen worden. Die Einstufung des Leiden 2 änderte sich im Vergleich zum Vorgutachten, basierend auf der Untersuchung des Beschwerdeführers am 14.09.1999, nicht und zeigt sich unter erstmaliger Einstufung mit der Einschätzungsverordnung gleichbleibend, da anhaltende geringe Funktionseinschränkungen im Sprunggelenk vorliegen. Eine Verschlechterung der Funktionseinschränkung ist mangels Vorliegen von Befunden nicht objektivierbar. Die im Zuge der Gutachtenserstellung, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 05.07.2018, aufgezeigte Verschlechterung durch die offene Wunde am linken Außenknöchel, zeigte nun eine Besserung und ist diese nunmehr ausreichend abgeheilt, sodass die Beibehaltung des Grades der Behinderung wie im Vorgutachten aus dem Jahr 1999 schlüssig und nachvollziehbar ist.

Die medizinische Sachverständige stufte das Leiden 3 „Inkomplette Peroneuslähmung links“ unter der Positionsnummer 04.05.13 mit dem unteren Rahmensatz, mit einem Grad der Behinderung von 20 vH ein. Im Zuge der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers konnte eine Gefühlsstörung objektiviert werden, doch liegt eine seitengleiche Bemuskelung vor, das Bandmaß zeigte beidseits eine Dicke der Unterschenkel von 42 cm, und liegt keine objektivierbare Schwäche vor. Im Zuge der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers war ihm das Abheben der gestreckten unteren Extremitäten beidseits bis 60° bei einem Kraftgrad von 5 möglich. Beim Beschwerdeführer liegt eine gestörte Sensibilität im Bereich des linken Vorfußes bei etwa seitengleicher Beschwielung vor. Die Zehen waren bei der persönlichen Untersuchung seitengleich frei beweglich. Mangels Vorliegen anderslautender Befunde ist der Beurteilung der unfallchirurgischen, orthopädischen Sachverständigen zu folgen, insbesondere da diese mit der orthopädischen Beurteilung im Zuge des verwaltungsbehördlichen Verfahrens übereinstimmt. Aus der Einschätzungsverordnung geht hervor, dass unter der angeführten Positionsnummer mit einem Grad der Behinderung von 20 vH „Fußhebung beeinträchtigt, keine Stürze“ einzustufen ist und geht diese Einstufung mit dem Untersuchungsergebnis einher. Im Vergleich zum Vorgutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 14.09.1999, ist der Grad der Behinderung gleichbleibend, da weiterhin Gefühlsstörungen links objektivierbar sind.

Die medizinische Sachverständige stufte das Leiden 4 „Knöchern geheilter Oberschenkelbruch links mit Beinverkürzung 3 cm“ unter der Positionsnummer 02.05.02 mit dem unteren Rahmensatz mit einem Grad der Behinderung von 20 vH ein, da eine geringgradige Einschränkung der Beweglichkeit sowohl der linken Hüfte, als auch des linken Kniegelenkes vorliegt. Im Zuge der persönlichen Untersuchung zeigte sich eine Beinverkürzung des linken Beines um 3,5 cm. In den Hüftgelenken zeigte sich kein Stauchungsschmerz und kein Rotationsschmerz und waren die Kniegelenke beidseitig unauffällig. Die aktive Beweglichkeit des rechten Hüftgelenkes war bei 0/0/110 und des linken Hüftgelenkes bei 0/0/100 und somit leicht eingeschränkt. Die aktive Beweglichkeit des Knie rechts lag bei 0/0/140 und links bei 0/0/130 und zeigte sich somit die Beweglichkeit des linken Kniegelenkes ebenfalls leicht eingeschränkt. Die tiefe Hocke war dem Beschwerdeführer zu 2/3 möglich. Die Durchblutung beider Beine ist ungestört. Das Becken des Beschwerdeführers ist links tieferstehend, etwa im Lot bei Vorliegen einer skoliotischen Fehlhaltung aufgrund der Beinlängendifferenz. Der Beschwerdeführer trägt orthopädische Schuhe mit einer Schuherhöhung links von plus 3 cm und zeigte er ein leicht links hinkendes Gangbild. In der Einschätzungsverordnung wird unter der angeführten Positionsnummer die „Beinverkürzung über 3 cm bis 8 cm“ mit einem Rahmensatz von 20 vH bis 40 vH angeführt und ist die Einstufung der medizinischen Sachverständigen des knöchern geheilten Oberschenkelbruches mit einer Beinverkürzung von 3,5 cm bei ausreichender Stabilität mit dem unteren Rahmensatz somit schlüssig und nachvollziehbar. Mangels Vorliegen von aktuellen Befunden ist der Einstufung der medizinischen Sachverständigen insbesondere aufgrund der Übereinstimmung mit dem Ergebnis des orthopädischen Sachverständigengutachtens im Zuge des verwaltungsbehördlichen Verfahrens zu folgen. Die Einstufung des Grades der Behinderung wurde im Vergleich zum Vorgutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 14.09.1999, um eine Stufe herabgesetzt, da nun erstmals die Einstufung nach der nunmehr gültigen Einschätzungsverordnung erfolgt ist.

