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Verwaltungsverfahren - VStGNorm
AVG §37Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sittenthaler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Ing. PA in W, vertreten durch Dr. Friedrich Flendrovsky, Rechtsanwalt in Wien IX, Garnisongasse 10, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 19. Oktober 1988, Zl. MA 70-11/439/88/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschf1werdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 19. Oktober 1988 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei am 12. September 1986 um 19.55 Uhr in Wien I, Spiegelgasse 19, als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Pkw's an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt gewesen und habe es unterlassen, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle von diesem Unfall zu verständigen. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 begangen. Es wurden eine Geldstrafe sowie eine Ersatzarreststrafe über den Beschwerdeführer verhängt.
In der Begründung führte die belangte Behörde zum Schuldspruch im wesentlichen aus, der Verkehrsunfall sei vom Aufforderer beobachtet worden. Dieser habe in der Anzeige und bei seiner dreimaligen Vernehmung als Zeuge im wesentlichen angegeben, daß er vom Fenster seiner Wohnung den Beschwerdeführer dabei beobachtet habe, wie dieser beim Einparken mit seinem Personenkraftwagen gegen die rechte Seite des Fahrzeuges des Aufforderers im hinteren Heckbereich gestoßen und dieses dabei ruckartig erschüttert worden sei. Danach sei der Beschwerdeführer ausgestiegen, habe seinen Personenkraftwagen im möglichen Kontaktbereich (linke hintere Ecke) besichtigt und sei dann weggegangen. Der Aufforderer sei daraufhin zum Tatort gegangen und habe festgestellt, daß an seinem Fahrzeug die rechte hintere Kante leicht eingedrückt worden sei, die Zierleiste an der rechten Fahrzeugseite im Bereich der Rundung zum Heck hin Gummiabriebspuren aufgewiesen habe und vom Blech unter der hinteren Stoßstange Lack abgesplittert und auf die Fahrbahn gefallen sei. Der Sachverständige sei in seinem Gutachten zum Ergebnis gekommen, daß nach einem Vergleich mit einem zum Fahrzeug des Beschwerdeführers typengleichen Fahrzeug - dessen Fahrzeug sei im Zeitpunkt der Stellprobe bereits abgemeldet und verkauft gewesen - unter Bedachtnahme der dynamischen Fahrverhältnisse die technische Möglichkeit bestehe, beim aktenkundigen Fahrmanöver mit der linken vorderen Stoßstange des Fahrzeuges des Beschwerdeführers an der rechten hinteren Stoßstangenecke des Fahrzeuges des Geschädigten die Zierleiste und die Gummileiste abzuschürfen und den Lack zu beschädigen. Diese Kontaktnahme habe der Beschwerdeführer bei der für diese Verkehrssituation erforderlichen Aufmerksamkeit hinsichtlich einer ruckartigen Anstoßerschütterung und visuell durch die damit verbundene Bewegung des Fahrzeuges des Geschädigten bemerken müssen und er hätte somit die Möglichkeit eines Unfalles mit Sachschaden zu erkennen vermocht. Zu diesem Gutachten habe der Beschwerdeführer innerhalb der ihm eingeräumten Frist keine Stellungnahme abgegeben. Der nahezu zwei Jahre nach dem Vorfall gestellte Beweisantrag des Beschwerdeführers auf Einvernahme verschiedener Zeugen zum Beweis dafür, daß keine Kontaktierung der Fahrzeuge stattgefunden habe bzw. Schäden am Fahrzeug des Aufforderers nicht wahrnehmbar gewesen seien, sei jedoch abzuweisen gewesen, da der Beschwerdeführer nicht angegeben habe, ob und welche der angegebenen Zeugen am Tatort anwesend gewesen seien, weshalb es sich hiebei um einen unzulässigen Erkundungsbeweis gehandelt habe. Es sei auch keine neuerliche Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Beweisergebnissen des Berufungsverfahrens zu gewähren gewesen, zumal nicht hervorgekommen sei, warum eine solche, insbesondere zum technischen Gutachten, erst nach den beantragten Zeugeneinvernahmen möglich hätte sein sollen. Die belangte Behörde schenkte daraufhin den Zeugenaussagen des Aufforderers mehr Glauben als der Verantwortung des Beschwerdeführers, weil ein Zeuge auf Grund seiner verfahrensrechtlichen Stellung der Wahrheitspflicht unterliege und ihn im Falle einer Verletzung dieser Pflicht strafrechtliche Sanktionen träfen. Die Angaben dieses Zeugen seien in den entscheidungswesentlichen Punkten (Unfallshergang, Schadenseintritt, Erkennbarkeit) klar, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Außerdem ergäbe sich auch kein Anhaltspunkt, daß der Zeuge eine ihm unbekannte Person wahrheitswidrig habe belasten wollen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich zunächst dadurch in seinen Verfahrensrechten verletzt, daß die belangte Behörde die von ihm beantragten Zeugen nicht vernommen habe. Einer der beiden von ihm namhaft gemachten Zeugen sei jedenfalls Augenzeuge des Vorfalles gewesen.
