TE Vwgh Beschluss 2020/11/4 Ra 2020/20/0366

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Veröffentlicht am 04.11.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §45 Abs3
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des K I, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. August 2020, L512 2151216-1/25E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte am 15. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den er im Wesentlichen damit begründete, dass er in seinem Herkunftsstaat aufgrund seiner politischen Tätigkeit sowie seiner Konversion zum Christentum verfolgt werde. Zudem sei er vor dem Dienst im iranischen Militär geflüchtet.

2        Mit Bescheid vom 3. März 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Bundesverwaltungsgericht für nicht zulässig.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die vorliegende Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesverwaltungsgericht habe sich aufgrund einer antizipierenden Beweiswürdigung und unter bloßer Berufung auf das Argument, dass alle aus dem Iran stammenden Urkunden leicht zu fälschen seien, mit einer vom Revisionswerber vorgelegten, an sein „Elternhaus“ adressierten Ladung zum Vorwurf „Konversion zum Christentum und Werbung von Christentum“ sowie mit einer (ebenfalls durch den Revisionswerber übermittelten) Bestätigung einer iranischen Universität an die „Militärstellungskommission“, die rechtlich als Einberufungsbefehl zu qualifizieren sei, nicht ordnungsgemäß auseinandergesetzt.

8        Dieser Vorwurf verfängt schon deshalb nicht, weil das Bundesverwaltungsgericht entgegen den Behauptungen des Revisionswerbers die in Rede stehenden Beweismittel (auch unter inhaltlichen Gesichtspunkten) eingehend würdigte. Dass das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang von der in der Revision zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 18.4.2002, 2001/01/0397) abgewichen wäre, wird nicht dargetan.

9        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 30.7.2020, Ra 2019/20/0383, mwN). Dass die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts mit einem derart gravierenden Mangel behaftet wäre, zeigt die Revision nicht auf.

10       Wenn die Revision eine Verletzung des „Überraschungsverbots“ darin erblickt, dass dem Revisionswerber im verwaltungsgerichtlichen Verfahren näher genannte Beweisergebnisse nicht vorgehalten worden seien, übersieht sie, dass unter dem „Überraschungsverbot“ das Verbot zu verstehen ist, dass die Behörde in ihre rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren. Die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum „Überraschungsverbot“ entwickelten Grundsätze sind auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten maßgeblich (vgl. VwGH 4.4.2019, Ra 2018/21/0169, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits festgehalten, dass der ermittelte Sachverhalt, wenn die eigenen Angaben der Partei die wesentliche Entscheidungsgrundlage bilden, sowie die Würdigung der von der Partei selbst stammenden Beweismittel - wie im vorliegenden Fall die in Rede stehenden Schriftstücke - und die darauf gestützte rechtliche Beurteilung dieser Partei nicht vor der Entscheidung zur Kenntnis gebracht werden müssen (vgl. VwGH 28.11.2019, Ra 2019/19/0494, mwN).

11       Abgesehen davon, dass im Rahmen der vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Verhandlung die vom Revisionswerber vorgelegten Beweismittel erörtert wurden, beruhen die Ausführungen der Zulässigkeitsbegründung auf der unzutreffenden Auffassung, das Bundesverwaltungsgericht wäre verpflichtet gewesen, dem Revisionswerber vorab bekannt zu geben, dass und aus welchen Gründen es sein Fluchtvorbringen (insbesondere hinsichtlich seiner Verpflichtung zum Militärdienst im Iran) für unglaubwürdig erachte.

12       Schließlich ging das Bundesverwaltungsgericht aus näher dargelegten Erwägungen davon aus, dass betreffend die vom Revisionswerber behauptete Verpflichtung zur Ableistung des Wehrdienstes im Iran selbst bei Wahrunterstellung des diesbezüglichen Vorbringens die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung nicht bestehe. Dieser Argumentationslinie des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Zulässigkeitsbegründung nichts Stichhaltiges entgegen.

13       In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 4. November 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200366.L00

Im RIS seit

09.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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