Die medizinische Sachverständige stufte das Leiden 5 „Zustand nach Gehirnblutung mit diskreter Ataxie beider unterer Extremitäten“ schlüssig und nachvollziehbar nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 04.01.01 mit einem Grad der Behinderung von 10 vH ein, da eine sehr geringe Ausprägung vorliegt und deckt sich dies mit der Einstufung des orthopädischen Sachverständigen im Zuge des verwaltungsbehördlichen Verfahrens. Die Einstufung des Grades der Behinderung erfolgte im Vergleich zum Vorgutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung am 14.09.1999, um eine Stufe niedriger, da nunmehr lediglich eine sehr geringe Ausprägung objektivierbar ist.

Die medizinische Sachverständige stufte den Gesamtgrad der Behinderung mit 60 vH ein, da das führende Leiden 1 durch die übrigen Leiden, welche im Zusammenwirken als schwerwiegend zu betrachten sind, wegen maßgeblicher Zusatzrelevant um eine Stufe erhöht wird. Die Einstufung des Gesamtgrades der Behinderung von 70 vH kann aufgrund der erstmalig durch die Einschätzungsverordnung vorzunehmenden Einstufungen und unter Berücksichtigung der wechselseitigen Zusammenwirkungen der einzelnen Funktionseinschränkungen nicht aufrechterhalten werden. Die Einstufung des Gesamtgrades der Behinderung stimmt mit der vorgenommenen Einstufung im Zuge des verwaltungsbehördlichen Sachverständigengutachtens überein.

Im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Sachverständigengutachtens entfällt das Leiden 6 des verwaltungsbehördlichen Sachverständigengutachtens „geringe Restwunde am linken Fuß ohne Reizzeichen“, welches mit einem Grad der Behinderung von 10 vH eingestuft wurde, da diese Funktionseinschränkung bei Leiden 2 ausreichend mitberücksichtigt wurde. Eine Änderung der Einstufung des Grades der Behinderung ergibt sich dadurch nicht.

Die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind nicht Gegenstand des Verfahrens und sind daher außer Acht zu lassen.

Die Behörde (bzw. das Gericht) hat ein Gutachten auf seine Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten hat die Behörde nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen; will eine Partei außer dem vorliegenden schlüssigen und vollständigen Gutachten noch ein weiteres in das Verfahren einbezogen wissen, steht es ihr frei, selbst ein Gutachten eines privaten Sachverständigen zu beschaffen und vorzulegen. Die belangte Behörde und der Beschwerdeführer sind den getroffenen Feststellungen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, weshalb das Gericht die im Gutachten getroffenen Feststellungen ohne weitere Ermittlungen dem Sachverhalt zugrunde gelegt hat.