Zu Recht hat die belangte Behörde diesem Antrag mit der Begründung nicht entsprochen, daß es sich hiebei um die Aufnahme eines (unzulässigen) Erkundigungsbeweis gehandelt hat: Der Beschwerdeführer hat zwar im diesbezüglichen Schriftsatz vom 17. August 1988 dargetan, worüber diese Zeugen aussagen könnten, nicht jedoch, welche dieser Personen tatsächlich anwesend war, da er ausführte, es sei entweder der Zeuge J. oder der Zeuge F., möglicherweise auch beide, Begleiter des Beschwerdeführers gewesen (Der dritte Teilnehmer dieser Gruppe sollte überhaupt erst über einen der erstgenannten Zeugen ausgeforscht werden.). So gesehen war der Antrag des Beschwerdeführers darauf gerichtet, daß die Behörde feststellen möge, ob eine bestimmte Person überhaupt Zeuge des Vorfalls war. Die belangte Behörde hat daher diesem Beweisantrag zu Recht nicht entsprochen.
Im übrigen ist dem Beschwerdeführer, wenn er der belangten Behörde einen Verstoß gegen die Grundsätze eines „fair trial“ im Sinne der Art. 6 und 7 MRK vorwirft, was eine Verletzung der dem Beschwerdeführer verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte darstellen würde, daran zu erinnern, daß zur Prüfung dieser Frage nicht der Verwaltungsgerichtshof, sondern der Verfassungsgerichtshof zuständig ist.
Der Beschwerdeführer bemängelt weiters, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, ihm noch Gelegenheit zu geben, zu den übrigen Beweisergebnissen des Verfahrens „erster“ Instanz Stellung zu nehmen, nachdem sie sich über seinen Beweisantrag auf Vernehmung der beiden namhaft gemachten Zeugen hinweggesetzt habe. Ihm sei dadurch die Möglichkeit, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu entkräften, genommen.
Mit diesem Vorbringen scheint der Beschwerdeführer zu übersehen, daß seinem Vertreter einerseits von der Erstbehörde am 21. April 1987 und 15. Juli 1987 der Inhalt der Anzeige sowie der Inhalt der jeweiligen Ermittlungsergebnisse vorgehalten wurde, andererseits dieser auf Grund einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme durch die belangte Behörde seine Stellungnahme vom 17. August 1988 abgab. Der Beschwerdeführer hatte solcherart ausreichend Gelegenheit, seinen Standpunkt zu der ihm angelasteten Tat sowie zu den über Auftrag der belangten Behörde ergänzend ermittelten Beweisergebnissen darzulegen. Daß er hievon seiner Auffassung nach keinen ausreichenden Gebrauch gemacht hat, ist nicht von der belangten Behörde zu vertreten.
Der Verwaltungsgerichtshof kann daher eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens in der vom Beschwerdeführer behaupteten Hinsicht nicht feststellen.
Was die Rechtsrüge des Beschwerdeführers betrifft, genügt es darauf hinzuweisen, daß für die Vollendung der ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretung die Schuldform der Fahrlässigkeit ausreicht. Weder die Vorschrift des § 44a lit. a VStG 1950 noch jene des § 4 Abs. 5 StVO 1960 gebieten - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - in einem derartigen Fall die Feststellung im Spruch, ob dem Beschuldigten die Schuldform des Vorsatzes oder der Fahrlässigkeit zur Last fällt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1987, Zl. 87/02/0146). Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten hg. Erkenntnisse vom 9. September 1968, Zl. 620/68 (ZVR 1969 Nr. 226), und vom 21. Februar 1977, Zl. 2194/76 (ZVR 1978 Nr. 72), besagen nichts anderes. Im übrigen führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zum Ausmaß des Verschuldens aus, es sei weder hervorgekommen, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können. Aus dieser Begründung ist zweifelsfrei ein fahrlässiger Tatvorwurf ersichtlich. Welche weiteren wesentlichen Teile des „schuldbegründeten Sachverhaltes“ im Spruch des angefochtenen Bescheides fehlen, wurde vom Beschwerdeführer nicht konkret dargetan und vermag der Verwaltungsgerichtshof das Fehlen wesentlicher Sachverhaltselemente nicht zu erkennen.
Die sohin unbegründete Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Wien, am 28. Juni 1989
Schlagworte
Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Straßenpolizei Kraftfahrwesen Beweismittel Zeugenbeweis Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Zeugenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Erheblichkeit des BeweisantragesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1989:1988020222.X00Im RIS seit
23.11.2020Zuletzt aktualisiert am
23.11.2020