Mit dem Beschwerdevorbringen hat sich das seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholte Sachverständigengutachten ausführlich auseinandergesetzt. Die beauftragte Sachverständige hält – nach einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers – zusammengefasst fest, dass im Bereich des linken Sprunggelenkes bei Zustand nach Osteosynthese vor vielen Jahren sowie einer Knochensplitterentfernung vor ca. zwei Jahren eine mäßige Bewegungseinschränkung noch objektivierbar ist. Es liegt aber nur eine mäßige Umfangsvermehrung und Bandstabilität vor. Es liegt aktuell eine punktförmige zart nässende Stelle im Bereich des linken Sprunggelenkes vor, welche es dem Beschwerdeführer nicht verunmöglichen, Schuhe zu tragen. Darüber hinaus gab der Beschwerdeführer in der Anamneseerhebung an, verschiedene Schmerzmittel zu nehmen, doch liegen keine Facharztbefunde über eine etablierte analgetische Basistherapie vor, sodass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht objektivierbar ist.

Es wurde dem Vorbringen des Beschwerdeführers somit nachvollziehbar, schlüssig und vollständig entgegen getreten und kann den Einwendungen des Beschwerdeführers angesichts des Inhalts des Gutachtens nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer konnte weder eine Unschlüssigkeit oder Unvollständigkeit des Gutachtens aufzeigen noch ist er ihm auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Auch sind an der Person der Sachverständigen keine Bedenken aufgetreten.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das eingeholte Sachverständigengutachten daher als schlüssig, vollständig und nachvollziehbar. In einer Zusammenschau des Gutachtens und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer dem Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegentreten ist, sowie mangels Vorliegen von Befunden geht der erkennende Senat davon aus, dass das Sachverständigengutachten bzw. der darin festgelegte Grad der Behinderung von 60 v.H. der Entscheidung zugrunde zu legen ist.

Der im Rahmen des Parteiengehörs erhobene Einwand war nicht geeignet die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Grad der Behinderung in Höhe von 60 vH vorliegt, zu entkräften.

Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Auch wurde im bekämpften Verfahren ein orthopädisches Gutachten eingeholt, welches im Ergebnis mit den neuerlich erstellten Sachverständigengutachten übereinstimmt.

Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

Auszug aus der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) idgF:

„Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
-         sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
-         zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.“

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

Mit der Novelle BGBl. I 57/2015 hat der Gesetzgeber für das Verfahren zur Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der Behinderten (in § 19 Abs. 1 BEinstG) und für das Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz (§ 46 BBG) ein - eingeschränktes - Neuerungsverbot eingeführt, das in den Gesetzesmaterialien als "Neuerungsbeschränkung" bezeichnet wird. § 46 BBG in der Fassung BGBl. I 57/2015 bestimmt, dass im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Die vom Beschwerdeführer nachträglich im Zuge der gutachterlichen Untersuchung am 22.05.2020 vorgelegten Befunde waren daher bei der Entscheidungsfindung nicht heranzuziehen, wobei darauf zu verweisen ist, dass nach den Ausführungen der Sachverständigen die beigebrachten Befunde zu keiner Änderung der getroffenen Einschätzung führen würden.

Da ein Grad der Behinderung von 60 (sechzig) vH festgestellt wurde, war spruchgemäß zu entscheiden.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

Der Rechtsprechung des EGMR kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.4.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.6.1993).

Im Erkenntnis vom 18.01.2005, GZ. 2002/05/1519, nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR (Hinweis Hofbauer v. Österreich, EGMR 2.9.2004) Bezug, wonach ein mündliches Verfahren verzichtbar erscheint, wenn ein Sachverhalt in erster Linie durch seine technische Natur gekennzeichnet ist. Darüber hinaus erkennt er bei Vorliegen eines ausreichend geklärten Sachverhalts das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise an, welches das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestatte (vgl. VwGH vom 4.3.2008, 2005/05/0304).

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde auf gutachterlicher Basis ermittelt. Zudem wurde vom Beschwerdeführer in der Beschwerde kein Vorbringen erstattet, welches eine weitere Erörterung notwendig erschienen ließ.

Im Hinblick auf obige Überlegungen sah der erkennende Senat daher unter Beachtung der Wahrung der Verfahrensökonomie und -effizienz von einer mündlichen Verhandlung ab, zumal auch eine weitere Klärung der Rechtssache hierdurch nicht erwartbar war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W218.2222311.1.00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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